Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 24.08.2004, Az.: 203-VgK-38/2004
Vergabe eines Dienstleistungsauftrages für den Betrieb der Obdachlosenunterkunft für Frauen; Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften; Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung hinsichtlich des von den Bietern bei der Angebotskalkulation zu berücksichtigenden Stundenansatzes für Sozialarbeiterin; Willkürliche Aufhebung der Ausschreibung trotz Nichtvorliegens der Aufhebungsgründe; Vergleich der Kostenpositionen einzelner Bieter
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 24.08.2004
- Aktenzeichen
- 203-VgK-38/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33335
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Nr. 1 VOL/A
- § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A
- § 99 Abs. 1 GWB
- § 99 Abs. 4 GWB
Verfahrensgegenstand
Vergabe eines Dienstleistungsauftrages für den Betrieb der Obdachlosenunterkunft für Frauen ...
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Volkswirt Nierychlo
auf die mündliche Verhandlung vom 24.08.2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.643,-- EUR festgesetzt.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin schrieb mit Bekanntmachung vom 19.02.2004 den Betrieb einer Obdachlosenunterkunft für Frauen in der xxx öffentlich aus. Die Bekanntmachung erfolgte deutschlandweit im Submissionsanzeiger, Bundesausschreibungsblatt, der Zeitschrift für das Fürsorgewesen und zwei örtlichen Tageszeitungen.
Der Vergabebekanntmachung war zu entnehmen, dass die zu erbringende Leistung den Betrieb einer Obdachlosenunterkunft für Frauen mit einer Kapazität von bis zu 48 Plätzen, mindestens aber 35 Plätzen einschließlich der sozialen Betreuung beinhaltet. Der Betreibervertrag sollte über einen Zeitraum von 3 Jahren vergeben werden. Zu den Zuschlagskriterien heißt es unter Nr. 9:
"Auftragserteilungskriterien: Erfüllung der Anforderungen der Verdingungsunterlagen."
Der Vertragsabschluss stand gemäß den Verdingungsunterlagen unter dem ausdrücklichen Vorbehalt eines entsprechenden Beschlusses der politischen Gremien der Stadt xxx. Die Beschlussfassung wurde für September 2004 in Aussicht gestellt. Beigefügt war den Verdingungsunterlagen u. a. auch der entsprechende Vertragsentwurf mit Anlagen. An der Ausschreibung beteiligten sich 6 Bieterunternehmen. Die Antragstellerin bot den niedrigsten Tagessatz sowohl für den Garantietagessatz als auch für den belegungsabhängigen Tagessatz an.
Die Vergabestelle der Auftraggeberin, das Amt für Wohnungswesen, empfahl in ihrem Vergabevorschlag vom 06.04.2004, gleichwohl einem anderen Betreiber den Zuschlag zu erteilen. Zur Begründung führt die Auftraggeberin aus, dass in dem Angebot der Antragstellerin die wöchentliche Stundenzahl der Sozialarbeiterin mit 32,5 Stunden angegeben worden sei. Es würde sich somit nicht um eine vollbeschäftigte Kraft handeln. Da dies jedoch eine Anforderung aus den Verdingungsunterlagen sei, könne das Angebot der Antragstellerin nicht berücksichtigt werden.
Das zuständige RPA der Auftraggeberin stimmte dem Vergabevorschlag unter Nennung der Gründe nicht zu. Sollte der Fachbereich bei seinen Bedenken wegen der "realitätsfremden" Kalkulationen der beiden günstigsten Anbieter bleiben, sollte die Ausschreibung aufgehoben und mit einer konkreteren Leistungsbeschreibung wiederholt werden.
Auf Grund der Stellungnahme des RPA's fertigte die Auftraggeberin mit Datum vom 29.04.2004 einen weiteren Vergabevorschlag, in dem sie den Stundensatz, den die Antragstellerin angeboten hatte, von 32,5 Std. auf 38,5 Std. hochrechnete.
Dem Vergabevorschlag zu Gunsten eines anderen Bieters stimmte das RPA zwar unter Hinweis auf die Tatsache, dass die Entscheidung nicht zwangsläufig das Ergebnis seines Schreibens sei, sondern alleinige Entscheidung des Fachbereichs ist, zu. Es wies aber erneut darauf hin, dass aus seiner Sicht kein eindeutiger Hinweis auf eine Vollzeitbeschäftigung in der Leistungsbeschreibung vorhanden sei.
