Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 07.06.2004, Az.: 203-VgK-16/2004
Anforderungen an die Erfüllung der Rügeobligenheit; Erforderlichkeit der Fertigung eines ordnungsgemäßen Vergabevermerks zur Wahrung des Transparenzgebots; Umfang und Auswirkungen des Transparenzgrundsatzes; Erfordernis der zeitnahen und nachvollziehbaren Dokumentation wesentlicher Zwischenentscheidungen; Dreistufige Durchführung des Verhandlungsverfahrens; Gewichtung des Kriteriums des niedrigsten Preises
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 07.06.2004
- Aktenzeichen
- 203-VgK-16/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33899
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 18 VOF
- § 16 Abs. 3 VOF
Fundstelle
- VS 2005, 6
Verfahrensgegenstand
VOF- Verhandlungsverfahren Ingenieurleistungen xxxxxxx-Brücke
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ök. Brinkmann
auf die mündliche Verhandlung vom 03.06.2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Die Auftraggeberin wird verpflichtet, erneut in die Bewertung der Angebote einzutreten, diese auf der Grundlage der schriftlichen Angebote, des Standes der bereits durchgeführten Verhandlungsgespräche vom 01.09.2003 und 08.09.2003 und unter Berücksichtigung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Auffassung der Vergabekammer erneut durchzuführen und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Vergabevermerk festzuhalten. Dabei ist insbesondere die Punktevergabe anhand der jeweils der Wertung der schriftlichen Angebote und den Verhandlungsgesprächen zugrunde gelegten Matrices/Wertungsschemata und damit auch das Ergebnis der Angebotswertung zu begründen und zu dokumentieren.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Antragstellerin und die Auftraggeberin je zu 1/2.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.738,00 EUR festgesetzt.
- 4.
Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu 1/2 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Antragstellerin notwendig.
Gründe
I.
Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 28.06.2002 die Ingenieurleistungen für den Ersatzneubau der xxxxxxx-Brücke und eine mehrgleisig im laufenden Verkehr betriebenen Eisenbahnanlage europaweit ausgeschrieben. Dabei wurden die Bieter darauf hingewiesen, dass zu den Leistungen auch die Anrampungen und Anschlüsse an das vorhandene Straßennetz gehören. Eine Unterteilung der Leistung in Lose war nicht vorgesehen. Nebenangebote/Alternativangebote als Varianten wurden nicht zugelassen.
Es wurde darauf hingewiesen, dass Bieter, die sich bewerben wollten, zur Beurteilung ihrer finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und zur fachlichen Eignung Nachweise gem. §§ 12 und 13 Abs. 2 lit. a - f und h VOF vorzulegen hatten.
Hinsichtlich der Kriterien für die Zuschlagserteilung wurde auf die Unterlagen verwiesen. Es handelt sich dabei um ein Bewertungsschema, nach dem die Bieter für die einzelnen Angaben auf dem Fragebogen jeweils eine max. Punktzahl erreichen konnten.
Den Ingenieurbüros, die sich gemeldet hatten, wurde ein Fragebogen mit dem Bewertungsschema für den Teilnahmeantrag übersandt. Aufgrund dieses Fragebogens waren detaillierte Angaben zum Firmenprofil mit der Vorlage von vergleichbaren Leistungen als Referenz gefordert. Ferner sollten Angaben zu den Berufsständen der beteiligten Mitarbeiter vorgelegt werden. Es wurden auch Angaben zur wirtschaftlichen und leistungsmäßigen Lage des Dienstleistungserbringers abgefragt. Nach dem Bewertungsschema war für das Firmenprofil max. 60 Punkte, für die Mitarbeiter max. 20 Punkte und für die wirtschaftlichen und leistungsmäßigen Lage max.125 Punkte erreichbar. Die Antragstellerin erreichte in dieser ersten Wertungsstufe 127 Punkte und die Beigeladene 179 Punkte.
Von 31 Planungsbüros wurden 7 Büros aufgefordert, bis zum 24.07.2003, 11.00 Uhr ein formloses schriftliches Angebot abzugeben, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene. Dieser Aufforderung waren u.a. die Auftragskriterien mit der Leistungsbewertung beigefügt. Aus den Unterlagen ergibt sich, dass die Antragstellerin im Gegensatz zur Beigeladenen keine näheren Angaben zum objektbezogenen Auftragskriterium "DV-Programme und Schnittstellen" vorgelegt hatte. Für dieses Auftragskriterium waren max. 20 Punkte zu erreichen, von denen die Beigeladene 18 Punkte erhielt und die Antragstellerin 0 Punkte. Aufgrund der Auswertung der Angebote erhielt die Antragstellerin insgesamt 154 Punkte und die Beigeladene 178 Punkte.
Mit Schreiben vom 08.08.2003 lud die Auftraggeberin die Bieter zu einem Verhandlungsgespräch am 01. bzw. 08.09.2003 für jeweils eine Stunde ein. Zur Vorbereitung auf die Gespräche hatte sie sich eine undatierte Bewertungsmatrix aufgestellt, die den Bietern zu Beginn der Verhandlungsgespräche ausgehändigt wurde.
