Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 05.02.2004, Az.: 203-VgK-43/2003

Vergaberechtliche Zulässigkeit der Einschaltung eines kommunalen, exterritorial tätigen Entsorgungsunternehmens als Nachunternehmer; Geltung des Wettbewerbsausschlusses des § 7 Nr. 6 Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A) für ewerbswirtschaftlich organisierte kommunale Unternehmen; Anforderungen an den Ausschluss eines Angebots mangels Vollständigkeit von der Angebotswertung; Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Vollständigkeit der Angebote im Vergabeverfahren; Umfang des Ermessensspielraums des Auftraggebers bei der Bewertung der Eignung der Bieter ; Anforderungen an die Prüfung der Auskömmlichkeit eines Angebotes unter Berücksichtigung der grundsätzlichen Freiheit des Bieters in der Preisgestaltung; Anforderungen an die Darlegung der Antragsbefugnis im Vergabenachprüfungsverfahren; Berücksichtigung des Informationsstandes des Bieters bei der Festlegung der Anforderungen an den Inhalt eines Vergabenachprüfungsantrags

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
05.02.2004
Aktenzeichen
203-VgK-43/2003
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33768
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Entsorgung der Restabfälle des ... und des ...

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Dipl.-Ing. Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer BOR Weyer
auf die mündliche Verhandlung vom 05.02.2004
beschlossen:

Tenor:

Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Die Kosten werden auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Die Antragstellerin hat den Auftraggebern und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für die Auftraggeber als auch für die Beigeladene notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeber haben mit EU-Vergabebekanntmachung 203/S 118-105997 vom 21.06.2003 in einem europaweit offenen Verfahren die Entsorgung von Restabfällen des Abfallwirtschaftsbetriebs Landkreis ... und des Zweckverbands Abfallwirtschaft ... sowie den Umschlag/Transport der Restabfälle des Abfallwirtschaftsbetriebs Landkreis ... ab dem 01.06.2005 bis zum 31.12.2022 ausgeschrieben. Hierbei wurde der Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis ... treuhänderisch mit der gesamten Vergabe beauftragt. Im Einvernehmen der Auftraggeber wurden für die abfalltechnische und betriebswirtschaftliche Beratung die ... GmbH (Ing.-Büro) sowie für die vergaberechtliche Beratung die ... mbH beauftragt, die Ausschreibung als Sachverständige gem. § 6 VOL/A zu begleiten. Die Begleitung der Ausschreibung umfasste die jeweils gemeinsame Erstellung der Verdingungsunterlagen, die Prüfung und Wertung der Angebote sowie Erarbeitung des Vergabevorschlags durch diese Sachverständigen.

2

Entsprechend der Vergabebekanntmachung war die Gesamtleistung in 7 Einzellose unterteilt. Darüber hinaus konnten für bestimmte in den Ausschreibungsunterlagen vorgegebene Kombinationen der Lose Angebote abgegeben werden. Die Losgliederung ergibt sich zum einen aus den Teilzeiträumen des gesamten Vertragszeitraums von 17 Jahren und 7 Monaten und zum anderen aus den Teilmengen der Entsorgungsgebiete:

3

  • Teilzeitraum 1: vom 01.06.2005 bis 31.12.2012 (7 Jahre und 7 Monate)
  • Teilzeitraum 2: vom 01.01.2013 bis 31.12.2017 (5 Jahre)
  • Teilzeitraum 3: vom 01.01.2018 bis 31.12.2022 (5 Jahre)
  • Zweckverband Abfallwirtschaft ... (bis zu 45.000 t pro Jahr)
  • Abfallwirtschaftsbetrieb Landkreis ... (bis zu 30.000 t pro Jahr)

4

Mit der Aufteilung in Lose/Loskombinationen sollten auch mittelständische Unternehmen angesprochen werden.

5

In dem der Ausschreibung zugrunde liegenden "Leitfaden zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen" heißt es zur Aufteilung der Lose/Loskombinationen unter 2.3.1 "Grundsätzliches":

"Die Ausschreibung und die Vergabe der Leistungen erfolgt nach Losen und/oder Kombinationen aus diesen Losen. Die Leistung ist in 7 Lose und 5 Kombinationen unterteilt. Die Lose setzen sich aus dem Los 1 für die Gesamtleistung und den Losen 2 - 7 für Teilmengen und Teilzeiträume der Gesamtleistung zusammen. Los 1 umfasst somit die Leistungen der Lose 2 - 7. Für Los 1 muss ein Angebot abgegeben werden. Darüber hinaus kann für die Lose 2 - 7 und für die Kombinationen 1 - 5 ein Angebot abgegeben werden."

6

Unter 2.3.4 "Kombination für Teilzeiträume/Teilmengen" des Leitfadens heißt es weiter:

"Die Teilleistungen, d. h. die Lose 2 bis 7, können auch kombiniert angeboten werden. Eine Kombination besteht aus jeweils mehreren Teilmengen und Teilzeiträumen. Es dürfen nur die vorgegebenen Kombinationen angeboten werden. Werden andere Loskombinationen im Rahmen von Angeboten unterstellt, so führt dies zum Ausschluss des Angebots."

7

Entsprechend Abschnitt 2.6 des Leitfadens zur Ausschreibung sollte die Entscheidung über den Zuschlag ausschließlich auf der Grundlage des Angebotspreisesüber den jeweiligen Vertragszeitraum erfolgen. Die Auftraggeber behielten sich vor, den Zuschlag entweder auf das Los 1 - gesamte Leistung über den gesamten Zeitraum - oder aber auf eine Zusammensetzung aus den Losen 2 bis 7 und/oder aber der Kombinationen 1 bis 5 zu erteilen, soweit dieses wirtschaftlich günstiger gewesen wäre als die Vergabe der gesamten Leistung an einen Bieter. Die Entsorgungskosten sollten pro Los bzw. pro Kombination auf der Grundlage der von den Bietern angegebenen Entgelte, der Preisgleitung sowie den Rahmenbedingungen der Auswertung über die Vertragslaufzeit des Loses bzw. der Kombination ermittelt werden.

8

Bis zum Ablauf der Angebotsfrist forderten insgesamt 21 Interessenten bei den Auftraggebern die Verdingungsunterlagen ab. Bis zum Ende der Angebotsfrist am 29.08.2003, 11:00 Uhr, wurden insgesamt vier Angebote bei den Auftraggebern eingereicht, darunter die Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen mit jeweils einem Hauptangebot. Eine weitere Entsorgungsfirma hatte sowohl ein Hauptangebot als auch ein Nebenangebot eingereicht.

9

Die vorgelegten Angebote wurden zunächst hinsichtlich der Kriterien des § 23 Nr. 1 und 2 VOL/Aüberprüft. Im Ergebnis konnten alle vorgelegten Angebote in die abschließende Wertung einbezogen werden. Entsprechend dem Vermerk über die Prüfung und Wertung der Angebote vom 21.10.2003, der von dem mit der Abwicklung der Ausschreibung beauftragten o. g. Fachbüros gefertigt wurde, erfolgte die abschließende Wertung der Angebote in drei Schritten:

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  • Prüfung der Eignung der Bieter
  • Prüfung der Richtigkeit der Los- und Kombinationsmöglichkeiten
  • Bewertung der Angebote anhand des Zuschlagskriteriums

11

Entsprechend dem vorgenannten Vermerk wurden die Angebote darüber hinaus noch hinsichtlich der Auskömmlichkeit und der Wirtschaftlichkeit geprüft. Im Ergebnis sollte den Auftraggebern ein durch die einzelnen Prüf- und Wertungsschritte untersetzter Vergabevorschlag unterbreitet werden.

12

In einem ersten Schritt wurden hierzu zunächst die Eignungskriterien gem. § 97 Abs. 4 GWB i.V.m. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A, nämlich Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit der Bieter und der im Angebot benannten Subunternehmen überprüft. Der Vermerk über die Prüfung der Eignungskriterien schließt mit dem Ergebnis:

"Alle anbietenden Unternehmen verfügen u.a.über die folgenden geforderten Nachweise zur Feststellung der Eignung hinsichtlich Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit:

- Referenzen für Entsorgung, Umschlag und Transport

- Zertifizierung als Entsorgungsfachbetriebe

- eigene Entsorgungskapazitäten

- Nachweis des Ausfallverbundes

- niedriges Risikorating bzw. -schätzung (Quelle: Dun & Bradstreet)

Die in der Arbeitsgemeinschaft ... zusammengeschlossenen Bieter sind allesamt als geeignet anzusehen."

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In einem weiteren Schritt folgte die Prüfung der Richtigkeit der Los- und Kombinationsmöglichkeiten entsprechend den Randbedingungen der Abschnitte 2.3.1 und 2.3.4 des der Ausschreibung zugrunde liegenden Leitfadens (siehe oben). Danach waren in dem Hauptangebot der Beigeladenen alle Lose (Lose 1 bis 7) und alle angebotenen Kombinationen (Kombination 4 und 5) wertbar. Hinsichtlich des Angebotes der Antragstellerin wurde festgestellt, dass nur das Los 1 der Antragstellerin wertbar sei. Die Kombinationen 4 und 5 der Beigeladenen wurden als nicht zulässig gewertet, da für die Kombination 4 die hierzu zugehörigen Lose 2, 4, 6 und für die Kombination 5 die hierzu zugehörigen Lose 3, 5, 7 nicht angeboten worden seien.

14

In einem letzten Schritt wurde die Auswertung der Angebote anhand der umfangreichen Randbedingungen des Leitfadens zur Ausschreibung vorgenommen. Die Auswertung schließt mit dem Ergebnis, dass das Los 1 der Beigeladenen dasjenige Los sei, bei dem das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis erzielt worden wäre. Eine Zusammensetzung von Einzellosen und/oder Kombinationen führe zu keinem wirtschaftlicheren Ergebnis. Die anschließende Angemessenheitsprüfung der Angebote schließt mit der Feststellung, dass sämtliche Angebote technisch plausibel und betriebswirtschaftlich auskömmlich gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A kalkuliert worden seien. Anhaltspunkte dafür, dass ein Angebot unauskömmlich im Sinne von § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A sei, seien nicht gegeben. Als Ergebnis wird den Auftraggebern schließlich der Vorschlag unterbreitet, unter Berücksichtigung aller Prüfungs- und Wertungskriterien den Zuschlag auf das Los 1 des Hauptangebotes der Beigeladenen zu erteilen.