Nachdem dann die zuständige Stadtbaurätin der beabsichtigten Vergabe zugestimmt hatte, teilte der Fachbereich der Antragstellerin mit Schreiben vom 07.06.2004 mit, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne, da in dem Angebot der Einsatz einer Sozialarbeiterin für nur 32,5 Std. vorgesehen sei. Sie möchte jedoch eine vollbeschäftigte Kraft vor Ort haben. Sie habe daher die angebotenen Personalkosten zu dieser Position hochgerechnet, was dazu führte, dass die Antragstellerin nicht mehr die günstigste sei.
Mit Vermerk vom 09.06.2004 hält die Auftraggeberin fest, dass die Antragstellerin erklärte, dass sie die Begründung nicht nachvollziehen könne. Es sei aus der Leistungsbeschreibung nicht ersichtlich, dass eine Vollzeitkraft als Sozialarbeiterin gesucht werde. Das Hochrechnen der Personalkosten für diese Position sei seiner Ansicht nach nicht möglich. Mit Schreiben vom 10.06.2004 rügte die Antragstellerin nochmals schriftlich die Entscheidung und Begründung für die Wertung des Angebots.
Mit Schriftsatz vom 16.06.2004, eingegangen am 17.06.2004, hat die Antragstellerin bei der Vergabekammer die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragt. Auf Grund der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens erklärte die Auftraggeberin mit Schreiben vom 23.06.2004 gegenüber der Vergabekammer, dass sie erneut in die Wertung der Angebote eintreten werde und das Angebot der Antragstellerin dabei einbezieht.
Nachdem insoweit das Nachprüfungsverfahren erledigt war, entschloss sich die Auftraggeberin, die Ausschreibung aufzuheben, da die Ausschreibungsunterlagen in Hinsicht auf den Einsatz einer Sozialarbeiterin als Vollzeitkraft nicht eindeutig genug formuliert waren.
Mit Schreiben vom 29.06.2004 informierte die Auftraggeberin die beteiligten Bieter, dass die Ausschreibung aufgehoben werden muss, da die Ausschreibungsunterlagen nicht vollständig waren. Zur Begründung führt sie wörtlich aus:
"Nach unserer Meinung ist es zwingend erforderlich, dass die staatlich anerkannte Sozialarbeiterin, die über eine abgeschlossene sozialpsychiaterische Zusatzausbildung verfügt, mit einer Arbeitszeit von 38,5 Std. Wochenarbeitszeit eingesetzt wird.
Dies ergibt sich für uns aus dem besonderen Klientel, welches in der Unterkunft untergebracht ist. Die sich aus § 2 Abs. 4 des Betreibervertrages ergebenen 32,5 Stunden sollen nur die Zeit verdeutlichen, in dem die Sozialarbeiterin bzw. die Vertretung für uns und zwar für den zuständigen Fachbereich der Auftraggeberin in jedem Fall telefonisch erreichbar sein muss.
Da dies aus den Verdingungsunterlagen nicht zweifelsfrei hervorging, ist eine Vergleichbarkeit der Angebote nicht gegeben."
Mit Schreiben vom 05,07.2004 rügte die Antragstellerin die Aufhebung der Ausschreibung. In Anbetracht des eindeutigen Wortlautes der Ausschreibungsunterlagen sei die Argumentation für die Ausschreibung nicht nachvollziehbar. Die von der Auftraggeberin genannten "schwer wiegenden Gründe" lägen nicht vor.
Nachdem die Auftraggeberin der Antragstellerin gegenüber bei ihrer Rechtsauffassung geblieben ist, beantragte diese mit Schreiben vom 07.07.2004, eingegangen bei der Vergabekammer am 08.07.2004, die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Zur Begründung trägt sie Ihre Argumente aus dem Rügeschreiben an die Auftraggeberin vor. Ferner weist sie darauf hin, dass an das Kriterium "schwer wiegende Gründe" lt. Urteil des BGH vom 12.06.2001, Az. X ZR 150/99, strenge Maßstäbe anzulegen seien. Die Änderung der Wochenarbeitsstunden, die der Auftraggeberin im Nachhinein als wünschenswert erscheint, könne mit Sicherheit nicht als ein derartig schwer wiegender Grund qualifiziert werden.