Aufgrund der Verhandlungsgespräche erhielten sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene insgesamt 138 Punkte. In einer Aufstellung vom 22.09.2003 vermerkte die Auftraggeberin die Anzahl der von den beiden Firmen erzielten Punkte. Aus dieser Aufstellung ergibt sich, dass die Beigeladene mit insgesamt erzielten 316 Punkten aus der Wertung des Angebotes und des Gespräches an erster Stelle lag und die Antragstellerin mit insgesamt 292 Punkten an zweiter Stelle. Mit Vermerk vom 08.12.2003 erhob der Fachdienst Öffentliche Aufträge gegen die beabsichtigte Vergabe Bedenken. Er monierte insbesondere die Vorverlegung der Frist zur Angebotsabgabe und Auswechselung der den Bietern zur Verfügung gestellten Wertungskriterien.
Das zuständige Rechnungsprüfungsamt der Auftraggeberin stimmte der beabsichtigten Vergabe mit Datum vom 12.02.2004 zu. In einer weiteren Stellungnahme vom 08.03.2004 erneuerte der Fachdienst Öffentliche Aufträge seine Bedenken gegen die beabsichtigte Vergabe. Er äußerte die Befürchtung, dass bei einer Erteilung des Zuschlages auf die Beigeladene für die nicht berücksichtigten Bieter Ansatzpunkte für einen Nachprüfungsantrag ergeben.
Trotz dieser Bedenken stimmten sowohl der Vergabebeirat als auch der Verwaltungsausschuss jeweils am 16.03.2004 lt. Vergabenachweis der beabsichtigten Vergabe der Dienstleistung an die Beigeladenen zu.
Mit Schreiben vom 17.03.2004 informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin gemäß § 13 VgV, dass sie beabsichtigt, der Beigeladenen den Zuschlag zu erteilen. Ferner teilte sie mit, wie viele Punkte die Beigeladene und die Antragstellerin jeweils für das Angebot und das Gespräch erhalten hatten.
Mit Schreiben vom 24.03.2004 bat die Antragstellerin die Auftraggeberin um Aufschlüsselung der Punkteverteilung der einzelnen Vergabekriterien, da sie erwäge, gegen die Entscheidung vorzugehen. Ob und in welcher Form die Auftraggeberin der Bitte gefolgt ist, ist der Vergabeakte nicht zu entnehmen. Aus den der Vergabekammer von der Antragstellerin beigefügten Unterlagen ergibt sich, dass die Auftraggeberin ihr mit Fax vom 25.03.2004 die gewünschte Aufschlüsselung der Wertung ihres Angebotes und des Gespräches zur Verfügung gestellt hat.
Mit Schreiben vom 26.03.2004 rügte die Antragstellerin die beabsichtigte Vergabe an die Beigeladene. Sie beanstandete dabei u.a. die Dauer des Vergabeverfahrens und dass die Auftraggeberin keine Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt hatte, sondern lediglich Auftragskriterien. Ferner beanstandet sie, dass die Auftraggeberin während der Ausschreibung die Wertungskriterien verändert hatte und die vorgenommene Bewertung der Angebote. Dabei wies sie insbesondere auf die ihrer Meinung nach unzutreffende Wertung der DV-Programme und Schnittstellen sowie die Gewichtung der einzelnen Preise hin.
Mit Schreiben vom 31.03.2004 wies die Auftraggeberin der Antragstellerin darauf hin, dass sie (die Antragstellerin) die von ihr beanstandeten Vergabekriterien nicht unverzüglich gerügt habe. Ferner machte sie die Antragstellerin darauf aufmerksam, dass die zuständige Nachprüfungsstelle die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg sei.
Die Antragstellerin beantragte mit Schriftsatz vom 29.03.2004, eingegangen bei der Vergabekammer am 30.03.2004, die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens.
Zur Begründung führt die Antragstellerin die Punkte an, die sie bereits in ihrem Rügeschreiben angeführt hatte. Ferner führt sie aus, dass die Auftraggeberin zur Vorbereitung des Verhandlungsgesprächs von den Bietern lediglich ein erstes Honorarangebot gefordert habe. Insoweit sei die separate Bewertungsweise des schriftlichen Angebotes für sie völlig überraschend gewesen. Eine Unterteilung des Angebotes in schriftliches und mündliches Vorbringen sei künstlich und benachteilige die Bieter unangemessen.
Ferner hätte die Sachkunde der Bieter nicht bei der leistungsbezogenen Auswertung berücksichtigt werden dürfen. Als Beispiele führt sie den Personaleinsatz und die Erfahrung mit EU-Ausschreibungen an.
Auch sei nicht nachvollziehbar, wie die Wertung der Angebote erfolgt ist. Die Auftraggeberin habe z.B. die Einschätzung der geplanten Ausführungszeit willkürlich bewertet und damit gegen das Transparenzgebot verstoßen. Dies gelte auch hinsichtlich der Gewichtung der Bewertung der Angebote untereinander. Sie nennt hier als Beispiel die Bewertung des Preises, und der Kosten für besondere Leistungen und GVfG und andere Zuschussanträge.
