Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 25.02.2004, Az.: 203-VgK-02/2004
Ausschreibung der Durchführung des Betriebdienstes und Unterhaltungsdienstes und Instandsetzungsarbeiten auf Kreisstraßen sowie die Lieferung von Winterstreumaterial; Zulässigkeit einer Generalunternehmerausschreibung; Maßgeblicher Schwellenwert bei Lieferleistungen; Eröffnung des Rechtswegs zur Vergabekammer bei europaweiten Ausschreibungen; Präklusion wegen verspäteter Rüge von Vergabeverstößen; Anforderungen an die Erkennbarkeit von Verstößen
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 25.02.2004
- Aktenzeichen
- 203-VgK-02/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33913
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 Abs. 3 GWB
- § 107 Abs. 3 GWB
- § 4 VOB/A
- § 2 Nr. 4 VgV
Verfahrensgegenstand
Ausschreibung der Durchführung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes und Instandsetzungsarbeiten auf Kreisstraßen sowie die Lieferung von Winterstreumaterial
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Fachbereichsleiter Senger
auf die mündliche Verhandlung vom 24.02.2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.868,-- EUR festgesetzt.
Begründung
I.
Der Auftraggeber hat mit Bekanntmachung vom 18.07.2004 im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften die Durchführung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes und Instandsetzungsarbeiten auf Kreisstraßen sowie die Lieferung von Winterstreumaterial europaweit im nichtoffenen Verfahren ausgeschrieben. Aus der Bekanntmachung ging hervor, dass der Betrieb und die Unterhaltung von ca. 50 km Kreisstraßen, Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten auf Kreisstraßen im gesamten Kreisgebiet als Generalunternehmer für einen Zeitraum von 2 Jahren Gegenstand der Ausschreibung sind. Die Leistungen sollten die Instandsetzung jeglicher Art im Bereich des Straßenkörpers sowie die Lieferung von ca. 4.000 t Streumaterial für den Winterdienst enthalten. Als Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge wurde der 12.09.2003 festgesetzt. Aus der EU-Vergabebekanntmachung und der parallel erfolgten Bekanntmachung vom 18.07.2003 im Bundesausschreibungsblatt ging hervor, dass im Rahmen des nichtoffenen Verfahrens mindestens 5 Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten. Als Zuschlagskriterien wurden benannt:
das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich 1. Qualifikation, 2. Preis.
Als wirtschaftliche und technische Mindestanforderungen an die Bieterunternehmen wurde verlangt:
- 1.
Nachweis über Dienstleistungen im Betriebs- und Unterhaltungsdienst auf Straßen und anderen Verkehrsflächen.
- 2.
Nachweis über Standorte in der Region.
- 3.
Nachweis über Leistungsfähigkeit (Unternehmensgröße).
Die Ausschreibung beruht auf einem Beschluss des Kreisausschusses des Auftraggebers vom 23.06.2003. Dort wurde festgelegt, dass der Auftraggeber als Straßenbaulastträger auf 51,226 km seines Kreisstraßennetzes (Gesamtlänge 425,194 km) den Betriebs- und Unterhaltungsdienst als Pilotprojekt für die Zeit vom 01.04.2004 bis zum 31.03.2006 von einem privaten Unternehmen durchführen lässt. Die bestehende Kreisstraßenmeisterei behält aber ihre Zuständigkeit für die restlichen 373,968 km. Der Auftraggeber hatte im Vorfeld der Ausschreibung bereits die xxx Ingenieurgesellschaft xxx mbH, xxx (im Folgenden Ingenieurbüro) mit einer Wirtschaftlichkeitsanalyse sowie mit der Vorbereitung und Begleitung des Vergabevfahrens beauftragt. Das Ingenieurbüro war zu dem Schluss gekommen, dass der Auftraggeber durch eine Gesamtausschreibung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes sowie der Instandsetzungsarbeiten an Kreisstraßen erhebliche Einsparungen erzielen könnte. Bislang wurden die Baumaßnahmen und Dienstleistungen durch eigenes Personal des Auftraggebers durchgeführt bzw. im Wege der Einzelauftragsvergabe erledigt. Die geschätzten Gesamtkosten der auszuschreibenden Leistungen wurden mit 2.066.000,-- EUR veranschlagt. Bereits für das erste Jahr rechnete man mit Einsparungen von bis zu 10 % gegenüber dem Jahr 2003.