Die Antragstellerin vertritt auch die Auffassung, dass zwar mit einem Nachprüfungsantrag nach Aufhebung einer Ausschreibung grundsätzlich keine Verpflichtung zum Zuschlag durchgesetzt werden könne. Dies wäre im vorliegenden Fall aber deshalb zu erwägen, weil die Auftraggeberin erkennbar an ihrem Vorhaben festhalte, den Betrieb der o. g. Obdachlosenunterkunft auszuschreiben.
Die Antragstellerin beantragt:
- 1.
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, die Aufhebung der Ausschreibung rückgängig zu machen.
- 2.
Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes seitens der Antragstellerin wird als notwendig erklärt.
- 3.
Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin zu tragen.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Die Auftraggeberin weist darauf hin, dass sich erst bei der Prüfung und Bewertung der eingereichten Angebote ergeben habe, dass das Vergabeverfahren an einem wesentlichen Mangel leide. Die Verdingungsunterlagen führten zu Unklarheiten hinsichtlich des erforderlichen Zeiteinsatzes der geforderten Sozialarbeit.
Die besondere Bedeutung der Sozialarbeit für die Betreuung obdachloser Frauen ergäbe sich eindeutig aus den Verdingungsunterlagen in der Leistungsbeschreibung, den Vertragsentwurf und aus den Verdingungsunterlagen als Anlage 1 - Leitlinie der Stadt xxx für die Betreuung von Obdachlosen - zum Betreibervertrag.
Die Bewertung der Sozialarbeit stelle einen ganz wesentlichen Bestandteil der zu erbringenden Leistung und damit einen ganz wesentlichen Kostenfaktor dar. Dies könne man auch daran erkennen, dass die anderen Bieter hierfür deutlich höhere Kosten angesetzt hätten, was sich nur zum Teil aus den höheren Stundensätzen erklären lasse. Aus der Größe der Einrichtung mit insgesamt 48 Plätzen und der festen Vergütung von 35 Plätzen sei erkennbar, welche Erwartungen an den Umfang der Sozialarbeit unter Berücksichtigung der Vielzahl von Aufgaben zu stellen seien. Mit einer zeitlichen Präsenz von lediglich 32,5 Std. könne den Anforderungen nicht genüge getan werden. Bis auf die Antragstellerin hätten alle anderen Bieter dies so gesehen.
Die Auftraggeberin räumt ein, dass in diesem Punkt die Verdingungsunterlagen nicht eindeutig gewesen seien. Eine einseitige bzw. im Verhandlungsverfahren durchzuführende Erweiterung der angebotenen Sozialleistung hätte aber aus Sicht der Auftraggeberin einen unzulässigen Eingriff in die Verdingungsunterlagen bedeutet und das Ausschreibungsergebnis unzulässig verfälscht. Die Kosten der Sozialarbeit würden einen wesentlichen Kostenfaktor bei dem Angebot darstellen. Jede Veränderung der Verdingungsunterlagen beeinträchtigen die Gesamtkalkulation und würde dazu führen, dass Einzelne entgegen dem wettbewerbsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz besser gestellt würden. Aus diesem Grunde käme eine unveränderte Berücksichtigung daher nicht in Betracht, da die Angebote in einem wesentlichen Leistungsteil nicht vergleichbar seien. Die angebotene Zeitdauer der Sozialarbeit schwankt zwischen 32,5 und 40 Stunden/Woche. Sie, die Auftraggeberin, sei bei der Ausschreibung davon ausgegangen, dass die Benennung von "einer Mitarbeiterstelle" dahingehend eindeutig zu verstehen war, dass eine Stelle mit der üblichen Wochenarbeitszeit von 38 1/2 Stunden kalkulatorisch anzusetzen war.
Die Antragstellerin hatte für die Sozialarbeiterin 32,5 Std. angesetzt, drei andere Bieterfirmen 40 Std., eine Firma 38,5 Std. und eine Firma 35 Std.
Die fehlende Vergleichbarkeit der Angebote und die Unzulässigkeit der Nachverhandlung mit einzelnen Bietern bedinge daher, dass die Unklarheit in den Verdingungsunterlagen zu einem schwer wiegenden Mangel im Sinne des § 26 Nr. 1 d VOL/A führe. Daher habe sie die Entscheidung getroffen, das Vergabeverfahren aufzuheben. Eine Weiterführung hätte entweder einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot oder die Kontrahierung mit einem Anbieter, der nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe, bedeutet. Damit wäre gegen Grundprinzipien des Vergaberechts verstoßen worden, sodass die Aufhebung gerechtfertigt sei.