Die Antragstellerin beantragt,
das Vergabeverfahren der Antragsgegnerin zur Vergabe der Ingenieurleistungen für den Ersatzneubau der xxxxxxx-Brücke in xxxxxxx aufzuheben.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin vertritt die Auffassung, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig ist.
Zur Begründung führt sie aus, dass aus dem Vortrag der Antragstellerin nicht erkennbar sei, welche Verhaltensweisen als Vergabeverstöße gerügt werden. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang den Zeitablauf und die "fehlenden Unterlagen" beanstandet, lege sie in keiner Weise dar, inwiefern ihr dadurch Nachteile entstanden seien. Zur Begründung ihrer Auffassung verweist sie auf die Entscheidung des OLG Koblenz vom 10.08.2000, -1 Verg 2/00-.
Soweit die Antragstellerin auch den Austausch von Unterlagen im Rahmen des Verhandlungsverfahrens jetzt beanstandet, sei die Rüge präkludiert, da die Antragstellerin den vermeintlichen Verstoß nicht unverzüglich gerügt habe. Gleiches gelte auch hinsichtlich des mit Datum vom 15.07.2003 vorgenommen Austausches von Wertungskriterien. Dort sei u.a. bekannt gemacht worden, dass die Datenverarbeitungslage der Bewerber ein entscheidungserhebliches Kriterium sein würde. Falls der Antragstellerin unklar sei, welche Erklärungen abzugeben und zu belegen seien, hätte sie dies unverzüglich hinterfragen müssen. Gleiches gelte hinsichtlich der von ihr vorgenommenen Gewichtung der einzelnen Preise. Auch diesen Punkt habe die Antragstellerin nicht unverzüglich gerügt.
Darüber hinaus hält sie den Nachprüfungsantrag für unbegründet.
Sie führt aus, dass ihrer Meinung nach bei der Bewertung des § 16 Abs. 2 VOF anerkannt sei, dass auch die Kompatibilität der EDV-Programme als Kriterium herangezogen werden könne. Zur Begründung verweist sie auf den Kommentar Müller-Wrede zu § 8, Rn. 30 (erste Auflage). Ferner führt sie aus, dass, selbst wenn die Antragstellerin für das "Objektbezogene Auftragskriterium: DV-Programme und Schnittstellen" die volle Punktzahl von 20 statt der 0 Punkte erreicht hätte, sie immer noch nicht an erster Stelle läge, da der Abstand zwischen den beiden Bietern insgesamt 24 Punkte betrage.
Soweit sich die Antragstellerin bei der Bewertung des Kriteriums der Terminplanung zu Unrecht abgewertet fühle, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass eine eingeplante Frist von 2 Monaten zwischen Veröffentlichung und Zuschlagserteilung bzw. 6 Wochen für die Beteiligung der Deutschen Bundesbahn mit dem Ziel eines GVFG-Antrages eindeutig zu kurz bemessen sei.
Soweit die Antragstellerin das von ihr gewählte Verfahren, nicht einen Planungswettbewerb gemäß § 25 VOF oder ein Verfahren nach § 24 Abs. 2 VOF durchzuführen, jetzt beanstandet, weist die Auftraggeberin darauf hin, dass es nähere Ausführungen zur Aufgabenstellung, als sie in der Aufforderung zur Interessenbekundung gemacht habe, nicht bedurfte. Sie musste ihrer Meinung nach vielmehr anhand der Angaben der Bewerber, sich ein möglichst detailliertes Bild über den Grad der Erfüllung der bekannt gegebenen Kriterien zu machen.
Die Beigeladene hat keine Anträge gestellt. Sie unterstützt das Vorbringen des Auftraggebers.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 03.06.2004 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Er ist unzulässig, soweit sich die Antragstellerin gegen vermeintliche Mängel der Ausschreibung und insbesondere der Ausschreibungsunterlagen wendet, weil sie die vermeintlichen Vergaberechtsverstöße nicht unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme gerügt hat. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er teilweise begründet. Die Auftraggeberin hat gegen das Transparenzgebot gem. § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, da die Vergabeakte keinen den Anforderungen des § 18 VOF entsprechenden Vergabevermerk über die Auswertung und Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der übrigen Bieter enthält, die die Auftraggeberin aus dem Bieterkreis für die Verhandlungsgespräche ausgewählt hat. Während die 1. Bewertung der schriftlichen Angebote den Anforderungen an die Dokumentationspflicht nur teilweise genügt, ist die Punktevergabe bei der Bewertung der Verhandlungsgespräche auf Grundlage der gesonderten Bewertungsmatrix in der Vergabeakte überhaupt nicht begründet. Damit ist auch die Gesamtbewertung - Wertung der schriftlichen Angebote und der Verhandlungsgespräche - nicht in einer dem Transparenzgrundsatz genügenden Weise dokumentiert. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass der Auftraggeber in einem VOF-Verfahren dem Wirtschaftlichkeitskriterium "niedrigster Preis" nur eine geringe Bedeutung beigemessen hat.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um freiberufliche Dienstleistungen im Sinne des § 1 VOF betreffend Ingenieurleistungen für den Ersatzneubau der xxxxxxx-Brücke und eine mehrgleisig im laufenden Verkehr betriebene Eisenbahnanlage und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,00 EUR gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, sie sei mit ihrem Angebot nur deshalb nicht zum Zuge gekommen, weil die Auftraggeberin die Angebotswertung nicht in nachvollziehbarer Weise durchgeführt habe und bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes nicht hinreichend das Kriterium des niedrigsten Angebotspreises gewichtet habe. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das Antrag stellende Unternehmen bzw. die Bietergemeinschaft einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 107 Rn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat schlüssig dargelegt, dass sie eine bessere Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn die Auftraggeberin die Zuschlagskriterien anders gewichtet hätte, was möglicherweise dazu geführt hätte, dass das Angebot der Antragstellerin die höchste Punktzahl in der Wertung erzielt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, Seite 24).
