Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.03.2004, Az.: 203-VgK -06/2004
Veräußerung und Verwertung von Altpapier aus Haushaltssammlungen; Erfordernis der Durchführung eines Ausschreibungsverfahrens bei Verkauf des Altpapiers; Voraussetzungen einer vergabefreien Dienstleistungskonzession; Auslegung des Begriffes des Dienstleistungsauftrags; Qualifizierung des Altpapiers als marktgängiges Handelsgut in Form eines Rohstoffes; Abgrenzung zur Abfalleigenschaft; Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren der öffentlichen Hand
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 18.03.2004
- Aktenzeichen
- 203-VgK -06/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33915
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 99 Abs. 1 GWB
- § 99 Abs. 4 GWB
- § 1 VOL/A
- § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG
- § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG
- § 15 Abs. 2 KrW-/AbfG
- § 80 VwVfG
Verfahrensgegenstand
Veräußerung und Verwertung des Altpapiers aus Haushaltssammlungen im Zuständigkeitsbereich des Zweckverbandes
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer RA Hintz
auf die mündliche Verhandlung vom 16.03.2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.500,-- EUR festgesetzt.
- 4.
Die Antragstellerin hat dem Antragsgegner und der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für den Antragsgegner als auch für die Beigeladene notwendig.
Begründung
I.
Der Antragsgegner hatte die Beigeladene mit Schreiben vom 31.07.2003 zu einem Orientierungsgespräch am 20.08.2003 über die Verwertung von Altpapier und stoffgleichen Verkaufsverpackungen, das sie selbst gemeinsam einsammelt, eingeladen. Gleich lautende Schreiben erhielten zu einem etwas späteren Zeitpunkt auch vier andere Altpapierverwertungsfirmen; nicht jedoch die Antragstellerin. Diese wurde erst nachträglich am 13.10.2003 zu einem Orientierungsgespräch geladen. Die einzelnen Firmen legten Anfang Oktober 2003 ihre Angebote vor.
Alle Firmen, die ein Angebot unterbreitet hatten, wurden von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 04.11.2003 darüber informiert, dass sich Änderungen dahingehend ergeben können, dass nur noch eine Teilmenge der Altpapiersammlung überlassen wird. Er teilte den Bietern die modifizierten Eckpunkte mit und bat um die Abgabe eines abschließenden Angebotes bis zum 11.11.2003 um 12.00 Uhr. Das Angebot sollte zwei Varianten berücksichtigen:
- Festpreis pro t mit einem integrierten Preiskorridor bei positiver Marktpreisentwicklung über die gesamte Vertragslaufzeit von 3 Jahren
- Preisangebot mit einer variablen Preisbildung
Da ein Bieter zu den modifizierten Eckpunkten noch Fragen hatte, teilte der Antragsgegner allen die Fragen sinngemäß mit und seine Erläuterungen zu den Eckpunkten. Gleichzeitig verlängerte er die Abgabefrist auf den 14.11.2003.
Mit Vergabevermerk vom 08.12.2003 hielt der Antragsgegner fest, dass im Gegensatz zum bisherigen bis zum 31.12.2004 noch laufenden Altpapiervertrag eine Sortierung nicht mehr erforderlich sei und auch nicht mehr beauftragt werde. Der Käufer solle lediglich zur stofflichen Verwertung verpflichtet werden, was seinem wirtschaftlichen Interesse entspricht. Ferner wurde festgehalten:
"Eine Dienstleistung wie z.B. das Sortieren wird nicht beauftragt. Die Verwertung entspricht den gemeinsamen Interessen von Antragsgegner und Käufer und bedarf daher keiner Entgeltung. Dementsprechend wird auch kein Entgelt für die Verwertung gezahlt. Das beweist auch das Bestgebot mit einem Basispreis von 48,25 EUR, das über dem derzeitigen EUWID-Preis liegt.
U.a. in Ermangelung der Entgeltlichkeit einer Dienstleistung ist das Vergaberecht nicht einschlägig."
Sodann wertete der Antragsgegner die einzelnen Angebote der verschiedenen Bieter. Er hielt letztendlich fest, dass die Markttendenzen nicht eindeutig seien. Einerseits werde eine Steigerung der Altpapierpreise erwartet, andererseits zeige der Rückblick erhebliche Schwankungen und damit Einnahmerisiken. Im Hinblick darauf sei dem Angebot der Beigeladenen (Alternative 1) mit dem höchsten Basispreis und der höchsten Markterlösbeteiligung (ab 75 EUR) der Vorzug zu geben. Es wurde daher empfohlen, dieses Angebot anzunehmen. Mit Schreiben vom 17.12.2003 informierte der Antragsgegner die nicht berücksichtigten Bieter, dass er ihr Angebot nicht annehmen könne, weil er sich für ein Kaufangebot eines anderen Bieters entschieden habe. Um welchen Bieter es sich dabei handelt und zu welchen Konditionen er das Altpapier veräußert, wurde den anderen Bietern nicht mitgeteilt. Mit Datum vom 18.12.2003 schloss der Antragsgegner mit der Beigeladenen den Vertrag.