Wegen des übrigen Vorbringens wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 24.08.2004 Bezug genommen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Auftraggeberin hat sich ermessensfehlerfrei entschieden, die streitbefangene Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A aufzuheben. Mangels nicht eindeutiger Vorgaben in den Verdingungsunterlagen hinsichtlich des erforderlichen Einsatzes einer Vollzeitstelle für eine Sozialarbeiterin war die Leistungsbeschreibung in einem wesentlichen Punkt nicht eindeutig im Sinne des § 8 Nr. 1 VOL/A. Dies wiederum hat dazu geführt, dass die Bieter bei ihrer Kalkulation von völlig unterschiedlichen Stundenansätzen für die Sozialarbeiterin ausgegangen sind, sodass die Angebote nicht vergleichbar sind.
1.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um den Betrieb einer Obdachlosenunterkunft und damit um einen Dienstleistungsauftrag gem. § 99 Abs. 1 und Abs. 4 GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- EUR gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis des Vergabeverfahrens deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert. Unter Zugrundelegung des von der Antragstellerin angebotenen Tagessatzes von 13,80 EUR beträgt der Wert des Auftrags über die gesamte ausgeschriebene 3-jährige Vertragslaufzeit 528.885,-- EUR (35 Plätze x 13,80 EUR x 365 Tage x 3 Jahre).
Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages scheitert auch nicht daran, dass der streitbefangene Auftrag trotz Überschreitens des maßgeblichen EU-Schwellenwertes nicht europaweit ausgeschrieben werden musste, wovon die Auftraggeberin auch abgesehen hat. Die ausgeschriebenen Leistungen unterliegen als soziale Dienstleistungen der CPC-Referenz Nr. 93 und damit der Kategorie 25 sowie der CPC-Referenz Nr. 64 (Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe) und damit der Kategorie 17 des Anhangs I B des Abschnitts 2 der VOL/A (vgl. VK Arnsberg, Beschluss v. 17.04.2001, Az.: VK 2-07/01, sowie der 1. VK Sachsen, Beschluss v. 25.06.2001, Az.: 1/SVK/55-01). Aus diesem Grunde findet gemäß § 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A der 2. Abschnitt ("a-Paragraphen") der VOL/A nur begrenzte Anwendung neben den Basisparagraphen (= 1. Abschnitt). Daraus leitet sich - hinsichtlich des 2. Abschnitts - nur die Verpflichtung ab, nach erfolgter Auftragserteilung aus statistischen Gründen eine Meldung an das Amt für amtliche Veröffentlichungen über den vergebenen Auftrag gemäß Anhang G der VOL/A zu senden. Dabei kann nach § 28 a Nr. 1 Abs. 2 VOL/A angegeben werden, ob bezüglich der Veröffentlichung Einverständnis besteht (vgl. Müller in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 1 a, Rn. 103). Da die Schwellenwerteüberschritten wurden, ist gleichwohl eine Prüfungskompetenz für ein Nachprüfungsverfahren hinsichtlich der Einhaltung der Basisparagraphen der VOL/A gegeben (vgl. VÜA Bund 13/99; VK Sachsen, a.a.O.; VK Arnsberg, a.a.O.). Im Übrigen sind die aus primärem Europarecht stammenden Gebote wie Gleichbehandlungs- und Transparenzgebot sowie auch das Diskriminierungsverbot, die mittels § 97 GWB für Vergaben öffentlicher Auftraggeber verbindlich sind, auch unterhalb der Schwellenwerte anzuwenden. Ihre Einhaltung muss daher in jedem Fall der Nachprüfung zugänglich sein, wenn die Schwellenwerte, wie im vorliegenden Fall, überschritten sind.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin habe die Ausschreibung aufgehoben, obwohl die zur Begründung angeführten Voraussetzungen des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A nicht vorlägen. Die Antragsbefugnis entfällt nicht deshalb, weil der Auftraggeber das streitbefangene Vergabeverfahren bereits vor Stellung des Nachprüfungsantrags gem. § 26 VOL/A aufgehoben hat. Nach dem Beschluss des BGH vom 18.02.2003, Az.: X ZB 43/02 ("Jugendstrafanstalt"; vgl. VergabeR 3/2003, S. 313 ff.) kann ein Bieter auch dann, wenn einöffentlicher Auftraggeber die Ausschreibung für einenöffentlichen Auftrag