Die Antragstellerin ist allerdings nur teilweise ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Dies gilt für sämtliche von der Antragstellerin im Zuge des Nachprüfungsverfahrens geltend gemachten vermeintlichen Mängel des Vergabeverfahrens und insbesondere der Verdingungsunterlagen bis einschließlich der Durchführung des Verhandlungsgespräches am 01.09.2003. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Ein Anbieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Voraussetzung ist dabei die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 107 Rn. 681). "Kenntnis" im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist gegeben, wenn ein Bieter oder Bewerber aufgrund des Verhaltens des Auftraggebers oder einer Festlegung in den Verdingungsunterlagen - ohne dies rechtlich fundiert begründen zu können - von einem Vergabefehler ausgeht. Nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2000, Az.: Verg 9/00) ist für die Kenntnis das Wissen um einen Sachverhalt ausreichend, der den Schluss erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden. Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs kann sich die Antragstellerin nicht mehr auf vermeintlich mangelhafte Verdingungsunterlagen oder eine fehlerhafte Durchführung des Vergabeverfahrens im Vorfeld des mit ihr geführten Verhandlungsgespräches, mit dem sie in die Endrunde des Verhandlungsverfahrens gelangt ist, berufen. Die Antragstellerin hat erstmals mit Schreiben vom 26.03.2004, nach Erhalt des Informationsschreibens gem. § 13 VgV vom 17.03.2003, unter anderem die Dauer des Vergabeverfahrens gerügt und beanstandet, dass die Auftraggeberin keine Ausschreibungsunterlagen zur Verfügung gestellt habe, sondern lediglich Auftragskriterien mitgeteilt habe. Ferner hat sie dort erstmals beanstandet, dass die Auftraggeberin während der Ausschreibung Wertungskriterien mit Schreiben vom 15.07.2003 ausgetauscht hat und dem Verhandlungsgespräch vom September 2004 eine weitere Matrix zugrunde gelegt hat, deren Kriterien nicht in jedem Punkt mit den Wertungskriterien für das schriftliche Angebot übereinstimmten. Der Vortrag der Antragstellerin, sie sei aufgrund der schriftlichen Aufforderung zur Angebotsabgabe vom 03.07.2003 nebst Anlagen und in der Folge im gesamten Vergabeverfahren davon ausgegangen, dass das eigentliche Angebot erst im Rahmen des Verhandlungsgespräches bzw. auf der Grundlage des Verhandlungsgespräches erfolgen sollte, überzeugt nicht. Zwar wurden die in der ersten Phase des Verhandlungsverfahrens ausgewählten Bieter mit Schreiben des Auftraggebers vom 03.07.2003 ausdrücklich gebeten,
"aufgrund der beigefügten Unterlagen ein formloses schriftliches Angebot über die Objektplanung und die Tragwerksplanung bis zum 24.07.2003, 11.00 Uhr, beim Fachdienst Öffentliche Aufträge ... in verschlossenem Umschlag einzureichen."
Ausdrücklich wurde jedoch auch auf die Anlagen hingewiesen, nämlich auf die beigefügte Aufgabenbeschreibung, Hinweise und Wertungskriterien, Grundlagen des Angebots, HOAI-Beschreibung sowie zwei Übersichtspläne. In den beigefügten Angebotsbedingungen heißt es zu Inhalt und Struktur des Angebotes unter Ziffer 2.2:
"Das Angebot muss die Preise sowie alle in den Ausschreibungsunterlagen geforderten Erklärungen, Angaben und Anlagen enthalten."
Ferner war dem Aufforderungsschreiben eine Auflistung der Auftragskriterien in der Reihenfolge ihrer Bedeutung beigefügt. Dabei hatte der Auftraggeber für jedes Kriterium den vorgesehenen Bewertungsrahmen (0 bis max. 40 Punkte) angegeben. Darüber hinaus wurden die Grundlagen des Angebotes definiert. Dort heißt es unter 1.:
"Es wird ein Angebot über die Planung und Konstruktion einer Straßenbrücke inkl. der infrastrukturellen Nebenarbeiten erwartet; nähere Details siehe vorstehende Aufgabenbeschreibung. Leistungen nach ... HOAI ..."
