Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 21.09.2004, Az.: 203-VgK-42/2004

Kostenmindernde Berücksichtigung der vom Bieter angebotenen vorzeitigen Entlassung aus laufenden Vertragsverbindlichkeiten bei der Angebotswertung; Vergaberechtliche Voraussetzungen eines Preisnachlasses; Ausschluss von Nebenangeboten wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen ; Anforderungen an die Gleichwertigkeit eines Nebenangebots; Vereinbarkeit der Dokumentation der Angebotswertung mit den Anforderungen an einen Vergabevermerk i.S.d. § 30 Nr. 1 Allgemeine Bestimmungen für die Vergabe von Leistungen (VOL/A); Qualifizierung einer gesetzlichen Krankenkasse als öffentlichen Auftraggeber i.S. d. § 98 Nr. 2 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB); Anforderungen an die Rechtzeitigkeit der Rüge nach § 107 Abs. 3 GWB; Anforderungen an die Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen im Vergabenachprüfungsverfahren

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
21.09.2004
Aktenzeichen
203-VgK-42/2004
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33914
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOL-Vergabeverfahren "Bereitstellung einer Datenleitungsstruktur auf Basis von MPLS inkl. Dienstleistung".

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer BAR Hellermann
auf die mündliche Verhandlung vom 16.09.2004
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 4.078,-- EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Beigeladene notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit EU-Vergabebekanntmachung 2004/S 77-065995 vom 20.04.2004 die Bereitstellung einer Datenleitungsstruktur auf Basis von MPLS inklusive Dienstleistung im beschleunigten nichtoffenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag gemäß VOL/A europaweit ausgeschrieben. Als Beginn der Dienstleistung war der 01.08.2004 vorgesehen. Der Auftrag sollte für die Dauer von drei Jahren erteilt werden. Schlusstermin für den Eingang der Teilnahmeanträge war der 30.04.2004, 12:00 Uhr. Die Abgabe von Nebenangeboten / Alternativvorschlägen war zulässig. Es sollten mindestens drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Entsprechend Abschnitt IV der Vergabebekanntmachung sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Angebot auf Grund der in den Unterlagen genannten Kriterien erfolgen. In der Aufforderung zur Angebotsabgabe spezifiziert die Auftraggeberin die Zuschlagskriterien:

"Zuschlagskriterien: das wirtschaftlich günstigste Angebot bezüglich:
Technische Umsetzung
Lösung der Hotstandby-Backupvariante
Geplante Hardware-Komponenten
Verfügbarkeit des Datennetzes
Erfüllung der Leistungsanforderung gemäß Anlage 1 zum Dienstvertrag
Preis-/Leistungsverhältnis
Nebenangebote und Änderungsvorschläge werden nur bei gleichzeitiger Abgabe eines Hauptangebotes zugelassen."

2

Bis zum Schlusstermin für die Abgabe der Teilnahmeanträge waren 20 Teilnahmeanträge fristgerecht eingegangen. Davon wurden 5 Anträge auf Grund fehlender Nachweise von der Auftraggeberin ausgeschieden. Auf Grund der vorgelegten Nachweise hinsichtlich der Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit wurden alle verbleibenden 15 Firmen als gleichwertig und geeignet angesehen, die geforderte Leistung zu erbringen. Da nur 6 Firmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten, wurden diese im Rahmen eines Losverfahrens ausgewählt. Zu den ausgewählten Firmen gehörte auch die Antragstellerin und die Beigeladene. Von den sechs zur Angebotsabgabe aufgeforderten Firmen sahen im weiteren Verfahren zwei Firmen von der Abgabe eines Angebotes ab, so dass insgesamt vier Angebote im Rahmen der Angebotsauswertung zu bewerten waren.

3

Neben dem Hauptangebot hatte die Antragstellerin der Auftraggeberin drei Nebenangebote unterbreitet. In dem Anschreiben zur Angebotsabgabe vom 07.07.2004 weist die Antragstellerin darauf hin, dass alle Nebenangebote auf der Grundlage kalkuliert worden seien, dass die Auftraggeberin von der vorgesehenen Festsetzung von Vertragsstrafen gemäß Anlage 2 zum EVB-IT Dienstvertrag für den Fall der nicht rechtzeitigen Herstellung aller Datennetze inkl. Dienstleistung ganz oder teilweise absehen würde. Weiterhin enthält das Angebotsschreiben der Antragstellerin folgenden Zusatz:

"Sollte die xxx GmbH den Zuschlag für eines der abgegebenen Angebote (Hauptangebot oder eines der Nebenangebote) erhalten, können die zwischen der xxx GmbH und der xxx bestehenden Net-Verträge ohne Einhaltung von vertraglich festgelegten Kündigungsfristen kurzfristig aufgelöst werden."

4

Die Angebotsauswertung aller Haupt- und Nebenangebote erfolgte durch die Auftraggeberin in tabellarischer Form unter Berücksichtigung aller in der Aufforderung zur Abgabe eines Angebotes bekannt gemachten Zuschlagskriterien (siehe oben). Die diesbezügliche Vorgehensweise ist in einem sog. Zuschlagsvermerk der Auftraggeberin vom 19.07.2004 nochmals zusammengefasst und schließt mit dem Fazit, dass die Bewertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien ergeben habe, dass die Angebote technisch gleichwertig und somit letztendlich die Angebotspreise für die Rangfolge unter den Angeboten ausschlaggebend seien. Dem Vorstand der Auftraggeberin wird deshalb abschließend von der allgemeinen Verwaltung mit Schreiben vom 19.07.2004 empfohlen, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen, da diese mit einer Endsumme von 1.560.793,92 EUR zuzüglich Mehrwertsteuer pro Jahr das preisgünstigste Angebot vorgelegt habe.

5

Mit Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 19.07.2004 teilt die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass der Zuschlag nicht auf das Hauptangebot der Antragstellerin erteilt werden könne, da dieses nicht das wirtschaftlichste sei. Es liege ihr ein niedrigeres Hauptangebot vor. Die vorgelegten Nebenangebote 1 - 3 hätten gemäß § 25 VOL/A ausgeschlossen werden müssen, da diese unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalten würden. Die Nebenangebote seien unter der Prämisse unterbreitet worden, dass auf die Anwendung der Vertragsstrafenregelung teilweise bzw. gänzlich verzichtet werde. Diese Regelungen seien jedoch verbindlicher Bestandteil der Vertragsbedingungen und dürften von den Bietern nicht geändert werden. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag am 02.08.2004 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen.