bereits aufgehoben hat, noch in zulässiger Weise die Vergabekammer anrufen und geltend machen, durch Nichtbeachtung der die Aufhebung der Ausschreibung betreffenden Vergabevorschrift in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB verletzt zu sein. Allerdings kann auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur in Ausnahmefällen eine "Aufhebung der Aufhebung" erreicht werden. Eine solche Rückgängigmachung der Aufhebung kommt nur bei fortbestehendem Vergabewillen des Auftraggebers in Betracht (diese Auffassung stützt der Bundesgerichtshof maßgeblich auf die Feststellung, dass ein Auftraggeber nach wie vor nicht zur Zuschlagserteilung gezwungen werden kann und darf, selbst wenn er im Ergebnis nach den maßgeblichen Vorschriften keinen Grund zur Aufhebung des Ausschreibungsverfahrens hat (vgl. auch OLG Celle, Beschluss v. 22.05.2003, Az.: 13 Verg 9/03; OLG Koblenz, Beschluss v. 23.12.2003, Az.: 1 Verg 8/03). Daher kann eine Vergabekammer nur dann eine Aufhebung der Aufhebung anordnen, wenn der Vergabewille der Vergabestelle fortbesteht. Ansonsten könnte der Auftraggeber gegen seinen Willen zur Zuschlagserteilung verpflichtet werden. Im vorliegenden Fall besteht der Vergabewille der Auftraggeberin für den streitbefangenen Auftragsgegenstand unstreitig fort. Entgegen der bis zur zitierten Entscheidung des BGH - bis in die jüngste Zeit - nahezu einhellig vertretenen Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (statt aller: Franke / Kemper / Zanner / Grünhagen, § 26 VOB/A, Rn. 7, m.w.N.) kann eine Vergabestelle damit nicht mehr jederzeit und ohne nähere Begründung, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 26 VOL/A bzw. VOB/A eine Ausschreibung unanfechtbar aufheben. Ist die Aufhebung nicht durch § 26 VOL/A bzw. § 26 VOB/A gedeckt, kann ein Bieter grundsätzlich nunmehr die Rückgängigmachung einer Aufhebung im Wege des Nachprüfungsverfahrens erreichen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solche Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, 1. Auflage, § 107, Rn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt, indem sie vorträgt, dass sie ohne die von ihr angefochtene Aufhebung des Vergabeverfahrens eine Chance auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte. Es ist nicht erforderlich, dass die Antragstellerin auch schlüssig darlegt, dass sie bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: Verg 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den geltend gemachten Verstoß gegen die Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich zu rügen. Mit Schreiben vom 30.06.2004, eingegangen bei der Antragstellerin am 05.07.2004, hat die Auftraggeberin die Antragstellerin darüber informiert, dass sie die Ausschreibung aufhebe, weil die Ausschreibungsunterlagen hinsichtlich der anzusetzenden Wochenarbeitszeit der Sozialarbeiterin nicht vollständig und eindeutig gewesen seien. Bereits mit Anwaltsschriftsatz vom 05.07.2004, also noch am Tage des Zugangs des Informationsschreibens, rügte die Antragstellerin diese Entscheidung der Auftraggeberin mit der Begründung, dass ihrer Auffassung nach keine schwer wiegenden Gründe für die Aufhebung vorlägen. Diese sofortige Rüge erfolgte unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.
2.
Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist durch die Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens nicht im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt. Die Auftraggeberin hat sich vielmehr im Rahmen des ihr durch § 26 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als sie sich entschied, die Ausschreibung wegen der fehlenden Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung hinsichtlich des von den Bietern bei der Angebotskalkulation zu berücksichtigenden Stundenansatzes für die Sozialarbeiterin aufzuheben. Die fehlende Eindeutigkeit der Verdingungsunterlagen ist ein schwer wiegender Grund, der eine Aufhebung gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A rechtfertigt.
