Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 18.06.2004, Az.: 203-VgK-29/2004

Vergabenachprüfungsverfahren über die Ausschreibung von Schienenpersonennahverkehrleistungen (SPNV-Leistungen); Antrag auf Verpflichtung zur Gewährung der Einsichtnahme in Herstellungsverträge und Lieferverträge; Antragsbefugnis im Vergabeverfahren; Grundlagen der Rügeverpflichtung im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Vorwurf der "erzwungenen Beschaffung"; Zulässigkeit von "Beistellungen" im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen; Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses; Begriff des "Sektorenauftraggebers" im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 93/98 EWG; Einforderung der Tariftreueerklärung im Rahmen einer Vergabeentscheidung unter dem Blickwinkel der Regelungen der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 92/50/EWG; Verfassungsmäßigkeit von § 3 Landesvergabegesetz (LVergabeG) gemessen an Art. 9 Abs. 3 GG; Rechtmäßigkeit der Förderung weiterer Ziele des EG-Vertrages neben der wirtschaftlichen Beschaffung einer Leistung durch eine Vergabeentscheidung

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
18.06.2004
Aktenzeichen
203-VgK-29/2004
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33637
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Ausschreibung von SPNV-Leistungen auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen

Zusammenfassung

In dem vorliegenden Verfahren befasst sich die Vergabekammer mit dem Antrag auf Nachprüfung der Ausschreibung über die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr. Die Antragstellerin rügt mehrere Verstöße gegen das Vergaberecht.

In seiner Prüfung widmet sich die Vergabekammer zunächst der Zulässigkeit und bejaht diese.

In der Sache rügt die Antragstellerin zum Einen, die Pflicht zur Abnahme der Schienenfahrzeuge vom Hersteller sei unzulässig.
Gleich eingangs stellt die Kammer klar, dass diese Verpflichtung nicht gegen Vergaberecht verstoße. Das betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Interesse der Antragstellerin, als Eisenbahnverkehrsunternehmen die ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen mit eigenen Fahrzeugen erbringen zu dürfen, werde vergaberechtlich nicht geschützt. Das Vergaberecht regele grundsätzlich nicht das "Ob" oder "Was" einer Beschaffung, sondern lediglich das "Wie". Die Kammer erörtert den strittigen Punkt, ob es sich bei der Verpflichtung um eine Beistellung oder um eine Zwangsbeschaffung handelt. Sie legt sich auf Erstere fest und erläutert anhand der einschlägigen Landesvorschriften die Rechtmäßigkeit dieses Vorgangs. Daran ändere auch nichts, dass die Fahrzeuge mietweise, also entgeltlich, zur Verfügung gestellt würden. Weiter weist die Kammer das Vorbringen der Antragstellerin zurück, sie würde durch die Beistellung auf der Grundlage eines Mietvertrages zum Abschluss von Beschaffungsverträgen unter Verstoß gegen eigene Pflichten aus Gemeinschafts- und Bundesrecht gezwungen. Ferner begründe auch die Pflicht zur Übernahme der Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen keinen Verstoß.

Zweitens rügt die Antragstellerin die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses.
Die Kammer stellt fest, dass der Nachprüfungsantrag teilweise begründet sei, soweit sich die Antragstellerin gegen die Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A wendet. Diese Verletzung folge zwar nicht, wie die Antragstellerin vertritt, aus der Haftungs- und Risikoverteilung. Durch die Abtretung der Gewährleistungsansprüche an den Mieter handele es sich insoweit um ein kalkulierbares Risiko. In ihren Rechten verletzt werde die Antragstellerin vielmehr durch die Tatsache, dass die konkrete Ausgestaltung des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Fahrzeugmietvertrages dazu führe, dass dem künftigen Auftragnehmer einerseits zwar alle Haftungsrisiken unter Ausschluss der üblichen Pflichten des Vermieters übertragen werden und den Mieter so stellen, als hätte er die Fahrzeuge selbst beschafft, ohne aber auf der anderen Seite ein risikobegrenzendes Äquivalent für diese uneingeschränkte, eigentümerähnliche Haftungsobliegenheit zu erhalten. Die Kammer erläutert nun den Wortlaut des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, definiert den Begriff des ungewöhnlichen Wagnisses und nennt die aus der Vorschrift folgenden Anforderungen an eine Ausschreibung. Sie geht sodann auf die relevanten Passagen der Ausschreibung ein und gibt die Argumentation der Antragstellerin und der Auftraggeber wieder. Sie führt aus, dass sämtliche von den Auftraggebern erst auf Grund der Rügen und im Zuge des Nachprüfungsverfahrens offengelegten weiteren Regelungen des Werkvertrages und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages für die Antragstellerin wie auch die übrigen potenziellen Bieter kalkulationsrelevant im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A seien und dem Bieter und künftigen Auftragnehmer haben offen gelegt werden müssen, damit ihm kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet werde. Soweit die Antragstellerin wie auch die übrigen Bieter diese Regelungen noch nicht kennen, seien sie von den Auftraggebern offenzulegen. Insoweit sei also der Antrag begründet.

Weiter rügt die Antragstellerin die mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe eingeforderte Tariftreueerklärung.
Die Kammer führt aus, dass der Nachprüfungsantrag auch insoweit unbegründet sei. Sie erläutert den Regelungsgehalt des § 3 LVergabeG und stellt fest, dass die Auftraggeber zur Einforderung der Tariftreueerklärung verpflichtet gewesen seien. Sodann räumt die Kammer Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 3 LVergabeG aus. Auch die konkrete Umsetzung der Vorgaben des § 3 LVergabeG i.V.m. § 1 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des Landesvergabegesetzes durch die Auftraggeberin sei vergaberechtlich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden.

Abschließend führt die Kammer aus, dass aufgrund des festgestellten Verstoßes die Auftraggeber zu verpflichten waren, der Antragstellerin und den übrigen Bietern zu Kalkulationszwecken auf Verlangen Einsicht in den Herstellungs- und Liefervertrag sowie in den Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zu gewähren. Entsprechend formuliert sie den Tenor.

In dem Nachprüfungsverfahren hat
die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung
vom 15.06.2004
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Auftraggeber werden verpflichtet, der Antragstellerin und den übrigen Bietern im streitbefangenen Vergabeverfahren zu Kalkulationszwecken auf Verlangen Einsicht in den zwischen der xxx und dem Fahrzeughersteller xxx (vormals xxx) geschlossenen Herstellungs- und Liefervertrag vom 12.12.2002 sowie in den mit dem Fahrzeughersteller geschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zu gewähren. Die Offenlegung muss sich auf alle Bestandteile des Herstellungs- und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages nebst etwaiger Anlagen, Wartungshandbücher und sonstiger technischer Anleitungen erstrecken, die für den künftigen Auftragnehmer und damit Mieter des von der Auftraggeberin zu 1 zur Verfügung gestellten Fahrzeugkontingentes zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Hersteller und zurÜberprüfung von Art und Maß der vom Hersteller durchgeführten oder veranlassten Wartung und Instandhaltung erforderlich ist. Die Offenlegung der Vertragswerke über die Beschaffung, Wartung und Instandhaltung darf in Ansehung der von den Auftraggebern mit dem streitgegenständlichen Mietvertrag vorgesehenen Risikoübertragung auf den künftigen Mieter nur versagt werden, soweit Preise, Nachlässe und Zahlungsmodalitäten oder aber sonstige Betriebsgeheimnisse des Herstellers betroffen sind, die zur Durchsetzung von Gewährleistungs- oder sonstigen Haftungsansprüchen des künftigen Mieters gegenüber dem Hersteller nicht von Bedeutung sind.

    Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens tragen die Auftraggeber gesamtschuldnerisch zu 1/3 und die Antragstellerin zu 2/3.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 25.000,-- EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Auftraggeber haben der Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 1/3 zu erstatten. Die Antragstellerin hat den Auftraggebern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu 2/3 zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war sowohl für die Antragstellerin wie auch für die Auftraggeber notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeber haben mit EU-Vergabebekanntmachung 2004/S 53-045637 vom 16.03.2004 die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen mit einem Umfang von rd. 2,752 Mio. Zugkilometer pro Jahr europaweit im offenen Verfahren als Dienstleistungsauftrag ausgeschrieben. Die Vertragslaufzeit soll acht Jahre mit einer Verlängerungsoption für die Auftraggeber um bis zu zwei Jahre betragen. Entsprechend dem Abschnitt II 1.6) der Vergabebekanntmachung sollen die zur Leistungserbringung notwendigen Fahrzeuge dem Auftragnehmer seitens der Auftraggeber mietweise zur Verfügung gestellt werden. Die Vergabebekanntmachung enthält im Weiteren grundsätzliche rechtliche, wirtschaftliche, finanzielle und technische Informationen und Informationen zum gewählten Vergabeverfahren, u.a. die Zuschlagskriterien und deren vorgesehene prozentuale Gewichtung (z.B. Vorlage eines Fahrzeugeinsatzkonzeptes mit 5 % Gewichtung). Näheres sollte jeweils den Verdingungsunterlagen entnommen werden. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 11.06.2004, 12:00 Uhr, vorgesehen. Mit Bieterrundschreiben der Auftraggeber vom 04.06.2004 wurde die Angebotsfrist auf den 19.07.2004, 12:00 Uhr, verlängert.