In der Präambel wurde festgehalten, dass das dem Antragsgegner überlassene Altpapier und die ihmüberlassenen Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Karton aus Privathaushalten und anderen Herkunftsbereichen (im Folgenden Gemisch genannt) gemeinsam in Säcken, Umleerbehältern, Großbehältern und Pressen der Beigeladenen überlässt. Der Beigeladenen sei die Beschaffenheit des Gemisches bekannt.
In § 1 - Vertragsgegenstand - wurde festgehalten, dass die Beigeladene von dem Antragsgegner das gesammelte Gemisch übernimmt und es einer stofflichen Verwertung zuführt. Ferner wurden auch dieÜberlassungs-/Annahmestellen bezeichnet sowie das Entgelt, das die Beigeladene der Antragsgegnerin für die Verwertung des Altpapiers zu zahlen habe.
Mit Fax vom 23.12.2003 wies die Antragstellerin zunächst darauf hin, dass sie, wohl wissend, dass es sich nicht um einen Auftrag im vergaberechtlichen Sinne handelt, der Auffassung ist, dass eine Nichtberücksichtigung ihres Angebotes nur unter Verletzung haushaltsrechtlicher Grundsätze möglich ist.
Nachdem der Antragsgegner der Antragstellerin mitgeteilt hatte, dass er bei seiner Entscheidung geblieben sei und mit der Beigeladenen bereits am 18.12.2003 einen - zeitlich befristeten Vertrag geschlossen habe, zeigte der Rechtsanwalt der Antragstellerin, jetzt Bevollmächtigter im anhängigen Nachprüfungsverfahren - an, dass er deren Interessen vertritt. Er führte mit Fax vom 11.02.2004 aus, dass es sich seiner Auffassung nach um einen ausschreibungspflichtigen Beschaffungsvorgang handelt. Zur Begründung bezieht er sich auf die Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 12.01.2004, Az. VII-Verg 71/03.
Nachdem der Antragsgegner zu den Ausführungen der Antragstellerin mit Schreiben vom 13.02.2004 Stellung genommen hatte, hat die Antragstellerin mit Anwaltsschriftsatz vom 16.02.2004, eingegangen per Telefax am selben Tage, die Vergabekammer angerufen. Die Antragstellerin bezieht sich zunächst auf ihre Rügeschreiben an den Antragsgegner.
Sie führt ferner aus, dass sich ihrer Meinung nach der Antragsgegner eines Vertragspartners als Dienstleister bediene, welcher die Vorschriften des Kreislaufwirtschafts-/Abfallgesetzes durchführt. Diese Aufgabe sei als Dienstleistung zu qualifizieren.
Hinsichtlich des Entgeltes für die zu erbringende Leistung sei der Begriff unter Bezugnahme auf die o. g. Entscheidung des OLG Düsseldorf weit auszulegen und nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen. Die Antragstellerin sieht den geldwerten Vorteil der Beigeladenen in dem geringen Anschaffungspreis für das Altpapier. Ferner scheidet ihrer Meinung nach eine vergabefreie Dienstleistungskonzession ebenfalls aus, weil die Beigeladene nicht von den Abfallbesitzern oder -erzeugern ein Entgelt erhält, sondern von der ankaufenden Papierfabrik.
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
ein Nachprüfungsverfahren gem. § 107 Abs. 1 GWB gegen die Vergabe des Auftrages zur Übernahme und Verwertung des Altpapiers aus Haussammlungen des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region xxx einzuleiten;
- 2.
festzustellen, dass der nach Angaben des Antragsgegners am 18.12.2003 mit einem Dritten über die "Übernahme" des Altpapiers aus Haushaltungen beschlossene Vertrag nichtig ist; hilfsweise für den Fall, dass dieser Vertrag mit einem Dritten noch nicht geschlossen ist, dem Antragsgegner den Zuschlag mit einem Dritten zu versagen;
- 3.
den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren aufzuheben;
- 4.
den Antragsgegner zu verpflichten, die streitgegenständige Übernahme und Verwertung von Altpapier aus den Sammlungen des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region xxx für die Zeit ab 01.01.2004 im Rahmen eines europaweiten Ausschreibungsverfahrens nach den Vorschriften des GWB, der VOL/A auszuschreiben, sofern der Antragsgegner beabsichtigt, die Entsorgung des Altpapiers nicht selbst durchzuführen;
- 5.
hilfsweise sonstige geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Rechte der Antragstellerin zu wahren;
- 6.
dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
- 7.
festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war. Ferner beantragt sie, der Antragstellerin gem. § 111 Abs. 1 GWB Akteneinsicht zugewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
- 1.
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
- 2.
der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen und
- 3.
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.
Zur Begründung seiner Auffassung führt der Antragsgegner aus, dass der Antrag unzulässig sei, da der Anwendungsbereich des GWB-Vergaberechts nicht eröffnet sei. Seiner Meinung nach handelt es sich bei dem in Rede stehenden Kaufvertrag um keinen öffentlichen Auftrag, sondern um eine Dienstleistungskonzession, die vom Anwendungsbereich des Vergaberechts ausgeschlossen sei.