Zusätzlich soll ein gesondertes Angebot über die Leistungen der Sicherheits- und Gesundheitskoordinierung sowie der Zuschussanträge (z.B. GVFG) inkl. Erstellung der Verwendungsnachweise gemacht werden. Auch wenn der Antragstellerin zuzugestehen ist, dass die Verdingungsunterlagen insgesamt äußerst knapp gehalten waren und auch durch die mit Schreiben vom 15.07.2003 erfolgte Ergänzung der Zuschlagskriterien, der überarbeiteten Angaben zur Objektplanung der gesamten Baumaßnahme sowie der anrechenbaren Kosten der Tragwerksplanung nicht wesentlich ausführlicher wurden, war für die Bieter und damit auch die Antragstellerin klar ersichtlich, dass es sich nicht, wie die Antragstellerin vorträgt, um ein "erstes Honorarangebot" handelte, das hier angefordert wurde, sondern um das schriftliche Gesamtangebot für die verfahrensgegenständlichen Ingenieurleistungen, über die dann in den Verhandlungsgesprächen gesprochen werden sollte. Gegen die Darstellung der Antragstellerin spricht auch, dass sie selbst ihrem Angebot vom 21.07.2003 nicht nur ein detailliertes Kostenangebot zu allen abgeforderten Leistungsbestandteilen gemacht hat, sondern als Anlage auch Referenzlisten, Referenzschreiben verschiedener Auftraggeber, Zertifikate, eine Vorstellung des Projektteams und eine in einem grafischen Plan dargestellte Terminplanung beigefügt hat. Wenn die Antragstellerin die Verdingungsunterlagen tatsächlich für unzureichend gehalten hat, so hätte sie den Auftraggeber unverzüglich darauf hinweisen müssen. Dies folgt zum einen aus der Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Hinweispflicht erfolgt darüber hinaus aber auch aus den mit den Verdingungsunterlagen übersandten "Angebotsbedingungen zur VOF-Ausschreibung Ersatzneubau der xxxxxxx-Brücke in xxxxxxx". Dort heißt es unter Ziffer 1.2:
"Enthalten die Ausschreibungsunterlagen nach Auffassung des Bieters Unklarheiten, die die Preisermittlung beeinflussen, so hat der Bieter die ausschreibende Stelle vor Angebotsabgabe unverzüglich schriftlich oder telegrafisch darauf hinzuweisen, auch wenn er den Hinweis schon vorher in anderer Form gegeben hat."
Die Antragstellerin durfte daher nicht, wie geschehen, ihre Rügen hinsichtlich der vermeintlich unzureichenden Verdingungsunterlagen und der Durchführung des Vergabeverfahrens so lange zurückhalten, bis sie aufgrund des Informationsschreibens der Auftraggeberin gem. § 13 VgV vom 17.03.2004 Klarheit darüber hatte, dass sie den Zuschlag nicht erhalten werde. Sie hätte die Auftraggeberin vielmehr spätestens im Rahmen des Verhandlungsgesprächs am 01.09.2003 auf die vermeintlichen Mängel hinweisen müssen. Dies gilt auch hinsichtlich der von ihr nunmehr im Nachprüfungsverfahren vorgetragenen Bedenken gegen die gesonderte Bewertungsmatrix für die Verhandlungsgespräche, die ihr wie den anderen Bietern unstreitig zu Beginn der Verhandlungsgespräche ausgehändigt wurde.
Unverzüglich und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 1 Satz 1 GWB gerügt hat die Antragstellerin nur die Auswertung der Angebotsgespräche und damit die Gesamtwertung der Angebote. Über die diesbezüglichen im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten vermeintlichen Vergaberechtsverstöße, den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt und das Bewertungsergebnis selbst hatte die Antragstellerin erst aufgrund des Informationsschreibens gem. § 13 VgV vom 17.03.2004 positive Kenntnis erlangt. Soweit die Antragstellerin sich im Zuge des Nachprüfungsverfahrens auf eine mangelhafte Dokumentation der Wertung und insbesondere der Punktevergabe beruft, war eine Rüge entbehrlich, da die Antragstellerin die diesbezüglichen Sachverhaltskenntnisse erst aufgrund der Akteneinsicht im Nachprüfungsverfahren Kenntnis erlangt hat (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03).
Nur in diesem Rahmen ist der Nachprüfungsantrag daher zulässig.
2.