6

Gemäß Aktennotiz der Auftraggeberin vom 22.07.2004 rügt die Antragstellerin erstmals fernmündlich am 21.07.2004 die beabsichtigte Vergabeentscheidung. Nach Auffassung des Vertreters der Antragstellerin sei die Auftraggeberin dazu verpflichtet gewesen, der Antragstellerin den Zuschlag zu erteilen, da diese im Anschreiben zum Angebot darauf hingewiesen habe, dass bei Auftragserhalt die bestehenden Altverträge zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin kurzfristig aufgelöst werden könnten. Dies würde für die Auftraggeberin einen Vorteil von 1,5 Mio. Euro bedeuten, der bei der Angebotswertung hätte berücksichtigt werden müssen. Diese 1,5 Mio. Euro hätten von der Angebotssumme abgezogen werden müssen, um zum absoluten Ergebnis zu kommen. Die Auftraggeberin würde somit unwirtschaftlich handeln. Gleichzeitig habe der Vertreter der Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Angebotspreise die Kosten des Altvertrags mit beinhalten würden, was doch auch klar und offensichtlich wäre.

7

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 26.07.2004 ergänzt die Antragstellerin ihren Vortrag. Sie habe fernmündlich bei der Auftraggeberin nachgefragt, ob bei der Preisermittlung auch der im Anschreiben zum Angebot eingeräumten Möglichkeit der kurzfristigen Kündigung der derzeit bestehenden Vertragsbeziehungen Rechnung getragen worden sei. Dies sei von der Auftraggeberin mit der Begründung verneint worden, dass dies vergaberechtlich nicht zulässig sei. Diese Auffassung der Auftraggeberin sei für die Antragstellerin nicht nachvollziehbar und führe im Falle einer Beauftragung der Beigeladenen dazu, dass einzelne Leistungen jedenfalls bis zum Ablauf der regulären Mindestlaufzeit der bestehenden Verträge doppelt beauftragt seien. Bei einer Neubeauftragung der Antragstellerin wären die derzeitig bestehenden Vertragsbedingungen hingegen überholt. Für diesen Fall hatte sich die Antragstellerin deshalb auch bereit erklärt, auf die Einhaltung der Kündigungsfristen zu verzichten. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass sie unter Berücksichtigung einer vorzeitigen Beendigung der derzeit noch bestehenden Vertragsbeziehungen ein preisgünstigeres Angebot als ihr Mitbewerber unterbreitet habe. Unter Fristsetzung bis zum 28.07.2004, 17:00 Uhr, forderte die Antragstellerin die Auftraggeberin auf, ob und inwieweit sie an ihrer Wertung festhalten wolle.

8

Mit Schreiben vom 28.07.2004 antwortete die Auftraggeberin auf die Rüge der Antragstellerin. Gemäß § 9 a VOL/A müsse ein Auftraggeber alle Zuschlagskriterien angeben, deren Verwendung er für die Bewertung der Angebote vorsehe. Diese Kriterien seien den Bietern in den Verdingungsunterlagen mitgeteilt worden. Andere als die im Vorfeld mitgeteilten Kriterien dürften zur Bewertung nicht herangezogen werden. Diese Vorschrift trage zur Transparenz des Vergabeverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 GWB und zur Objektivierung der Vergabeentscheidung bei. Bei der von der Antragstellerin angebotenen Möglichkeit einer kurzfristigen Kündigung des bestehenden Vertragsverhältnisses handele es sich lediglich um eine Option. Verpflichtungen, die sich für die Auftraggeberin aus den bestehenden Vertragsbeziehungen gegenüber der Antragstellerin ergeben würden, blieben vom Ergebnis des Ausschreibungsverfahrens unberührt, so dass die Miteinbeziehung von bestehenden Verträgen in die Angebotskalkulation nicht gefordert werden könne und somit auch nicht in die Vergabeentscheidung einfließen dürfe. Zudem hätte dieser Aspekt von anderen Bietern als der Antragstellerin nicht angeboten werden können, da es sich um einen auftragnehmerbezogenen Umstand handele, was einen Vorteil für die Antragstellerin dargestellt hätte. Bei Berücksichtigung der angebotenen Option seien die Angebote nicht mehr objektiv vergleichbar und das Wettbewerbsgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB würde verletzt. Das Angebot der Beigeladenen sei als das wirtschaftlichste Angebot ermittelt worden. Die Auftraggeberin halte somit an ihrer Entscheidung fest und beabsichtige, weiterhin den Zuschlag an die Beigeladene zu erteilen.

9

Mit Schriftsatz vom 01.08.2004 beantragt die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gemäß § 107 ff. GWB. Die beabsichtigte Auftragsvergabe an die Beigeladene stelle einen Verstoß gegen den Wirtschaftlichkeitsgrundsatz gemäß § 97 Abs. 5 GWB dar. Die Antragstellerin habe bei der Angebotserstellung berücksichtigen müssen, dass die gegenwärtigen Leistungsbeziehungen im Falle einer Neubeauftragung mit den IT-Dienstleistungen für das gesamte Leitungsnetz überholt gewesen wären und die derzeit bestehenden Verträge also kurzfristig hätten beendet werden müssen, sie gleichzeitig allerdings gegenüber ihren Subunternehmern an die mit diesen getroffenen Vergütungsregelungen grundsätzlich gebunden geblieben wäre. Diese "Altlast" habe die Antragstellerin in ihren Angebotspreis einkalkulieren müssen. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass ihr Mitbewerber in der Lage gewesen sei, die zu vergebenden Leistungen ohne entsprechende Altlasten anzubieten und dadurch ein im Vergleich zu der Antragstellerin preisgünstigeres Angebot vorzulegen. Im Falle einer Beauftragung der Beigeladenen müsse die Auftraggeberin allerdings neben der Vergütung der von der Beigeladenen erbrachten Leistungen außerdem die Kosten übernehmen, die aus der weiter fortbestehenden Vertragsbeziehung zu ihr, der Antragstellerin, resultieren würden. Diese Kosten entstünden der Auftraggeberin in jedem Fall: bei einer Beauftragung der Beigeladenen neben deren Vergütung, bei ihrer eigenen Beauftragung hingegen unmittelbar mit dem vereinbarten Leistungsentgelt, in welches die Kosten bereits eingepreist seien. Dass eine Miteinbeziehung gegenwärtig laufender Verträge in die Angebotskalkulation nicht erfolgen sollte, habe die Auftraggeberin in ihren Verdingungsunterlagen auch an keiner Stelle zum Ausdruck gebracht.