2

Auf Antrag der Antragstellerin vom 16.03.2004 wurden ihr mit Schreiben vom 17.03.2004 die Verdingungsunterlagen von den Auftraggebern übersandt. Mit Schreiben vom 26.03.2004 rügte die Antragstellerin gegenüber den Auftraggebern, dass aus ihrer Sicht verschiedene Anforderungen und Bedingungen der Ausschreibung nicht den Bestimmungen des Vergaberechts entsprechen würden. Sie rügt im Einzelnen:

  • Die vorgesehene Bereitstellung der von den Auftraggebern zur Leistungserbringung vorgesehenen und bereits angeschafften Fahrzeuge des Typs xxx stelle eine unzulässige Vorgabe einer bestimmten Bezugsquelle für die Fahrzeuge und damit einen Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dar. Durch die von den Auftraggebern vorgesehenen Mietkonditionen trüge zudem der Auftragnehmer während der Vertragslaufzeit nicht nur die anteiligen Anschaffungs- und Kapitalkosten der Fahrzeuge (durch die Mietzahlungen), sondern auch deren gesamtes Substanzerhaltungs- und Funktionsrisiko. Insgesamt handelt es sich bei der vorgesehenen "Beistellung" der Fahrzeuge durch die Auftraggeber somit um eine vertraglich erzwungene, ansonsten aber gewöhnliche Beschaffung der einzusetzenden Fahrzeuge durch den Auftragnehmer von einem vorgegebenen Anbieter. Dies sei daher mit § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A unvereinbar.
  • Auch die Tatsache, dass die Fahrzeuge mit einer bestimmten technischen Ausstattung ausgerüstet sind (Fahrgastzähleinrichtung der Firma xxx, Reservierungssystem der Firma xxx Sprachtechnologie) und diese vom Auftragnehmer zwingend genutzt werden müsse, stelle eine unzulässige Vorgabe bestimmter konkret bezeichneter Erzeugnisse (Produktnamen) dar, die mit § 8 Nr. 3 Abs. 3 und 5 VOL/A unvereinbar sei.
  • Die Vorgabe in § 9 Abs. 2 des Mietvertrages, wonach der Auftragnehmer dafür zu sorgen habe, dass die Mietsache stets in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand bleibt, sowie der Ausschluss sämtlicher Ansprüche des Auftragnehmers gegen den Vermieter, insbesondere auf Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand, die über die von den Auftraggebern an den Auftragnehmer abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegen die Firma hinausgehen, begründe für die Bieter ein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse, die sie nicht beeinflussen und nicht abschätzen können, und verstoße daher gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Dieses Risiko sei für die Bieter deshalb nicht kalkulierbar, weil sie weder den Herstellungsvertrag noch den Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zwischen den Auftraggebern und der Firma xxx kennen würden. Den Bietern seien insbesondere die dort getroffenen Gewährleistungsregeln unbekannt. Nach § 9 Abs. 1 des Mietvertrages sollen zwar die "einschlägigen Teile" der Verträge dem Auftraggeber offen gelegt werden. Diese Offenlegung erfolge aber soweit ersichtlich erst nach der Zuschlagserteilung und könne daher bei der Angebotskalkulation nicht berücksichtig werden. Schließlich hätten die Bieter den Fahrzeughersteller nicht ausgewählt und vermögen deshalb dessen Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit hinsichtlich der termingerechten und ordnungsgemäßen Auslieferung der Fahrzeuge und Durchführung der Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten nicht einzuschätzen. Dies gelte insbesondere auch für das Risiko einer insolvenzbedingten Betriebseinstellung der Firma xxx. Durch den Ausschluss aller über die abgetretenen Gewährleistungsansprüche hinausgehenden Ansprüche des Auftragnehmers gegen die Auftraggeber würde insoweit ein weiteres unbeeinflussbares und nicht kalkulierbares Risiko auf die Bieter abgewälzt.
  • Für die Nutzung der vorgesehenen technischen Ausrüstung der Fahrzeuge (Fahrgastzähleinrichtung, Reservierungssystem) hätten die Bieter gem. Abschnitt 5.1 der Leistungsbeschreibung zusätzliche Kosten zu kalkulieren. Der Auftragnehmer habe die Kosten für die Ausrüstung mit "entsprechender Hard- und Software" zu tragen. Den Ausschreibungsunterlagen sei jedoch an keiner Stelle zu entnehmen, welche zusätzlichen Kosten entstehen, noch welche genaue Hard- und Software für die Ausrüstung erforderlich sei. Hierin liege ein Verstoß gegen das Gebot der eindeutigen und erschöpfenden Leistungsbeschreibung gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A begründet und gegen das Gebot, entsprechend § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A alle die Preisermittlung beeinflussenden Umstände in den Verdingungsunterlagen anzugeben.
  • Sowohl die Vorgabe der Leistungsbeschreibung in Verbindung mit dem abzuschließenden Mietvertrag für die Fahrzeuge, die Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten durch die Firma xxx durchführen lassen zu müssen, als auch die Vorgabe, dass diese in der Werkstatt der xxx am Standort xxx erbracht werden müssen, stelle ebenfalls eine unzulässige Vorgabe einer bestimmten Bezugsquelle sowie eines bestimmten Ursprungsorts in Bezug auf die Werkstattkapazität dar und verstoße daher gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Außerdem stelle diese Konstellation ein wettbewerbswidriges, unzulässiges Kopplungsgeschäft dar und verstoße daher gegen § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A in Verbindung mit § 16 Nr. 4 GWB. Nach § 16 Nr. 4 GWB seien Vereinbarungen zwischen Unternehmen über gewerbliche Leistungen wettbewerbswidrig und unterlägen der Missbrauchsaufsicht, soweit sie einen Beteiligten verpflichten würden, Leistungen abzunehmen, die weder sachlich noch handelsüblich dazugehören würden. Die Anmietung und Wartung und Instandhaltung der in den Ausschreibungsunterlagen spezifizierten Fahrzeuge gehöre weder sachlich noch handelsüblich zu den ausgeschriebenen Verkehrsleistungen. Das gleiche gelte für die Nutzung einer bestimmten Betriebswerkstatt. Verkehrsleistungen im Schienenpersonennahverkehr würden typischerweise gerade mit Fahrzeugen erbracht, die vom Verkehrsunternehmen gestellt werden würden. In diesem Rahmen sei das Verkehrsunternehmen auch für die Auswahl und Beschaffung der Fahrzeuge sowie auch für die Durchführung der Wartungsarbeiten und die Auswahl des Werkstattstandortes verantwortlich. Die vorgesehene Verfahrensweise kollidiere darüber hinaus mit der vergaberechtlichen Pflicht des Auftragnehmers, die Beschaffung von Fahrzeugen sowie von Wartungs- und Instandhaltungsleistungen und der dazu erforderlichen Werkstattkapazität nach den Bestimmungen des Vergaberechts vorzunehmen. Eisenbahnverkehrsunternehmen seien Sektorenauftraggeber im Sinne von § 98 Nr. 4 GWB und daher verpflichtet, entsprechende Leistungen im Rahmen wettbewerblicher Vergabeverfahren nach den Bestimmungen des Sektoren-Vergaberechts gemäß §§ 97 ff. GWB in Verbindung mit der VgV und dem 4. Abschnitt der V
  • OL/A zu vergeben. Die Vorgehensweise der Auftraggeber sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt vergaberechtswidrig.
  • Nach Abschnitt 16 der Angebotsaufforderung gehöre zu den Zuschlagskriterien auch das "Fahrzeugeinsatzkonzept". Nach Abschnitt 5.3 der Leistungsbeschreibung sei im Angebot unter anderem explizit auszuweisen, an welchem Standort die nicht vom Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zwischen den Auftraggebern und der Firma xxx umfassten Wartungsarbeiten durchgeführt werden sollen. Die Berücksichtigung des konkreten Standorts, an dem die Wartungsarbeiten durchgeführt werden, sei im Rahmen des Zuschlags nicht mit § 97 Abs. 5 GWB und § 25 Nr. 3 Satz 1 VOL/A vereinbar. Danach dürften nur Wirtschaftlichkeitskriterien berücksichtigt werden. Diese seien grundsätzlich standortneutral. Die Berücksichtigung des Standorts der Wartungsarbeiten als Zuschlagskriterium sei daher unzulässig.
  • Nach Abschnitt 11. II. d) der Angebotsaufforderung sei mit dem Angebot eine Tariftreueerklärung abzugeben. Diese Anforderung verstoße gegen § 97 Abs. 4 GWB. Nach dieser Vorschrift werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben; andere oder weiter gehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, soweit dies durch Bundes- oder Landesgesetz vorgesehen sei. Das Landesvergabegesetz von xxx enthalte zwar eine Bestimmung, wonach Aufträge für Verkehrsleistungen imöffentlichen Personennahverkehr nur an Unternehmen vergeben werden dürfen, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmern bei der Ausführung der Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen. Diese Bestimmung sei jedoch unwirksam, weil sie mit vorrangigem Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar sei. Die Anforderung einer Tariftreueerkläung durch einen marktbeherrschenden öffentlichen Auftraggeber - um den es sich im vorliegenden Fall handele - verstoße gegen das bundesgesetzliche Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung, insbesondere gegen das Diskriminierungs- und Behinderungsverbot gem. §§ 19, 20 GWB. Auf Grund des Vorrangs des Bundesrechts (Art. 30 GG) sei die betreffende Regelung des Landesvergabegesetzes von xxx insoweit unwirksam. Die Anforderung der Tariftreueerklärung verstoße außerdem gegen die (negative) Koalitionsfreiheit der Bieter nach Art. 9 Abs. 3 GG. Damit sei die Aufforderung der Vorlage einer Tariftreueerklärung gesetzwidrig.