Gemäß § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A kann die Ausschreibung unter anderem aufgehoben werden, wenn "andere schwer wiegende Gründe" bestehen. Ein Vergabeverfahren wird normalerweise mit dem Zuschlag, d. h. mit der Annahmeerklärung des Ausschreibenden auf das Angebot eines Bieters beendet (§ 28 VOL/A). Von diesem Regelfall stellt die "Aufhebung der Ausschreibung" nach § 26 VOL/A unter den dort festgelegten Voraussetzungen die Ausnahme dar. Zwar kann sich der Auftraggeber nach den Allgemeinen Vertragsvorschriften des bürgerlichen Rechts (§§ 145 ff. BGB) frei entscheiden, ob er den Auftrag erteilen will oder nicht. Eine willkürliche Aufhebung der Ausschreibung trotz Nichtvorliegens der Aufhebungsgründe des § 26 VOL/A würde jedoch mit dem Sinn und Zweck des Vergabesystems und - bei Auftragsvergaben oberhalb der Schwellenwerte - auch mit dem Rechtsanspruch auf Einhaltung der Vergaberegeln gem. § 97 Abs. 7 GWB, der faktisch in der Folge zu einem Anspruch auf Zuschlagserteilung führt, nicht in Einklang stehen (vgl. Portz in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 26, Rn. 12, m.w.N.). Bei Vorliegen einer der vier abschließend in § 26 Nr. 1 VOL/A geregelten Fallgruppen kann der Auftraggeber die Aufhebung ausschreiben. Er hat das ihm diesbezüglich eingeräumte vergaberechtliche Ermessen unter Abwägung und Beachtung nicht nur seiner eigenen Interessen, sondern auch der der Bieter auszuüben. Dabei kann sich das ihm grundsätzlich eingeräumte Ermessen ausnahmsweise auf Null zu Gunsten einer Aufhebung reduzieren. Von einer derartigen Pflicht zur Aufhebung ist immer dann auszugehen, wenn auf der Grundlage der eingegangenen Angebote eine ordnungsgemäße Vergabe nicht möglich wäre. Ein solcher Fall ist immer dann gegeben, wenn ohne die Aufhebung das Wettbewerbsprinzips, das Gleichbehandlungsgebot oder das Diskriminierungsverbot verletzt werden würde oder aber eine sachgerechte Wertung der Angebote mangels Vergleichbarkeit nicht möglich ist (vgl. Portz, a.a.O., Rn. 17). Im vorliegenden Fall hat sich die Auftraggeberin zumindest im Rahmen ihres nach § 26 Nr. 1 VOL/A eingeräumten Ermessens gehalten, als sie sich entschied, das streitbefangene Vergabeverfahren aufzuheben.
Nach der Generalklausel des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A kann der Auftraggeber eine Ausschreibung aufheben, wenn "andere schwer wiegende Gründe" vorliegen. Schwer wiegend in diesem Sinne ist ein Grund, wenn er die bisherige Vergabeabsicht des Auftraggebers entscheidend beeinflusst. Bei der Prüfung, ob eine Ausschreibung aus einem schwer wiegenden Grund aufgehoben werden darf, sind dabei nicht zuletzt die von den Bietern angewandten Kosten sowie der von diesen für die Erstellung des Angebotes aufgewandten Zeit strenge Anforderungen zu stellen. So ist etwa eine Aufhebung nicht schon dann gerechtfertigt, wenn die eingegangenen Angebote wirtschaftlich nicht den Vorstellungen des Auftraggebers entsprechen. Voraussetzung für eine Aufhebung ist vielmehr, dass nach der Prüfung der Angebote oder nach deren Wertung überhaupt kein angemessenes oder annehmbares Angebot vorliegt. Auch die Tatsache, dass z. B. nur wenige Angebote eingegangen sind, kann für sich genommen nicht als schwer wiegender, eine Aufhebung rechtfertigender Grund gewertet werden. Im vorliegenden Fall ist ein derartiger schwer wiegender Aufhebungsgrund gegeben, weil die Auftraggeberin nach Auswertung der Angebote feststellen musste, dass die von ihr erstellte Leistungsbeschreibung hinsichtlich einer wesentlichen Teilleistung des ausgeschriebenen