10

Die Antragstellerin beantragt,

  • festzustellen, dass die Antragstellerin in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren verletzt ist,
  • die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die entsprechende Rechtsverletzung zu beseitigen,
  • die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig zu erklären,
  • die Kosten des Verfahrens der Auftraggeberin aufzuerlegen.

11

Die Auftraggeberin beantragt,

den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.

12

Mit Schriftsatz vom 10.08.2004 tritt die Auftraggeberin der Auffassung der Antragstellerin entgegen. Auf Grund der Fusion der xxx und der xxx zur xxx(Auftraggeberin) habe sich die Situation ergeben, dass zurzeit zwei Dienstleister, nämlich die Antragstellerin mit 20 % der Kosten und die Beigeladene mit 80 % der Kosten, das aktuelle Datennetz der Auftraggeberin betreuen würden. Hierdurch bedingt sei es auch zum Einsatz zweier unterschiedlicher Techniken verbunden mit einem hohen Administrationsaufwand gekommen. Zudem hätten die abgeschlossenen Verträge unterschiedliche Restlaufzeiten gehabt. Da die bestehenden Verträge mit der Beigeladenen am 30.09.2004 enden würden, habe dringender Handlungsbedarf geherrscht. Man habe daraufhin die Entscheidung getroffen, das komplette WAN-Konzept zu überarbeiten und das gesamte Datennetz trotz weiter bestehender Altverträge und den daraus resultierenden Kosten auszuschreiben. Dieser Verfahrensweise hätten auch wirtschaftliche Überlegungen nicht entgegengestanden. Es ergebe sich sogar eine Kostenersparnis im Vergleich zum derzeitigen Status trotz der Kosten aus Altverträgen. Weiterhin würde sich eine Reduktion des Administrationsaufwandes bei nur einem Dienstleister und einer Leitungstechnik ergeben. Auf Grund der geschilderten Gesamtumstände habe sich die Auftraggeberin deshalb entschlossen, die gesamte erforderliche IT-Dienstleistung im Rahmen eines EU-weiten nichtoffenen Verfahrens neu auszuschreiben.

13

§ 21 VOL/A regele, dass die Angebote eindeutig sein müssen und insoweit nur die geforderten Angaben und Erklärungen enthalten dürfen. Entgegen diesen Vorgaben habe die Antragstellerin jedoch in ihrem Anschreiben zum Hauptangebot und den drei Nebenangeboten eine Option (vorzeitige Kündigung von Altverträgen) angeboten, die nicht von der Auftraggeberin gefordert worden war. Zudem weise die Antragstellerin erst nachträglich darauf hin, dass die Angebotspreise die Kosten enthalten würden, die die Antragstellerin aus den gegenwärtigen Verträgen mit der Auftraggeberin an Subunternehmer zu bezahlen habe. Im Nachprüfungsantrag würden diese Kosten für die Antragstellerin nunmehr als "Altlasten" bezeichnet. Auf diese Vorgehensweise der Preiskalkulation würde an keiner Stelle des Angebots der Antragstellerin hingewiesen. Dass die Angebotspreise die Kosten des Altvertrages beinhalten würden, sei der Auftraggeberin somit nicht bekannt gewesen. Somit sei auch nicht ersichtlich gewesen, zu welchem Zeitpunkt die Kosten des Altvertrages mit dem neuen Vertrag abgegolten gewesen wären. Mit der Einrechnung eines imaginären Anteils von Altlasten, der nicht beziffert wird, habe sich die Antragstellerin weder an die Transparenz noch an die Vorgaben aus der Angebotsanforderung für die Preiskalkulation gehalten. Die Einpreisung dieser Kosten für die Altverträge in die Angebotspreise des neuen Vertrages wird von der Auftraggeberin als insgesamt unzulässig erachtet, da diese Kosten an anderer Stelle durch einen anderen Vertrag beglichen werden würden. Es würden somit vergabefremde Aspekte in die Kalkulation mit eingebracht, die das Angebot nicht mehr vergleichbar machen würden. Die Antragstellerin sei also in jedem Fall in der Lage gewesen, ihre Kosten an die Subunternehmer aus den gegenwärtigen Verträgen zu begleichen. Es habe deshalb auch keine zwingende Notwendigkeit bestanden, diese Kosten in das neue Angebot einzukalkulieren. Die Antragstellerin wäre im Gegenteil genauso wie alle anderen Bieter in der Lage gewesen, ein Hauptangebot ohne Altlasten vorzulegen und damit preisgünstiger anzubieten. Die Antragstellerin habe somit ein fehlerhaftes Angebot eingereicht. Dies sei insbesondere durch den Widerspruch begründet, die Sowieso-Kosten in die Angebotspreise einrechnen zu müssen, zur späteren Forderung, die Preise wieder um diese Sowieso-Kosten zu bereinigen, um zum richtigen Ergebnis für die Preise zu gelangen. Mit dieser Argumentation der Antragstellerin würde der Forderung der Auftraggeberin nach einem transparenten Angebot jedoch nicht entsprochen.