15

Mit Datum vom 16.12.2003 benachrichtigen die Auftraggeber die Bieter gem. § 13 VgV darüber, dass beabsichtigt sei, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

16

Mit Schreiben vom 24.12.2003 rügt die Antragstellerin gegenüber den Auftraggebern die beabsichtigte Vergabeentscheidung. Zur Begründung führt sie aus, dass sie äußerst knapp kalkuliert habe. Sie gehe insoweit davon aus, dass sie unter Berücksichtigung der Zuschlagskriterien bereits das wirtschaftlichste Hauptangebot abgegeben habe. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass das Angebot der zur Beauftragung vorgesehenen Bietergemeinschaft wegen offenbaren Missverhältnisses zwischen Preis und Leistung hätte ausgeschlossen werden müssen. Das Angebot der Beigeladenen hätte dementsprechend gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 und Abs. 3 VOL/A geprüft werden müssen. Dies sei augenscheinlich nicht geschehen. Auch sei davon auszugehen, dass die zur Beauftragung vorgesehene Beigeladene die Vertragserfüllung zum vorgesehenen Vertragsbeginn nicht gewährleisten könne. Danach wäre das Angebot der zur Beauftragung vorgesehenen Bietergemeinschaft nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht zu berücksichtigen gewesen. Unklar bliebe nach der Information vom 16.12.2003 auch, aus welchem Grunde eine ganzheitliche Vergabe bezogen auf das Los 1 wirtschaftlicher sein solle. Darüber hinaus sei die Information vom 16.12.2003 unzureichend. Das Bayerische Oberste Landesgericht habe festgestellt, dass eine knappe Angabe des Grundes der Nichtberücksichtigung allein den Bieter nicht in die Lage versetze, die Erfolgsaussichten eines von ihm erwogenen Nachprüfverfahrens abzuschätzen.

17

Mit Schreiben vom 29.12.2003, Eingang per Telefax bei der Vergabekammer am 30.12.2003, beantragt die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfverfahrens. Sie begründet darin ihren Antrag inhaltlich wie bereits in ihrem Rügeschreiben gegenüber den Auftraggebern vom 24.12.2003.

18

Mit Schriftsatz vom 19.01.2004 hat sie ihren Vortrag vertieft und ergänzt. Zunächst stellt sie fest, dass ihr in dem Informationsschreiben entsprechend § 13 VgV die Gründe für die Nichtberücksichtigung ihrer Angebote bezogen auf die Kombination 4 und 5 nicht mitgeteilt worden seien. Es sei ihr lediglich mitgeteilt worden, dass sie - bezogen auf das Los 1 - nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte. Die Information über die beabsichtigte Auftragserteilung sei nicht ausreichend und damit fehlerhaft.

19

Sie führt weiter aus, dass das Angebot der Beigeladenen bereits aus mehreren Gründen von dem Verfahren im Sinne von § 25 VOL/A i.V.m. dem "Leitfaden zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen" zwingend hätte ausgeschlossen werden müssen. Gemäß Ziffer 1.5 des Leitfadens waren dem Angebot mindestens die dort näher bezeichneten Dokumente beizulegen, unter anderem auch die Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes und die schriftliche Zusage über die erforderlichen Bürgschaften. Dem in der Vergabeakte befindlichen Protokoll über die Verhandlung zur Öffnung der Angebote vom 29.08.2003 sei jedoch zu entnehmen, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und die schriftliche Zusage über die erforderlichen Bürgschaften von der Beigeladenen überhaupt nicht beigebracht worden seien. Das Angebot der Beigeladenen sei damit zwingend von dem Verfahren auszuschließen gewesen. Ausweislich der Angebotsauswertung der Auftraggeber hätte sich die Antragstellerin in Bezug auf die Angebotspreise "Entgelte inkl. Preissteigerungen (gewichtet/brutto)" bzw. "Barwert (gewichtet/brutto)" auf dem 2. Platz befunden. Bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise, d. h. bei Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen, hätte somit ihr der Zuschlag erteilt werden müssen.

20

Auch hätte die von den Auftraggebern zur Beauftragung vorgesehene Beigeladene zwingend ausgeschlossen werden müssen, da im Falle der Beauftragung der Beigeladenen von einer unzulässigen Beeinträchtigung bzw. Verzerrung des Wettbewerbs auszugehen sei. Bei der Beigeladenen handele es sich um eine Bietergemeinschaft, deren Mitglieder ausschließlich Unternehmen seien, die hinsichtlich der Leistung "Abfallbehandlung" im Wettbewerb zueinander stünden. Die Auftraggeber setzten sich in der "Prüfung und Wertung der Angebote" an keiner Stelle mit der Frage auseinander, ob dieser Zusammenschluss zulässig gewesen sei. Denn derartige Bietergemeinschaften hätten aus einem kartellrechtlichen Blickwinkel in sich die latente Gefahr einer Wettbewerbsbeschränkung. Bereits die Anzahl der eingereichten Angebote belege, dass der Wettbewerb durch die Bildung der Beigeladenen als Bietergemeinschaft deutlich eingeschränkt wurde. Insbesondere vor dem Hintergrund der vorliegend möglichen Los- bzw. Kombinationsmöglichkeit könne die Beigeladene sich auch nicht etwa mit Kapazitätsgründen bzw. einer damit etwaig einhergehenden Marktbeitrittsfähigkeit argumentieren. Insbesondere bei der vorliegend möglichen Los- bzw. Kombinationsmöglichkeit der Leistungen hätten die sich zu der Bietergemeinschaft zusammengeschlossenen Unternehmen bzw. der Subunternehmen auch gesondert an dem Verfahren beteiligen können.

21

Weiterhin sei das Angebot der Beigeladenen auf Grund der Beteiligung der ... als hundertprozentigesöffentlich-rechtliches Unternehmen auszuschließen. Hiermit würde gegen § 7 Nr. 6 VOL/A verstoßen. Zwar sei der dort genannte Kreis der ausgeschlossenen Bewerber enger gefasst als in § 8 Nr. 6 VOB/A, da bei der erstgenannten Regelung nicht auch "Betriebe der öffentlichen Hand und Verwaltung" zu den ausgeschlossenen Bewerbern gezählt werden würden. Gleichwohl sei in der Anwendung der VOB/A und der VOL/A kein Unterschied zu machen. Der Zweck dieser Bestimmung liege vor allem in der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen, die durch die Teilnahme vonöffentlichen Betrieben am Vergabewettbewerb entstehen können. Öffentliche Unternehmen könnten ggf. günstigere Angebote als private Konkurrenten abgeben, da sie nicht zur wirtschaftlichen Kalkulation ihrer Angebote gezwungen sind. Sie können weiterhin aus öffentlichen Haushalten "quersubventioniert" sein und darüber hinaus seien sie auch nicht steuerpflichtig. Die Teilnahme der ... verzerre daher den Wettbewerb. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass die Beteiligung der ... an dem Vergabeverfahren nicht mehr durch den satzungsgemäßen Gesellschaftszweck der ... gedeckt ist.

22

Darüber hinaus verstoße die Beteiligung der ... gegen § 65 NLO i.V.m. § 108 NGO.

23

Das Angebot der Beigeladenen sei auch auf Grund der nicht hinreichend nachgewiesenen Eignung gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A nicht zu berücksichtigen. Unter Ziffer 1.5 des Leitfadens sei klargestellt, dass der Geltungsbereich für das Zertifikat Entsorgungsfachbetrieb die ausgeschriebenen Entsorgungs-, Umschlags- und Transportleistungen umfassen müsse. Der Ziffer 6.1 der "Prüfung und Wertung der Angebote" sei zu entnehmen, dass unter anderem die ... als Subunternehmer der Beigeladenen für die Durchführung von Entsorgungsleistungen vorgesehen sei. Nach dem Kenntnisstand der Antragstellerin verfüge die ... derzeit nicht über eine Abfallbehandlungsanlage. Demzufolge sei davon auszugehen, dass die ... entgegen den insoweit eindeutigen Forderungen der Verdingungsunterlagen nicht in der Lage sei, die Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb nachzuweisen.

24

Auch könne die Beigeladene entgegen den Festlegungen der Ziffer 2.4 des Leitfadens den Nachweis der Vereinbarung eines Ausfallverbundes nicht erbringen. Zwar könne die ..., wie auch die Antragstellerin selbst, auf den Ausfallverbund der Norddeutschen Abfallverbrenner verweisen. Die Antragstellerin gehe jedoch davon aus, dass die Firmen ... und ... als Subunternehmerin der Beigeladenen einen Nachweis über den Ausfallverbund nicht erbringen könne. Vorstehendes gelte auch in Bezug auf die gemäß Ziffer 2.4 des Leitfadens nachzuweisenden Entsorgungskapazitäten von mindestens 75.000 t jährlich. Die von der Beigeladenen für die Abfallbehandlung vorgesehenen Subunternehmen ... und ... seien nicht Anbieter, sondern Nachunternehmer. Damit könne es im Sinne der vorgenannten Regelung auch allein auf die Entsorgungskapazitäten der Firma ... ankommen. Nach Einschätzung der Antragstellerin sei die ... ab dem 01.06.2005 aber bereits so hohe Verpflichtungen eingegangen, dass selbst bei dem geplanten Ausbau der Entsorgungskapazität auf 525.000 t pro Jahr der geforderte Nachweis nicht erbracht werden könne.

25

Die Antragstellerin gehe weiter davon aus, dass die Firma ... als Subunternehmerin der Beigeladenen nicht den Nachweis führen könne, dass die geltenden gesetzlichen Anforderungen der 17. BImSchV bzw. 30. BImSchV eingehalten werden.

26

Die Antragstellerin beantragt

  1. 1.

    die Einleitung eines Nachprüfverfahrens,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist,

  3. 3.

    festzustellen, dass das Angebot der Beigeladenen von der Angebotswertung auszuschließen ist bzw. nicht weiter berücksichtigt werden darf

  4. 4.

    Anordnung einer Neubewertung der Angebote unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer,

  5. 5.

    Akteneinsicht,

  6. 6.

    dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfverfahren aufzugeben,

  7. 7.

    festzustellen, dass der Antragsgegner der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten hat,

  8. 8.

    festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.

27

Die Auftraggeber beantragen,

  1. 1.

    die von der Antragstellerin gestellten Anträge zurückzuweisen,

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Auftraggeber aufzuerlegen,

  3. 3.

    festzustellen, dass für die Auftraggeber die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

28

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei hinsichtlich aller behaupteten Vergaberechtsverstöße nicht hinreichend substantiiert und schon aus diesem Grund wegen Fehlens der Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB als unzulässig zurückzuweisen. Der Untersuchungsgrundsatz des § 110 Abs. 1 GWB entbinde einen Antragsteller nicht von der Pflicht, den vermeintlichen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen substantiiert in seinem Nachprüfungsantrag vorzutragen. Aus der Antragsbegründung müsse daher erkennbar sein, auf welche Tatsachen die begehrte Rechtsfolge gestützt werde. Ein Antragsteller sei zur schlüssigen Darlegung des behaupteten Anspruchs verpflichtet, d. h., er habe die Handlung bzw. Unterlassung des Auftraggebers, in der er einen Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen erkennt, schlüssig darzulegen. Demgegenüber genüge ein Antragsteller den Anforderungen an die Darlegung des Vergabeverstoßes nicht, wenn er seinen Antrag "ins Blaue hinein" stelle, ohne dass das mit dem Antrag verfolgte Begehren durch Tatsachen gestützt werde. Die Antragstellerin trüge insoweit selbst vor, dass ein Nachprüfungsantrag, der ohne Darlegung der behaupteten Rechtsverletzung erfolge, rechtsmissbräuchlich sei, da der Antrag in diesem Fall dazu diene, durch Einblick in die Vergabeakten erst die Möglichkeit zur Feststellung evtl. Vergabeverstöße zu schaffen. Vorliegend würde in dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kein Sachverhalt vorgetragen, dem ein Verstoß gegen vergaberechtliche Bestimmungen zu entnehmen wäre.