3

Mit zwei weiteren Schreiben vom 31.03.2004 und 12.05.2004 ergänzt die Antragstellerin ihren Rügeschriftsatz vom 26.03.2004. Sie trägt zunächst vor, dass den Bietern bei einer Zusammenschau der Regelungen des § 8 a Abs. 3 - 6 des Verkehrsvertrages zu den Einnahmeaufteilungsverträgen ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden würde. Durch das dort eingeräumte Vetorecht würden letztlich die Aufgabenträger die Höhe der Starteinnahme bestimmen. Damit würde gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A verstoßen. Zugleich würde es sich um eine missbräuchliche Klausel im Sinne von § 19 Abs. 4 Nr. 2 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A handeln. Gleiches gelte in Bezug auf die möglichen Maluszahlungen nach Anlage 3 des Verkehrsvertrages und einer möglichen Vertragsstrafe nach § 16 Abs. 2 des Verkehrsvertrages. Weiterhin rügt die Antragstellerin die Regelungen zur Einführung neuer Gemeinschaftstarife innerhalb des Zuständigkeitsbereiches der Auftraggeber. Die diesbezügliche, in § 12 Abs. 1 Satz 3 des Verkehrsvertrages getroffene Regelung, stelle einen Verstoß gegen § 14 GWB i.V.m. § 2 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A dar.

4

In ihrem Rügeschreiben vom 12.05.2004 führt die Antragstellerin aus, dass sie bereits darauf hingewiesen habe, dass sie die Anforderung einer Tariftreueerklärung nicht mit § 97 Abs. 4 GWB für vereinbar halte. Die weitere Auswertung der Ausschreibungsunterlagen, insbesondere der zur Verfügung gestellten CD-ROM, habe nunmehr darüber hinaus ergeben, dass die Vorgabe, mindestens ein Entgelt nach den Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 zu zahlen, auch gegen § 3 des Landesvergabegesetzes verstoße. Die genannten Tarifverträge würden für den Bereich der xxx-xxxgesellschaft mbH (xxx) gelten. § 3 Abs. 2 des Landesvergabegesetzes fordere einen repräsentativen Tarifvertrag am Ort der Ausführung der Leistungen. Da die xxx bisher nicht auf der Linie Göttingen - Hannover - Uelzen verkehre, könne der geforderte Tarifvertrag schon aus diesem Grunde nicht als repräsentativ angesehen werden. Zudem beschäftige die xxx insgesamt weniger als 100 Mitarbeiter im Bereich des Schienenpersonennahverkehrs. Auch aus diesem Grunde könne der Tarifvertrag für xxx-Mitarbeiter keinesfalls als repräsentativ gelten. Darüber hinaus sei die xxx einer der potenziellen Bieter für die ausgeschriebenen Leistungen. Es handele sich also um den "Haustarif" eines bestimmten Wettbewerbers.

5

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 18.05.2004 rügt die Antragstellerin weiterhin, dass den Bietern durch die Regelungen des Fahrzeugmietvertrages in §§ 6 und 9 ein ungewöhnliches Wagnis für Umstände und Ereignisse, die sie nicht beeinflussen und nicht abschätzen könnten, aufgebürdet werden würde. Sie rügt im Einzelnen:

  • Die Abnahme der Fahrzeuge vom Hersteller durch die xxx sei unzulässig.
  • In der Haftung des Auftragnehmers jenseits der Haftungshöchstgrenzen des Herstellers liege ein ungewöhnliches Wagnis.
  • Die Bieter würden nicht wissen, wann die Gewährleistungsfrist des Herstellers beginnt.
  • Der Leistungsumfang des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages und auch die Sanktionsmöglichkeiten für den Fall der Schlechterfüllung dieses Vertrages seien unklar.
  • Die Bieter wären nicht in der Lage, die technische und finanzielle Leistungsfähigkeit des Herstellers einzuschätzen.
  • Es sei unklar, was unter den in § 4 Abs. 2 des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages enthaltenen Begriffes "Innere Flottenverfügbarkeit" zu verstehen sei.
  • Es sei unklar, welche Reparaturbetriebe von dem Hersteller xxx anerkannt werden würden.
  • Die Kostentragungspflicht, falls sich der Aufwand für die Instandhaltung infolge eines außerordentlichen und nicht vorhersehbaren Verschleißes deutlich erhöhe, sei unklar.
  • Es Folge ein unkalkulierbares Wagnis aus einem Vergleich der vorgesehenen Vertragskonstruktion mit der Verpflichtung eines Unternehmens seinen Betrieb gem. § 4 Abs. 1 AEG zum Schutz der Allgemeinheit sicher zu führen.

6

Mit Schreiben vom 23.04.2004 nehmen die Auftraggeber zu den Rügen der Antragstellerin vom 26.03.2004 und 31.03.2004 Stellung. In Bezug auf einige der vorgetragenen Rügen (zu beschaffende zusätzliche Hard- und Software, Offenlegung der in § 9 Abs. 1 Fahrzeugmietvertrag getroffenen Regelungen, Beistellung der Werkstattnutzung für Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten durch die Auftraggeber) seien die Auftraggeber bereit, diesen Rügen durch Änderung der Ausschreibungsunterlagen bzw. durch Klarstellung in einem Bieterrundschreiben abzuhelfen.

7

Die weiteren Rügen der Antragstellerin werden von den Auftraggebern voll umfänglich zurückgewiesen. Insbesondere der Vorwurf der "erzwungenen Beschaffung" in Bezug auf die von den Auftraggebern bereitgestellten Fahrzeuge und deren technische Ausstattung sei nicht nachvollziehbar. Die Auftraggeber hätten die zur Leistungserbringung einzusetzenden Fahrzeuge bereits zuvor durch Ausschreibung beschafft. Die ausgeschriebene Leistung bestehe darin, mit Hilfe der auftraggeberseitig bereits vorhandenen Fahrzeuge Verkehrsleistungen durchzuführen. Die Vorgabe der Benutzung dieser Fahrzeuge sei deshalb ohne weiteres gerechtfertigt und auch zwingend geboten. Bei den seitens des Auftragnehmers für die Fahrzeugnutzung zu leistenden Mietzahlungen handele es sich letztendlich nur um durchlaufende Posten und diese würden auch durch entsprechende Zuschusszahlung komplett kompensiert. Die konkrete Risikoverteilung im Überlassungs- und Nutzungsverhältnis berühre den Charakter der Beistellung nicht. Dies ergebe sich schon aus § 4 Nr. 3 VOL/B. Unabhängig davon liege ersichtlich kein Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A vor. Diese Bestimmung solle im Verhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verhindern, dass durch eine einengende Vorgabe von Erzeugnissen etc. bei der Leistungsbeschreibung die Chancengleichheit der Bieter beeinträchtigt werde. Vor diesem Hintergrund sei diese Regelung vorliegend schon dem Grunde nach nicht einschlägig. Es werde hier seitens der Auftraggeber nicht vorgegeben, dass die Bieter im Rahmen ihrer Leistungen bestimmte Erzeugnisse von dritter Stelle zu beschaffen hätten. Vielmehr seien die Fahrzeuge bereits durch die Auftraggeber beschafft worden und würden den Bietern bereitgestellt. Auch würde durch die Beistellung der Wettbewerb zwischen den Bietern nicht beeinträchtigt oder würden gar bestimmte Bieter diskriminiert, weil sie zur Leistungserbringung erforderliche Erzeugnisse nicht ebenso beschaffen könnten wie andere. Die Beistellung gelte gegenüber allen Bietern gleichermaßen.

8

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.05.2004 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Nachprüfung gem. § 107 Abs. 2 GWB gestellt. Sie begründet ihren Antrag im Wesentlichen unter Zugrundelegung ihrer Argumentation in den Rügen gegenüber den Auftraggebern. Insbesondere ergänzt und vertieft sie ihren Vortrag in Bezug auf die aus ihrer Sicht unzulässige Forderung nach Abgabe einer Tariftreueerklärung und die ihrer Auffassung nach nicht den vergaberechtlichen Bestimmungen entsprechende "erzwungene entgeltliche Beschaffung" der Fahrzeuge durch den Auftragnehmer, bei dem dieser auch das gesamte Substanzerhaltungs- und Funktionsrisiko tragen müsse. Gegen eine echte "Beistellung" der Fahrzeuge würden insbesondere auch die Haftungs- und Gewährleistungsstrukturen des Fahrzeugmietvertrages sprechen. Im Ergebnis ergebe sich aus ihrer Sicht ein jeweils isolierter Aufhebungsanspruch der Ausschreibung wegen der erzwungenen Fahrzeugbeschaffung, infolge der zwingenden Durchführung von Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten bei xxx sowie in der Werkstatt der xxx in xxx und infolge der Anforderung der Tariftreueerklärung. Soweit dies entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht der Fall sein sollte, so ergebe sich ein solcher Anspruch zumindest aus der gebotenen Gesamtbetrachtung aller Vergaberechtsverstöße.

9

Mit Schriftsatz vom 14.06.2004 hat die Antragstellerin ihren Vortrag weiter ausgeführt und ergänzt.