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist begründet, soweit sie eine Verletzung des Transparenzgebotes gem. § 97 Abs. 1 GWB geltend macht. Die Antragstellerin hat gegen das Transparenzgebot verstoßen, weil die Vergabeakte keinen den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Vergabevermerk über die Auswertung der schriftlichen Angebote und Bewertung der Angebote der Antragstellerin und der Beigeladenen auf Basis der entscheidenden Verhandlungsgespräche vom 01.09.2003 und 08.09.2003 enthält. Während die Bewertung der schriftlichen Angebote mit Submissionstermin 24.07.2003 nur hinsichtlich der ersten 4 Wertungskriterien zwar stichpunktartig, aber noch nachvollziehbar in der Vergabeakte begründet ist, fehlt eine solche Begründung und Dokumentation für die Ergebnisse der Verhandlungsgespräche und der Gesamtbewertung völlig. Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 Satz 1 GWB verletzt (im Folgenden a). Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen unbegründet. Es ist insbesondere nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin in einem VOF-Verfahren dem Wirtschaftlichkeitskriterium "niedrigster Preis" nur eine geringe Bedeutung zugemessen hat (im Folgenden b).
a)
Die Auftraggeberin hat gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, da die Vergabeakte hinsichtlich der entscheidenden Wertung der Angebote auf Basis der Verhandlungsgespräche vom 01.09. und 08.09.2003 mit der Antragstellerin, der Beigeladenen und der übrigen im Verhandlungsverfahren verbliebenen Bieter keine den Anforderungen des § 18 VOF genügende Dokumentation und damit keinen ausreichenden Vergabevermerk enthält. Nach § 97 Abs. 1 GWB beschaffen öffentliche Auftraggeber Waren, Bau- und Dienstleistungen im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren. Das in dieser Niederschrift niedergelegte Transparenzgebot ist eines der tragenden Grundsätze des Vergaberechts. Der Grundsatz der Vergabe in transparenten Vergabeverfahren dient unmittelbar der Verwirklichung des Wettbewerbsgedankens (vgl. Hailbronner in Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 97 Rn. 135, m.w.N.). Die Transparenz des Verfahrens dient insbesondere der Gleichbehandlung der Bieter und dem Schutz vor staatlicher Willkür. Die Teilnahme- und Publizitätsvorschriften der Richtlinien, die die Transparenz der öffentlichen Beschaffungsmärkte sicherstellen sollen, sind dementsprechend von besonderer Rechtsqualität. Sie sind mehr als formale Ordnungsprinzipien. Nach der Entscheidung des EuGH vom 20.09.1988 in der Rechtssache 31/87 ("Beentjes") begründen die Teilnahme- und Publizitätsvorschriften deshalb subjektive Rechte der Bieterunternehmen. Der Transparenzgrundsatz umfasst nicht nur die vergaberechtlichen Vorgaben bezüglich der Bekanntmachungspflichten der öffentlichen Auftraggeber hinsichtlich ihrer Vorhaben und ihrer Bedingungen und den nachgefragten Leistungen. Er erfasst auch die vergaberechtlichen Vorschriften, die in erster Linie der Ex-Post-Transparenz dienen, wie z.B. § 18 VOF, § 30 VOB/A oder § 30 VOL/A. Der Weg zur Vergabeentscheidung soll vom Bieter nachvollzogen und auch kontrolliert werden können. Durch diese Vorschrift soll eine erleichterte Nachprüfung der Richtigkeit der getroffenen Feststellungen und der jeweiligen Verfahren ermöglicht werden (vgl. Niebuhr/Kulartz/Kus/Portz, Vergaberecht, § 97 Rn. 101). Diese Ex-Post-Transparenz ist schließlich auch für einen effektiven Rechtsschutz erforderlich, sodass alle Entscheidungsschritte grundsätzlich zu dokumentieren sind und nicht erst nach Abschluss des Vergabeverfahrens vorliegen müssen (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff.). § 18 VOF verpflichtet den Auftraggeber, einen Vergabevermerk zu fertigen, der "die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält".
Selbst wenn in zeitlicher Hinsicht ein (Gesamt-)Vergabevermerk insgesamt erst nach der endgültigen Vergabeentscheidung fertig gestellt werden kann, ist es zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes erforderlich, dass der Auftraggeber wesentliche Zwischenentscheidungen bereits vor der Zuschlagsentscheidung nachvollziehbar und zeitnah dokumentiert (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 14. Auflage, § 30 VOB/A, Rn. 3 m.w.N.). Insbesondere wenn es sich wie im vorliegenden Fall um ein Verhandlungsverfahrens handelt, ist nicht notwendigerweise ein zusammenhängender Vergabevermerk zu fordern. § 18 VOF ist aber wie § 30 VOB/A und § 30 VOL/A dahingehend auszulegen, dass das Vergabeverfahren und alle wesentlichen Entscheidungen laufend und in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren sind (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.). Die im streitbefangenen Vergabeverfahren wesentliche Bewertung der Verhandlungsgespräche vom 01.09. und 08.09.2003 sowie die Gesamtbewertung aus schriftlichem Angebot und Verhandlungsgespräch hat die Auftraggeberin nicht diesen Anforderungen entsprechend in der Vergabeakte dokumentiert.