14

Mit Schriftsatz vom 07.09.2004 nimmt die Antragstellerin unter Bezugnahme auf den Schriftsatz der Auftraggeberin hierzu Stellung. Die Fehlerhaftigkeit der vorgesehenen Vergabeentscheidung der Auftraggeberin sei darauf zurückzuführen, dass sie vergaberechtswidrig bereits in einem erheblichen Umfange Leistungen in den Wettbewerb gestellt habe, mit denen die Antragstellerin auf der Grundlage von Leistungsscheinen noch überwiegend bis Ende 2007, also auch bis zum Ende des hier von der Auftraggeberin in Aussicht genommenen Ausschreibungszeitraumes, beauftragt sei. Die Antragstellerin werde damit für den Fall, dass ihr nicht der Auftrag erteilt werde, praktisch aus einer Leistungsbeziehung herausgedrängt, obgleich die Antragstellerin vertraglich nicht nur verpflichtet, sondern auch berechtigt sei, diese Leistungsbeziehung noch bis Ende 2007 aufrechtzuerhalten. Dies sei jedoch nicht zulässig.

15

Zwar habe die Beigeladene im Vergleich zur Antragstellerin ein preisgünstigeres Hauptangebot abgegeben. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass die zwischen der Auftraggeberin und der Beigeladenen bestehenden Vertragsbeziehungen in Kürze auslaufen würden, während die Laufzeit der zwischen der Auftraggeberin und der Antragstellerin bestehenden Verträge zum größten Teil erst Ende 2007 ende. Mit dem Verlangen nach einem Angebot für die Betreuung des gesamten Datennetzes zwang die Auftraggeberin die Antragstellerin zur Abgabe eines Angebotes, welches für den Fall der Auftragserteilung den Wegfall der bislang bestehenden vertraglichen Regelungen vorsehe. Allerdings sei die Antragstellerin ihrerseits an Verträge mit Subunternehmern gebunden, die bei der streitgegenständlichen Vergabe einen Wettbewerbsnachteil darstellen würden, soweit die Auftraggeberin nicht bereit sei, bei ihrer Zuschlagsentscheidung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass sie bei einer Beauftragung eines anderen Bieters als der Antragstellerin verpflichtet wäre, auch die Antragstellerin auf der Grundlage der überwiegend bis 2007 fortbestehenden Verträge weiterhin zu vergüten - auch wenn diese keine Leistung mehr erbringe. Eine entsprechende Berücksichtigung der Altverträge bei der vergleichenden Wertung der Angebote sei damit zwingende Voraussetzung für einen chancengleichen Wettbewerb, nach dem Leistungen in den Wettbewerb gestellt wurden, die größtenteils noch bis Ende 2007 fest beauftragt seien. Die Berücksichtigung der aus den Altverträgen der Antragstellerin folgenden Kostenbelastung müsse bei der vergleichenden Wertung der Angebotspreise im Hinblick auf das Kriterium "Preis-/Leistungsverhältnis" erfolgen. Die Auftraggeberin habe nicht den Angebotspreis als Zuschlagskriterium angegeben, sondern das Preis-/Leistungsverhältnis, also ein Kriterium, das unter Berücksichtigung aller im konkreten Fall wesentlichen Einzelaspekte das beste Preis-/Leistungsverhältnis biete.

16

Die Beigeladene beantragt,

  • den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin kostenpflichtig zurückzuweisen,
  • der Antragstellerin auch die Verpflichtung zur Erstattung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen,
  • die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Beigeladene für notwendig zu erklären.

17

Mit ihrem Schriftsatz vom 13.09.2004 unterstützt die Beigeladene im Wesentlichen die Ausführungen der Auftraggeberin. Die Beigeladene führt ferner aus, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin bereits gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB unzulässig sei. Die Antragstellerin müsse bereits bei erster Befassung mit den Vergabeunterlagen erkannt haben, dass sie einen Teil der ausgeschriebenen Leistungen bereits tatsächlich erbringe, und zwar auf Grund von Verträgen mit der Auftraggeberin, die vor dem 31.12.2005 nicht beendet werden könnten. Soweit die Antragstellerin ihren Schriftsatz vom 07.09.2004 nunmehr darauf stütze, die von ihr erbrachten Leistungen hätten gar nicht ausgeschrieben werden dürfen, sei der Nachprüfungsantrag deshalb bereits wegen nicht unverzüglich ausgesprochener Rüge unzulässig.

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Der Nachprüfungsantrag sei aber zumindest auch unbegründet. Nach den Bewerbungsbedingungen der Auftraggeberin (Hinweise für die Bearbeitung des Vordrucks Angebotspreisliste Anlage Nr. 1) sollten die Angebotspreise besondere Anforderungen an die Transparenz der Preisstellung erfüllen. Eine Preisstellung, die für eine nicht näher eingrenzbare Zeitdauer Altlasten beinhalte, erfülle diese Anforderungen an die notwendige Transparenz nicht. Für die Auftraggeberin sei an keiner Stelle ersichtlich gewesen, in welcher Höhe und für welchen Zeitraum die Antragstellerin ihre sog. "Altlasten" in ihre Kalkulation eingepreist habe. Nachlässe, Skonti oder sonstige angebotene Vorteile dürften - auch im Rahmen abgegebener Nebenangebote oder Änderungsvorschläge - aber nur gewertet werden, wenn die Erzielung des Vorteils für den Auftraggeber dem Grunde nach sicher erscheine und der Vorteil im Rahmen der Wertung der Höhe nach sicher quantifiziert werden könne. Beides sei vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei von daher als unbegründet zurückzuweisen.

19

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Vergabeakte, die Schriftsätze der Beteiligten und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 16.09.2004 Bezug genommen.

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II.

Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit sich die Antragstellerin dagegen wendet, dass mit der streitbefangenen Ausschreibung auch Dienstleistungen in den Wettbewerb gestellt wurden, die Gegenstand von zurzeit noch bestehenden anderweitigen Verträgen zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin sind, von denen die letzten Vereinbarungen erst Ende 2007 auslaufen. Diesen ihr bei Abfassung des Angebotes bekannten Sachverhalt hat die Antragstellerin nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag zulässig, aber unbegründet. Die Auftraggeberin hat im Zuge der Wertung der Angebote bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A die von der Antragstellerin angebotene vorzeitige Entlassung aus den laufenden Vertragsverbindlichkeiten zu Recht nicht als kostenmindernd berücksichtigt. auch hat die Auftraggeberin die Angebotswertung ausweislich der Vergabeakte anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien durchgeführt und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk dokumentiert. Ferner ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin die Nebenangebote 1 - 3 der Antragsstellerin wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung ausgeschlossen hat, weil diese Nebenangebote unter der Bedingung unterbreitet wurden, dass auf die Anwendung der mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Vertragsstrafenregelungen teilweise bzw. gänzlich verzichtet wird. Diese Regelungen waren und sind jedoch verbindlicher Bestandteil der Vertragsbedingungen.