29

In Bezug auf die Behauptung der fehlenden Gewähr der Vertragserfüllung durch die Beigeladene sei aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht ersichtlich, auf welche Gründe diese Rüge gestützt sein solle. Gleiches gelte auch in Bezug auf die Behauptung einer wettbewerbsbeschränkenden und unlauteren Verhaltensweise der Beigeladenen. Aus dem Vortrag der Antragstellerin sei nicht ersichtlich, worin das behauptete "wettbewerbswidrige Verhalten" bzw. die "wettbewerbsbeschränkende Abrede" der Beigeladenen bestehen solle.

30

In Bezug auf die Behauptung der mangelnden Wirtschaftlichkeit einer ganzheitlichen Vergabe (Los 1) gegenüber der Vergabe von Teillösungen sei die Antragstellerin gar nicht antragsbefugt. Die Antragstellerin könne sich nicht auf die Vergabe von Einzellosen (Lose 2 - 7 bzw. Kombination 1 - 5) berufen, da sie selbst insoweit kein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben habe. in den Ausschreibungsunterlagen sei verpflichtend vorgegeben gewesen, dass die Abgabe eines Angebots für eine der in Rede stehenden Kombinationen (Kombination 1 - 5) zur Voraussetzung hatte, dass der Bieter ebenfalls Angebote für die jeweiligen - der Kombination zugrunde liegenden - Einzellose abgibt. Dies habe die Antragstellerin jedoch unterlassen. Von daher seien die Angebote der Antragstellerin zu den Kombinationen 4 und 5 nicht ordnungsgemäß. Mangels Ausschreibungskonformität ihrer Angebote zu den Kombinationen 4 und 5 habe die Antragstellerin somit keine echte Chance, den Zuschlag zu erhalten. Festzustellen sei somit, dass die Antragstellerin hinsichtlich des von ihr behaupteten Verstoßes der "unwirtschaftlichen Gesamtvergabe" nicht gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt sei.

31

Der Nachprüfungsantrag sei weiterhin unzulässig, da§ 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A keinen bieterschützenden Charakter habe. Die Vorschrift schütze ausschließlich die Vergabestelle vor unterkalkulierten Angeboten, bei denen grundsätzlich die Gefahr einer mangelhaften Leistung oder der Forderung von unberechtigten Nachträgen besteht.

32

Die Auftraggeber führen weiter aus, dass der bereits unzulässige Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zudem auch unbegründet sei. Das angegriffene Vergabeverfahren und die beabsichtigte Zuschlagserteilung auf das streitgegenständliche Angebot der Beigeladenen verletze keine Rechte der Antragstellerin gem. § 97 Abs. 7 GWB.

33

Zudem behaupte die Antragstellerin zu Unrecht, dass das streitgegenständliche Angebot der Beigeladenen unauskömmlich und von daher auszuschließen sei. Unzutreffend sei von daher auch die Auffassung der Antragstellerin, die Auftraggeber hätten von der Beigeladenen die erforderlichen Belege zur Überprüfung der Einzelposten der Angebote verlangen müssen, da es sich um ein ungewöhnlich niedriges Angebot handele. Aus dem Vergabevermerk der Auftraggeber sei vorliegend ersichtlich, dass das streitgegenständliche Angebot der Beigeladenen und das Angebot der Antragstellerin zu Los 1 (Vergleich des gewichteten Nettopreises) nur eine Preisdifferenz von 4,6 % aufweise. Festzustellen sei somit, dass bereits auf Grund des geringen Preisabstandes der in Rede stehenden Angebote für die Auftraggeber keine Verpflichtung gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A zu weiteren Nachfragen oder Aufklärungen in Bezug auf das streitgegenständliche Angebot der Beigeladenen bestanden habe.

34

Die Beigeladene beantragt,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin einschließlich der Einzelanträge zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Beigeladenen, aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes für die Beigeladene notwendig war.

35

Sie unterstützt den Vortrag der Auftraggeber. Die Beigeladene führt ferner aus:

36

  • Der Nachprüfungsantrag sei mangels unverzüglicher Rüge bereits unzulässig. Zwischen Zugang der Bieterinformation und Ausspruch der Rüge hätten mindestens sechs Tage gelegen. Da die behaupteten Rechtsverletzungen völlig unsubstantiiert seien, hätte es vor Einlegung des Nachprüfungsantrages keinerlei tatsächlicher oder rechtlicher, geschweige den anwaltlicher Prüfung, bedurft.
  • Entgegen der Behauptung der Antragstellerin sei auch die Bieterinformation gem. § 13 VgV inhaltlich ausreichend gewesen.
  • Die Beigeladene habe auch kein unvollständiges Angebot vorgelegt. Sie habe sämtliche geforderten Nachweise ihrem Angebot beigefügt, was sich unschwer anhand der Vergabeakte belegen ließe.
  • Es läge weiterhin auch keine unzulässige Beteiligung der ... vor. Kommunalen Unternehmen, die als GmbH organisiert sind, könne eine Teilnahme anöffentlichen Ausschreibungen nicht nach § 7 Nr. 6 VOL/A verwehrt werden. Auch sei zweifelhaft, ob es sich bei den Leistungen um eine exterritoriale Betätigung der ... handeln würde. Diese erbringe ihre Leistungen nicht auf dem Gebiet der Auftraggeber, sondern mit Hilfe der von ihr betriebenen Restabfallbehandlungsanlage auf eigenem Gebiet. Durch die Nutzung der vorhandenen Restkapazitäten würde eine Verbesserung der Wirtschaftlichkeit der Anlage erreicht, was auch für den Landkreis und die Stadt ... vorteilhaft wäre.
  • Auch die geforderten Zertifizierungen als Entsorgungsfachbetrieb lägen den Auftraggebern in Bezug auf die Mitglieder der Beigeladenen Bietergemeinschaft und des Subunternehmers ... vor. Zwar sei richtig, dass die Firma ... noch nicht als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert sei. Dies sei aber auch gar nicht möglich, da deren Behandlungsanlage noch zu errichten sei und erst am 01.05.2005 in Betrieb gehen werde. Vorher sei eine Zertifizierung gar nicht möglich, da gem. § 2 Abs. 1 EfBV zunächst eine Tätigkeit der Anlage vorliegen müsse. Darüber hinaus könne - wie die Antragstellerin selbst einräumen würde - ein Entsorgungsfachbetrieb gem.§ 7 Abs.3 Satz 1 EfVB auch nicht zertifizierte Unternehmen einsetzen, wenn dies insgesamt in einem unerheblichen Umfang geschehe. Dies sei auf Grund der für die ... vorgesehenen Teilmengen vorliegend der Fall.
  • Weiterhin unschlüssig sei der Vortrag der Antragstellerin in Bezug auf den vermeintlich fehlenden Nachweis eines Ausfallverbundes. Dieser Nachweis sei allein schon dadurch erbracht, dass die ... als Mitglied der Bietergemeinschaft dem Ausfallverbund der Norddeutschen Müllverbrenner angehöre. Sollte also einer der Entsorgungswege der Beigeladenen ausfallen, könne dies vollen Umfangs entsprechend den Vorgaben der Verdingungsunterlagen über den Ausfallverbund der ... kompensiert werden.
  • Entgegen den Behauptungen der Antragstellerin verfüge die Beigeladene auch über ausreichende Entsorgungskapazitäten zur Erfüllung des Vertrages.
  • Zu Unrecht beanstande die Antragstellerin schließlich, dass die ... nicht die Anforderungen der 30. BImSchV einhalten werde. Für die Anlage der ... gelte die Übergangsregelung des § 14 für Altanlagen, wonach die materiellen Anforderungen der Verordnung erst binnen fünf Jahren nach deren In-Kraft-Treten am 01.03.2001 umzusetzen seien. Dem werde die ..., soweit noch erforderlich, nachkommen. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass die Antragstellerin meine, dies bezweifeln zu müssen.

37

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 04.02.2004 verwiesen.

38

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin waren die Auftraggeber im Rahmen der Wertung gem. § 25 VOL/A nicht gehalten, die Bietergemeinschaft der Beigeladenen vom Vergabeverfahren auszuschließen. Auch hat die Beigeladene ausweislich der Vergabeakte ein vollständiges, den Anforderungen der Verdingungsunterlagen entsprechendes und damit wertbares Hauptangebot über die Summe aller Lose ("Los 1") abgegeben, das die Auftraggeber in nicht zu beanstandender Weise als wirtschaftlichstes Angebot im Sinne des § 25 Nr. 3 VOL/A ermittelt haben.

39

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber zu 1 handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und somit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Beim Auftraggeber zu 2 handelt es sich um einen kommunalen Zweckverband, dem u.a. vom Landkreis ... die den Kommunen originär übertragene Abfallbeseitigungspflichtübertragen wurde. Es handelt sich somit um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen und deren Mitglieder Gebietskörperschaften im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB sind. Es handelt sich somit bei dem Auftraggeber zu 2 um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB, der selbstständig und unmittelbar passiv legitimiert ist. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oderüberschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag betreffend Entsorgung von Restabfällen im Gebiet des Landkreises ... und des Zweckverbandes Abfallwirtschaft ... sowie den Umschlag/Transport der Restabfälle aus dem Landkreis ... ab dem 01.06.2005 bis zum 31.12.2022. Gemäß § 99 Abs. 1, Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,00 EUR gilt. Der Wert des streitbefangenen Auftragsüberschreitet diesen Schwellenwert bei weitem. Unter Zugrundelegung des von der Auftraggeberin ausweislich der Vergabeakte als niedrigstes Angebot ermittelten Hauptangebotes der Beigeladenen über die Summe aller Lose ("Los 1") ist über den gesamten Vertragszeitraum von einem Auftragswert von 130,66 Mio. Euro (brutto inkl. angenommener Preissteigerung) auszugehen.