10

Die Antragstellerin beantragt:

  1. 1.

    die Vergabestelle anzuweisen, die Ausschreibung über SPNV-Leistungen auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen aufzuheben;

  2. 2.

    hilfsweise, der Vergabestelle zu untersagen,

    1. a)

      den Bietern in den Verdingungsunterlagen vorzuschreiben, die SPNV-Leistung durch bestimmte Fahrzeuge der xxx zu erbringen, die nach Maßgabe des den Verdingungsunterlagen als Anlage D. 1 beigefügten Fahrzeugmietvertrages von der xxx anzumieten sind;

    2. b)

      den Bietern in den Verdingungsunterlagen vorzuschreiben, die anzumietenden Fahrzeuge nach Maßgabe des den Verdingungsunterlagen als Anlage D. 1 beigefügten Fahrzeugmietvertrages von der Firma xxx warten und in Stand halten zu lassen;

    3. c)

      den Bietern in den Verdingungsunterlagen vorzuschreiben, die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten, die Gegenstand des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages zwischen der xxx und xxx xxx sind, in der Werkstatt der xxx am Standort xxx durchführen zu lassen;

    4. d)

      von den Bietern mit dem Angebot die Beibringung einer Tariftreueerklärung zu verlangen;

    5. e)

      weiter hilfsweise zu d):

      von den Bietern mit dem Angebot die Beibringung einer Tariftreueerklärung nach dem Formblatt B. 2.1 zu verlangen, mit der sich die Bieter verpflichten, im Fall der Auftragserteilung ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei der Ausführung der Leistungen mindestens das tarifvertraglich vorgesehene Entgelt nach den Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 vom 28.11.2002 und 26.02.2003 zu zahlen;

  3. 3.

    die Vergabestelle anzuweisen, die Angebotsfrist für die Ausschreibung über SPNV-Leistungen auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen bis zum Abschluss des Nachprüfungsverfahrens zu verlängern;

  4. 4.

    die Vergabeakten beizuziehen und der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;

  5. 5.

    die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gem. § 128 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.

11

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.05.2004 beantragen die Auftraggeber:

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 24.05.2004 einschließlich der dort gestellten Einzelanträge zurückzuweisen;

  2. 2.

    der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;

  3. 3.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Auftraggeber notwendig war und dass die Antragstellerin den Auftraggebern die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten hat.

12

Mit Schriftsatz vom 10.06.2004 begründen die Auftraggeber ihre Anträge. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin sei aus verschiedenen Gründen bereits unzulässig. So fehle der Antragstellerin hinsichtlich weiter Teile der geltend gemachten Vergabeverstöße bereits die notwendige Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB. So sei bereits die Argumentation der Antragstellerin, sie werde durch die Beistellung der Fahrzeuge daran gehindert, eigene Fahrzeuge einzusetzen, vorgeschoben und unzutreffend. Die Antragstellerin verfüge auch über keine Neufahrzeuge, die sie auf der ausgeschriebenen Linie einsetzen könne, denn der Verkehrsvertrag zwischen dem Land xxx und der Antragstellerin vom 27.01.2003, der sämtliche SPNV-Aufträge der Antragstellerin im Zuständigkeitsbereich des Landes xxx umfasst, lasse es nicht zu, neuwertige Fahrzeuge von den anderen Linien in xxx abzuziehen. Auch sei das im Verkehrsvertrag vorgesehene Investitionskontingent der Antragstellerin in Bezug auf die Anschaffung neuer Fahrzeuge vertraglich für andere Strecken vorgesehen. Die Antragstellerin selbst habe auch immer wieder betont, keine Neufahrzeuge für Linien beschaffen zu wollen, für die sie nicht mindestens für 10 Jahre eine Betriebsgarantie durch den Aufgabenträger erhalte. Weiterhin habe die Antragstellerin zumindest hinsichtlich eines erheblichen Teils der von ihr erhobenen Beanstandungen ihre Obliegenheit aus § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB, die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften unverzüglich zu rügen, nicht erfüllt. Die erste Rüge habe die Antragstellerin am 26.03.2004, also 8 Tage nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen, ausgesprochen. Der für eine unverzügliche Rüge anzunehmende Regelzeitraum von 1 - 3 Tagen sei damit deutlich überschritten. Die Rechtzeitigkeit der Rüge müsse daher bestritten werden. Dies gelte insbesondere auch für die weiteren Rügeschreiben der Antragstellerin vom 31.03.2004 und vom 12.05.2004. Die dort erhobenen Rügen bezögen sich auf die Verdingungsunterlagen, die der Antragstellerin bereits am 18.03.2004 vorgelegen hätten. Auch die Rüge der Antragstellerin vom 18.05.2004 sei nicht unverzüglich ausgesprochen worden. Diese Rügen bezögen sich auf Inhalte der Verträge der xxx mit dem Fahrzeughersteller xxx. Diese Vertragsinhalte seien den Bietern auf Betreiben der Antragstellerin bereits mit Bieterrundschreiben Nr. 1 vom 23.04.2004 offen gelegt worden. Vor diesem Hintergrund sei auch die Fristsetzung von nur einem Tag für die Abhilfe der behaupteten Vergabeverstöße in dem Rügeschreiben vom 18.05.2004 völlig unangemessen. Angesichts des Umfanges der Rügen hätte es einer eingehenden, auch rechtlichen Prüfung bedurft, für die ein Zeitraum von mindestens einer Woche angemessen gewesen wäre. Auch habe sich das Vergabeverfahren erst in der Phase der Angebotsvorbereitung befunden, sodass der Antragstellerin durch ein weiteres Zuwarten ein Nachteil nicht entstehen konnte. Soweit aus vorgenannten Gründen nicht bereits der gesamte Nachprüfungsantrag als unzulässig angesehen werden sollte, sei jedenfalls eine Vielzahl von Einzelbehauptungen unzulässig, in jedem Fall allerdings unbegründet.

13

Kern der Beanstandungen der Antragstellerin sei die Behauptung, dass die mit den Verdingungsunterlagen vorgegebene Benutzung der seitens der Auftraggeber vorhandenen und beigestellten Fahrzeuge gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoße, nämlich gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3, gegen § 8 Nr. 3 Abs. 5 und gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A. Dabei bezögen sich die Einzelerörterungen der Antragstellerin aber jeweils nur auf einzelne Modalitäten der Beistellung. Den gesamten materiellen Ausführungen der Antragstellerin sei hingegen nicht zu entnehmen, weshalb - unabhängig von der Art und Weise der Ausgestaltung - die Beistellung der Fahrzeuge als solche vergaberechtswidrig sein solle. Weder hätte das Rügeschreiben vom 26.03.2004 einen objektiven Erklärungswert in diese Richtung, noch hätten die Auftraggeber es so verstehen können. Mit der Beanstandung der Vorgabe der zwingenden Benutzung der Fahrzeuge des Auftraggebers für die Erbringung der Beförderungsleistungen sei die Antragstellerin folglich nunmehr mangels überhaupt ausgesprochener Rüge ausgeschlossen. Dass die Beistellung von Leistungen bzw. Gegenständen durch die Auftraggeber, hier die Bereitstellung der Fahrzeuge, grundsätzlich zulässig sei, wisse auch die Antragstellerin. Die Beistellung eigener Fahrzeuge durch die Auftraggeber bzw. die xxx sei im Übrigen seit einigen Jahren Praxis. In xxx würden bereits einige Unternehmen mit den Fahrzeugen der xxx den Betrieb durchführen. Die Beistellung bzw. Benutzung eigener Fahrzeuge der Auftraggeber durch das Eisenbahnverkehrsunternehmen habe sich folglich bewährt. Zudem hätten die Bieter keinen Anspruch auf Zuschnitt der Ausschreibung als Beförderungsdienstleistung unter Inanspruchnahme eigener Fahrzeuge.

14

Insgesamt gehe der Vorwurf der Antragstellerin hinsichtlich der "erzwungenen Beschaffung" der Fahrzeuge durch die Auftraggeber damit fehl. Ein Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A liege nicht vor. Soweit die Antragstellerin in diesem Zusammenhang meine, die von ihr angenommene Voraussetzung der Unentgeltlichkeit der Bereitstellung sei nicht erfüllt, weil es sich bei dem zu zahlenden Mietzins um keinen "durchlaufenden Posten" handeln würde, verkenne sie, dass die Regelungen des Verkehrsvertrages derart gestaltet seien, dass sich Mietzinsänderungen durch entsprechende Zuzahlungen der Auftraggeber "eins zu eins" kompensieren würden. Die Antragstellerin meine ferner, dass die Substanzerhaltungs- und Funktionsrisiken von den Auftraggebern getragen werden müssten. Tatsächlich sei dies nicht erforderlich. § 4 Nr. 3 VOL/B regele, dass der Auftraggeber für die Qualität seiner Zulieferungen und der von ihm vereinbarten Leistungen anderer haftet; dies aber nur im Grundsatz und ausdrücklich "soweit nichts anderes vereinbart sei". Diese ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit einer abweichenden Vereinbarung zeige, dass hierin gerade kein Wesensmerkmal einer Beistellung liege. Es sei auch nicht Zweck der Beistellung, den Auftragnehmer auch im Hinblick auf die Substanzerhaltungs- und Instandhaltungspflichten und -risiken besser zu stellen, als er stünde, wenn er Fahrleistungen mit seinen eigenen Neufahrzeugen zu erbringen hätte.

15

Bei der Vorgabe, die bereits beschafften Fahrzeuge der Auftraggeber zu benutzen, handele es sich auch nicht um die unzulässige Vorgabe eines bestimmten Erzeugnisses und damit um einen Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A. Diese Vorschrift beträfe nämlich nur die Leistung, die ausgeschrieben sei. Die Herstellung und Lieferung der Fahrzeuge sei aber gerade nicht ausgeschrieben. Die Ausschreibung der Lieferleistung habe bereits stattgefunden. Dabei sei § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A seinerzeit selbstverständlich beachtet worden. Gleiches träfe sinngemäß auch auf die aus Sicht der Antragstellerin unzulässige Beschaffungspflicht hinsichtlich der Wartungs- und Instandhaltungsleistungen und des Benutzungszwanges der Werkstatt der xxx in xxx zu.

16

Die Antragstellerin meine weiter, in der genauen Beschreibung der Fahrzeuge der Auftraggeber einen Verstoß gegen das Gebot der produktneutralen Leistungsausschreibung nach § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A zu erkennen. Es fehle der stets geforderte Zusatz "oder gleichwertig". Diese Argumentation der Antragstellerin basiere erneut auf dem Fehlverständnis, das die Fahrzeuge, mit denen die Leistung zu erbringen seien, von dem Auftragnehmer noch beschafft werden müssten und damit Teil der ausgeschriebenen Leistungen wären. Dies träfe nicht zu. § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A sei bereits aus diesem Grunde nach nicht anwendbar.