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1.

Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung in der Rechtsform einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Krankenkassen und deren gemeinsame Einrichtungen sind öffentliche Auftraggeber im Sinne des§ 98 Nr. 2 GWB (vgl. VK bei der Finanzbehörde Hamburg, Beschluss v. 21.04.2004, Az.: VgK FB 1/04). Dies folgt zum einen daraus, dass die Krankenkassen im Anhang I der Baukoordinierungsrichtlinie (BKR), auf die Artikel 1 b Abs. 3 der Lieferkoordinierungsrichtlinie (LKR) ausdrücklich Bezug nimmt, als öffentliche Auftraggeber genannt sind. Zwar führt die dortige Nennung nicht automatisch zur gesetzlichen Aufnahme einer Einrichtung in den Kreis unter § 98 Nr. 2 fallenden Auftraggeber, ebenso wie die Nichtberücksichtigung einer juristischen Person im Anhang I nicht automatisch zur Verneinung ihrer Auftraggeberstellung gemäß § 98 Nr. 2 GWB führt. Der Anhang I hat vielmehr hinsichtlich seiner Verbindlichkeit eine deklaratorische Wirkung, von der jedoch eine Indizwirkung in Bezug auf den personellen Anwendungsbereich der Richtlinien ausgeht. Darüber hinaus kann davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Vergaberichtlinien so ausgestaltet hat, dass die von ihm im Anhang I aufgeführten Stellen unter den Begriff des öffentlichen Auftraggebers zu subsumieren sind (vgl. Boesen, VergabeR, § 98 GWB, Rn. 31, m.w.N.). Daher spricht eine - im Einzelfall zu widerlegende - Vermutung dafür, dass die im deutschen Teil des Richtlinienanhangs I ausgewiesenen juristischen Personen auch im nationalen Recht, also im Rahmen des § 98 Nr. 2 GWB, alsöffentliche Auftraggeber einzustufen sind. Die Krankenkassen sind zudem juristische Personen des öffentlichen Rechts, die als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung unstreitig zu dem besonderen Zweck gegründet worden sind, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nichtgewerblicher Art zu erfüllen (vgl. VK Bund, Beschluss v. 05.09.2001, Az.: VK 1-23/01). Die Vergabekammer teilt die Auffassung des BayObLG (vgl. Beschluss v. 24.05.2004, Az.: Verg 6/04) nicht, dass den gesetzlichen Krankenkassen die öffentliche Auftraggeberschaft im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB deshalb abzusprechen sei, weil ihre überwiegende Finanzierung nicht durch die öffentliche Hand, sondern gemäß § 220 Abs. 1 Nr. 1 SGB V durch die Beiträge der Mitglieder erfolgt. Diese Rechtsprechung berücksichtigt nicht den Umstand, dass es sich hier nicht etwa um freiwillige Mitgliedsbeiträge, sondern um eine durch Zwangsmitgliedschaft staatlich vorgeschriebene Finanzierung handelt. Innerhalb der Pflichtversicherungsgrenze hat der Versicherte zwar die Wahl zwischen mehreren Krankenkassen, er kann sich aber nicht der Krankenversicherung selbst und den damit verbundenen Pflichtbeiträgen entziehen. Auch wenn das BayObLG zu Recht darauf hinweist, dass die Krankenkassen auf Grund ihres Selbstverwaltungsrechts gemäß § 29 Abs. 1 SGB IV und § 4 Abs. 1 SGB V keiner Fachaufsicht, sondern lediglich einer staatlichen Rechtsaufsicht unterliegen, sind die Krankenkassen, wovon auch die Auftraggeberin im vorliegenden Fall selbst ausgeht, als öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB einzustufen (vgl. Hinweise und Anmerkungen zum Beschluss des BayObLG v. 24.05.2004 in: Europa Kompakt, Nr. 8/2004, S. 124, 125). Da bei den Krankenkassen die Funktion als Träger des öffentlichen Gesundheitswesens eindeutig im Mittelpunkt steht, dürfen an den Beherrschungsbegriff des § 98 Nr. 2 GWB keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

22

Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um IT-Leistungen in Form einer Bereitstellung einer Datenleitungsstruktur inkl. Dienstleistung und damit um einen Dienstleistungsauftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, für den gemäß § 2 Nr. 3 der Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- EUR gilt. Bereits auf der Grundlage des von der Auftraggeberin ermittelten preislich niedrigsten Angebotes der Beigeladenen betragen die Kosten 1.560.793,92 EUR netto pro Jahr. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet damit deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

23

Die Antragstellerin ist auch gemäß § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie vorträgt, die Auftraggeberin habe unter Verstoß gegen § 25 Nr. 3 VOL/A bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass die Antragstellerin im Zuschlagsfalle eine vorzeitige Beendigung der noch bis 2007 laufenden Verträge angeboten hat. Die damit verbundene vorzeitige Entlassung aus vertraglichen Verbindlichkeiten aber bedeutetet einen Vorteil von ca. 1,5 Mio. Euro, den die Auftraggeberin bei der Angebotswertung nach Auffassung der Antragstellerin hätte berücksichtigen müssen. Unter Berücksichtigung dieser Ersparnis aber habe die Antragstellerin das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Sie hat zumindest schlüssig vorgetragen, dass sie bei aus ihrer Sicht vergaberechtskonformer Angebotswertung zumindest eine Chance auf den Zuschlag gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten des Auftraggebers den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).