Auftrages, nämlich des Einsatzes der Sozialarbeiterin, nicht hinreichend eindeutig im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A war, was die Bieter dazu veranlasst hat, bei der Kalkulation ihrer Angebote von einer völlig unterschiedlichen Wochenarbeitszeit der Sozialarbeiterin auszugehen. Ein öffentlicher Auftraggeber ist jedoch gem. § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A verpflichtet, alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen unmissverständlich darzustellen, um eine einwandfreie Kalkulation zu ermöglichen. Andernfalls erhält er, wie im vorliegenden Fall, Angebote, die nicht vergleichbar sind. Eine Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebotes und eine Zuschlagserteilung ist dann ohne Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB nicht mehr möglich. Die Auftraggeberin hatte in den Verdingungsunterlagen unter Ziffer 1 Abs. 1 der Leistungsbeschreibung zwar deutlich darauf hingewiesen, dass für den Betrieb der Obdachlosenunterkunft zur Betreuung von obdachlosen Frauen die soziale Betreuung der untergebrachten Frauen einen Schwerpunkt der zu erbringenden Leistung darstellt. Zum Umfang des Einsatzes einer Sozialarbeiterin hatte sie jedoch in § 2 Abs. 1 Satz 1 des den Verdingungsunterlagen beigefügten Entwurfes des Betreibervertrages aber lediglich festgelegt, dass der Betreiber verpflichtet ist, die Sozialarbeit durch "eine Mitarbeiterin" sicherzustellen. Die Auftraggeberin hat im Zuge des Nachprüfungsverfahren vorgetragen, dass sie die Anforderung so verstanden wissen wollte, dass der künftige Auftragnehmer eine Sozialarbeiterin mit einer vollen Stelle - 38,5 bis 40 Wochenstunden - stellt, ohne allerdings eine entsprechende Einsatzstundenzahl in den Verdingungsunterlagen festzuschreiben. Dies hatte zur Folge, dass die Bieterfirmen ausweislich der mit der Vergabeakte vorgelegten Angebote bei ihrer Kalkulation von völlig unterschiedlichen Stundenansätzen ausgegangen sind. Während drei Bieter die Teilleistung Sozialarbeit mit einer 40-Stunden-Woche angeboten haben, ist ein Bieter von einer 38,5-Stunden-Woche und ein Bieter von einer 35-Stunden-Woche ausgegangen. Die Antragstellerin wiederum ist von einer 32,5-Stunden-Woche ausgegangen, die sie für ausreichend hält, und verweist diesbezüglich auf die Festlegungen in § 2 Abs. 4 des Entwurfes des Betreibervertrages. Dort heißt es:
"Während der folgenden Zeiten muss eine Sozialarbeiterin bzw. die Vertretung im Heim anwesend und telefonisch erreichbar sein. Änderungen dieser Zeiten bleiben vorbehalten.
Montag 8.30 - 15.00 Uhr
Dienstag 8.30 - 18.00 Uhr
Mittwoch 8.30 - 14.00 Uhr
Donnerstag 8.30 - 15.00 Uhr
Freitag 8.30 - 13.00 Uhr"
Die Antragstellerin hat diese Präsenzzeiten summiert und ist so auf ihre Kalkulationsgrundlage eines Einsatzes von 32,5 Wochenstunden gekommen. Die Auftraggeberin hat demgegenüber dargelegt, dass die notwendige soziale Betreuung der obdachlosen Frauen mit einem derart geringen Stundensatz nicht zu Gewähr leisten ist angesichts der Tatsache, dass in der Obdachlosenunterkunft ständig mindestens 35 Frauen betreut werden sollen. Sie hat ferner dargelegt, dass sie die ausdrücklich benannten Zeiten als Präsenzzeiten im Sinne von Mindestzeiten verstanden wissen wollte. Die für die gewünschte Vollzeitstelle (38,5 oder 40 Stunden) verbleibende Differenz von 6 bis 7,5 Stunden sollte der Sozialarbeiterin aus Sicht der Auftraggeberin ermöglichen, bei Bedarf einzelne untergebrachte Frauen auch außerhalb des Heimes zu betreuen und insbesondere diese bei Besorgungen oder Behördengängen zu begleiten.