Von 7 Bewerbern (5 Bietergemeinschaften und 2 Einzelunternehmen) forderte der Auftraggeber alle 5 Bietergemeinschaften zur Abgabe eines Angebotes auf. Die Aufforderung zur Abgabe des Angebotes und Übersendung der Verdingungsunterlagen erfolgte unter Verwendung des Vordrucks EVM (B) A des Vergabehandbuches des Bundes für eine Ausschreibung unterhalb der EU-Schwellenwerte. Die Ausschreibung wurde als beschränkte Ausschreibung bezeichnet. Die Ausschreibung wurde in folgende 2 Lose unterteilt:
Los 1: Durchführung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes für ein Streckennetz von 51,226 km. Zum Umfang der durchzuführenden Arbeiten im Los 1 gehören periodische Wartungsarbeiten, Unterhaltung der Straßenausstattung, Grasmahd, Gehölzarbeiten, Reinigung, bauliche Unterhaltung, Bankett und Grabenregulierung, Winterdienst, Lichtsignalanlagen-Beleuchtung, Instandsetzungsarbeiten.
Los 2: Instandsetzungsarbeiten für die Kreisstraßenmeisterei. Der Umfang der durchzuführenden Arbeiten im Los 2 sollte ausdrücklich folgende 14 Gewerke umfassen:
1 Allgemeine Bauleistungen 2 Bankettfräsarbeiten 3 Grabenräumung 4 Markierungen 5 Schutzplanken 6 Verkehrszeichen 7 Leitpfosten 8 Oberflächenbehandlung 9 Dünne Schichten im Kalkeinbau 10 Lieferung von Bitumenemulsion 11 Lieferung von Splitt 12 Rissesanierung 13 Spurrillenbeseitigung 14 Lieferung von Streumitteln
Eine Vergabe nach Losen war mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe ausdrücklich nicht vorgesehen.
Das Gesamtauftragsvolumen übersteigt nicht den Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung von Bauaufträgen gem. § 2 Nr. 4 VgV. Allerdings sind im Gesamtauftragspaket Dienst- und Lieferleistungen enthalten, wie etwa die Lieferung von mit den Baumaßnahmen nicht zusammenhängenden Streumitteln und Verkehrszeichen, die den Schwellenwert für eine europaweite Ausschreibung von VOL-Leistungen gem. § 2 Nr. 3 VgV überschreiten.
Streitbefangen ist das Los 2, Instandsetzungsarbeiten für die Kreisstraßenmeisterei (KSM). Die Antragstellerin ist ein mittelständischer Betrieb, der auf dem Fachgebiet der Lieferung und Montage von Schutz- und Leiteinrichtungen und des Bankettfräsens spezialisiert ist und derzeit 35 Beschäftigte hat. Sie erzielt ca. 90 % ihres Umsatzes durch öffentliche Aufträge. Auf die Ausschreibung wurde sie durch Anfragen von mehreren Generalunternehmern aufmerksam gemacht, die wiederum im Zuge ihrer Beteiligung am streitbefangenen Vergabeverfahren an die Antragstellerin als potenzieller Lieferant für die Montage von Schutz- und Leiteinrichtungen herangetreten waren. Mit Anwaltsschriftsatz vom 22.01.2004 rügte die Antragstellerin gegenüber dem Auftraggeber die ihrer Auffassung nach unzulässige Generalunternehmerausschreibung und wies darauf hin, dass durch die Nichtzulassung von Angeboten auf einzelne Fachlose gegen mittelständische Interessen und damit gegen § 97 Abs. 3 GWB wie gegen § 4 Nr. 3 VOB/A bzw. § 5 VOL/A verstoßen werde. Die Zusammenfassung der 14 Gewerke des Teilloses II sei nicht gerechtfertigt. Sie habe als spezialisierte Fachfirma Angebote auf einzelne Fachgewerke, insbesondere das Fachgewerk Nr. 5 Schutzplanken, abgeben wollen, sei daran aber durch die Konfiguration der Ausschreibung, die nur ein Gesamtangebot zulasse, definitiv gehindert. Eine schriftliche Reaktion des Auftraggebers auf diese Rüge erfolgte nach der Vergabeakte offenbar nicht. Mit Anwaltsschriftsatz vom 27.01.2004, eingegangen per Telefax am gleichen Tage, hat die Antragstellerin die Vergabekammer angerufen und die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Die Antragstellerin bezieht sich auf ihr Rügeschreiben. Sie vertritt die Auffassung, dass sie antragsbefugt sei, obwohl sie sich