17

Hinsichtlich der umfangreichen, mit anwaltlichem Schreiben vom 18.05.2004 eingelegten Rüge der Antragstellerin, aus den Regelungen der §§ 6 und 9 des Fahrzeugmietvertrages zur Instandhaltung und Gewährleistung erwachse ihr ein ungewöhnliches Risiko für Umstände und Ereignisse, die sie nicht beeinflussen oder abschätzen könne, sei grundsätzlich festzustellen, dass diese Rüge bereits unzulässig sei. Diese Rügen habe die Antragstellerin erst mit Schreiben vom 18.05.2004 erhoben, mithin erst fast vier Wochen nach Offenlegung der Vereinbarungen mit dem Fahrzeughersteller und sogar erst volle zwei Monate nach Erhalt der Ausschreibungsunterlagen. Diese Rügen seien also keinesfalls unverzüglich erhoben worden. Darüber hinaus seien diese Rügen im Einzelnen auch unbegründet. Insgesamt würden dem Auftragnehmer keine Risikenübertragen, die er nicht auch sonst bei einer branchenüblichen SPNV-Ausschreibung zu tragen und zu kalkulieren hätte. Die branchengewöhnlichen Wagnisse würden nicht durch mietvertragliche Konstruktionen zu ungewöhnlichen Wagniszuweisungen. Für die Frage nach der Ungewöhnlichkeit eines Risikos komme es einzelfallbezogen auf die Branchenüblichkeit an, nicht auf die vertragliche Konstruktion als solche. Die branchenüblichen Risiken würden bei der vorliegenden Konstruktion im Gegenteil vermindert. Ein Verstoß gegen§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A liege somit nicht vor. Fehl gehe in diesem Zusammenhang auch, dass die Bieter nicht in der Lage wären, die technische und finanzielle Leistungsfähigkeit des Fahrzeugherstellers einzuschätzen. Den Bietern sei bekannt, dass es sich bei dem Hersteller der Fahrzeuge um einen von insgesamt nur drei europaweit in Betracht kommenden Fahrzeugherstellern handeln würde. Auch die Antragstellerin nehme die Leistungen dieses Unternehmens regelmäßig in Anspruch. Sie vermöge deshalb die hohe technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit dieses Unternehmens ohne weiteres einzuschätzen.

18

Abschließend sei festzustellen, dass auch kein Verstoß gegen § 97 Abs. 4, 2. Halbsatz GWB wegen Unwirksamkeit von § 3 des Landesvergabegesetzes vorliegen würde. Die Tariftreueverpflichtung, die die Auftraggeber hier den Bietern auferlegen müssen, fände ihre Grundlage in § 3 Landesvergabegesetz. Danach sei es einem öffentlichen Auftraggeber im Bereich des SPNV nicht nur gestattet, sondern er sei vielmehr gesetzlich verpflichtet, entsprechende Tariftreueerklärungen zu verlangen. An diese gesetzliche Verpflichtung seien Behörden und auch instanzliche Gerichte uneingeschränkt gebunden, ungeachtet der Frage, ob sie diese für verfassungswidrig halten würden oder nicht. Eine gültige landesgesetzliche Regelung sei uneingeschränkt anzuwenden, bis sie aufgehoben oder durch das Bundesverfassungsgericht gem. Art. 93 Abs. 1 Nr. 5 i.V.m. Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz für nichtig erklärt werden würde. Die Auferlegung der Vorlage einer Tariftreueverpflichtung verstoße insgesamt nicht gegen das Verfassungs- oder Gemeinschaftsrecht. Im Übrigen könne die Antragstellerin hierdurch auch gar nicht negativ betroffen sein. Auch und gerade die Antragstellerin sei ohnehin tarifgebunden. Die Antragstellerin werde durch die Anforderung einer Tariftreueverpflichtung sogar weitgehend davor geschützt, dass andere Bieter, die nicht tarifgebunden sind, hieraus einen Wettbewerbsvorteil ziehen. Ihr Vortrag hinsichtlich des ihr angeblich drohenden Schadens sei deshalb auch unsubstantiiert. Der konkret von den Auftraggebern ausgewählte und den Bietern vorgegebene Tarifvertrag sei repräsentativ i. S. des § 3 Landesvergabegesetz.

19

Mit Schriftsatz vom 18.06.2004 haben die Auftraggeber ihren Vortrag weiter ausgeführt und ergänzt.

20

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 15.06.2004 verwiesen.

21

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die Antragstellerin ist weder durch die streitbefangene Beistellung der für die ausgeschriebenen Nahverkehrsbetriebsleistungen benötigten acht Doppelstockzüge, die die Auftraggeberin zu 1 durch ihre xxx mbH (xxx) bereits im Dezember 2002 nach Durchführung eines europaweiten Vergabeverfahrens verbindlich bestellt hat, noch durch die Verbindlichkeit des gleichzeitig von der xxx mit dem Hersteller der Fahrzeuge abgeschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrags an sich in ihren Rechten gem. §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB verletzt. Es bleibt den Auftraggebern als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs gem. § 4 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung desöffentlichen Personennahverkehrs (NNVG) vom 28.06.1995 (Nds. GVBl. S. 180) vergaberechtlich unbenommen zu entscheiden, ob sie die Ziele des NNVG, zu denen vorrangig die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr als Aufgabe der Daseinsvorsorge gem. § 2 Abs. 2 NNVG gehört, durch das Vorhalten einer eigenen Logistik, des benötigten Materials und Personals verfolgt und erreicht oder ob sie sich zur Erfüllung dieser Aufgaben im Wege einer öffentlichen Auftragsvergabe eines Dritten bedienen. Entscheiden sie sich für eine Aufgabenerledigung im Wege der Drittvergabe, steht es ihnen wiederum vergaberechtlich frei zu entscheiden, ob sie die erforderliche Fahrzeugbeschaffung und die Erbringung von Betriebsleistungen getrennt ausschreiben oder die Fahrzeugbeschaffung dem im Vergabeverfahren ermittelten und bezuschlagten Unternehmer der Betriebsleistungenüberlässt. Weder die Feststellung noch die Entscheidung zur Deckung eines Beschaffungsbedarfs werden durch das Vergaberecht berührt. Das Vergaberecht regelt lediglich das "Wie" der Beschaffung. Es ist auch nicht zu beanstanden, dass der künftige Auftragnehmer diese Fahrzeuge nicht kostenfrei beigestellt bekommt, sondern diese bei der xxx, die in hundertprozentiger Trägerschaft des Auftraggebers zu 1 steht, anmieten muss. In ihren Rechten verletzt wird die Antragstellerin vielmehr durch die konkrete Ausgestaltung des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Fahrzeugmietvertrages, die dazu führt, dass dem künftigen Auftragnehmer einerseits zwar alle Haftungsrisiken unter Ausschluss der üblichen Pflichten des Vermieters übertragen werden, als hätte der Auftragnehmer diese Fahrzeuge selbst beschafft, ohne aber auf der anderen Seite ein Risiko begrenzendesÄquivalent für diese uneingeschränkte, eigentümerähnliche Haftungsobliegenheit zu erhalten. Die vertragliche Abtretung der Gewährleistungsansprüche des Vermieters an den Auftragnehmer für die Dauer des Mietvertrages genügt diesen Anforderungen deshalb nicht, weil dem Auftragnehmer nach dem streitbefangenen Vertragsentwurf der Werkvertrag und der Wartungs- und Instandhaltungsvertrag nur eingeschränkt offen gelegt werden soll, sodass der Bieter und potenzielle Auftragnehmer bei der Kalkulation seines Angebotes gar nicht absehen kann, in welchen Grenzen sich die abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller halten und wie und auf welchem technischen Niveau die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden. Er bleibt im Ungewissen darüber, ob er alle vertraglichen Grundlagen kennt, um im laufenden Vertragsverhältnis bei Bedarf im Mangel- oder Schadensfall Gewährleistungsansprüche unmittelbar gegenüber dem Hersteller effektiv durchsetzen zu können. Soll der Aufnehmer für die vom Auftraggeber mietweise beigestellten Fahrzeuge wie ein Eigentümer haften, muss er hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche gegen den Hersteller so gestellt werden, als sei er selbst Vertragspartner des Herstellers. Ist dies nicht der Fall, wird ihm ein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet. Es obliegt dem Bieter entgegen der Auffassung der Auftraggeber nicht, ggf. mehrfach Bestandteile und Anlagen des Herstellungs- und Liefervertrages und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages im Zuge des Vergabeverfahrens von den Auftraggebern nachzufordern, deren Gesamtinhalt der Bieter gar nicht kennt. Vielmehr obliegt es den Auftraggebern gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1, die Leistung auch bezüglich der abgetretenen Gewährleistungsansprüche eindeutig und erschöpfend zu beschreiben. Soweit sich die Antragstellerin hingegen gegen die Pflicht zur Abgabe einer Tariftreueerklärung wendet, hat der Nachprüfungsantrag keinen Erfolg. Weder die Abforderung der Tariftreueerklärung an sich noch der konkret von den Auftraggebern ausgewählte und als Maßstab für das im Fall der Auftragserteilung zu zahlende Entgelt ausgewählte Tarifvertrag sind vergaberechtlich zu beanstanden. Die Auftraggeber haben sich an die Vorgaben des für sie verbindlichen Niedersächsischen Landesvergabegesetzes (LVergabeG) gehalten.