40

Die Antragstellerin ist entgegen der Auffassung der Auftraggeber und der Beigeladenen auch antragsbefugt gem. § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, dass die Auftraggeber ihre Nebenangebote zu Unrecht nicht bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes berücksichtigt hätten und stattdessen in vermeintlich vergaberechtswidriger Weise das Angebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose (Los 1) als wirtschaftlichstes Angebot ermittelt hat, obwohl dieses Angebot nach Auffassung der Antragstellerin unter anderem wegen eines unangemessen niedrigen Angebotspreises gem. § 25 Nr. 2 Abs. 3 VOL/A und vor allem aber deshalb auszuschließen ist, weil an der beigeladenen Bietergemeinschaft ein Unternehmen beteiligt ist, das den streitbefangenen Auftrag auch alleine bedienen könnte, so dass das Angebot dieser Bietergemeinschaft wegen wettbewerbsbeschränkender und unlauterer Verhaltensweise gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A auszuschließen sei. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99; Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - 11/99). Der EuGH hat in seinem Urteil vom 19.06.2003 in der Rechtssache C-249/01 (vgl. dortigen amtlichen Leitsatz Nr. 2 und Rn. 23, 24 ff. der Entscheidungsgründe) zudem ausdrücklich festgestellt, dass es einem Bieter im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens ermöglicht werden muss, die Stichhaltigkeit des Grundes für den Ausschluss seiner Angebote anzuzweifeln. Zumindest eine Schlüssigkeit kann dem Vortrag der Antragstellerin nicht abgesprochen werden. Ob die geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen tatsächlich vorliegen, ist eine Frage der materiellen Prüfung im Rahmen der Begründetheit des Nachprüfungsverfahrens.

41

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber den Auftraggebern unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Die Auftraggeber haben die Antragstellerin mit Informationsschreiben gem. § 13 VgV vom 16.12.2003 darüber informiert, dass sie beabsichtigen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu Los 1 (Gesamtleistungsumfang) zu erteilen. Zum Angebot der Antragstellerin heißt es lediglich:

"Auf Ihr Angebot kann der Zuschlag nicht erteilt werden, da Ihr Angebot nicht das wirtschaftlichste Angebot darstellt."

42

Mit Anwaltsschriftsatz vom 24.12.2003, den Auftraggebern übersandt per Telefax am gleichen Tage, rügte die Antragstellerin unter Bezugnahme auf die Information gem. § 13 VgV vom 16.12.2003 die Entscheidung der Auftraggeber. Neben pauschalen Hinweisen darauf, dass die Antragstellerin davon ausgeht, dass ihr eigenes Angebot das wirtschaftlichste Angebot sei, enthält das Rügeschreiben den Hinweis darauf, dass das Angebot der Beigeladenen unangemessen sei, da bereits die Antragstellerin selbst äußerst knapp, wenn auch noch auskömmlich kalkuliert habe. Offenbar hätten die Auftraggeber nicht die erforderliche Angemessenheitsprüfung bezüglich des Angebotes der Beigeladenen vorgenommen. Auch sei davon auszugehen, dass das Angebot der beigeladenen Bietergemeinschaft gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A wegen wettbewerbsbeschränkender unlauterer Verhaltensweisen auszuschließen sei. Im Übrigen gehe sie, die Antragstellerin, davon aus, dass die Bietergemeinschaft der Beigeladenen die Vertragserfüllung zum vorgesehenen Vertragsbeginn nicht gewährleisten könne. Neben diesen pauschalen Vorwürfen enthält das Rügeschreiben den Vorwurf, dass das Informationsschreiben der Auftraggeber vom 16.12.2003 nicht den Anforderungen der Rechtsprechung des BayObLG genüge, wonach ein Bieter durch das Informationsschreiben in die Lage versetzt werden müsse, die Erfolgsaussichten eines von ihm erwogenen Nachprüfungsverfahrens abschätzen zu können. Entgegen der Auffassung der Auftraggeber und der Beigeladenen genügt dieses Rügeschreiben - auch wenn es zum Teil nur pauschale und inhaltlich nicht weiter belegte Vorwürfe enthält, inhaltlich den Anforderungen an eine Rüge gem.§ 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen sind zumindest hinsichtlich der vermeintlichen Unangemessenheit des Angebotes der Beigeladenen wie auch zum Umfang des Informationsschreibens gem. § 13 VgV hinreichend konkret und substantiiert. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Substanz des Rügeschreibens nur an dem Umfang der Information gemessen werden können, die dem Antragsteller zur Verfügung steht. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Im vorliegenden Fall betrifft die Rüge und der Nachprüfungsantrag jedoch nicht Festlegungen oder Bestandteile des Leistungsverzeichnisses. Sie betrifft ausschließlich den Wertungsvorgang selbst und die darauf folgende Entscheidung der Auftraggeber. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Bieter im VOL-Verfahren im Gegensatz zu einem Bieter im VOB-Verfahren regelmäßig keine Sachverhaltskenntnisse über die Angebotswertung erhält - mit Ausnahme des Informationsschreibens gem. § 13 VgV, das nach der Rechtsprechung äußerst knapp gehalten werden darf und in der Regel, wie im vorliegenden Fall, auch ist. Während ein Bieter bei Vergabeverfahren im VOB-Bereich durch die Teilnahmemöglichkeit am Submissionstermin gem. § 22 VOB/A zumindest die Identität der konkurrierenden Bieter, die Zahl der Angebote, die ungeprüften Angebotssummen und damit den vorläufigen preislichen Rang seines eigenen Angebotes in Erfahrung bringen kann, stehen dem Bieter im VOL-Verfahren diese Informationen mangels Teilnahmemöglichkeit am Eröffnungstermin nicht zur Verfügung. Hier bleiben ihm Informationen über die Angebotswertung bis zum Zeitpunkt der knappen Information gem. § 13 VgV verwehrt. Unter Berücksichtigung dieser Sach- und Rechtslage genügt das Rügeschreiben der Antragstellerin vom 24.12.2003 inhaltlich den Anforderungen des § 107 Abs. 3 GWB.

43

Die Rüge erfolgte sechs Tage nach positiver Kenntniserlangung auf Grund des Informationsschreibens, das die Antragstellerin am 18.12.2003 erhalten hat, und damit entgegen der Auffassung der Auftraggeber und der Beigeladenen auch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen ein bis drei Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rn. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]) kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Auftraggeber und der Beigeladenen, dass die Voraussetzungen für die Ausschöpfung der von der Rechtsprechung maximal zugestandenen Rügefrist im vorliegenden Fall nicht vorliegen. Dies steht im vorliegenden Fall jedoch auch außer Frage, da die Antragstellerin innerhalb von sechs Tagen nach Erhalt des Informationsschreibens der Auftraggeber am 18.12.2003 reagiert hat und mit Anwaltsschriftsatz vom 24.12.2003 die Rüge per Fax abgesetzt hat. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass innerhalb dieser kurzen Frist noch das Wochenende 20./21.12.2003 gelegen hat, so dass der Antragstellerin nur wenig Zeit blieb, angesichts der knappen Information gem. § 13 VgV Vergaberechtsverstöße zu erfassen und zu entscheiden, ob sie gegen die Entscheidung der Auftraggeber vorgeht oder nicht. Dabei ist angesichts der Komplexität des Vergabeverfahrens, des ausgeschriebenen Vertragszeitraumes von 17 Jahren und 7 Monaten und des hohen Gesamtauftragswertes nicht zu beanstanden, dass die Antragstellerin vor Absetzung des Rügeschreibens eine Anwaltskanzlei konsultiert hat. Die Rüge erfolgte daher unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Soweit die Antragstellerin ihre Vorwürfe hinsichtlich einer vermeintlich fehlenden Eignung der beigeladenen Bietergemeinschaft und des vermeintlich unzulässigen, wettbewerbsbeschränkenden Verhaltens gem.§ 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A erst im Zuge des Nachprüfungsverfahrens konkretisiert und vertieft hat, erfolgte die Rüge ebenfalls unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme, da der ihren Vorwürfen zugrunde liegende Sachverhalt für sie erst nach Akteneinsicht erkennbar gewesen ist (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03).

44

Entgegen der Auffassung der Auftraggeber und der Beigeladenen ist die Antragsbefugnis der Antragstellerin auch nicht dadurch entfallen, dass der Nachprüfungsantrag vom 30.12.2003 - wie schon die Rüge - nur unsubstantiierten Vortrag und behauptete Vergaberechtsverletzungen "ins Blaue hinein" enthalte. Richtig ist, dass der Nachprüfungsantrag gem.§ 108 Abs. 2 GWB neben der Bezeichnung des Antragsgegners auch eine Beschreibung der behaupteten Rechtsverletzung mit Sachverhaltsdarstellung und die Bezeichnung der verfügbaren Beweismittel enthalten muss. Die Anforderungen an diese Kriterien sind jedoch im Interesse des Rechtsschutzes nicht zu überspannen (vgl. Byok, a.a.O., § 108 GWB, Rn. 692). Gefordert ist die Abgabe einer bestimmten Begründung für das verfolgte Begehren, nicht aber etwa im Sinne einer im Anwaltsprozess üblichen Kombination von Sachverhalt und rechtlicher Würdigung. Für die Vergabekammer muss nur - ggf. nach laienhafter Darstellung durch den Antragsteller - ansatzweise erkennbar sein, auf welchen Sachverhalt sich die begehrte Entscheidung der Vergabekammer gem. § 114 GWB beziehen soll. Zu beachten ist auch, dass die Sachverhaltsdarstellung an ihre Grenzen stößt, wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich - wie die Angebotswertung insbesondere im VOL-Verfahren - in der Sphäre der Vergabestelle abspielen. Wie schon für die Anforderungen an den Inhalt der Rüge vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass Maßstab für die Anforderungen an die Substanz des Nachprüfungsverfahrens nur der Informationsstand des Bieters sein kann. Angesichts des äußerst knappen - wenn auch rechtlich zulässigen Informationsschreibens der Auftraggeber gem. § 13 VgV genügt der Nachprüfungsantrag den Forderungen des § 108 Abs. 2 GWB. Insbesondere war die Antragstellerin angesichts der spärlichen Informationslage nicht in der Lage, irgendwelche Beweismittel für die von ihr angefochtene, vermeintlich vergaberechtswidrige Angebotswertung zu benennen.

45

Nach alledem ist der Nachprüfungsantrag zulässig.