Soweit die Oberlandesgerichte Celle und Düsseldorf im Bereich der Altpapierverwertung das Vorliegen einer Konzession mit der Begründung ablehnen, dass der Auftragnehmer nicht das Betriebsrisiko trage, weist er darauf hin, dass es sich bei dem vor dem OLG Celle anhängigen Verfahren um einen kurzen Auftragszeitraum von einem Jahr handelte, so dass der Auftragnehmer die tatsächliche Erzielbarkeit der Erlöse aus dem Altpapierverkauf zuverlässig einschätzen konnte. In der Entscheidung vor dem OLG Düsseldorf sei unstreitig gewesen, dass der Verwertungserlös die Anschaffungskosten zuzüglich der vom Auftragnehmer kalkulierten Verwertungskosten um 18,00 EUR übersteige. Im vorliegenden Fall könne für die Beigeladene das Verlustrisiko mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht minimiert oder ausgeschlossen werden. Der mit der Beigeladenen abgeschlossene Kaufvertrag beinhalte einen hohen Festpreis, der Marktpreis für Mischpapier unterliege großen Schwankungen und die Laufzeit von vier Jahren sei auch nicht überschaubar. Die Käuferin könne lediglich durch Sortierung, für die der Antragsgegner weder zuständig sei noch von dem Konzessionär gefordert habe, Mehrwerte schaffen, deren Entstehung aber in ihre Risikosphäre falle. Ferner habe der Antragsgegner im vorliegenden Fall gegenüber dem Konzessionär kein vertragliches Überprüfungs- und Weisungsrecht.
Darüber hinaus ist der Antragsgegner der Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unstatthaft sei, da bereits ein Vertragsabschluss vorliege. Zur Begründung bezieht er sich auf Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs, verschiedener Oberlandesgerichte und des Kammergerichtes Berlin.
Im Übrigen fehle der Antragstellerin die Antragsbefugnis, da sie kein chancenreiches Angebot vorgelegt habe.
Sollte der Nachprüfungsantrag überhaupt zulässig sein, sei er nach Meinung des Antragsgegners jedoch unbegründet. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass er unzulässige Nachverhandlungen geführt habe, sei dies weder zutreffend noch von der Antragstellerin belegt worden.
Er habe ferner auch den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt und dies auch nachvollziehbar transparent gemacht und angewandt.
Die Beigeladene stellt den Antrag,
- 1.
die Anträge zu verwerfen, hilfsweise
- 2.
die Anträge zurückzuweisen,
- 3.
die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer für notwendig zu erklären (§ 128 Abs. 4 Satz 3 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG),
- 4.
die Antragstellerin zu verpflichten, der Antragsgegnerin ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten (§ 128 Abs. 4 Satz 2 GWB).
Sie unterstützt den Vortrag des Antragsgegners. Auch sie ist der Meinung, dass der Anwendungsbereich der §§ 107 ff. GWB nicht eröffnet sei, unabhängig von der Frage, ob es sich bei dem zu beurteilenden Vertrag zwischen dem Antragsgegner und ihr um eine Dienstleistungskonzession handele, wie von der Antragstellerin argumentiert werde. Bei ihrer Beauftragung handelt es sich vielmehr um einen Kaufvertrag über Altpapier zu den von ihr vorgehaltenen Annahmestellen.
Soweit die Antragstellerin sich auf den o. g. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 12.01.2004 beziehe, weist die Beigeladene darauf hin, dass dieser Beschluss im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sei. Eine endgültige Entscheidung läge bis dato nicht vor. Im Übrigen unterscheide sich die Fallkonstellation grundlegend in wichtigen Fragestellungen vom vorliegenden Fall:
- 1.
Preis
In dem von der Antragstellerin zitierten Fall ginge es um ein geringes Entgelt in Höhe von 35,33 EUR/t, während im hier zur Entscheidung stehenden Fall ein Festpreis in Höhe von 48,25 EUR/t vereinbart sei.Überschreite der monatliche obere EUWID-Preis den Betrag von 78,25 EUR/t für die Sorte 1.02 (= sortiertes, gemischtes Altpapier), so erhalte der Antragsgegner zusätzlich einen Bonus von 80 % des übersteigenden Betrages als Entgelt.
- 2.
Zuzahlungsmöglichkeit
In dem der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf zu Grunde liegenden Vergabeverfahren sei das zu zahlende Entgelt für das Altpapier nach ihren Informationen erst im laufenden Nachprüfungsverfahren vereinbart worden. Ferner sei dort ursprünglich eine Zuzahlung des Entsorgungsträgers vereinbart worden.
Im anhängigen Nachprüfungsverfahren hätten jedoch der Antragsgegner und die Beigeladene von vornherein ein sogar über dem Marktpreis liegendes Entgelt vereinbart. Die Möglichkeit einer Zuzahlung sei in sämtlichen Verhandlungen ausgeschlossen worden.
- 3.
Fehlende Entsorgungsdienstleistung - abfallrechte Bewertung Niedersachsen -
Im Gegensatz zu der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf sei die abfallrechtliche Beurteilung nicht auf die Rechtslage in Niedersachsen übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht habe in einer Entscheidung vom 19.11.1998 - Az. 7 C 31/97 - überdies ausdrücklich offen gelassen, wann ein Verwertungsvorgang rechtlich als abgeschlossen anzusehen sei und damit die durch die Aufarbeitung entstandenen Stoffe aus dem Abfallregime entlassen sind.