24

Die Antragstellerin ist aber nur teilweise ihrer Pflicht gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Soweit sie sich erstmalig im laufenden Nachprüfungsverfahren mit Anwaltsschriftsatz vom 07.09.2004 gegen den Ausschreibungsumfang selbst wendet und geltend macht, dass die Auftraggeberin auch Leistungen (20 % des Datennetzes der Auftraggeberin) ausgeschrieben hat, mit denen die Antragstellerin auf der Grundlage von laufenden Verträgen noch überwiegend bis Ende 2007, also auch bis zum Ende des von der Auftraggeberin im streitbefangenen Vergabeverfahrens ausgeschriebenen Zeitraumes beauftragt ist, ist die Antragstellerin mit ihrem Vorbringen gemäß § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Diese Tatsache selbst war ihr unstreitig spätestens bei Abfassung des Angebotes aus dem Leistungsverzeichnis positiv bekannt. Soweit die Antragstellerin vorträgt, sie habe diese Tatsache erst auf Grund der anwaltlichen Beratung im Zuge des Nachprüfungsverfahrens als vergaberechtswidrig erkannt, steht dies einer positiven Kenntnis des vermeintlichen Vergaberechtsverstoßes nicht entgegen. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (vgl. Byok/Jaeger, a.a.O., § 107 Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/02).

25

Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes ist der Nachprüfungsantrag daher unzulässig, soweit er sich auf eine Verletzung von Rechten der Antragstellerin auf Grund des aus den Verdingungsunterlagen ersichtlichen Leistungsumfanges stützt. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag dagegen zulässig. Die Auftraggeberin hat der Antragstellerin mit Informationsschreiben gemäß § 13 VgV vom 19.07.2004 mitgeteilt, dass der Zuschlag nicht auf das Hauptangebot der Antragstellerin erteilt werden könne, da dieses nicht das wirtschaftlichste sei. Ihre Nebenangebote 1 - 3 hätten ausgeschlossen werden müssen, da diese unzulässige Änderungen an den Verdingungsunterlagen enthalten. Gemäß einer in der Vergabeakte enthaltenen Aktennotiz der Auftraggeberin vom 22.07.2004 hat die Antragstellerin erstmals bereits am 21.07.2004 telefonisch die beabsichtigte Vergabeentscheidung gerügt und insbesondere beanstandet, dass die Auftraggeberin zu Gunsten ihres Angebotes nicht die Einsparungen in Höhe von 1,5 Mio. Euro kostenmindernd berücksichtigt hat, die sich durch die angebotene vorzeitige Beendigung der derzeit noch bestehenden Vertragsbeziehungen ergeben. Diese mündliche Rüge hat sie dann mit Anwaltsschriftsatz vom 26.07.2004 noch ergänzt. Beide Rügen erfolgten unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

26

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin war weder gehalten noch berechtigt, im Zuge der Wertung der Angebote bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A zu Gunsten der Antragstellerin Einsparungsmöglichkeiten durch die angebotene vorzeitige Beendigung der mit der Antragstellerin bereits bestehenden, noch bis 2007 laufenden Dienstleistungsverträge zu berücksichtigen (im Folgenden a). Die Auftraggeberin hat die Angebotswertung auch im Übrigen ausweislich der Vergabeakte anhand der bekannt gemachten Zuschlagskriterien durchgeführt und Wertung und Ergebnis in einem den Anforderungen des § 30 VOL/A genügenden Vergabevermerk dokumentiert (im Folgenden b). Die Auftraggeberin ist ferner auch zu Recht davon ausgegangen, dass sie die Nebenangebote 1 - 3 der Antragstellerin wegen unzulässiger Änderungen an den Verdingungsunterlagen gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Wertung zwingend ausschließen musste, weil diese Nebenangebote unter der Bedingung abgegeben wurden, dass die Auftraggeberin auf die mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Vertragsstrafenregelungen teilweise bzw. gänzlich verzichtet (im Folgenden c).

27

a)

Die Auftraggeberin war entgegen der Auffassung der Antragstellerin weder verpflichtet noch berechtigt, bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A zu Gunsten der Antragstellerin die Einsparungsmöglichkeiten zu berücksichtigen, die die Auftraggeberin durch die von der Antragstellerin im Zuschlagsfalle angebotene vorzeitige Auflösung der noch laufenden, bis 2007 bestehenden Altverträge realisieren könnte. Die Auftraggeberin hatte ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 12.07.2004 über die Öffnung und Prüfung der Angebote gemäß §§ 22 und 23 VOL/A und der ebenfalls in der Vergabeakte enthaltenen Vergabeempfehlung vom 19.07.2004 das Angebot der Beigeladenen mit einem Preis von 1.560.793,92 EUR netto pro Jahr als das preisgünstigste und wirtschaftlichste Angebot ermittelt. Auf Platz 2 folgte das Angebot der Antragstellerin mit einem Angebotspreis von 1.671.206,92 EUR netto pro Jahr. Die Antragstellerin hatte in ihrem Anschreiben zur Angebotsabgabe vom 07.07.2004 allerdings folgenden Zusatz aufgenommen:

"Sollte die xxx GmbH (Antragstellerin) den Zuschlag für eines der abgegebenen Angebote (Hauptangebot oder eines der Nebenangebote) erhalten, können die zwischen der xxx GmbH und der xxx(Auftraggeberin) bestehenden Net-Verträge ohne Einhaltung von vertraglich festgelegten Kündigungsfristen kurzfristig aufgelöst werden."