22

1.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig. Bei den Auftraggebern handelt es sich um Gebietskörperschaften und somit um öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Schwellenwerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag gem. §§ 1, 1 a Nr. 2 Abs. 2 VOL/A der Kategorie 18 (Eisenbahnen) des Anhangs I B VOL/A. Ausgeschrieben ist die Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen mit einem Umfang von 2,752 Mio. Zugkilometer pro Jahr über 8 Jahre zuzüglich einer Verlängerungsoption um weitere zwei Jahre. Der Wert des streitbefangenen Auftrags, für den im aktuellen Stadium des streitbefangenen Vergabeverfahrens noch keine Angebote vorliegen, wird von den Beteiligten unstrittig auf ca. 100 Mio. Euro geschätzt. Der Wert des Auftragsübersteigt damit deutlich den für Dienstleistungsaufträge im Verkehrsbereich maßgeblichen Schwellenwert von 400.000,-- EUR gem. § 2 Nr. 1 VgV.

23

Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt gem. § 107 Abs. 2 GWB. Antragsbefugt ist danach jedes Unternehmen, das ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 7 GWB durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht. § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB ist dahingehend auszulegen, dass nur ein Interesse am Erhalt eines Auftrags eine Antragsbefugnis zu begründen vermag. Dies ist unproblematisch gegeben bei einem Unternehmen, das sich mit einem Angebot am Vergabeverfahren beteiligt. Die Antragstellerin hat bislang von einer Angebotsabgabe abgesehen. Gleichwohl ist ihr das Interesse am Erhalt des Auftrags im Sinne des § 107 Abs. 2 Satz 1 GWB nicht abzusprechen. Ein entsprechendes Interesse hat auch derjenige, der auf Grund einer seiner Auffassung nach fehlerhaften Ausschreibung von einer Teilnahme bislang abgesehen hat. Insofern können auch potenzielle Bewerber oder Teilnehmer antragsbefugt sein (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rn. 39, m.w.N.). Gerade dies macht die Antragstellerin geltend. Sie sieht sich durch die Modalitäten des streitbefangenen Vergabeverfahrens bislang an einer Angebotsabgabe gehindert. Sie macht auch eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend, indem sie die Auffassung vertritt, dass sie als potenzielle Bieterin unter Verstoß gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 und Abs. 5 VOL/A gezwungen werden solle, die für die ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen benötigten Fahrzeuge bei einem "Dritten" zu beschaffen. Ferner macht sie geltend, dass ihr darüber hinaus durch die konkrete Ausgestaltung des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Mietvertrages bezüglich des Fahrzeugkontingents in mehrfacher Hinsicht unter Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A ein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet wird für Umstände und Ereignisse, auf die sie keinen Einfluss habe und deren Einwirkungen auf die Preise und Fristen sie nicht im Voraus schätzen könne. Sie verweist dabei insbesondere auf das ihrer Auffassung nach vorliegende Missverhältnis zwischen Risiko- und Haftungsverteilung einerseits und der begrenzten Offenlegung der von der xxx mit dem Fahrzeugherstellung xxx geschlossenen Verträge über die Herstellung, Lieferung, Wartung und Instandhaltung des von den Auftraggebern zwingend vorgegebenen Fahrzeugkontingents. Schließlich wendet sich die Antragstellerin auch gegen die Einforderung einer Tariftreueerklärung auf der Grundlage des § 3 LVergabeG. Diese Forderung der Auftraggeber verstoße insbesondere gegen verfassungsrechtliche Normen. Voraussetzung für die Antragsbefugnis gem. § 107 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass die Antragstellerin diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Boesen, VergabeR, § 107, Rn. 52). Die Antragstellerin hat ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis dargelegt. Die diesbezüglichen Anforderungen oder die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 24.11.1999, Az.: 13 Verg 7/99). Unter Zugrundelegung dieses zutreffenden Maßstabs ist der Antragstellerin entgegen der Auffassung der Auftraggeber die Antragsbefugnis auch nicht für den zu 2 e ihrer Anträge gestellten Hilfsweiseantrag abzusprechen, der Vergabestelle zu untersagen, von den Bietern mit dem Angebot die Beibringung einer Tariftreueerklärung nach dem Formblatt B. 2.1 zu verlangen, mit der sich die Bieter verpflichten, im Fall der Auftragserteilung ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen bei der Ausführung der Leistungen mindestens das tarifvertraglich vorgesehene Entgelt nach den Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 vom 28.11.2002 und 26.02.2003 zu zahlen. Die Auftraggeber vertreten die Auffassung, dass es der Antragstellerin diesbezüglich nicht möglich ist darzulegen, dass ihr durch die Akzeptanz dieses Tarifvertrages ein Schaden zu entstehen droht, weil der von der Antragstellerin selbst geschlossene Tarifvertrag, der auch für die zurzeit noch von ihr bediente verfahrensgegenständliche Linie Uelzen - Hannover - Göttingen gilt, sie zu höheren Entgeltleistungen verpflichtet als die von der Auftraggeberin gewählten und vorgegebenen Tarifvereinbarungen des Konkurrenten xxx (vormals xxx) GmbH. Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung diese für sie zurzeit ungünstigere tarifvertragliche Situation eingeräumt. Sie hat aber den möglichen Eintritt eines Schadens in nicht zu beanstandender Weise unter anderem damit erläutert, dass z.B. der Konkurrent xxx eben durch die beanstandete Auswahl und Vorgabe des Tarifvertrages zumindest derzeit auf Grund des Tarifgefälles einen Kalkulationsvorteil zu Lasten der Antragstellerin habe, die derzeit noch an den eigenen, höheren Tarif gebunden sei. Ungeachtet dessen sieht sich die Antragstellerin durch die Einforderung der Tariftreueerklärung aber auch daran gehindert, bei ihrer Angebotskalkulation die Vorteile zu nutzen, die ihr ein möglicher Abschluss eines neuen, niedrigeren und für sie wirtschaftlich günstigeren Tarifvertrages nach Auslaufen der derzeitigen und auch noch zu Beginn des streitbefangenen Auftrages bestehenden tariflichen Bindung ermöglichen könnte. Damit hat die Antragstellerin auch diesbezüglich ein für die Antragsbefugnis nach § 107 Abs. 2 GWB erforderliches Rechtsschutzinteresse dargelegt.

24

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer die behaupteten Verstöße gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber den Auftraggebern unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Die Antragstellerin hat mit insgesamt vier Schreiben - vom 26.03.2004, 31.03.2004, 12.05.2004 und 18.05.2004 - die im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstöße gegenüber den Auftraggebern gerügt. Die Auftraggeber vertreten die Auffassung, dass bereits das erste, grundlegende Rügeschreiben der Antragstellerin vom 26.03.2004 nicht mehr unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme der vermeintlichen Vergaberechtsverstöße erfolgte, da der Antragstellerin bereits mit Schreiben vom 17.03.2004, eingegangen bei der Antragstellerin am 18.03.2004, von den Auftraggebern die nunmehr beanstandeten Verdingungsunterlagen übersandt worden waren. Entgegen der Auffassung der Auftraggeber ist die acht Tage später ausgesprochene, grundlegende und umfassende Rüge vom 26.03.2004 noch als unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 2 GWB zu werten. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Werden etwa beim Durcharbeiten des Leistungsverzeichnisses Ungenauigkeiten festgestellt, liegt bereits positive Kenntnis vor (Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 681). Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Im vorliegenden Fall betreffen die Rügen und der Nachprüfungsantrag in allen Punkten Festlegungen und Bestandteile des Leistungsverzeichnisses. Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Grundsätzlich teilt die Vergabekammer die Auffassung des OLG Koblenz, dass die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 - 3 Tagen nach positiver Kenntniserlangung erfolgen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rn. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]) kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Auftraggeber, dass zumindest die mit der ersten Rüge vom 26.03.2004 beanstandeten Sachverhalte eine Ausschöpfung der von der Rechtsprechung maximal zugestandenen Rügefrist im vorliegenden Fall nicht rechtfertigen. Dies steht im vorliegenden Fall jedoch auch außer Frage, da die Antragstellerin innerhalb von acht Tagen nach Eingang der Verdingungsunterlagen in einem neunseitigen Schreiben insgesamt zehn Anforderungen und Bedingungen der Verdingungsunterlagen rügte, die insbesondere die aus Sicht der Antragstellerin erzwungene Beschaffung von Fahrzeugen und Wartungs- und Instandsetzungsleistungen sowie die Einforderung einer Tariftreueerklärung betrafen. Auch wenn unterstellt werden kann, dass die Antragstellerin als erfahrenes Unternehmen des schienengebundenen ÖPNV die gerügten und im Nachprüfungsverfahren verfolgten Beanstandungen bei Prüfung der Verdingungsunterlagen relativ schnell herausgearbeitet und damit positiv erkannt hat, ist ihr angesichts der Komplexität der Ausschreibung zuzugestehen, dass sie vor Absetzung der Rüge das beanstandete Vergabeverhalten auch in rechtlicher Hinsicht geprüft und bewertet hat, bevor sie sich zur Beanstandung entschied (vgl. Byok, Die Entwicklung des Vergaberechts seit 2002, NJW 2004, S. 198 ff., 204). Da die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB das positive Wissen um die Tatsachen, aus denen sich der geltend gemachte Vergabefehler ergibt,und mindestens die laienhafte Wertung als Vergabeverstoß voraussetzt, war eine angemessene rechtliche Prüfung zumindest hinsichtlich des beanstandeten Mietvertragsentwurfs erforderlich. Von einer für die Antragstellerin eindeutigen Rechtslage, die die Antragstellerin zu einer Rüge innerhalb von 1 - 3 oder auch nur 5 Tagen nach Erhalt der Verdingungsunterlagen verpflichtet hätte, kann daher im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Celle, Beschluss v. 18.12.2003, Az.: 13 Verg 22/03).