46

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Die Auftraggeber haben die Angebotswertung entgegen der Auffassung der Antragstellerin gem. § 25 VOL/A in sämtlichen Wertungsstufen in nicht zu beanstandender Weise durchgeführt und in einer den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert Die Auftraggeber waren entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A auszuschließen (im Folgenden a). Ein Ausschluss der Beigeladenen selbst wegen der im Zuschlagsfall beabsichtigten Untervergabe einer Teilleistung an den kommunalen Abfalldeponiebetrieb ... kommt weder unter dem Gesichtspunkt des § 7 Nr. 6 VOL/A noch unter dem Gesichtspunkt einer unlauteren Verhaltensweise gem. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A i.V.m. § 1 UWG in Betracht (im Folgenden b). Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen (im Folgenden c). Die Auftraggeber hatten und haben auch keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen wegen fehlender Eignung gem. § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A auszuschließen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Teilleistungen, die von der als Subunternehmer der Beigeladenen benannten Firma ... in der von dieser noch zu unterrichtenden Abfallbehandlungsanlage in ... entsorgt werden sollen, als auch hinsichtlich der für die Erfüllung des Auftrages der Beigeladenen zur Verfügung stehenden Entsorgungskapazität (im Folgenden d). Die Auftraggeber hatten entgegen der Auffassung der Antragstellerin angesichts des geringen Preisabstandes keinen Anlass, die Angemessenheit des Angebotspreises der Beigeladenen gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A anzuzweifeln und zu überprüfen (im Folgenden e). Schließlich haben die Auftraggeber anhand des von ihnen als einzigem bekannt gemachten Zuschlagskriterium des niedrigsten Entgeltes über die Gesamtlaufzeit das Angebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose (Los 1) auch in nicht zu beanstandender Weise als wirtschaftlichstes Angebot gewertet. Mangels ausschreibungskonformer Angebote der Antragstellerin zu den Losen 2 bis 7 bzw. der Kombination 4 und 5 haben die Auftraggeber zu Recht nur das preislich höhere Gesamtangebot der Antragstellerin (Los 1) berücksichtigt (im Folgenden f).

47

a)

Die Auftraggeber waren entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehalten, das Angebot der Beigeladenen wegen Unvollständigkeit gem. § 25 Nr. 1 Abs. 2 lit. a VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A wegen Unvollständigkeit von der Angebotswertung auszuschließen. Danach können Angebote ausgeschlossen werden, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten. Nach Auffassung der Antragstellerin stand im folgenden Fall ein Ausschluss des Angebotes der Beigeladenen nicht nur im Ermessen der Auftraggeber. Sie seien vielmehr auf Grund der Selbstbindung in ihrem den Bietern mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen "Leitfaden zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen" gezwungen, das Angebot der Beigeladenen auszuschließen, weil es Mindestbedingungen nicht einhalte. Die Antragstellerin verweist darauf, dass gem. Ziffer 1.5 des Leitfadens dem Angebot mindestens die dort näher bezeichneten Dokumente beizulegen waren. Dazu gehörten unter anderem auch die Unbedenklichkeitsbescheinigungen des zuständigen Finanzamtes und die schriftliche Zusage über die erforderlichen Bürgschaften. Richtig ist, dass die Auftraggeber im Protokoll über die Verhandlung zurÖffnung der Angebote vom 29.08.2003 beim Angebot der Beigeladenen auf einem Vordruck vermerkt haben, welche in den Verdingungsunterlagen abgeforderten Anlagen dem Angebot beigefügt waren. Dort ist die Beifügung der Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes und die schriftliche Zusage über erforderliche Bürgschaften ausdrücklich nicht angekreuzt. Hinsichtlich des Angebotes der Antragstellerin wie auch des dritten, bis zum Ablauf der Angebotsfrist eingegangenen Angebotes sind allerdings überhaupt keine Anlagen vermerkt. Der Auftraggeber zu 1, der sowohl für sich selbst als auch bevollmächtigt für den Auftraggeber zu 2 das Vergabeverfahren durchgeführt hat, hat in der mündlichen Verhandlung den Sachverhalt dahingehend erklärt, dass beim Eröffnungstermin die zuständige Mitarbeiterin, Frau ..., ursprünglich davon ausgegangen war, dass sie auch die Vollständigkeit der Angebote schon im Eröffnungstermin überprüfen müsse. Sie habe daher beim Angebot Nr. 1, also dem Angebot der Beigeladenen, einige Vollständigkeitsvermerke durch Einkreuzen eingefügt. Sie sei dann aber von einem Mitarbeiter des bei der Angebotsöffnung anwesenden RPA des Landkreises ... darauf hingewiesen worden, dass die Prüfung der Angebote ein gesonderter Schritt innerhalb der Angebotswertung ist und deshalb auch erst dort die Vollständigkeitsprüfung durchzuführen ist. Sie habe dann von weiteren Vollständigkeitsprüfungen bei allen anderen Angeboten wie auch im zu diesem Zeitpunkt noch verlesenen Angebot der Beigeladenen abgesehen. Tatsächlich hätten sich dann sämtliche Angebote als vollständig erwiesen. Die Auftraggeber haben der Vergabekammer in der mündlichen Verhandlung vom 04.02.2004 einen Vermerk des betreffenden Mitarbeiters des RPA, Herrn ..., vom 02.02.2004 vorgelegt, der diesen Sachverhalt bestätigt. Wie die Vergabekammer anhand der Vergabeakte feststellen konnte, sind sowohl das Angebot der Beigeladenen wie auch das Angebot der Antragstellerin in allen notwendigen Bestandteilen offenbar vollständig eingereicht worden. Beide Angebote weisen durchweg die nach § 22 Nr. 3 lit. b Satz 2 erforderliche Kennzeichnung in Form einer Lochung in allen wesentlichen Teilen einschließlich ihrer Anlagen auf. Auch das Angebot der Beigeladenen war somit vollständig.

48

b)

Die Auftraggeber hatten auch keine Veranlassung, das Angebot der Beigeladenen deshalb nicht zu berücksichtigen, weil sie im Falle des Zuschlags ausdrücklich beabsichtigt, eine zu entsorgende Teilmenge aus dem Landkreis ... (ca. 15.000 t) an die ... zur dortigen Behandlung und Deponierung als Nachunternehmer unterzuvergeben. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass die beabsichtigte Nachunternehmereinschaltung gegen § 7 Nr. 6 VOL/A und gegen das Verbot wettbewerbsbeschränkender und unlauterer Verhaltensweisen gem. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A i.V.m. § 1 UWG verstoße. Unstreitig ist, dass es sich bei der ... um eine zu hundert Prozent öffentlich (Landkreis / Stadt ...) kontrollierte GmbH handelt. Die von der Beigeladenen beabsichtigte Beteiligung der ... am streitbefangenen Auftrag verstößt jedoch zumindest in dem vorgesehenen Rahmen nicht gegen Vergaberecht. Dabei kann im vorliegenden Fall dahinstehen, ob die Grenzen der exterritorialen Betätigung von kommunalen Entsorgungsunternehmen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2000, Az.: Verg. 3/99, ZVgR 3/2000, S. 3 ff.) überhaupt auch dann greifen, wenn, wie im vorliegenden Fall, das betreffende Unternehmen selbst nicht als Bieter auftritt, sondern hinsichtlich einer Teilleistung als Nachunternehmer vorgesehen ist. Dies ist umso mehr zweifelhaft, da es sich bei der der ... von der Beigeladenen zugedachten Teilleistung nicht etwa um das in Deutschland überwiegend privatisierte Sammeln von Abfällen geht, sondern um das wirtschaftliche Auslasten einer vorhandenen, sich in öffentlicher Hand befindenden Deponiekapazität. Die Betätigung der ... mbH steht im Einklang mit dem Ziel des gültigen Abfallwirtschaftsplanes nach § 29 KrW-/AbfG für den Regierungsbezirk ... - Teilplan Siedlungsabfall - vom 01.09.1999 (Amtsblatt für den Regierungsbezirk ... 1999 Nr. 13), vorhandene Deponiekapazitäten auch entsorgungsgebietübergreifend möglichst vollständig zu nutzen. Dort wird in Kapitel 2 "Grundlagen und Ziele" unter Ziffer 2.3.3 "Restabfallentsorgung" ausdrücklich festgestellt:

"Gleichzeitig sind die vorhandenen Deponiekapazitäten ... weitgehend auszuschöpfen, um finanzielle Nachteile für die Träger deröffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung, durch nach dem Stand der Technik erstellte, jedoch nicht mehr nutzbare Deponiekapazitäten, zu vermeiden."

49

Soweit erforderlich, sind zu diesem Zweck Kooperationen zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern mit großen und solchen mit fehlenden Deponievolumina anzustreben. Aber selbst unterstellt, dass auch kommunalen Deponieunternehmen bei ihrem Bemühen um wirtschaftliche Kapazitätsauslastung bei der Akquisition von Abfallmengen außerhalb des eigenen Territoriums Grenzen durch § 108 NGO und § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A gezogen sind, sind diese Grenzen im vorliegenden Fall nicht überschritten. Richtig ist, dass die Beteiligung eines kommunalen Unternehmens an einem Vergabeverfahren durchaus unlauter im Sinne des § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A sein kann, wenn diese Teilnahme am Wettbewerb nicht durch die entsprechende Gemeindeordnung - im vorliegenden Fall § 65 NLO i.V.m. § 108 Abs. 1 NGO - gedeckt ist. Ein Verstoß gegen diese Zugangsvorschriften würde nach Auffassung der Vergabekammer durchaus als unlauterer Wettbewerb im Sinne von § 1 UWG einzuordnen sein und damit auch gegen§ 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verstoßen (vgl. LG München I, Urteil vom 19.05.1999, 1 HK O 3922/99; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.09.1999, Az.: 2 U 7/99; Beschluss vom 12.01.2000, a.a.O., S. 3 ff.). Soweit die wirtschaftliche Betätigung einer Kommune gegen § 108 NGO verstößt, sind auch die Interessen privatwirtschaftlicher Unternehmen in den Schutzbereich dieser Vorschrift mit einbezogen. § 108 NGO gehört damit zu den Vorschriften im Sinne des § 97 Abs. 7 GWB, die im Vergabeverfahren einzuhalten sind. Dabei macht es keinen Unterschied, ob eine Gemeinde oder ein Landkreis sich unmittelbar mit einem Eigenbetrieb oder über eine von ihr gegründete, mehrheitlich oder völlig beherrschte GmbH am Wirtschaftsleben beteiligt. Die beabsichtigte Beteiligung der ... als Nachunternehmerin auf Seiten der Beigeladenen wird jedoch durch die entsprechend anzuwendende Vorschrift des § 108 Abs. 1 NGO gedeckt. Danach dürfen Gemeinden (und über § 65 NLO auch Landkreise) sich zur Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft wirtschaftlich betätigen. Sie dürfen Unternehmen nur errichten, übernehmen oder wesentlich erweitern, wenn und soweit

  1. 1.

    Der öffentliche Zweck das Unternehmen rechtfertigt,

  2. 2.