Die Auftraggeberin hat das Verhandlungsverfahren in grundsätzlich nicht zu beanstandender Weise dreistufig durchgeführt. Einem vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb, an dem sich 31 Planungsbüros beteiligten, folgte die schriftliche Aufforderung an sieben ausgewählte Büros, bis zum 24.07.2003 ein schriftliches Angebot abzugeben. Auf Basis dieser schriftlichen Angebote erfolgten dann die Verhandlungsgespräche. Die Auftraggeberin hat die zum Submissionstermin 24.07.2003 eingegangenen schriftlichen Angebote anhand einer zuvor aufgestellten und den Bietern mit Schreiben vom 15.07.2003 bekannt gemachten Bewertungsmatrix vorgenommen, die nicht nur bereits, wie § 16 Abs. 3 VOF dies vorschreibt, alle Auftragskriterien enthielt, deren Anwendung vorgesehen ist, in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Vielmehr machte die Auftraggeberin den Bietern auch die jeweilige Bewertungsspanne für alle Kriterien bekannt. So sollten etwa für das Bewertungskriterium a "Geplante Ausführungszeiten für die Ingenieurleistungen" max. 40 Punkte vergeben werden, während das Kriterium g "Preis/Honorar Auskömmlichkeit/Annehmbarkeit" max. 10 Punkte erhalten sollte. Die Bieter konnten daraus ohne weiteres nicht nur die Zuschlagskriterien, sondern auch ihre Gewichtung erkennen und ihrem Angebot zugrunde legen. Eine derartige Bewertungsmatrix ist durchaus sinnvoll und kann einen ausführlichen Wertungs- und Entscheidungsvermerk in der Vergabeakte ergänzen und präzisieren. Sie kann einen Vergabevermerk jedoch nicht völlig ersetzen. Vielmehr muss in der Vergabeakte im Interesse einer Ex-Post-Transparenz wenigstens kurz erläutert werden, warum welcher Bieter für welches Kriterium welche Punkte erzielt hat. Die kriterienbezogene Angabe der erzielten Punkte und ihre Addition allein ist nicht ausreichend.
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist bereits die Punktevergabe und Auswertung der schriftlichen Angebote vom Submissionstermin 24.07.2003 in der Vergabeakte nur teilweise ausreichend dokumentiert. Für die Kriterien "Geplante Ausführungszeiten Ingenieurleistung", "Zeitablauf der verschiedenen Bauphasen, Bauzeitenplan", "Zusammenarbeit mit der Bahn / Benennung Bauleiter Bahn", "Personaleinsatz mit namentlicher Benennung" sind in der Vergabeakte einzelne Auswertungsbögen enthalten, in denen für jeden Bieter nicht nur die Punkte eingetragen sind, sondern auch eine kurze handschriftliche, stichwortartige Begründung enthalten ist. Für das Kriterium "Preis Honorar Auskömmlichkeit Annehmbarkeit" ist im Gesamtauswertungsbogen neben der Punktevergabe immerhin noch der Angebotspreis genannt. Für die übrigen Kriterien sind dagegen weder einzelne Auswertungsbögen noch sonstige Vermerke in der Vergabeakte enthalten. Vielmehr ist aus der Gesamtübersicht lediglich die erzielte Punktzahl ersichtlich. Die Punktevergabe für die Kriterien "Erfahrung mit vergleichbaren Brückenbauwerken in den letzten 5 Jahren", "Erfahrungen des vorgesehenen Personals mit dem einschlägigen Regelwerk", "Nebenkosten, Prozente, andere Aufschläge", "Kosten für besondere Leistungen GVFG und andere Zuschussanträge" und "Objektbezogene Auftragskriterien DV-Programme und Schnittstellen" sind dagegen zwar in der Gesamtauswertung der schriftlichen Angebote bepunktet. Die entsprechende Bewertung ist jedoch nicht dokumentiert. Eine Begründung der aus einer Tabelle ersichtlichen Punktevergabe für die Bewertung der Gespräche vom 01.09. und 08.09.2003 fehlt in der Vergabeakte völlig. Damit ist auch die Gesamtbewertung der Angebote, deren Ergebnis einer tabellarischen Punkteübersicht mit Datum 22.09.2003 in der Vergabeakte enthalten ist, nicht hinreichend nachvollziehbar.
Die Auftraggeberin ist daher gehalten, erneut in die Angebotswertung einzutreten, die Bewertung der sieben ausgewählten Angebote auf Basis der schriftlichen Angebote und der Verhandlungsgespräche vom 01.09. und 08.09.2003 unter Zugrundelegung der den Bietern bekannt gemachten Zuschlagkriterien erneut durchzuführen und Wertung und Punktevergabe nebst Begründung in einem den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren.