25

Die in der Folge von der Antragstellerin am 31.03.2004, 12.05.2004 und schließlich mit Anwaltsschriftsatz vom 18.05.2004 abgesetzten weiteren Rügeschreiben konkretisieren die zehn Beanstandungen des ersten Rügeschreibens vom 26.03.2004 oder bauen zumindest darauf auf. Völlig neue Beanstandungen, die möglicherweise präkludiert wären, enthalten diese Schreiben entgegen der Auffassung der Auftraggeber nicht. Dies gilt insbesondere auch für die erstmals mit Schreiben der Antragstellerin vom 12.05.2004 ausgesprochene Rüge bezüglich der konkreten, von der Auftraggeberin im Rahmen des § 3 LVergabeG als repräsentativ ausgewählten und den Bietern mit Abschnitt 11. II. lit. d der Angebotsaufforderung und dem Formblatt B. 2.1 vorgegebenen Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 vom 28.11.2002 und 26.02.2003. Die Antragstellerin hat bereits in diesem Rügeschreiben vom 12.05.2004 die Auftraggeber darauf hingewiesen, dass sie "im Zuge der Angebotsvorbereitung bei genauerer Analyse der Ausschreibungsunterlagen und des mitgelieferten Datenträgers" festgestellt habe, dass diese Tarifvereinbarungen ihrer Auffassung nach gegen § 3 LVergabeG verstoßen, weil diese nicht repräsentativ im Sinne dieser Vorschrift seien. Dabei kann dahinstehen, ob die Antragstellerin tatsächlich, wie sie vorträgt, die sich aus dem konkreten Tarifvertrag für sie ergebenden Beanstandungen erst am 06.05.2004 auf Grund eines Gespräches mit Dritten erkannt und anschließend zur Prüfung gegeben hat oder ob die Antragstellerin, wovon die Auftraggeber ausgehen, bereits zum Zeitpunkt der ersten Rüge vom 26.03.2004 erkannt hatten, dass es sich bei den beanstandeten Tarifvereinbarungen um solche des Konkurrenten xxx handelte, die die Antragstellerin nicht für repräsentativ im Sinne des § 3 LVergabeG hält. Die Antragstellerin hatte bereits mit dem ersten Rügeschreiben vom 26.03.2004 unter Ziffer 10 die Einforderung der Tariftreueerklärung insgesamt und grundsätzlich beanstandet. Sie sei unwirksam, weil sie mit vorrangigem Verfassungs- und Bundesrecht unvereinbar sei und diese Beanstandungen kurz unter Hinweis auf den Vorlagebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2000, KVR 23/98 (WuW/E Verg 297 ff.) begründet. Da die Antragstellerin die Tariftreueregelung des Landesvergabegesetzes schlechthin für verfassungswidrig hält, war sie nicht gehalten, sich im ersten Rügeschreiben auch ausdrücklich mit den konkret vorgegebenen tarifrechtlichen Regelungen auseinander zu setzen. Die Beanstandung der konkret von den Auftraggeber ausgewählten Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 ist vielmehr als Minus in der grundsätzlichen und umfassenden Infragestellung der Abforderung einer Tariftreueerklärung enthalten. Konsequenterweise hat die Antragstellerin diese Beanstandung im Nachprüfungsverfahren auch nur äußerst hilfsweise zur grundsätzlichen Beanstandung der Einforderung der Tariftreueerklärung zum Antragsgegenstand gemacht. Die weitere Konkretisierung von unverzüglich gerügten vermeintlichen Vergaberechtsverletzungen durch weitere Rügeschreiben im Vorfeld eines Nachprüfungsantrages ist im Rahmen des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht zu beanstanden, solange - wie im vorliegenden Fall - keine völlig neuen Sachverhalte und Gesichtspunkte beanstandet werden. Die weiteren Präzisierungen dienen vielmehr dem Zweck der gesetzlichen Rügeverpflichtung, den Auftraggeber auch ohne Nachprüfungsverfahren in die Lage zu versetzen, zu entscheiden, ob die Rügen des Bieters berechtigt sind und ob er ihnen ggf. selbst abhelfen kann und will.

26

Nach alledem ist der Nachprüfungsantrag zulässig.

27

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch nur teilweise und nur in dem aus dem Tenor zu 1 ersichtlichen Rahmen begründet. Die Antragstellerin hat mit ihrem konkreten Antrag zu 1, der auf Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens gerichtet ist, sowie mit ihren hilfsweise gestellten Anträgen zu 2 a - e, die darauf gerichtet sind, den Auftraggebern zu untersagen, den Bietern vorzuschreiben, dass für die ausgeschriebenen SPNV-Dienstleistungen benötigte Fahrzeugkontingent bei der xxx anzumieten, die anzumietenden Fahrzeuge von der Firma xxx warten und in Stand halten zu lassen, die Wartungen in der Werkstatt der xxx am Standort xxx durchführen zu lassen und die eingeforderte Tariftreueerklärung abzugeben, im Ergebnis keinen Erfolg. Die Vergabekammer war vielmehr gehalten, gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB in dem aus Nr. 1 des Tenors ersichtlichen Maße unabhängig von den konkreten Einzelanträgen auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken.

28

a)

Vorwurf der "erzwungenen Beschaffung" im Zusammenhang mit der Beistellung der Fahrzeuge, der Wartung und der Instandsetzung

29

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin verstößt die verfahrensgegenständliche Verpflichtung des künftigen Auftragnehmers, die von der xxx im Jahre 2002 auf der Grundlage einer europaweiten Ausschreibung verbindlich beim Hersteller xxx bestellten Fahrzeuge bei der xxx anzumieten und damit die im streitbefangenen Vergabeverfahren ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen zu erbringen, unter keinem Gesichtspunkt gegen Vergaberecht. Das betriebswirtschaftlich nachvollziehbare Interesse der Antragstellerin, als Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) die ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen mit eigenen, entweder bereits vorhandenen oder selbst zu beschaffenden Fahrzeugen erbringen zu dürfen und so insbesondere die Auslastung des eigenen, bereits vorhandenen Fahrzeugparks nebst vorhandener Wartungs- und Instandhaltungslogistik verbessern zu können, wird vergaberechtlich nicht geschützt. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen und künftigen Bieter im streitbefangenen Vergabeverfahren haben keinen Anspruch auf einen bestimmten Zuschnitt des Beschaffungsgegenstandes. Bei der Ermittlung und Definition des zu deckenden Bedarfs ist der öffentliche Auftraggeber vergaberechtlich weitgehend frei. Das Vergaberecht regelt grundsätzlich nicht das "Ob" oder "Was" einer Beschaffung, sondern lediglich das "Wie". Die Auftraggeber sind gem. § 4 Abs. 1 des Niedersächsischen Gesetzes zur Neuordnung des öffentlichen Personennahverkehrs (NNVG) vom 28.06.1995 (Nds. GVBl. S. 180) Träger des Schienenpersonennahverkehrs. Für den Auftraggeber zu 1, das Land xxx, gilt dies originär gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 NNVG. Die Auftraggeberin zu 2, die xxx xxx, hat für das Regionsgebiet die Trägerschaft für den Schienenpersonennahverkehr gem. § 4 Abs. 2 NNVG durchÜbertragung erhalten. Ziel des NNVG ist gem. § 2 Abs. 2 NNVG insbesondere die Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr als Aufgabe der Daseinsvorsorge. Es bleibt den Auftraggebern als Träger des öffentlichen Personennahverkehrs unbenommen, die Erfüllung dieser gesetzlichen Pflichten über eine kombinierte Ausschreibung der Verkehrsdienstleistungen inklusive der Beschaffung der benötigten Fahrzeuge sicherzustellen, oder aber die benötigten Fahrzeuge - wie im vorliegenden Fall - selbst in einem gesonderten europaweiten Vergabeverfahren zu beschaffen und lediglich die Verkehrsdienstleistungen und damit die Bedienung der Schienenpersonennahverkehrslinien auszuschreiben. Für die zweite Variante haben sich die Auftraggeber im vorliegenden Fall entschieden. Gegenstand des streitbefangenen Verfahrens ist eindeutig ein reiner Dienstleistungsauftrag und kein kombinierter Dienstleistungs- und Beschaffungsauftrag. Unter Abschnitt II Ziff. 1.6 der Vergabebekanntmachung vom 16.03.2004 heißt es unter Beschreibung / Gegenstand des Auftrags:

"Erbringung von Eisenbahnverkehrsleistungen im öffentlichen Schienenpersonennahverkehr auf der Linie Uelzen - Hannover - Göttingen mit einem Umfang von rund 2,752 Mio. Zug-km p.a. Die Vertragslaufzeit beträgt acht Jahre; vorgesehen ist eine Verlängerungsoption für den Auftraggeber um bis zu zwei Jahre. Die zur Leistungserbringung notwendigen Fahrzeuge werden dem Auftragnehmer seitens der xxx mietweise zur Verfügung gestellt."