    Die Unternehmen nach Art und Umfang in einem angemessenen Verhältnis zu der Leistungsfähigkeit der Gemeinden und zum voraussichtlichen Bedarf stehen,

  3. 3.

    Der Zweck nicht besser und wirtschaftlicher durch einen anderen erfüllt wird oder erfüllt werden kann.

50

Dabei hat das Merkmal der "Angelegenheit der örtlichen Gemeinschaft" nur deklaratorische Bedeutung, weil der örtliche Bezug des gemeindlichen Handelns bereits nach Artikel 28 Abs. 2 GG, Artikel 57 Abs. 3 Niedersächsische Verfassung Grundvoraussetzung seiner Zulässigkeit ist (vgl. Thiele, NGO, 5. Auflage, § 108, Anmerkung Nr. 1). Ein "öffentlicher Zweck" im Sinne des § 108 NGO ist anzunehmen, wenn sich die Betätigung am Gemeinwohl orientiert, also insbesondere dem Ziel dient, das Wohl der Einwohner zu fördern (§ 1 Abs. 1 Satz 2 NGO) und ihnen die erforderlichen sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Einrichtungen bereitzustellen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 NGO). Weder die Erledigung von Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft noch der öffentliche Zweck einer kommunalen Abfallentsorgungsgesellschaft wie der ... verbieten per se jegliches Engagement über die eigenen kommunalen Grenzen hinaus. Richtig ist, dass bei einer "exterritorialen" Tätigkeit kommunaler Unternehmen und Einrichtung durch § 108 NGO Grenzen gesetzt werden. Der "öffentliche Zweck" im Sinne des § 108 Abs. 1 Nr. 1 NGO muss eben stets in derörtlichen Gemeinschaft wurzeln. Daraus ergibt sich, dass der Schwerpunkt der Tätigkeit eines kommunalen Unternehmens stets auf dem Territorium der eigenen Kommune liegen muss. Dieses Erfordernis wird jedoch durch die beabsichtigte Beteiligung der ... als Nachunternehmerin im streitbefangenen, ausgeschriebenen Auftragsverhältnis nicht beeinträchtigt. Wie das Dezernat Abfallwirtschaft, Abfallrecht der Bezirksregierung Lüneburg der Vergabekammer auf Nachfrage mitgeteilt hat, wird die mechanisch-biologische Vorbehandlungsanlage der ... GmbH ab 2005 mit jährlich 83.000 t aus dem eigenen Entsorgungsgebiet (Stadt und Landkreis ...) und 11.000 t aus dem benachbarten Landkreis ... beschickt, was bereits eine exterritoriale Betätigung darstellt. Im Falle des Zuschlags an die Beigeladenen würde die ... nach dem Angebot der Beigeladenen 15.000 Jahrestonnen gesiebten Hausmülls aus dem Landkreis ... (Auftraggeber zu 1) erhalten. Dieser Abfall würde unmittelbar der biologischen Stufe der mechanisch-biologischen Vorbehandlungsanlage der ... am Standort ... zugeführt werden und ginge anschließend - mit Masseverlust auf Grund der Behandlung - auf die Zentraldeponie .... Bezogen auf die bis zum Jahr 2005 belegte Gesamtkapazität der MBV-Anlage (109.000 Jahrestonnen) erreichen die auswärtigen Abfallmengen aus dem Landkreis ... und die streitbefangene Teilmenge aus dem Landkreis ... insgesamt lediglich 24 % zu 76 % Kapazitätsanteil. Weitere 45.000 t pro Jahr Anlagenkapazität sind in der mechanischen Stufe der MBV-Anlage noch nicht belegt. Berücksichtigt man die Behandlungskapazität der biologischen Stufe der ...-Anlage, würde der Anteil des Fremdabfalls an der Gesamtkapazität im Jahre 2005 36 % zu 65 % betragen (Auskunft des Dezernates Abfallwirtschaft, Abfallrecht der Bezirksregierung Lüneburg vom 10.02.2004). Das Hauptbetätigungsfeld der ... bleibt also auch nach Erhalt des Teilauftrags als Nachunternehmer im streitbefangenen Vergabeverfahren eindeutig das Territorium von Stadt und Landkreis .... Angesichts der Relation des Wertes des streitbefangenen Auftrages zum Gesamtumsatz kann darüber hinaus auch nicht von einer "wesentlichen Erweiterung" im Sinne des § 108 Abs. 1 NGO gesprochen werden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die kommunalen Gebietskörperschaften generell verpflichtet sind, das gemeinsame Wohl ihrer Einwohnerschaft zu fördern. Diese Aufgabe kann auch durch wirtschaftliche Betätigung erfüllt werden. Worin die Körperschaft eine Förderung des allgemeinen Wohls erblickt, ist dabei hauptsächlich den Anschauungen und Entschließungen ihrer maßgeblichen Organe überlassen und hängt von den örtlichen Verhältnissen, finanziellen Möglichkeiten der Körperschaft, Bedürfnissen der Einwohnerschaft und anderen Faktoren ab (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12.02.2001, Az.: 13 Verg 2/01). Die Beurteilung desöffentlichen Zwecks für die Errichtung und Fortführung eines kommunalen Unternehmens ist daher der Beurteilung durch die Gerichte wie auch der Vergabekammern weitgehend entzogen (vgl. BVerwGE 39, 329, 334). Auch eine Überkapazität von kommunalen Einrichtungen kann privatwirtschaftliche Betätigung rechtfertigen, weil deröffentliche Zweck es eben nicht nur rechtfertigen kann, Kapazitäten im Hinblick auf denkbare Entwicklungen nur am gegenwärtigen Bedarf zu orientieren. Es kann vielmehr darüber hinaus auch dem öffentlichen Zweck dienen, Kapazitäten an einer denkbaren Kooperation mit anderen abfallentsorgungspflichtigen Körperschaften auszurichten, was durch den oben zitierten Abfallwirtschaftsplan für den Regierungsbezirk ... gem.§ 29 KrW-/AbfG unterstrichen wird.

51

Die von der Beigeladenen beabsichtigte Beauftragung der ... GmbH als Nachunternehmerin verstößt auch nicht gegen § 7 Nr. 6 VOL/A. Nach dieser Vorschrift sind Justizvollzugsanstalten, Einrichtungen der Jugendhilfe, Aus- und Fortbildungsstätten oder ähnliche Einrichtungen zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen nicht zuzulassen. Zwar sind dort Betriebe der öffentlichen Hand im Gegensatz zu der Regelung in § 8 Nr. 6 VOB/A ausdrücklich nicht genannt. Die Antragstellerin beruft sich jedoch auf die Rechtsprechung des OLG Celle (vgl. Beschluss v. 08.11.2001 - Az.: 13 Verg 9/01). Dort hatte der Vergabesenat entschieden, dass entgegen der Rechtsauffassung der Vergabekammer in den zugrunde liegenden Nachprüfungsverfahren 203-VgK-04/2003 (Beschluss vom 09.05.2001) und 203-VgK-04a/2001 (Beschluss vom 22.05.2001) der unterschiedliche Wortlaut von § 7 Nr. 6 VOL/A und § 8 Nr. 6 VOB/A unbeachtlich ist. Es verstoße in jedem Fall gegen das Gebot der Chancengleichheit, wenn ein Unternehmen, das keinem Insolvenzrisiko ausgesetzt ist, in Wettbewerb mit Unternehmen tritt, die dieses Risiko tragen müssen.

52

Abgesehen davon, dass die ... als Nachunternehmerin nicht Bieterin im streitbefangenen Vergabeverfahren ist, ist diese Rechtsprechung auch im Übrigen auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Beteiligung eines als Anstalt öffentlichen Rechts organisierten städtischen Abwasserbeseitigungsbetriebes. Dieser genoss auf Grund der im zugrunde liegenden Gesetz zur Errichtung dieser Anstalt (Stadtentwässerungsgesetz) geregelten und mit einer Organisation als Anstalt öffentlichen Rechts zwingend verbundenen Gewährträgerhaftung und Anstaltslast eine Freistellung von jeglichem Insolvenzrisiko. Die Stadt haftete für alle Verbindlichkeiten dieser Anstalt öffentlichen Rechts. Im Falle von wirtschaftlichem Misserfolg und Fehlkalkulationen war die Stadt verpflichtet, für die Verbindlichkeiten des Unternehmens einzustehen, so dass die Möglichkeiten eines Konkurses resp. einer Insolvenz, wie er nicht nur bei jedem privaten Wettbewerber auf dem Markt, sondern auch bei einer von der öffentlichen Hand beherrschten GmbH durchaus möglich ist, im Falle der Anstalt öffentlichen Rechts ausscheidet. Gerade auf dieses fehlende Insolvenzrisiko hat der Vergabesenat des OLG Celle in seinem von der Antragstellerin zitierten Beschluss vom 08.11.2001 (13 Verg 9/01, S. 14, 15) abgestellt. Nur für den Fall einer Organisation des kommunalen Unternehmens als Anstalt öffentlichen Rechts hat der Vergabesenat den Regelungsgehalt des § 7 Nr. 6 VOL/A und des § 8 Nr. 6 VOB/A im Wege der Auslegung als identisch angesehen und festgestellt, dass es den Wettbewerb verzerrt und gegen das Gebot der Chancengleichheit verstößt, wenn ein Unternehmen, das keinem Insolvenzrisiko ausgesetzt ist, in Wettbewerb mit Unternehmen tritt, die dieses Risiko tragen müssen. Ist das kommunale Unternehmen dagegen, wie im vorliegenden Fall, als GmbH organisiert, ist seine Teilnahme anöffentlichen Ausschreibungen außerhalb des eigenen Hoheitsbereichs seines kommunalen Trägers auch nach der Rechtsprechung des OLG Celle grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 12.02.2001, Az.: 13 Verg 2/01). Der Vergabesenat hat in diesem Beschluss die in dem dortigen Beschwerdeverfahren zugrunde liegende Entscheidung der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg vom 11.01.2001 (Az.: 203-VgK-19/2000) bestätigt. Für eine Übertragung des Verbots der Zulassung von Betrieben der öffentlichen Hand zum Wettbewerb gem. § 8 Nr. 6 VOB/A auch auf Dienstleistungs-Vergabeverfahren gem. VOL/A ist daher im vorliegenden Fall kein Raum, weil die Beigeladene als GmbH grundsätzlich dem gleichen Insolvenzrisiko ausgesetzt ist wie die anderen im Wettbewerb stehenden Unternehmen auch.