nicht mit einem Angebot am streitbefangenen Vergabeverfahren beteiligt hat. Die Antragsbefugnis folge daraus, dass sie auf Grund der ihrer Auffassung nach unzulässigen Generalunternehmerausschreibung gehindert ist, sich hinsichtlich der Fachlose an der Ausschreibung zu beteiligten, die sie als Fachfirma bedienen könnte. Sie habe ein konkretes Interesse in Bezug auf die Fachgewerke 2 "Bankettfräsarbeiten", 3 "Grabenräumung" und 5 "Schutzplanken". Für das Gewerk 5 gibt die Leistungsbeschreibung vor, dass innerhalb der Laufzeit des Vertrages alle Neubau- und Instandsetzungsarbeiten an Schutz- und Leiteinrichtungen an Kreisstraßen im Bereich des Landkreises erbracht werden sollen. Die Antragstellerin vertritt die Auffassung, dass der Auftraggeber zur Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zumindest gehalten war, die Leistungen parallel als Gesamtauftrag und als einzelne Fachlose auszuschreiben.
Der Antragsteller beantragt,
dem Antragsgegner aufzugeben, dass nichtoffene Verfahren "Durchführung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes und Instandsetzungsarbeiten an Kreisstraßen" aufzuheben und mindestens die Fachgewerke 2 (Bankettfräsarbeiten), 3 (Grabenräumung) und 5 (Schutzplanken) des Loses II des Gesamtauftrages gesondert als Fachlose auszuschreiben;
hilfsweise
dem Antragsgegner aufzugeben, dass nämliche Vergabeverfahren aufzuheben und die Neuausschreibung der Bauleistungen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen;
festzustellen, dass die Antragstellerin durch das verfahrensgegenständliche Vergabeverfahren in ihren Rechten verletzt ist;
auszusprechen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten vor der Vergabekammer für die Antragstellerin notwendig ist.
Der Auftraggeber beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Der Auftraggeber hält den Nachprüfungsantrag bereits für unzulässig. Die Rüge sei nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB erfolgt. Nach Auffassung des Auftraggebers hätte die Rüge spätestens mit Schließung des Teilnahmewettbewerbs am 12.09.2003 erfolgen müssen. Da die Ausschreibung nicht nur im Amtsblatt der EU, sondern auch in vier einschlägigen deutschen Zeitungen und Veröffentlichungsblättern bekannt gemacht worden war, habe die Antragstellerin seit der 30. Kalenderwoche des Jahres 2003 Kenntnis von der streitbefangenen Ausschreibung erlangen können. Dementsprechend fehle der Antragstellerin auch die Antragsbefugnis, weil sie sich nicht mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren beteiligt hat. Im Übrigen sei der Nachprüfungsantrag aber auch unbegründet. Die Gesamtausschreibung und der Verzicht auf Fachlose ist nach Auffassung des Auftraggebers vergaberechtlich zulässig, weil dafür wirtschaftliche Gründe im Sinne des § 6 VgV i.V.m. § 4 Nr. 3 VOB/A sprechen. Die zwischenzeitlich erfolgte Submission vom 04.02.2004 habe die vorab gestellte Einsparungsprognose des beauftragten Ingenieurbüros xxx bestätigt. Während man auf Basis der Kosten im Jahr 2003 von einem Auftragswert von 2.066.000 EUR ausgegangen sei, liege nunmehr das preislich günstigste Angebot einer Bietergemeinschaft mit (ungeprüften) 1.736.263,00 EUR für den Gesamtauftrag vor, wobei auf das streitbefangene Los 2 1.426.591,30 EUR fallen. Der Auftraggeber verweist auf das Protokoll der Verdingungsverhandlung vom 04.02.2004. Der Auftraggeber vertritt die Auffassung, dass die damit nachgewiesene und dringend gebotene Kostensenkung als wirtschaftlicher Grund im Sinne des § 4 Nr. 3 VOB/A die Vergabe der Fachlose in zusammengefasster Form rechtfertigte. Im Übrigen sei die Bezeichnung des Auftragnehmers als "Generalunternehmer" in den Verdingungsunterlagen irrtümlich erfolgt. Es würden