28

Durch die damit angebotene vorzeitige Entlassung der Auftraggeberin aus den bestehenden Altverträgen könnte die Auftraggeberin Einsparungen erzielen, die sich nach Angaben der Antragstellerin auf 1,5 Mio. Euro belaufen. Eine Berücksichtigung dieser Kostenersparnis im Zuge der Angebotswertung wäre allerdings nur dann möglich, wenn die vorzeitige Vertragsauflösung die vergaberechtlichen Voraussetzungen eines Preisnachlasses erfüllen würde. Preisnachlässe sind zumeist darauf zurückzuführen, dass ein Bieter - nach Erstellung eines Angebotes durch den Kalkulator - seine Wettbewerbsposition und damit seine Auftragschance verbessern will. Die Erklärung über einen Preisnachlass ist rechtlich eine Angebotserklärung. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht im Angebot selbst, sondern mit in einem Begleitschreiben hierzu enthalten ist, wie z.B. mit der Formulierung "Im Falle der Auftragserteilung gewähre ich einen Preisnachlass von 1,5 v. H. auf die Auftragssumme" (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Aufl., A § 25, Rn. 59 ff.). Bei der Angebotswertung sind bei der Preisgegenüberstellung auch alle wirtschaftlichen Umstände des Angebotes einzubeziehen, so dass etwa ein Nachlass (Rabatt) oder eine Skontovereinbarung grundsätzlich zu berücksichtigen ist, wenn die entsprechende Klausel, insbesondere bei der Berechnung der Zahlungsfristen, klar und unmissverständlich ist, so dass eine Manipulation der Bieterreihenfolge ausgeschlossen ist (vgl. Brinker/Ohler in: Beck'scher VOB-Kommentar, § 25 VOB/A, Rn. 82, m.w.N.). Ein Nachlass oder Skontoangebot muss deshalb klar und vollständig sein, d. h., es dürfen absolut keine Zweifel hinsichtlich der Zahlungsfristen und der Höhe des Nachlasses bzw. des Skontos bestehen bleiben. Ferner ist zu prüfen, ob, wenn die Gewährung des Nachlasses bzw. des Skontos zulässigerweise von einer Bedingung abhängig gemacht wird, diese realistischerweise auch erfüllt werden kann. Werden diese Voraussetzungen erfüllt, ist der Auftraggeber nicht nur berechtigt, sondern auf Grund des Wirtschaftlichkeitsgebotes gemäß § 97 Abs. 5 GWB und§ 25 Nr. 3 VOL/A sogar gehalten, einen angebotenen Nachlass bzw. einen Skonto bei der Angebotswertung zu berücksichtigen. Einen derartig eindeutigen und wertbaren Preisnachlass hat die Antragstellerin jedoch nicht angeboten. Während ein Nachlass üblicherweise als konkreter Euro-Betrag oder als Vomhundertsatz angeboten wird (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, a.a.O., A § 25, Rn. 160, 161), müsste der Auftraggeber die genaue Höhe der zu realisierenden Ersparnis erst noch ermitteln, da der genaue Zeitpunkt der Auflösung der Altverträge im Stadium der Angebotswertung eben noch nicht feststeht. Die Auftraggeberin war sich mit der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung vom 16.09.2004 lediglich darüber einig, dass es sich bei den Verbindlichkeiten aus den Altverträgen um eine Summe von ca. 1,5 Mio. Euro handelt, abhängig vom konkreten Zeitpunkt der Auflösung der Altverträge. Es fehlt daher nach wie vor an der eindeutigen Höhe des Nachlasses.

29

Aus diesem Grund braucht im vorliegenden Fall auch nicht entschieden zu werden, ob eine derartige Kopplung der Nachlassgewährung mit Verbindlichkeiten, die auf Grund anderweitiger Vertragsverhältnisse außerhalb des streitbefangenen Vergabeverfahrens bestehen, im Rahmen eines Hauptangebotes überhaupt zulässig ist oder ob diese rechtmäßiger- und auch sinnvollerweise lediglich in Form eines Nebenangebotes möglich ist. Auch im Rahmen eines Nebenangebotes hätte die Antragstellerin den Nachlass exakt beziffern müssen.

30

Es ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin ausweislich eines in der Vergabeakte enthaltenen Vermerks vom 22.07.2004 über die telefonische Rüge der Antragstellerin vom 21.07.2004 die Ablösung der bestehenden Altverträge bewusst nicht als Zuschlagskriterium in die Verdingungsunterlagen aufgenommen hat, weil die Auftraggeberin diese Ablösung als vergabefremdes und damit unzulässiges Kriterium im Sinne des § 16 Nr. 2 VOL/A verworfen hat. Die Auftraggeberin hat die Altverträge ausweislich der Vergabeakte unabhängig von der ausgeschriebenen Leistung gesehen und den neuen, hier streitbefangenen Vertrag ausdrücklich rechtlich nicht als Folgevertrag angesehen und deshalb auch nicht zur Grundlage für die Kalkulation der Bieter gemacht. Die Auftraggeberin wollte Wettbewerbsverzerrungen vermeiden und hat deshalb bewusst in Kauf genommen, dass auf Grund der weiterlaufenden Altverträge zusätzliche Kosten entstehen für Leistungen, die nicht mehr in Anspruch genommen werden. Diese Überlegungen der Auftraggeberin im Vorfeld der Ausschreibung sind vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Die offensichtliche Nichtaufnahme der Ablösung der Altverträge als Zuschlagskriterium ist imÜbrigen auch von keinem Bieter gerügt worden.

31

b)

Die Auftraggeberin hat auch im Übrigen ausweislich der Vergabeakte das wirtschaftlichste Angebot gemäß § 25 Nr. 3 VOL/A anhand der von ihr in den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Zuschlagskriterien gemäß § 9 a VOL/A ermittelt und Wertung und Ergebnis in einer den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOL/A genügenden Weise in der Vergabeakte dokumentiert. Gemäß § 30 Nr. 1 VOL/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOL/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellungen und Begründungen der einzelnen Entscheidungen (vgl. Zdzieblo in: Daub/Eberstein, VOL/A, § 8, Rn. 33). § 30 Nr. 1 VOL/A beinhaltet eine die Vergabestelle treffende, zwingende Pflicht, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 03.08.1999, NZBau 2000, S. 44 ff. [OLG Brandenburg 03.08.1999 - 6 Verg 1/99]). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung (ebenso VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.2001; Az.: 1/SVK/23-01).