In dem zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Vertrag sei ausdrücklich in § 2 Ziffer 1 Satz 1 festgehalten worden, dass das Gemisch ihr wie gesammelt überlassen werde. Im Übrigen habe der Antragsgegner in seinem Vermerk vom 08.12.2003 fest gehalten, dass im Gegensatz zu dem früheren Altpapiervertrag eine Sortierung des Papiergemisches nicht mehr erforderlich sei. Dementsprechend werde die Dienstleistung, wie das Sortieren des Altpapiers, nicht beauftragt. Die Tätigkeit der Beigeladenen beschränke sich daher darauf, das von dem Antragsgegner erworbene Gemisch aus Papier, Pappe und Karton "so wie gesammelt" einzupressen. Dieses gepresste Gemisch werde an Papierfabriken weiterveräußert. Das Altpapier habe dann rechtlich seine Abfalleigenschaft verloren und die Produkteigenschaft erlangt.
Dieser Wechsel vom Altpapier zur Produkteigenschaft sei in Niedersachsen in einer Vereinbarung zwischen dem Niedersächsischen Umweltministerium und dem Verband Norddeutscher Papierfabriken e.V. über die Förderung des Papier-Recycling-Kreislaufs, insbesondere der rechtlichen Behandlung des Rohstoffs Altpapier im Hinblick auf die Anwendung des KrW-/AbfG festgehalten. Aus dem abgeschlossenen Vertrag ergebe sich, dass die Tätigkeit der Beigeladenen darauf beschränke, das vom Antragsgegner eingesammelte Gemisch einzupressen und sodann an Papierfabriken weiterzuveräußern. Unabhängig von diesem Vertrag erhöhe die Beigeladene die eigene Wertschöpfungskette durch zusätzliche Produktionsmaßnahmen, hier nämlich weitere Sortierungen. Dadurch erziele sie bei der Papierfabrik einen so hohen Preis, dass es ihr betriebswirtschaftlich möglich werde, den vertraglichen Kaufpreis für das Altpapiergemisch an die Antragsgegnerin zu zahlen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die der Vergabekammer vorliegende Akte des Antragsgegners und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16.03.2004 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Der von der Antragstellerin angefochtene, zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene Vertrag vom 18.12.2003über die Überlassung des von dem Antragsgegner im Gebiet xxx gesammelten Altpapiergemisches beinhaltet keinen öffentlichen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, § 1 VOL/A. Die Antragsgegnerin führt die Altpapiersammlung unstreitig selbst durch. Eine weitere Sortierung des zu einem Festpreis von der Beigeladenen erworbenen Altpapiergemischs ist nicht Gegenstand des Vertrages und daher keine Dienstleistung für den Antragsgegner. Vielmehr führt die Beigeladene die von ihr beabsichtigte weitere Sortierung im eigenen wirtschaftlichen Interesse durch, um bei der Weiterveräußerung an eine Papierfabrik einen höheren Preis und damit einen Gewinn zu realisieren.
Bei dem Antragsgegner handelt es sich um einen kommunalen Zweckverband, dem von der Region xxx die den Kommunen originär obliegende Abfallbeseitigungspflichtübertragen wurde. Es handelt sich somit um eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen und deren Mitglieder Gebietskörperschaften im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB sind. Der Antragsgegner ist daher grundsätzlich ein öffentlicher Auftraggeber im Sinne des§ 98 Nr. 2 GWB.
Der streitbefangene, zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossene Vertrag vom 18.12.2003 ist jedoch einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht zugänglich, weil er nicht dem Vergaberecht unterliegt. Gemäß § 99 Abs. 1 GWB sind öffentliche Aufträge im Sinne des das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren regelnden 4. Teils des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) nur entgeltliche Verträge zwischen öffentlichen Auftraggebern und Unternehmen, die Liefer-, Bau- oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben, sowie Auslobungsverfahren, die zu Dienstleistungsaufträgen führen sollen. Durch die Bezeichnung als "entgeltlicher" Vertrag soll klargestellt werden, dass der öffentliche Auftraggeber eine Gegenleistung im Sinne einer eigenen Zuwendung geben muss. Ein solcher Vertrag besteht grundsätzlich aus einer vereinbarten Leistung des vertraglich gebundenen Auftragnehmers für den Auftraggeber und einer geldwerten Gegenleistung des vertraglich gebundenen öffentlichen Auftraggebers (vgl. Hailbronner in: Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 99, Rn. 337). Der Begriff des Dienstleistungsauftrags ist weit zu fassen, so dass alle gegenseitigen Verträge erfasst sind, mit denen deröffentliche Auftraggeber im Rahmen der Bedarfsdeckung die Leistungserbringung gegen Entgelt vereinbart (vgl. Bechtold, GWB, 3. Auflage, § 99 Rn. 8). Dabei ist unstrittig, dass im Bereich der Abfallentsorgung sämtliche dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger gem. § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG originär obliegenden Arbeitsschritte von der Abfallsammlung über die Abfallsortierung bis zur eigentlichen Abfallverwertung oder Beseitigung Gegenstand eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB sein können, wenn und soweit sich deröffentlich-rechtliche Entsorger entschließt, diese Arbeitsschritte nicht mit eigenem Personal und mit eigenen Mitteln zu erledigen, sondern gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG private Dritte zu beauftragen, die diese Aufgabe für ihn erfüllen, wobei seine Verantwortlichkeit für die Erfüllung dieser Pflichten gem. Satz 2 des § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG davon unberührt bleibt. Gemäß § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG haben dieöffentlich-rechtlichen Entsorger die in ihrem Gebiet anfallenden und überlassenen Abfälle, zu denen auch das Altpapier gehört, aus privaten Haushalten zu verwerten oder zu beseitigen. Lediglich bei Abfällen, die nicht bei den privaten Haushaltungen anfallen, sind die öffentlich-rechtlichen Entsorger gem. § 15 Abs. 2 KrW-/AbfG von ihrer Pflicht befreit.