keinesfalls alle Leistungen für Arbeiten an Kreisstraßen ausgeschrieben. Vielmehr gehe es beim Los I nur um ca. 1/8 der gesamten Kreisstraßen. Der Auftraggeber habe entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch keine marktbeherrschende Stellung. Da die Antragstellerin nach eigenen Angaben in ihrem Spezialgebiet der größte Fachanbieter in Niedersachsen sei, gehörten zum räumlich relevanten Markt auch die anderen Nachfrager in ihrem Tätigkeitsgebiet. Der Auftraggeber verweist auf die Rechtsprechung des BGH (NJW 2000, 1288). Zu berücksichtigen seien in Niedersachsen also nicht nur die 34 Landkreise, sondern auch Bund, Land und Gemeinden mit ihren Straßennetzen.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.02.2004 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat die von ihr geltend gemachten vermeintlichen Verstöße gegen § 97 Abs. 3 GWB und § 4 VOB/A durch die vom Auftraggeber gewählte Form der Generalunternehmerausschreibung nicht bis zum Ablauf der in der Vergabebekanntmachung genannten Frist für den Eingang der Bewerbungen (Teilnahmeanträge) gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB gerügt, obwohl in der Vergabebekanntmachung vom 30.07.2003 im Amtsblatt der EU eindeutig bekannt gegeben wurde, dass ein Generalunternehmer für die streitbefangenen Leistungen gesucht wurde und von daher nur Gesamtamtangebote für alle Lose zugelassen wurden.
1.
Bei dem Auftraggeber handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB zwar nicht hinsichtlich der ausgeschriebenen Bauleistungen, wohl aber hinsichtlich der gleichfalls ausgeschriebenen Lieferleistungen. Gemäß § 100 Abs. 1 GWB gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Der Auftraggeber hat den streitbefangenen Gesamtauftrag mit Bekanntmachung vom 30.07.2003 als Bauauftrag ausgeschrieben und auch in der Folge als Bauauftrag im Sinne der VOB/A behandelt. Für Bauaufträge jedoch gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Nur wenn etwa ein größerer Gesamtbauauftrag losweise ausgeschrieben wird, gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Weder der vom Auftraggeber vor der Ausschreibung auf Basis der bisherigen Erfahrungswerte geschätzte Gesamtauftragswert von 2.066.000,-- EUR noch der in der streitbefangenen Ausschreibung angebotene Gesamtpreis von 1.736.263,-- EUR erreichen den Schwellenwert von 5 Mio. Euro für eine Pflicht zur europaweiten Ausschreibung einer Baumaßnahme. Der reduzierte Schwellenwert für eine losweise Vergabe gem. § 2 Nr. 7 VgV von 1 Mio. Euro ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da die streitbefangene Ausschreibung nicht als Teillos einer größeren, den Schwellenwert von 5 Mio. Euro übersteigenden Gesamtausschreibung, etwa für das gesamte Straßennetz des Auftraggebers, einzustufen ist, sondern ausdrücklich von den politischen Gremien des Auftraggebers als Pilotprojekt beschlossen und ausgeschrieben wurde. Auch die Ausnahmeregelung gem. § 1 a Nr. 2, 2. Spiegelstrich VOB/A greift im vorliegenden Fall nicht. Danach sind die Bestimmungen der a-Paragraphen und damit die europaweite Ausschreibung bei Baumaßnahmen auch anzuwenden, wenn eine Baumaßnahme aus nur einem Bauauftrag mit einem Auftragswert von mindestens 200.000,-- Euro ohne Umsatzsteuer besteht und bei dem die Lieferung so überwiegt, dass das Verlegen und Anbringen lediglich eine Nebenarbeit darstellt. Sowohl beim Los 1 (Durchführung des Betriebs- und Unterhaltungsdienstes auf 51,226 km des Straßennetzes des Auftraggebers) als auch beim Los 2 (Instandsetzung der Streckenabschnitte im Bereich der Kreisstraßenmeisterei des Auftraggebers übersteigt der Wert der Bauleistungen deutlich den Wert der ausgeschriebenen Dienstleistungen bzw. Lieferleistungen.