b)
Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag jedoch unbegründet. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin dem Zuschlagkriterium "niedrigster Angebotspreis" bzw. "Preis/Honorar" lediglich eine untergeordnete Gewichtung zugemessen hat. Insgesamt waren bei der Angebotswertung maximal 410 Punkte zu erreichen (maximal 230 Punkte für das schriftliche Angebot zuzüglich maximal 180 Punkte im Verhandlungsgespräch). Für das Zuschlagkriterium "Preis/Honorar, Auskömmlichkeit/Annehmbarkeit" hatte die Auftraggeberin ausweislich der den Bietern mit Schreiben vom 15.07.2003 übersandten Bewertungsmatrix maximal 10 Punkte, für das Zuschlagkriterium "Nebenkosten" ebenfalls maximal 10 Punkte und für das Zuschlagkriterium "Kosten für besondere Leistungen" (für Zuschussanträge und deren Abwicklung) maximal 30 Punkte angesetzt. Alle kostenbezogenen Zuschlagkriterien zusammen erhalten daher einen maximalen Gewichtungsanteil von 12 % an der Gesamtwertung. Zwar ist auch bei einem VOF-Vergabeverfahren eines der Zuschlagkriterien immer auch der Preis bzw. das Honorar. § 16 Abs. 2 VOF gibt zwingend vor, dass die Kosten bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe zu berücksichtigen sind. Es stellt jedoch die Gewichtung der einzelnen Kriterien ausschließlich in das Ermessen des Auftraggebers. Darüber hinaus hat der Auftraggeber nach § 13 VOF lediglich in der Aufgabenbeschreibung oder in der Vergabebekanntmachung alle Auftragskriterien anzugeben, deren Anwendung vorgesehen ist, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung. Daraus ergibt sich, dass der Auftraggeber durch die VOF verpflichtet ist, seine sämtlichen Kriterien für die Auftragsvergabe bzw. Angebotswertung den Bietern bekannt zu geben. Dies hat die Auftraggeberin unstreitig getan. Im Gegensatz zu den Vergabeverfahren im Bereich der VOB und der VOL spielt im Rahmen der VOF der Preis bzw. das Honorar für die Planungsleistungen nur eine untergeordnete Rolle bei der Wirtschaftlichkeitsermittlung. Zum einen sind diese Leistungen ohnehin entsprechend der verbindlichen Gebühren- und Honorarregelungen der HOAI im Wesentlichen festgelegt, worauf auch § 16 Abs. 2 Satz 2 VOF ausdrücklich hinweist. Zum anderen ist es wesentlicher Zweck der im VOF-Verfahren vergebenen freiberuflichen Planungsleistungen, die durch die Planung letztlich verursachten eigentlichen Investitions- und Folgekosten zu minimieren (vgl. Kaufhold, Mayerhofer, Reichl, Die VOF im Vergaberecht, Köln 1999, § 16, Rn. 12). Ein Gewichtungsansatz von lediglich 12 % für die kostenbezogenen Zuschlagkriterien wäre zwar regelmäßig nicht bei einem VOB- oder VOL-Verfahren mit dem Gebot, den Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen, zu vereinbaren. Bei einem VOF-Verfahren ist ein derartiger Gewichtungsansatz wegen der nachrangigen Bedeutung des Kriteriums "Preis" dagegen vergaberechtlich nicht zu beanstanden.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der unter 2 a) festgestellten Verstöße gegen das vergaberechtliche Transparenzgebot ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Angebotswertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen. Die Auftraggeberin ist daher gehalten, die Punktewertung auf der Grundlage der ihr vorliegenden sieben schriftlichen Angebote und den bereits durchgeführten Verhandlungsgesprächen vom 01. und 08.09.2003 erneut vorzunehmen und Wertung und Ergebnisse in einem den Anforderungen des § 18 VOF genügenden Vergabevermerk in der Vergabeakte zu dokumentieren. Die Vergabekammer weist darauf hin, dass auch nach der erneuten Angebotswertung die Bieter wiederum gemäß § 13 VgV zu informieren sind. Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dagegen nicht erforderlich. Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag aus den o. g. Gründen als unzulässig bzw. unbegründet zurückzuweisen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro-Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.738,00 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 824.799,59 EUR (brutto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin unter Berücksichtigung des angebotenen Nachlasses von 7 % auf die Objektplanung und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000,00 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,00 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 824.799,59 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.738,00 EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass sowohl die Auftraggeberin als auch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist. Der Nachprüfungsantrag ist nur hinsichtlich des festgestellten Verstoßes gegen die Dokumentationspflichten begründet. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag unzulässig oder unbegründet. Eine hälftige Kostentragungspflicht ist daher angemessen.
Die entsprechend anteilige Erstattungspflicht bezüglich der Kosten der Antragstellerin, die dieser zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war auf Antrag der Antragstellerin festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von einem fachkundigen, erfahrenen Bieter wie der Antragstellerin grundsätzlich verlangen darf, dass er über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A verfügt, bedurfte er für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen Bieter ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.
Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306) [BVerwG 10.04.1978 - 6 C 27/77]. Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.
Angesichts der oben erörterten Tatsache, dass die Auftraggeberin teilweise im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin zu 1/2 tragen. Der Auftraggeberin selbst sind keine Rechtsanwaltskosten entstanden. Sie hat dementsprechend keinen Kostenantrag gestellt.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von 1.369,00 EUR unter Angabe des Aktenzeichens xxxxxxxxxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 1.369,00 EURO unter Angabe des Kassenzeichens xxxxxxxxxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx
Schulte
Brinkmann