Entscheidet sich der öffentliche Entsorgungsträger für eine Erledigung der Abfallbeseitigungspflicht durch Dritte gem. § 16 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG, schließt er regelmäßig einen Dienstleistungsauftrag mit einem Fachunternehmen, dem eine - im Falle des Überschreitens des Schwellenwerts von 200.000,-- EUR europaweite - Ausschreibung gem. § 3 a VOL/A vorzugehen hat. Dabei wird regelmäßig die Sammlung, Sortierung und Vermarktung entweder als Gesamtauftrag oder aber losweise ausgeschrieben. Dabei ist die für einen öffentlichen Dienstleistungsauftrag gem. § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB erforderliche Entgeltlichkeit des Vertrages auch dann gegeben, wenn es sich bei der Abfallfraktion wie im vorliegenden Fall um vermarktungsfähigen Wertstoff wie Altpapier handelt und die Gegenleistung des öffentlichen Auftraggebers nicht in einer Geldleistung, sondern in der Überlassung des Verwertungserlöses für den Weiterverkauf des Altpapiers besteht (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 05.02.2004, Az.: 13 Verg 26/03; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2004, Az.: VII-Verg 71/03; VK Lüneburg, Beschluss vom 12.11.2003, Az.: 203-VgK-27/2003).
Voraussetzung für die Vergaberechtspflichtigkeit ist jedoch, dass der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger den privaten Dritten auch tatsächlich mit einer Dienstleistung beauftragt und nicht lediglich, wovon der Antragsgegner im vorliegenden Fall ausgeht, das von ihm im Rahmen seiner Abfallbeseitigungspflicht gesammelte Altpapier als marktgängigen Wertstoff an ein Fachunternehmen, einen Recyclingbetrieb, verkauft. Zwischen den Beteiligten und der Vergabekammer ist unstreitig, dass ein direkter Verkauf von Altpapier an eine Papierfabrik, die den endgültigen Verwertungserfolg herbeiführt, nicht dem Vergaberechtsregime unterfallen würde. Zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen ist jedoch strittig, ob das streitbefangene Papiergemisch, das die Antragsgegnerin der Beigeladenen nach dem Vertrag vom 18.12.2003 gegen Zahlung eines Festpreises überlassen will, bereits die notwendigen Eigenschaften als marktgängiges Handelsgut in Form eines Rohstoffes erfüllt, der nicht mehr dem Abfallbegriff unterliegt. Gemäß der Präambel des streitbefangenen Vertrages sammelt der Antragsgegner selbst im Gebiet der Region xxx das ihm überlassene Altpapier und die ihmüberlassenen Verkaufsverpackungen aus Papier, Pappe und Karton aus Privathaushalten und anderen Herkunftsbereichen (Gemisch) gemeinsam in Säcken, Umleerbehältern, Großbehältern und Pressen. Gemäß § 1 - Vertragsgegenstand - dieses Vertrages übernimmt die Beigeladene das vom Antragsgegner im Rahmen der Altpapiersammlung und Verpackungssammlung gesammelte Gemisch aus Papier, Pappe und Karton gegen Zahlung eines Festpreises an den Antragsgegner gem. § 3 des Vertrages und führt es einer stofflichen Verwertung zu.
Der Antragsgegner und die Beigeladene vertreten die Auffassung, dass das vom Antragsgegner selbst gesammelte Papiergemisch im Zeitpunkt der vertragsgemäßen Übergabe an die Beigeladene bereits seine Abfalleigenschaft verloren hat. Vielmehr handle es sich um eine Handelsware Altpapier, die der Sondersorte 5.01 "Altpapier, gemischt" der europäischen Altpapierliste (CEPI/B.I.R.) Standardsorten und ihrer Qualitäten entspreche. Die entsprechende Liste, Stand: Juli 2000, liegt der Vergabekammer vor. Die Sorte 5.01 "Altpapier, gemischt" ist dort wie folgt definiert:
"Unsortiertes Altpapier, getrennt von anderen Materialien gesammelt."
In der Einleitung der Liste der europäischen Altpapierstandardsorten und ihrer Qualitäten heißt es:
"Diese Liste legt die europäischen Standardsorten für Altpapier fest. Sie enthält eine allgemeine Beschreibung der Standardsorten, indem sie definiert, was sie enthalten und was sie nicht enthalten sollen. Die europäische Liste der Standardsorten für Altpapier ist für die Anwendung von Industrie, Organisatoren und anderen Gruppen erarbeitet worden, die ein Interesse am Altpapiersektor haben. Sie soll Hilfestellung beim Einkauf und Verkauf dieses Rohstoffes geben, der für die Wiederaufbereitung durch die Papier- und Pappindustrie vorgesehen ist ..."