Auch wird der Rechtsweg zur Vergabekammer nicht bereits dadurch eröffnet, dass ein Auftraggeber, ohne dazu verpflichtet zu sein, eine europaweite Ausschreibung durchführt, selbst wenn er in der Vergabebekanntmachung auf die Vergabekammer hinweist (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss v. 12.08.2002, Az.: 2. Verg 9/02; VK Lüneburg, Beschluss v. 08.11.2002, Az.: 203-VgK-24/2002).
Das streitbefangene Vergabeverfahren ist vielmehr deshalb grundsätzlich einem Nachprüfungsverfahren der Vergabekammer zugänglich, weil im Los 2 nach dem Ergebnis der Ausschreibung Lieferleistungen im Wert von insgesamt 408.113,24 EUR netto enthalten sind, von denen wiederum der Löwenanteil dem Gewerk 14 "Lieferung von Streumitteln" im Wert von 244.200,-- EUR zuzurechnen sind, das mit den ausgeschriebenen Bauleistungen in keinerlei Zusammenhang steht und bereits isoliert betrachtet den Schwellenwert von 200.000,-- EUR für ein europaweites VOL-Vergabeverfahren gem. § 2 Nr. 3 VgV überschreitet. Insofern ist das Vergabeverfahren durch den Wert der ausgeschriebenen Lieferleistungen einer Nachprüfung durch die Vergabekammer grundsätzlich zugänglich.
2.
Die Antragstellerin ist entgegen der Auffassung des Auftraggebers auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107, Rn. 52). § 107 GWB setzt grundsätzlich voraus, dass das Rechtsschutz suchende Unternehmen sich mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren beteiligt hat, was hier unstreitig nicht geschehen ist. Der Antragstellerin kann als einem auf die Lieferung und Montage von Schutz- und Leiteinrichtungen und des Bankettfräsens spezialisierten mittelständischen Unternehmen gleichwohl nicht das Interesse am Auftrag im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB abgesprochen werden. Die Antragstellerin hat auch die Möglichkeit eines eigenen Schadens durch die Verletzung von Vergaberecht dargelegt, indem sie geltend macht, durch die unter Verstoß gegen § 97 Abs. 3 GWB und § 4 VOB/A vom Auftraggeber gewählte Form der Generalunternehmerausschreibung bei gleichzeitiger Nichtzulassung von Angeboten auf Fachlose oder Fachlosgruppen gehindert worden zu sein, sich mit einem eigenen Angebot am Vergabeverfahren zu beteiligen. Für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB genügt es daher, wenn ein Antragsteller eine Schadensgefahr darlegt, die sich daraus ergibt, dass er vom Vergabeverfahren ausgeschlossen wurde, ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, bei gegebener Eignung und Fähigkeit zur Auftragsausführung ein entsprechendes detailliertes und differenziertes Angebot zur Erbringung der ausgeschriebenen Leistung abzugeben (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 GWB, Rn. 53, m.w.N.). Dagegen ist nicht erforderlich, dass der Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte.