Der von den Bietern auf Grund der missverständlichen Festlegungen der Auftraggeberin in der Leistungsbeschreibung völlig unterschiedlich gewählte Stundenansatz für die Sozialarbeiterin war offensichtlich kalkulationserheblich. Aus der in der Vergabeakte dokumentierten Tabelle "Vergleich der Kostenpositionen der einzelnen Bieter" ergibt sich zum Beispiel, dass die Kosten für die Sozialarbeiterin beim Angebot der Antragstellerin mit 27 % der gesamten Personalkosten eingeflossen sind. Bei anderen Bietern beträgt der Anteil der Kosten für die Sozialarbeiterin sogar über 40 % der gesamten Personalkosten. Auch angesichts der strengen Anforderungen des Bundesgerichtshofs (vgl. Urteil v. 12.06.2001, Az.: X ZR 150/99, zitiert nach VERIS) sind die missverständlichen, die Kalkulation der Bieter maßgeblich beeinflussenden Anforderungen der Leistungsbeschreibung an die Wochenarbeitszeit der Sozialarbeiterin als schwer wiegender Grund im Sinne des § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A zu werten, der eine Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigt. Der BGH hat in dem von der Antragstellerin zitierten Urteil entschieden, dass ein schwer wiegender Grund in diesem Sinne nicht ohne weiteres schon deshalb gegeben ist, weil der Ausschreibende bei der Einleitung oder der Durchführung des Verfahrens fehlerhaft gehandelt hat. Ein Fehler des Ausschreibenden könne nicht immer und jedenfalls nicht schon deshalb ohne weiteres genügen, weil der Auftraggeber es dann andernfalls in der Hand hätte, nach seiner freien Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Eine solche Folge wäre mit Sinn und Zweck des Ausschreibungsverfahrens, das - insbesondere auch im Hinblick auf die Vorgaben des Rechts der Europäischen Gemeinschaften - zu einer größeren Klarheit und Überprüfbarkeit von Vergabeentscheidungen der öffentlichen Hand führen sollte, nicht zu vereinbaren. Im Einzelnen bedürfe es daher für die Feststellung eines schwer wiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die maßgeblich die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls sind. Danach kann ein rechtlicher Fehler des Vergabeverfahrens zu einem schwer wiegenden Mangel in diesem Sinne führen, wenn er einerseits von so großem Gewicht ist, dass eine Bindung des öffentlichen Auftraggebers mit Recht und Gesetz nicht zu vereinbaren wäre, und andererseits von dem an den öffentlichen Ausschreibungsverfahren teilnehmenden Unternehmen, insbesondere auch mit Blick auf die Schwere dieses Fehlers, erwartet werden kann, dass sie auf diese rechtlichen und tatsächlichen Bindungen Rücksicht nehmen. Ein derartig schwer wiegender Mangel aber liegt im vorliegenden Fall vor, da der Auftraggeber mangels vergleichbarer Angebote nicht in der Lage ist, das wirtschaftlichste Angebot gem. § 25 Nr. 3 VOL/A zu ermitteln und zu bezuschlagen. Die Auftraggeberin ist auch ihrer Verpflichtung nachgekommen, gem. § 26 Nr. 3 VOL/A die Gründe für die Aufhebung der Ausschreibung in der Vergabeakte zu dokumentieren. In der Vergabeakte ist ein entsprechender Vermerk des mit der Ausschreibung befassten Amtes für Wohnungswesen der Auftraggeberin vom 29.06.2004 enthalten. Dort heißt es zur Begründung der Aufhebung unter anderem:
"Nach unserer Auffassung ist es zwingend erforderlich, dass es sich bei der staatlich anerkannten Sozialarbeiterin, die über eine abgeschlossene sozialpsychiatrische Zusatzausbildung verfügt, um eine Vollzeitkraft (Arbeitszeit 38,5 Stunden Wochenarbeitszeit) handeln muss. Dies ergibt sich für uns aus dem besonderen Klientel, welches in der Unterkunft untergebracht ist und eine so umfassende Betreuung wie möglich benötigt. Die in § 2 Abs. 4 des Betreibervertrages angegebenen Zeiten sollen nur die telefonische Erreichbarkeit für den Fachbereich sicherstellen und ist an den Kernarbeitszeiten des Fachbereichs angelehnt. Die Betreuung der Menschen soll jedoch auch über diese Zeit hinaus Gewähr leistet sein."
Die Auftraggeberin hat sich daher zu Recht dafür entschieden, die streitbefangene Ausschreibung gem. § 26 Nr. 1 lit. d VOL/A aufzuheben. Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.643,-- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt 528.885,-- EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten auf der Grundlage des Angebotes der Antragstellerin über die gesamte dreijährige Vertragslaufzeit und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500,-- EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 ,-- EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,-- EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 528.885,-- EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.643,-- EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i. S. d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2.643,-- EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
xxx
Schulte
Nierychlo