Die Vergabekammer teilt die Auffassung des Antragsgegners und der Beigeladenen, dass das streitbefangene Papiergemisch sowohl nach der Darstellung des Antragsgegners über den Sammelvorgang und nach den Festlegungen im streitbefangenen Vertrag vom 18.12.2003 die Merkmale der Sondersorte 5.01 "Altpapier, gemischt" erfüllt, da es sich sämtlich um unsortiertes Altpapier handelt, das getrennt von anderen Materialien gesammelt wird. Andere Materialien sind nach den in der Liste enthaltenen Definitionen sog. unerwünschte Stoffe und papierfremde Bestandteile wie etwa Metall, Plastik, Glas, Textilien, Holz, Sand und Baustoffe, synthetische Materialien und synthetische Papiere. Dabei handelt es sich zum Teil um Stoffe, die bislang über das Duale System Deutschland (DSD) über sog. "gelbe Säcke" z.B. als Verpackungsmaterial gesondert zu sammeln und entsorgen sind. Die Vergabekammer teilt nicht die Auffassung der Antragstellerin, das die Voraussetzung für die Sorte 5.01 "getrennt von anderen Materialien gesammelt" dem streitbefangenen Papiergemisch schon deshalb abzusprechen ist, weil es zum Teil in vorgeschriebenen, transparenten Plastiksäcken von den Haushalten bereitgestellt und so vom Antragsgegner bei der Beigeladenen angeliefert wird. Die Tatsache allein, dass ein Transportmedium aus Kunststoff verwendet wird, das vor dem Recycling von dem Papier wieder getrennt werden muss, ändert nichts an der Tatsache, dass es sich im vorliegenden Fall um getrennt von anderen Materialien gesammeltes, unsortiertes Altpapier handelt. Da es sich vorliegend bei dem Altpapiergemisch um eine marktfähige, klassifizierte Sondersorte im Sinne der zitierten europäischen Liste handelt, kann das Papiergemisch grundsätzlich Gegenstand eines reinen Kaufvertrages sein. Der streitbefangene Vertrag vom 18.12.2003 enthält ausdrücklich keine, bei anderen Altpapierentsorgungsverträgen üblichen Dienstleistungselemente wie etwa Sortierung oder Durchführung der Vermarktung für die abfallbeseitigungspflichtige Körperschaft. Die Beigeladene wird lediglich zur Zahlung eines Festpreises zuzüglich eines 80-prozentigen Zuschlages für den Fall, das der Marktpreis den monatlichen oberen Euwid-Preises von 78,25 EUR/t für die Sorte 1,02 (sortiertes gemischtes Altpapier) übersteigt, verpflichtet. Ferner erfolgt die Überlassung unter der Bedingung, dass die Beigeladene das Altpapier einer stofflichen Verwertung (etwa in einer Papierfabrik) zuführt und Annahmestellen in xxx für die Übergabe des Gemisches vorhält.
Eine Qualifizierung des streitbefangenen Vertrages als Dienstleistungsauftrag kommt also nur dann in Betracht, wenn man mit der Antragstellerin die Auffassung vertritt, dass die von der Beigeladenen unstreitig beabsichtigten, schon zur Mehrwertsteigerung und "Veredlung" der groben Sorte 5.01 "Altpapier, gemischt" etwa zur Sorte 1.02 "sortiertes gemischtes Altpapier", die definiert ist als - eine Mischung verschiedener Papier- und Pappenqualitäten, die max. 40 % an Zeitungen und Illustrierten enthält" noch erforderlichen Sortierungen nicht nur im eigenen wirtschaftlichen Interesse zur Realisierung eines Gewinns, sondern vor allem auch als Dienstleistung für den Antragsgegner durchführt. Dabei teilt die Vergabekammer durchaus die Auffassung der Antragstellerin, dass das Papiergemisch so lange dem gesetzlichen Abfallbegriff des Kreislaufwirtschaftsabfallgesetzes unterfällt, bis es so weit sortiert ist, dass es für die Verwertung in einer Papierfabrik geeignet ist. Richtig ist auch, dass die Sortierung bereits zum Verwertungsprozess gehört, diesen aber nicht abschließt. Daraus folgt aber entgegen der Ansicht der Antragstellerin nach Auffassung der Vergabekammer nicht, dass der öffentliche Entsorgungsträger den gesamten Verwertungsprozess von einer unter Umweltgesichtspunkten vergleichsweise problemlos als Rohstoff verwendbaren Abfallfraktion wie Altpapier ebenso wie bei der Entsorgung und Verwertung von umweltgefährdenden Abfällen wie etwa Altölgemischen oder sonstigen Sonderabfällen in der Hand behalten und kontrollieren müsste. Die Argumentation der Antragstellerin würde in letzter Konsequenz dazu führen, dass selbst ein unmittelbarer Verkauf des Papiergemischs an eine Papierfabrik ausschreibungspflichtig wäre, wenn dort für die endgültige Verwertung - je nach dort angestrebter Endproduktqualität - noch weitere Sortierungen, Feinsortierungen und sonstige