3.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unzulässig, weil die Antragstellerin die von ihr im Nachprüfungsverfahren angefochtene Generalunternehmervergabe nicht zu dem vom Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung vom 30.07.2003 festgesetzten Termin für die Teilnahme am nichtoffenen Vergabeverfahren 12.09.2003 gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Zwar folgt die Präklusion des Nachprüfungsantrages im vorliegenden Fall nicht aus § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Denn diese Rügepflicht entsteht erst, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist dabei positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107, Rn. 681). "Kenntnis" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist gegeben, wenn ein Bieter oder ein Bewerber auf Grund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00) ist für die Kenntnis das Wissen um einen Sachverhalt ausreichend, der den Schluss erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes hatte die Antragstellerin positive Kenntnis von der streitbefangenen Generalunternehmerausschreibung erst auf Grund der Anfragen von mehreren Generalunternehmern erlangt, die wiederum im Zuge ihrer Beteiligung am streitbefangenen Vergabeverfahren an die Antragstellerin als potenzieller Lieferant für die Montage von Schutz- und Leiteinrichtungen herangetreten waren. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass die diesbezügliche erste Anfrage eines Generalunternehmers am 19.01.2004 erfolgte. Die Richtigkeit dieser vom Auftraggeber unwidersprochenen Angabe unterstellt, erfolgte die Rüge mit Anwaltsschriftsatz vom 22.01.2004 somit unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung über die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße.
Die Antragstellerin ist mit ihrem Nachprüfungsantrag, der sich allein gegen die ausschließliche Zulassung von Generalunternehmerangeboten und die damit verbundenen vermeintlichen Verstöße gegen das Gebot der Berücksichtigung mittelständischer Interessen gem. § 97 Abs. 3 GWB und die Nichtzulassung von Angeboten auf Fachlose oder Fachlosgruppen gem. § 4 Nr. 3 VOB/A wendet, aber gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB präkludiert. Nach dieser Vorschrift muss der vermeintliche Verstoß, sofern er aus der Bekanntmachung erkennbar ist, spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist oder der Bewerbungsfrist gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Positive Kenntnis ist also im Gegensatz zu dem von Satz 1 des § 107 Abs. 3 GWB geregelten Sachverhalt nicht erforderlich. Maßstab für die Erkennbarkeit muss dabei der Sachverstand des Antragstellers sein. Insoweit ist auf einen sorgfältigen und gewissenhaften "Durchschnittsbieter" abzustellen. In diesem Zusammenhang kann allerdings auch berücksichtigt werden, ob es sich bei dem Bieter um ein eher unerfahrenes oder aber um ein Unternehmen mit langjähriger Erfahrung im Vergaberecht handelt (vgl. Portz in: Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, § 107 GWB, Rn. 36). Als Fehler, die auf Grund der Bekanntmachung erkennbar sind, kommen dabei neben der Wahl der falschen Verdingungsordnung (z.B. VOL statt VOB) auch die Wahl der falschen Vergabeart und eben auch die Nichtbeachtung der Grundsätze für Fachlos- oder Teillosvergabe gem. § 97 Abs. 3 GWB i.V.m. § 4 VOB/A und § 5 VOL/A in Betracht (vgl. Portz, a.a.O.; Vergabekammer Nordbayern, Beschluss v. 27.11.2000, Az.: 320. VK-3194-30/00; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.11.2000, Az.: Verg 18/00). Im vorliegenden Fall war die Antragstellerin als fachkundiges Unternehmen, das nach eigenem Bekunden eine auf dem Fachgebiet der Lieferung und Montage von Schutz- und Leiteinrichtungen und des Bankettfräsens spezialisierte Fachfirma ist, die 90 % ihres jährlichen Gesamtumsatzes von etwa 8 Mio. Euro durch öffentliche Aufträge der hier maßgeblichen Art erzielt, ohne weiteres und vor allen Dingen ohne vorherige Konsultation eines Rechtsanwaltes in der Lage, zu erkennen, dass sie sich an dem streitbefangenen Vergabeverfahren nicht mit einem für sie interessanten Fachlosangebot würde beteiligten können. Nach der Bekanntmachung vom 30.07.2003 wurden ausdrücklich