53

Unabhängig davon wird im Schrifttum vertreten, dass erwerbswirtschaftliche Unternehmen, die der öffentlichen Hand ganz oder teilweise gehören und in Form einer Kapitalgesellschaft (AG, GmbH usw.) geführt werden, keine Betriebe der öffentlichen Hand im Sinne von § 8 Nr. 6 VOB/A sind (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., Rn. 70, m.w.N.). Erst recht fallen derartige, erwerbswirtschaftlich organisierte kommunale Unternehmen nicht unter den Wettbewerbsausschluss des § 7 Nr. 6 VOL/A. In den Erläuterungen zu dieser Vorschriften heißt es: Die genannten Einrichtungen verfolgen primär andere als erwerbswirtschaftliche Zwecke. Aufgrund ihrer vielfach günstigeren Angebote ist damit zu rechnen, dass diese Einrichtungen im Falle einer wettbewerblichen Vergabe private Unternehmen verdrängen. Unter dem Begriff "ähnliche Einrichtungen" können folglich auch nur solche Institutionen gefasst werden, die eine vergleichbare sozialpolitische Zielsetzung verfolgen und bei denen mit einer Verdrängung privater Unternehmen gerechnet werden muss. Diese Voraussetzungen sind in der Regel bei Regiebetrieben nicht gegeben; sie sind daher dem Wettbewerb zu unterstellen. Aus diesem Grund werden auch kommunale Unternehmen - wie z.B. eben Einrichtungen der Abfallentsorgung - nicht von § 7 Nr. 6 VOL/A erfasst (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2000, NZBau 2000, S. 155, 157; Daub/Eberstein, VOL/A, § 7, Rn. 75; VK Lüneburg, Beschluss v. 22.05.2001, Az.: 203-VgK-04a/2001). Die Einrichtungen im Sinne des § 7 Nr. 6 VOL/A zeichnen sich dadurch aus, dass sie auf Grund ihrer sozialpolitischen Ausrichtung ihre Leistungen deshalb besonders günstig anbieten können, weil hierbei keine oder nur geringe Arbeitskosten anfallen (vgl. 1. Vergabekammer des Bundes, Az.: VK 1-21/99, Beschluss v. 21.09.1999). Die Tatsache, dass der Verdingungsausschuss im Gegensatz zu § 8 Nr. 6 VOB/A bei der Abfassung des § 7 Nr. 6 VOL/A von der Einbeziehung kommunaler Unternehmen und Betriebe der öffentlichen Hand bei den zum Wettbewerb mit gewerblichen Unternehmen nicht zuzulassenden Einrichtungen abgesehen hat, ist im Falle einer Organisation eines kommunalen Unternehmens als gewerbliches Unternehmen in Form einer GmbH zu respektieren, zumal die wirtschaftlichen Verhältnisse im Dienstleistungssektor und im Bausektor nicht gleich liegen, sondern erhebliche Unterschiede aufweisen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2000, Az.: Verg 3/99).

54

c)

Das Angebot der Beigeladenen ist auch nicht gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. f VOL/A i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A von der Wertung auszuschließen. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, die Bildung einer Bietergemeinschaft in Form der Beigeladenen sei unzulässig und stelle eine unzulässige wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung im Sinne des § 1 GWB dar. Unstreitig ist die Tatsache, dass das Bieterunternehmen ..., das Mitglied der beigeladenen Bietergemeinschaft ist, ggf. auch allein in der Lage wäre, die ausgeschriebenen Leistungen zu erbringen; zumindest, soweit die Entsorgungsdienstleistungen betroffen sind. Es liegen aber keine Anhaltspunkte dafür vor, dass dem Entschluss zur Teilnahme am streitbefangenen Vergabeverfahren in Bietergemeinschaft mit der Fa. ... keine im Rahmen des zweckmäßig und kaufmännisch vernünftigen Handelns liegende Entscheidung zugrunde liegt (vgl. OLG Naumburg, Beschluss v. 20.12.2000, 1 Verg 10/00), zumal die Fa. ... innerhalb der Bietergemeinschaft für den ausgeschriebenen Teilbereich Umschlag und Transport der Restabfälle aus dem Bereich des Auftraggebers zu 1) zuständig ist. Die Auftraggeber haben im streitbefangenen Vergabeverfahren keine Anhaltspunkte dafür, dass die Bildung der beigeladenen Bietergemeinschaft ausnahmsweise unzulässig sein könnte (vgl. OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 27.06.2003, Az.: 11 Verg 2/03 = NZBau 1/2004, S. 60 ff). Eine spürbare Verkleinerung des vorliegend kleinen Bieterkreises (es haben sich nur 3 Bieter beteiligt) ist durch die Bietergemeinschaft nicht veranlasst, da sich die Fa. ... allein an der Ausschreibung mit einem zwingend abgeforderten Angebot über die Summe aller Lose unstreitig gar nicht hätte beteiligen können. Es bleibt einem leistungsfähigen Bieterunternehmen im Übrigen grds. unbenommen, sich an einem Vergabeverfahren allein zu beteiligen oder die Leistung gemeinsam mit anderen Unternehmen im Rahmen einer Bietergemeinschaft anzubieten, um sich so entsprechende Kapazitäten freizuhalten. Eine gegen das Kartellverbot des § 1 GWB verstoßende Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs ist damit nicht verbunden.

55

d)

Die Auftraggeber sind entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch unter keinem Gesichtspunkt verpflichtet, das Angebot der Beigeladenen wegen Nichterfüllung von geforderten Eignungskriterien auszuschließen. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A sind bei der Auswahl der Angebote, die für den Zuschlag in Betracht kommen, nur Bieter zu berücksichtigen, die für die Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit besitzen. Zum Nachweis ihrer Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit können gem. § 7 Nr. 4 VOL/A von den Bietern entsprechende Angaben gefordert werden, soweit es durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt ist. Grundsätzlich steht dem Auftraggeber bei der Bewertung der Eignung der Bieter ein weiter Ermessensspielraum zu. Dieser engt sich jedoch dann ein, wenn er selbst dieses weite Ermessen durch Angabe von Mindestvoraussetzungen einschränkt. Er ist dann an diese Voraussetzungen gebunden und darf nicht nachträglich von ihnen abweichen (vgl. Vergabekammer Sachsen, Beschluss v. 06.05.2002, Az.: 1/SVK/034-02). Das Setzen von Mindestvoraussetzungen ist ihm grundsätzlich nicht verwehrt (BayObLG, Beschluss v. 20.12.99, Az.: 8/99, BauR 2000, 558, 560). Damit korrespondiert die Vorschrift des § 25 Nr. 1 Abs. 2 a VOL/A, wonach Angebote, die nicht die geforderten Angaben und Erklärungen gem. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 1 VOL/A enthalten, ausgeschlossen werden. Unter Beachtung dieser Grundsätze ist es entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber nach entsprechender Prüfung die erforderliche Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit und damit die Eignung der Beigeladenen zu 1 für die ausgeschriebenen Leistungen positiv bewertet hat.

56

Der Auftraggeber hatte zum Nachweis der Eignung von den Bietern unter anderem gefordert:

57

  • Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb
  • eigene Entsorgungskapazitäten
  • Nachweis des Ausfallverbundes

58

Zur geforderten Zertifizierung heißt es unter Ziffer 1.5 des dem Leistungsverzeichnis vorangestellten "Leitfaden zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen":

" Als Anlagen sind dem Angebot mindestens folgende aktuelle Dokumente beizufügen: . . . Zertifikat Entsorgungsbetrieb . . . Der Geltungsbereich für das Zertifikat muss die ausgeschriebenen Entsorgungs-, Umschlag- und Tansportleistungen umfassen. . ."

59

Unstreitig sind beide Mitglieder der beigeladenen Bietergemeinschaft als Entsorgungsfachbetriebe zertifiziert. Die Antragstellerin weist jedoch darauf hin, dass die Beigeladene nach ihrem Angebot beabsichtigt, für einen Teil der zu entsorgenden Abfallmenge nicht nur die ..., sondern auch die Fa. ... mit ihrer noch zu errichtenden Thermischen Abfallbehandlungsanlage in ... als Nachunternehmer zu beauftragen. Die ... aber könne für die noch nicht fertig gestellte Anlage noch kein Zertifikat als Entsorgungsfachbetrieb erhalten. Davon abgesehen, das gemäß Ziffer 6.2 des zitierten Leitfadens von den Bietern im Falle der Unterbeauftragung lediglich gefordert wurde, Art und Umfang der Leistungen anzugeben und die Subunternehmer namentlich zu benennen - eine Zertifizierung auch der Subunternehmer wird in der Leistungsbeschreibung an keiner Stelle gefordert - waren und sind die Auftraggeber berechtigt, nicht nur die ..., die mit ihrer bestehenden Anlage bereits als Entsorgungsfachbetrieb zertifiziert ist, auch die ... mit ihrer bis zum Beginn des ausgeschriebenen Vertragszeitraums ab 01.06.2005 in Betrieb gehenden Anlage in ... als Nachunternehmer der Beigladenen zu akzeptieren.

60

Eine Zertifizierung als Entsorgungsfachbetrieb gemäß § 2 EntsorgungsfachbetriebeVO (EfbV) setzt zwingend eine bereits in Betrieb genommene Entsorgungsanlage voraus, da sich die Zertifizierung immer nur auf einen bestimmten Betriebsstandort und die dortige Tätigkeit bezieht. Da die Anlage der ..., an der die zur Bietergemeinschaft der Beigeladenen gehörende Fa. ... 85 % der Geschäftsanteile hält, erst zum 01.05.2005 in Betrieb geht, kann sie auch erst dann zertifiziert werden. Die Auftraggeber haben jedoch keinen Anlass, an der Zertifizierung der Anlage zu zweifeln, zumal diese Anlage künftig einen großen Teil des Abfallaufkommens der Region ... mit der Landeshauptstadt ... entsorgen wird und ein umfangreiches immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren durchlaufen hat.

61

Unabhängig davon darf ein bereits zertifizierter Entsorgungsfachbetrieb wie die zur Beigeladenen gehörende Fa. ... gemäß § 7 Abs. 3 EfbV auch nicht zertifizierte Dritte unterbeauftragen, sofern sich die Beauftragung - gemessen an der eigenen Tätigkeit - in einem insgesamt unerheblichen Umfang hält. Das ist vorliegend der Fall, worauf die Beigeladene zu Recht hingewiesen hat. Die zur Behandlung in der künftigen Anlage der ... vorgesehene Teilmenge von ca. 10.000 bis 15.000 t/a macht nur einen geringen Teil der Gesamtmengen aus, die die ... als Entsorgungsfachbetrieb in ihren Anlagen behandelt. Allein ihre Anlage in ... verfügt über ein Jahreskapazität von z. Zt. 350.000 t, die bis 2005 auf 525.000 t erweitert werden soll.