Arbeitsgänge vorgenommen werden, um die von der Papierfabrik angestrebte "Grundstoff"-Qualität des Altpapiers zu erreichen. Demgegenüber vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass ein öffentlicher Entsorgungsträger im Bereich der Altpapierentsorgung der ihm obliegenden Entsorgungspflicht bereits dadurch genügt, dass er das in seinem Gebiet anfallende Altpapier aus privaten Haushalten nicht nur sammelt, sondern in einer den Anforderungen der europäischen Altpapierliste (CEPI/B.I.R.) genügenden Qualitätsstufe - wie eben im vorliegenden Fall die Sorte 5.01 - an ein geeignetes Recyclingunternehmen unter der Bedingung verkauft, das dieses selbst das Papiergemisch einer weiteren stofflichen Verwertung in einer Papierfabrik zuführt. Diese Auffassung deckt sich im Übrigen mit der von der Beigeladenen mit Schriftsatz vom 05.03.2004 vorgelegten Vereinbarung zwischen dem Niedersächsischen Umweltministerium und dem Verband Norddeutscher Papierfabriken e. V. über die Förderung des Papier-Recycling-Kreislaufs, insbesondere die rechtliche Behandlung des Rohstoffs Altpapier im Hinblick auf die Anwendung des Kreislaufwirtschaftsabfallgesetzes. Dort heißt es:
"Die Partner sind sich darüber einig, dass unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben Altpapier, das zum Zweck der Verwertung z.B. in Wertstofftonnen oder Wertstoffcontainern eingesammelt wird, zunächst dem Abfallbegriff unterfällt. Dies gilt bei anschließender Sortierung für den Einsammelvorgang, den sich anschließenden Transport zur Sortieranlage und den Sortiervorgang selbst. Mit Abschluss des Sortiervorganges verliert das Altpapier seine Abfalleigenschaft, da es dann ohne weitere Aufbereitungsmaßnahmen für den Einsatz in der Papierfabrik zur Verfügung steht. Voraussetzung ist ferner, dass dieses aussortierte Altpapier die Qualitätsanforderung der Altpapiersortenliste erfüllt (Liste der deutschen Standardsorten und ihre Qualität in der jeweils gültigen Fassung).
Sobald nicht sortierbedürftiges Altpapier - von anderen Chargen separiert - die Qualitätsanforderungen der Altpapiersortenliste erfüllt und zum Einsatz in der Papierfabrik zweckbestimmt und tauglich zur Verfügung steht, ist dieses Altpapier gleichfalls kein Abfall."
Nach der Definition dieser Vereinbarung zwischen dem Niedersächsischen Umweltministerium und dem Verband Norddeutscher Papierfabriken e. V. unterliegt das streitbefangene Altpapiergemisch daher nicht mehr dem gesetzlichen Abfallbegriff, weil es die Voraussetzungen der Sondersorte 5.01 "Altpapier, gemischt" der Liste der Altpapierstandardsorten erfüllt. Das streitbefangene Altpapiergemisch wird von dem Antragsgegner bereits direkt bei den privaten Haushalten getrennt von anderen Materialien gesammelt und bei der Beigeladenen angeliefert. Es muss nicht erst von anderen Abfallfraktionen aus Wertstofftonnen oder Wertstoffcontainern separiert werden. Daher ist der streitbefangene Verkauf des Altpapiers in seiner vorliegenden Konstellation nicht nur abfallrechtlich zulässig. Der Antragsgegner braucht auch keine weiteren Dienstleistungen wie Sortierungen beauftragen, was er nach dem vorliegenden Vertrag vom 18.12.2003 auch nicht getan hat. Er wäre vielmehr abfallrechtlich befugt gewesen, das von ihm gesammelte Papiergemisch der marktfähigen Sorte 5.01 statt an ein Recyclingunternehmen und Zwischenhändler wie der Beigeladenen unmittelbar an eine Papierfabrik zu verkaufen.
Selbst wenn man aber mit der Antragstellerin den vorliegenden Vertrag schon deshalb nicht als reinen Kaufvertrag einstuft, weil der Verkauf unter der ausdrücklichen Bedingung in § 1 des Vertrages erfolgt, dass die Beigeladene das Papiergemisch einer (weiteren) stofflichen Verwertung zuführt und die Beigeladene damit auch im Interesse des öffentlichen Entsorgungsträger handelt, wenn sie das Papiergemisch vor der Weiterveräußerung an die Papierfabrik sortiert und damit "veredelt" wird daraus nicht ein öffentlicher Dienstleistungsauftrag.
Vielmehr führt die Beigeladene, da Sie das Papiergemisch zu einem unstreitig hohen Festpreis von dem Antragsgegner erwirbt, die Sortierungen im eigenen wirtschaftlichen Interesse und im Interesse der Papierfabrik durch, die sonst - bei einem Direktverkauf - die Sortierungen selbst durchführen müsste und deshalb die Mehrwertschöpfung der Beigeladenen durch einen höheren, von der ereichten Sortenqualität abhängigen Marktpreis vergütet.