32

Die in der Vergabeakte enthaltene Dokumentation der Angebotswertung erfüllt die Voraussetzungen des § 30 VOL/A. Die Auftraggeberin hat den Vergabevermerk in Form einer detaillierten, tabellarischen Gegenüberstellung der Angebote vom 12.07.2004 gefertigt, ergänzt durch einen Zuschlagsvermerk vom 19.07.2004. Daraus ergibt sich, dass die Auftraggeberin alle Angebote anhand der von ihr in den Verdingungsunterlagen bekannt gemachten Zuschlagskriterien (technische Umsetzung, Lösung der Hotstandby-Backupvariante, geplante Hardware-Komponenten, Verfügbarkeit des Datennetzes, Erfüllung der Leistungsanforderung gemäß Anlage 1 zum Dienstvertrag und Preis-/Leistungsverhältnis) überprüft und gewertet hat. Sie hat dabei die Unterschiede der Angebote hinsichtlich der einzelnen Kriterien in der Tabelle skizziert, ist aber in nicht zu beanstandender Weise zum Ergebnis gelangt, dass die Bewertung der Angebote ergeben hat, dass die berücksichtigten Angebote technisch gleichwertig sind und damit letztendlich die Angebotspreise für die Rangfolge unter den Angeboten ausschlaggebend sind. Nach der in der Vergabeakte in Form einer Tabelle dokumentierten, detaillierten Preisprüfung, die alle mit dem streitbefangenen Dienstleistungsauftrag zu bedienenden Standorte und damit alle Leistungspositionen berücksichtigt, hat die Beigeladene mit einer Angebotssumme von 1.560.793,92 EUR netto p. a. das preislich niedrigste Angebot abgegeben. Da nach der Wertung der Auftraggeberin die Angebote hinsichtlich der übrigen Zuschlagskriterien auf einem Niveau liegen, hat die Beigeladene damit zugleich das wirtschaftlichste Angebot im Sinne des § 25 Nr. 3 VOL/A abgegeben.

33

c)

Die Auftraggeberin hat auch zu Recht die Nebenangebote 1 - 3 der Antragstellerin gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A i.V.m. § 21 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A von der Angebotswertung ausgeschlossen. Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A sind Angebote, bei denen Änderungen oder Ergänzungen an den Verdingungsunterlagen vorgenommen worden sind, von der Wertung auszuschließen. Hat ein Bieter die Absicht, von den Verdingungsunterlagen abweichende Angebote einzureichen, muss er dies in Form eines Änderungsvorschlages oder eines Nebenangebotes tun. Änderungen an den Verdingungsunterlagen selbst sind jedoch in jedem Fall, also auch im Falle von Nebenangeboten unzulässig, da sie die Vergleichbarkeit der Angebote gefährden. Gehen die Bieter von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, fehlt es an der Vergleichbarkeit der eingereichten Angebote (vgl. Brinker/Ohler, a.a.O., § 25 VOB/A, Rn. 17). Die Antragstellerin hat in ihrem Anschreiben zur Angebotsabgabe vom 07.07.2004 darauf hingewiesen, dass alle Nebenangebote auf der Grundlage kalkuliert worden seien, dass die Auftraggeberin von der vorgesehenen Festsetzung von Vertragsstrafen gemäß Anlage 2 zum EVB-IT Dienstvertrag für den Fall der nicht rechtzeitigen Herstellung aller Datennetze inkl. Dienstleistungen ganz oder teilweise absehen würde. Diese unter Nr. 1 der Anlage 2 zum EVB-IT Dienstvertrag festgelegte Vertragsstrafenregelung für den Fall der Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins und bei Ausfall einer Datenleitung während der Vertragslaufzeit ist jedoch gemäß Ziffer 2.1 des Vertrages über die Beschaffung von IT-Leistungen ausdrücklich Bestandteil dieses Vertrages und damit verbindlich vorgegeben. Gemäß § 25 Nr. 4 VOL/A sind Nebenangebote undÄnderungsvorschläge, die der Auftraggeber bei der Ausschreibung gewünscht oder ausdrücklich zugelassen hat, ebenso zu werten wie Hauptangebote. Die Kriterien zur Wertung des Nebenangebotes ergeben sich daher wie bei einem Hauptangebot aus § 25 Nr. 1, 2 und 3 VOL/A. Unzulässig ist es, wenn der Auftraggeber ein Nebenangebot berücksichtigt, das nicht gleichwertig zu den Hauptangeboten ist. Insbesondere können sich aus der Leistungsbeschreibung ausdrücklich oder im Wege der Auslegung Mindestanforderungen an Nebenangebote ergeben (vgl. Brinker/Ohler, a.a.O., § 25 VOB/A, Rn. 142, 143 m.w.N.). Nebenangebote, die diesen Kriterien nicht entsprechen oder die diese abändern, sind nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A auszuschließen. Nach den Verdingungsunterlagen waren Nebenangebote im streitbefangenen Vergabeverfahren zwar ausdrücklich zugelassen. Nach allgemeiner Ansicht sind jedoch solche Nebenangebote oder Sondervorschläge, bei denen die Bieter bei objektiver Betrachtung nicht damit rechnen konnten, dass sie angeboten werden durften, unzulässig. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sie von verbindlichen Festlegungen in den Verdingungsunterlagen abweichen (vgl. VK Baden-Württemberg, Beschluss v. 22.10.2003, Az.: 1 VK 51/02; Beschluss v. 20.09.2001, Az.: 1 VK 26/01, m.w.N.). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabes waren die streitbefangenen Angebote der Antragstellerin nicht wertbar, da sich die Bieter im Wettbewerb nicht auf derartige Nebenangebote unter Abbedingung verbindlich vorgegebener Vertragsstrafenregelungen einstellen konnten oder durften. Die Auftraggeberin hat die Nebenangebote der Antragstellerin daher zu Recht von der weiteren Wertung ausgeschlossen.

34

Der Nachprüfungsantrag war daher zurückzuweisen.

35

III. Kosten

36

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1:2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

37

Es wird eine Gebühr in Höhe von 4.078,- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

38

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 5.013.620,76 EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin über die gesamte ausgeschriebene dreijährige Vertragslaufzeit (1.671.206,92 EUR x 3) und damit ihrem Interesse am Auftrag.

39

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 5.013.620,76 EUR ergibt sich eine Gebühr von 4.078,- EUR.

40

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

41

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB im vollen Umfang unterlegen ist.

42

Kosten der Beigeladenen:

43

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158 [OLG Düsseldorf 12.01.2000 - Verg 3/99]; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwer wiegend berührt werden".

44

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

45

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

46

Die Auftraggeberin war nicht anwaltlich vertreten und hat keinen Kostenantrag gestellt.

47

Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 4.078,- EUR unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.

Gause
Peter
Herr Hellermann, ehrenamtlicher Beisitzer, kann wegen urlaubsbedingter Abwesenheit nicht selbst unterschreiben. Gause