62

Unerheblich ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch, dass der Subunternehmer ... mit der noch nicht fertig gestellten Anlage noch nicht Mitglied des Norddeutschen Ausfallverbundes der Müllverbrennungsanlagen sein kann. Dieser Ausfallverbund deckt zeitweise auftretende, betriebsbedingte Kapazitätsausfälle der Anlagen der Mitglieder ab und ist zur Kapazitätssicherung gemäß Ziffer 2.4 des Leitfadens auch in der streitbefangenen Ausschreibung ausdrücklich gefordert worden. Die zur Beigeladenen gehörende ... ist unstreitig, wie die Antragstellerin selbst auch Mitglied dieses Verbundes. Der Subunternehmer ... hat unstreitig bereits einen Antrag auf Mitgliedschaft für die Zeit ab Inbetriebnahme ihrer Anlage gestellt. Auf der Sitzung des Ausfallverbundes am 03.09.2003 wurde die ... und ihr Aufnahmeantrag unstreitig bereits vorgestellt. Die Antragstellerin hat in keiner Weise dargelegt, warum die Auftraggeber daran zweifeln sollten, dass die ... unverzüglich nach Inbetriebnahme ihrer Anlage und damit rechtzeitig zum Beginn des ausgeschriebenen Vertragszeitraums am 01.06.2005 Mitglied des Ausfallverbundes sein wird.

63

Auch der Vortrag der Antragstellerin, die Beigeladene verfüge nicht über die für den streitbefangenen Auftrag erforderlichen Kapazitäten, ist unsubstantiiert und unzutreffend. Er ist überdies auch widersprüchlich, zumal die Antragstellerin an anderer Stelle vorgetragen hat, dass die zur Beigeladenen gehörende Fa. ... als größte Betreiberin von Abfallbehandlungsanlagen in Norddeutschland sogar in der Lage wäre, sich allein am streitbefangenen Vergabeverfahren zu beteiligen, weshalb die Beteiligung der ... in einer Bietergemeinschaft wettbewerbswidrig sei (s. o. unter II 2 c). Fakt ist, das gemäß Ziffer 2.4 des "Leitfadens zur Ausschreibung und Bewerbungsbedingungen" von den Auftraggebern gefordert wurde:

"Der Anbieter muss jedoch über eigene Entsorgungskontingente von mindestens 75.000 t jährlich verfügen."

64

Die Antragstellerin hat selbst vorgetragen, dass die zur Beigeladenen gehörende Fa. ... allein in ... über eine Anlage mit einem Jahresdurchsatz von ca. 290.000 t verfügt. Nach Darstellung der Beigeladenen sind es z. Zt. 350.000 t/a. Auch diese Voraussetzung wird also von der Beigeladenen erfüllt.

65

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erfüllt die mechanisch-biologische Anlage der ... auch die Grenzwerte der 30. BImSchV und der AbfAblV, worauf die Beigeladene in ihrem Angebot zu Los 1 auf Seite 31 bereits hingewiesen hat.

66

Nach alledem sind die Auftraggeber zutreffend und in anhand der Vergabeakte nachvollziehbarer Weise im Rahmen des ihnen nach § 25 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A zustehenden Ermessens zu dem Schluss gelangt, dass die Beigeladene die in den Verdingungsunterlagen aufgestellten Eignungskriterien erfüllt.

67

e)

Die Auftraggeber hatten entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keine Veranlassung, die Angemessenheit der Angebotspreise der Beigeladenen in Frage zu stellen. Gemäß § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A hat der Auftraggeber in den Fällen, in denen ihm Angebote im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen, die Einzelposten dieser Angebote zu überprüfen und zu diesem Zwecke vom Bieter die erforderlichen Belege zu verlangen. Die Beigeladene hatte ausweislich des in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks des beauftragten Ingenieurbüros über die Prüfung und Wertung der Angebote vom 21.10.2003 für das Los 1 über die Summe aller Lose einen Preis von 103,38,00 EUR pro Tonne netto = 119,92 EUR/t brutto über die gesamte Vertragslaufzeit angeboten. Für den Fall, dassüber den gesamten Vertragszeitraum von 17,58 Jahren die angenommene Höchstmenge von 75.000 t/a anfällt, hat das Ingenieurbüro einen Gesamtauftragswert von 130,66 Mio. EUR brutto, inkl. angenommener Preissteigerungen ermittelt. Dem folgte die Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 108,10 EUR/t netto = 125,39 EUR/t brutto. Das erst- und das zweitplatzierte Angebot liegen daher lediglich 4,6 % auseinander. Die Auftraggeber hatten ausweislich der Vergabeakte (Seite 19 des Vermerks zur Prüfung und Wertung der Angebote) keine Zweifel an der Auskömmlichkeit und keine Veranlassung gesehen, diese Angebote als ungewöhnlich niedrig einzustufen und einer Angemessenheitsprüfung zu unterziehen.

68

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass das Angebot der Beigeladenen zumindest einer Angemessenheitsprüfung gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A hätte unterzogen werden müssen. Im Ergebnis ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeber nicht von einem unangemessenen Angebot der Beigeladenen ausgegangen sind und angesichts einer Preisdifferenz von lediglich 4,6 % zum nächstgünstigeren Angebot der Antragstellerin von einer Prüfung der Angebotskalkulationen abgesehen haben. Die Vorgabe des Gemeinsamen Erlasses des MW und des MI vom 27.09.2002 - 32-32573/2/25 - (MBl. S. 685), dass bei einer Abweichung von 10 % zum nächsthöheren Angebot sich die Vergabestelle zwingend mit der Kalkulation des billigsten Angebotes auseinander setzen muss, bezieht sich ausdrücklich nur auf Vergaben im VOB-Bereich, wo der Markt so gefestigt ist, dass größere Abweichungen nicht so häufig vorkommen und sich der Vergabestelle nicht ohne weiteres erschließen. Unabhängig davon ist von einem Missverhältnis zwischen Preis und Leistung nur dann auszugehen, wenn der Preis von den Erfahrungswerten wettbewerblicher Preisbildung so grob abweicht, dass dies sofort ins Auge fällt. Ein beträchtlicher Preisabstand zwischen dem niedrigsten und dem nachfolgenden Angebot allein ist für sich genommen noch kein hinreichendes Merkmal dafür, dass der niedrige Preis auch im Verhältnis zur zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig ist. Hinzu kommen müssen vielmehr Anhaltspunkte dafür, dass der Niedrigpreis wettbewerblich nicht begründet ist (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB/A, § 25, Rdnr. 45 ff.; Kulartz, VOL/A, 5. Auflage, § 25 Rdnr. 40 ff., m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bieter mangels verbindlicher Kalkulationsregeln grundsätzlich in seiner Preisgestaltung frei bleibt. Deshalb ist für die Prüfung der Auskömmlichkeit des Angebotes nicht auf einzelne Positionen des Leistungsverzeichnisses, sondern auf den Gesamtpreis, die Endsumme des Angebotes, abzustellen. Auch ist ein öffentlicher Auftraggeber nicht verpflichtet, nur "auskömmliche" Angebote zu berücksichtigen (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 08.11.2001, Az.: 13 Verg 12/01, m.w.N.). Bei einem grundsätzlich leistungsfähigen Bieter kann es verschiedenste Gründe geben, im Einzelfall auch ein nicht auskömmliches oder jedenfalls sehr knapp kalkuliertes Angebot abzugeben. Derartige Angebote sind im Sinne des Wettbewerbs erwünscht, solange an der ordnungsgemäßen Durchführung der Arbeiten keine Zweifel bestehen. Angesichts der Tatsache, dass die Abweichung zwischen dem erst- und zweitplatzierten Angebot lediglich 4,6 % beträgt, brauchten die Auftraggeber die Angemessenheit des Angebotspreises nicht zu bezweifeln. Die Auftraggeber haben sich daher im Rahmen des ihnen vergaberechtlich eingeräumten Ermessens gehalten, als sie auf eine Überprüfung der Kalkulation gem. § 25 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A verzichteten.

69

f)

Auch im Übrigen haben die Auftraggeber in ausführlich dokumentierter und nachvollziehbarer Weise das Angebot der Beigeladenen über die Summe aller Lose als wirtschaftlichstes Angebot i.S.d. § 25 Nr. 3 VOL/A ermittelt, da gemäß Vergabebekanntmachung und Verdingungsunterlagen der niedrigste Angebotspreis das einzige Zuschlagskriterium war.

70

Es ist auch nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeber von den Angeboten der Antragstellerin nur das Angebot über die Summe aller Lose (Los 1) berücksichtigt hat, nicht aber die gleichfalls abgegebenen Angebote zu den Kombinationen 4 und 5 (Seite 13 des Vermerks zur Prüfung und Wertung der Angebote). Die Antragstellerin hatte nämlich unstreitig versäumt, gleichzeitig spezifische Angebote für die diesen Kombinationen zugrunde liegenden Lose 2 - 7 abzugeben. Dies aber hatten die Auftraggeber gemäß Ziffer 2.3.4 (Seite 17) des den Verdingungsunterlagen vorangestellten Leitfadens als zwingende und bindende Voraussetzung gefordert. Wörtlich heißt es dort:

"Die Abgabe eines Angebotes für eine Kombination setzt voraus, dass Angebote für die jeweiligen Einzellose vorliegen . . . Ist dies nicht der Fall, wird das Angebot für die Kombination nicht gewertet."

71

Daran waren und sind die Auftraggeber gebunden.

72

Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

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III. Kosten

74

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungs-

75

gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die

76

DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

77

Es wird die gesetzliche Höchstgebühr in Höhe von 25.000,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

78

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 130,66 Mio. Euro (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem günstigsten Angebot der Beigeladenen, wie ihn die Auftraggeber anhand des Preises pro Tonne für die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit vom 01.06.2005 bis zum 31.12.2022 ermittelt hat.

79

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000,00 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 130,66 Mio. EUR ergibt sich die Höchstgebühr von 25.000,00 EUR. Selbst unter Zugrundelegung des von den Auftraggebern errechneten Barwerts in Höhe von 81,65 Mio. EUR brutto über die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit wird die Höchstgebühr fällig. Die anderen Angebote liegen noch über diesem Wert. Eine Reduzierung des Gegenstandswertes entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV durch Ansatz von lediglich 48 Monaten kam nicht in Betracht, da der streitbefangene Auftrag weder unbefristet noch vom Ende her unabsehbar ist (vgl.BayObLG, Beschluss vom 09.10.2003, Az.: Verg 8/03). Er wurde vielmehr verbindlich für die Laufzeit von 17 Jahren und 7 Monaten ausgeschrieben.

80

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten durch die Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

81

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB hinsichtlich des Loses 1 unterlegen ist.

82

Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Auftraggeber, die diesen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Auftraggeberin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurften sie für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

83

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

84

Kosten der Beigeladenen:

85

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird:

"Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend."

86

Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

87

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

88

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahrens ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

89

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 25.000,00 EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen: ...

Gause
Peter
Weyer