Es handelt sich - in der vorliegenden Konstellation und im Gegensatz zu dem Beschluss der Vergabekammer vom 12.11.2003 (Az.: 203-VgK-27/2003) zu Grunde liegenden Sachverhalt, wo der Entsorgungsträger Sammlung, Sortierung und Vermarktung unter Bezugnahme auf § 16 Abs. 1 KrW-/AbfG ausdrücklich einem beauftragten Drittenübertragen hat - somit allenfalls um Leistungen auf der Grundlage einer Dienstleistungskonzession, die aber ebenfalls nicht dem Vergaberecht unterliegt.
Eine öffentliche Dienstleistungskonzession wird definiert als ein Vertrag, bei dem die übertragene Dienstleistung im öffentlichen Interesse liegt, die Gegenleistung für die Erbringung der Auftragsleistung nicht in einem vorher festgelegten Preis, sondern in dem Recht besteht, die zu erbringende eigene Leistung zu nutzen oder entgeltlich zu verwerten und bei dem der Konzessionär ganz oder überwiegend das wirtschaftliche Nutzungsrisiko trägt. (OLG Brandenburg NZBau 2001, 645, 647).
Diese vier Merkmale einer Dienstleistungskonzession liegen hier vor. Zwar bleibt der Antragsgegner gemäß § 15 Abs.1 KrW-/AbfG gegenüber den privaten Haushaltungen entsorgungspflichtig, so dass die Tätigkeit der Beigeladenen auch im öffentlichen Interesse liegt, was der Dienstleistungskonzession aber nicht entgegensteht.
Auch die zweite Voraussetzung - Recht an der Verwertung der eigenen Leistung - wird im vorliegenden Vertragsverhältnis gewahrt. Insbesondere wird dem Antragsgegner hier nicht - wie sonst bei Drittbeauftragungen üblich, ein Überprüfungs- und Weisungsrecht eingeräumt.
Ferner liegt die dritte Voraussetzung für eine Dienstleistungskonzession - Erhalt des Entgeltes von den Nutzern der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen - vor, da die Beigeladene das Entgelt für den durch ihre weiteren Sortierungen erzielten Mehrwertes des Altpapiergemischs von weder unmittelbar noch über einen niedrigen Preis oder gar eine unentgeltliche Überlassung des Altpapiers von dem Antragsgegner als Entsorgungsträger erhält. Die Antragstellerin selbst ist sogar der Auffassung, dass der in § 3 des Vertrages vom 18.12.2003 vereinbarte Festpreis von 48,25 EUR/t für ein Papiergemisch der Sorte 5.01 (deren Qualität nach Auffassung der Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht einmal erreicht werde) zu hoch sei. Das Entgelt für ihre Leistungen erhält die Beigeladene im vorliegenden Fall vielmehr ausschließlich von den Papierfabriken als Endabnehmer des Altpapiers. Da sie selbst einen - unstreitig - hohen Festpreis für dasüberlassene Papiergemisch an den Antragsgegner zahlt, findet hier bei der Weiterveräußerung an die Papierfabriken im Gegensatz zu anderen Entsorgungsmodellen auch keine "Vermarktung für den Entsorgungsträger" statt. Die Vermarktung des Altpapiers durch den Entsorgungsträger erfolgt vielmehr bereits durch die Überlassung des Papiergemischs der Sorte 5.01 gegen Zahlung eines zumindest marktgerechten Festpreises.
Durch die Vereinbarung der Zahlung eines relativ hohen, marktgerechten Festpreises an den Antragsgegner durch den Unternehmer ist im vorliegenden Fall auch das vierte Merkmal einer Dienstleistungskonzession - das wirtschaftliche Nutzungsrisiko - gegeben. Ein Dienstleistungsauftrag liegt nur dann vor, wenn umgekehrt der Auftragnehmer vom Antragsgegner eine Zahlung (Festpreis) oder einen geldwerten Vorteil durch einen besonders niedrigen Preis oder gar eine kostenlose Überlassung des Altpapiers erhält. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung trägt der Unternehmer nicht das wirtschaftliche Risiko. (vgl. BayObLG, Beschluss vom 23.01.2003, Az. 2/03). Im vorliegenden Fall liegt das wirtschaftliche Risiko für die Erwirtschaftung eines Gewinns bei der Weiterveräußerung nach Durchführung von weiteren Sortierungen dagegen ausschließlich bei der Beigeladenen. Da in den letzten drei Jahren die Altpapierpreise sehr stabil waren, ist das wirtschaftliche Risiko für den Unternehmer zwarüberschaubar und kalkulierbar, angesichts einer Vertragslaufzeit von 4 Jahren aber durchaus vorhanden.
Mangels Vorliegens eines öffentlichen Dienstleistungsauftrags im Sinne des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, § 1 VOL/A war der Nachprüfungsantrag daher als unzulässig zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe der gesetzlichen Mindestgebühr von 2.500,-- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB hinsichtlich des xxx unterlegen ist.
Die Erstattungspflicht bezüglich der Kosten des Antragsgegners, die diesem zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch den Antragsgegner im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem öffentlichen Antragsgegner grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Antragsgegner ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Kosten der Beigeladenen:
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".
Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdn. 1034).
Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten eines durch die in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.500,-- EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.
Schulte
Hintz