Sanierungs- und Instandsetzungsarbeiten auf Kreisstraßen im gesamten Kreisgebiet als Generalunternehmer für einen Zeitraum von 2 Jahren ausgeschrieben. Zwar wurde in der Bekanntmachung eine Aufteilung in Lose bejaht, aber gleichzeitig deutlich gemacht, dass nur Angebote für alle Lose und damit Gesamtangebote möglich sein würden. Die ausschließliche Suche nach einem Generalunternehmer schließt zudem bereits begrifflich eine Vergabe nach einzelnen Fachlosen oder Fachlosgruppen aus. Auch die Tatsache, dass die Bekanntmachung im EU-Amtsblatt unter Ziffer 1.8.1 nicht alle Kennnummern des gemeinsamen Vokabulars für öffentliche Aufträge (CPV) für die insgesamt 14 Einzelgewerke des Loses 2 der Ausschreibung benannt hat, steht einer Erkennbarkeit der von der Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverletzung nicht entgegen. Die Antragstellerin hat erklärt, dass für sie insbesondere das Gewerk 2 "Bankettfräsarbeiten", das Gewerk 3 "Grabenräumung" und das Gewerk 5 "Schutzplanken" interessant gewesen wären. Für diese drei Gewerke wies das gemeinsame Vokabular für öffentliche Aufträge (Stand 2000; die neuen CPV-Nummern gelten erst ab dem 17.12.2003) keine ausdrücklichen CPV-Nummern aus. Genannt hatte der Auftraggeber in der Vergabebekanntmachung aber unter anderem die Nummern 28813900 "Material für die Instandhaltung von Straßen", 45233140 "Straßenarbeiten", 45233141 "Straßeninstandhaltungsarbeiten" und 45233142 "Straßenausbesserungsarbeiten". Diesen CPV-Nummern lassen sich ohne weiteres auch für die Antragstellerin interessanten Fachgewerke Bankettfräsarbeiten, Grabenräumung und Schutzplanken zuordnen. Als in öffentlichen Vergabeverfahren erfahrenes Spezialunternehmen war daher für die Antragstellerin aus der Vergabebekanntmachung ohne weiteres erkennbar, dass sie sich an dem ausdrücklich als Generalunternehmerausschreibung im nichtoffenen Verfahren bezeichneten Vergabeverfahren nicht mit einem Angebot auf einzelne Fachlose oder Fachlosgruppen im Sinne des § 4 VOB/A würde beteiligen können.
Maßgebliche Ausschlussfrist für die Rüge gem. § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB war hier entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht etwa die den im Zuge des nichtoffenen Vergabeverfahrens beteiligten fünf Generalunternehmern gesetzte Angebotsfrist 28.01.2004, sondern der in der Vergabebekanntmachung vom 30.07.2003 ausdrücklich gesetzte Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge 12.09.2003. Dies folgt schon daraus, dass sich beim nichtoffenen Verfahren gem. § 3 a Nr. 1 b, § 8 a Nr. 2 VOB/A nur eine in der Vergabebekanntmachung genannte Anzahl von Bietern (im vorliegenden Fall fünf) am Vergabeverfahren mit einem eigenen Angebot beteiligen kann, die rechtzeitig einen Teilnahmeantrag abgegeben haben. Die Rüge der Antragstellerin erfolgte somit nicht rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB.
Der Nachprüfungsantrag ist somit als unzulässig zurückzuweisen. Der Vergabekammer ist eine materielle Prüfung der Frage, ob die Generalunternehmerausschreibung im vorliegenden Fall mit § 97 Abs. 3 GWB i.V.m. § 4 VOB/A resp. § 5 VOL/A vereinbar ist oder ob eine Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A bzw. § 25 Nr. 3 VOL/A nur möglich gewesen wäre, wenn der Auftraggeber wenigstens parallel zur Generalunternehmerausschreibung auch Angebote auf einzelne Fachlose oder aber, was hier näher gelegen hätte, auf einzelne Fachlosgruppen gem. § 4 Nr. 3 Satz 2 VOB/A zugelassen hätte, verwehrt.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.868,-- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 1.229.820,- EUR (netto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem preislich niedrigsten Angebot im Vergabeverfahren für das streitbefangene Los 2, da die Antragstellerin kein eigenes Angebot, aus dem sich sonst ihr wirtschaftliche Interesse ermitteln und beziffern ließe, abgegeben hat.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 - 1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 1.229.820,-- EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.868,-- EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.868,-- EUR unter Angabe des Kassenzeichens
xxx
auf folgendes Konto zu überweisen:
Schulte
Senger