30

Die Antragstellerin selbst stellt die Zulässigkeit von "Beistellungen" im Rahmen von Dienstleistungsaufträgen an sich auch gar nicht in Frage. Dass Beistellungen grundsätzlich vergaberechtlich zulässig sind, ergibt sich aus § 4 Nr. 3 VOL/B. Danach haftet der Auftraggeber für die Qualität der Zulieferungen des Auftraggebers sowie für die von ihm vereinbarten Leistungen anderer, soweit nichts anderes vereinbart ist. Die Antragstellerin vertritt jedoch die Auffassung, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine Beistellung im Sinne des § 4 Nr. 3 VOL/B, sondern um eine vergaberechtlich unzulässige, gegen § 8 Nr. 3 Abs. 3 und Abs. 5 VOL/A verstoßende "Zwangsbeschaffung" bei einem Dritten handelt. Dies folgt für die Antragstellerin daraus, dass der künftige Auftragnehmer die notwendigen Fahrzeuge auf der Grundlage des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Mietvertrages nicht unmittelbar bei den Auftraggebern, sondern bei der xxx, einer rechtlich selbstständigen GmbH, anmieten muss. Gemäß § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A dürfen bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren sowie bestimmte Ursprungsorte und Bezugsquellen nur dann ausdrücklich vorgeschrieben werden, wenn dies durch die Art der zu vergebenden Leistung gerechtfertigt ist. Sinn und Zweck dieser Bestimmung ist, eine Verengung oder gar Ausgestaltung des Wettbewerbs durch eine einseitige Orientierung der Vergabestelle zu verhindern und den Grundsatz der Chancengleichheit der Bewerber zu wahren. Die Vorschrift will eine Bevorzugung bestimmter Unternehmen, Erzeugnisse oder Verfahren ausschließen (vgl. Zdzieblo in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rn. 66, m.w.N.). Ebenfalls im Interesse eines möglichst offenen Wettbewerbs regelt § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A, dass Bezeichnungen für bestimmte Erzeugnisse oder Verfahren (z.B. Markennamen) zwar ausnahmsweise, jedoch nur mit dem Zusatz "oder gleichwertiger Art" verwendet werden dürfen, wenn eine Beschreibung durch hinreichend genaue, allgemeine Bezeichnungen nicht möglich ist. Diese Vorschrift soll verhindern, dass durch Vorgaben der genannten Art der Wettbewerb beschränkt wird, und sicherstellen, dass alle interessierten und leistungsfähigen Bewerber ihre Leistungen anbieten können.

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Im vorliegenden Fall wird jedoch bereits der Anwendungsbereich dieser Vorschriften nicht berührt. Der künftige Auftragnehmer soll hier gerade nicht verpflichtet werden, bestimmte Fahrzeuge bei einem bestimmten Hersteller - vorliegend xxx - zu beschaffen. Der Mietvertrag bezieht sich vielmehr ausdrücklich auf die vom Land xxx als Auftraggeber zu 1, der für den weitüberwiegenden Teil der ausgeschriebenen Linie (77 %) zuständig ist, bereits auf der Grundlage eines gesonderten EU-weiten Vergabeverfahrens verbindlich bestelllten und zum Zeitpunkt des Leistungsbeginns im Dezember 2005 zur Verfügung zu stellenden Fahrzeuge. Dem steht nicht entgegen, dass die Beschaffung der Fahrzeuge im Gegensatz zum streitbefangenen Dienstleistungsverfahren nicht unmittelbar durch das Land xxx, vertreten durch die xxx, erfolgte, sondern durch die xxx selbst, die nach dem in den Verdingungsunterlagen enthaltenen Fahrzeugmietvertrag auch ausdrücklich selbst als Vermieter auftritt. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht zwischen dem Land xxx und der xxx - ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Selbstständigkeit als GmbH - auf dem Gebiet des hier maßgeblichen Schienenpersonennahverkehrs eine Auftraggeberidentität. Dies folgt nicht allein aus der Tatsache, dass es sich bei der xxx GmbH um eine hundertprozentige Gesellschaft des Landes xxx handelt. Dies folgt in erster Linie vielmehr aus dem fachgesetzlich vorgegebenen Gesellschaftszweck der xxx. Die xxx ist im Land xxx die zentrale Stelle des Landes für den öffentlichen Personennahverkehr gem.§ 8 NNVG. Gemäß § 8 Abs. 1 NNVG kann das Land eine zentrale Stelle für den öffentlichen Personennahverkehr bestimmen und ihr die Wahrnehmung der Aufgaben nach § 2 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 5, § 5 Abs. 2, § 6 Abs. 6 und § 7 mit ihrem Einverständnis übertragen. Zuständig für diese Entscheidung ist gem. § 8 Abs. 2 NNVG die Landesregierung. Dabei darf als zentrale Stelle nur ein Unternehmen bestimmt werden, an dem - neben anderen Voraussetzungen - eine Beherrschung durch das Land mit mindestens 51 v. H. der Anteile und der Stimmrechte gesichert ist. Gemäß § 8 Abs. 4 NNVG unterliegt die xxx als zentrale Stelle für denöffentlichen Personennahverkehr - ungeachtet ihrer gesellschaftsrechtlichen Selbstständigkeit - bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben der Fachaufsicht des für denöffentlichen Personennahverkehr zuständigen Ministeriums, somit dem Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr. Das Land xxx nimmt die ihm als Träger des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 NNVG obliegenden Aufgaben also ausschließlich durch oder über die eigens dafür gegründete xxx GmbH wahr. Angesichts der hundertprozentigen Anteilseignerschaft des Landes an der xxx handelt es sich bei den anzumietenden Fahrzeugen daher ungeachtet der Tatsache, dass sie nach Herstellung und Lieferung zivilrechtlich Eigentum der xxx GmbH werden, um Fahrzeuge des Landes xxx und damit des Auftraggebers zu 1. Vergaberechtlich handelt es sich damit nicht um eine Vorgabe bestimmter Erzeugnisse, Verfahren, Ursprungsorte oder Bezugsquellen gem. § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A oder bestimmter Erzeugnisse oder Verfahren gem. § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A, sondern vielmehr um zulässige Beistellungen der Auftraggeber gem. § 4 Nr. 3 VOL/B.

32

Dieser vergaberechtlichen Bewertung steht nicht entgegen, dass es sich bei diesen Fahrzeugen nicht zugleich um Teileigentum der Auftraggeberin zu 2, also der xxx xxx, handelt. In die räumliche Zuständigkeit der Auftraggeberin zu 2 fällt lediglich ein Anteil von ca. 23 % an der verfahrensgegenständlichen Linie. Die Auftraggeberin zu 2 ist lediglich für die SPNV-Bedienung im Großraum xxx zuständig. Die gemeinsame Ausschreibung war unstreitig geboten, weil es sich um eine einheitliche Linie bzw. Kursbuchstrecke handelt. Eine getrennte Vergabe wäre im Sinne einer einheitlichen und benutzerfreundlichen Bedienung der Linie weder zweckmäßig noch möglich gewesen. Dementsprechend ist die gemeinsame Ausschreibung auch weder von der Antragstellerin noch von anderen als potenzielle Bieter interessierten EVU gerügt worden.

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Der Bewertung der vorgegebenen Anmietung der Fahrzeuge als vergaberechtlich zulässige Beistellung der Auftraggeber steht auch nicht entgegen, dass die Beistellung nicht durch unentgeltliche Zurverfügungstellung, sondern im Wege der Vermietung stattfinden soll. Dies folgt zum einen daraus, dass § 4 Nr. 3 VOL/B keinerlei Regelung zur Frage der Entgeltlichkeit oder Unentgeltlichkeit von Zulieferungen des Auftraggebers sowie für die von ihm vereinbarten Leistungen enthält. Die Frage kann aber letztlich deshalb dahingestellt bleiben, weil es sich aus Sicht der Antragstellerin als EVU, potenzieller Bieterin und potenzieller Auftragnehmerin bei der Miete nach den Verdingungsunterlagen letztlich um einen durchlaufenden Posten handelt, was im Ergebnis wirtschaftlich einer kostenlosen Beistellung gleichkommt. Der Auftraggeber zu 1 hat die Entscheidung für das streitgegenständliche Mietmodell an Stelle einer unentgeltlichen Zurverfügungstellung damit begründet, dass aus haushaltsrechtlichen Gründen ein Einnahmetitel bei der xxx geschaffen werden soll, aus dem die xxx wiederum die Kosten aus dem mit dem Hersteller xxx geschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag begleichen muss.

34

§ 8 Abs. 2 Regionalisierungsgesetz sieht einen Aufwendungsersatz im Wesentlichen nur für investive Maßnahmen im Bereich Fahrweg und Stationsinfrastruktur vor. Eine Subvention der Fahrzeugnutzung sei vielmehr lediglich als Zuschusszahlung zur Sicherstellung einer ausreichenden Verkehrsbedienung gem. § 8 Abs. 1 Regionalisierungsgesetz möglich, was wiederum einer unmittelbar unentgeltlichen Beistellung, nicht aber einer Zurverfügungstellung der Fahrzeuge auf mietvertraglicher Basis entgegenstehe. Dies kann jedoch dahinstehen. Entscheidend ist letztlich, dass der Antragstellerin wie auch den anderen potenziellen Bietern durch die Wahl des Mietmodells gegenüber einer kostenlosen Beistellung kein wirtschaftlicher Schaden entstehen kann. Gemäß § 7 Abs. 1 des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Verkehrsvertrages (Teil C, Anlage A. 0 der Verdingungsunterlagen) haben die Bieter ein Kostenangebot für die Erbringung der Leistungen zu legen, das Grundlage für die Berechnung der Vergütung und damit letztendlich der Zuschüsse, die die Auftraggeber zur Leistungserbringung gewähren, ist. Hinsichtlich der Bestandteile der Kosten verweist § 7 Abs. 1 Verkehrsvertrag auf die Anlage 5. Dabei handelt es sich um das vorgegebene Kalkulationsschema für das Angebot. Der dort unter Nr. 3.1 bereits eingetragene und damit vorgegebene Mietzins ist gem. § 7 Abs. 2 lit. b des Verkehrsvertrages dahingehend variabel, dass die Kosten gemäß Anlage 5 Nr. 3.1 immer dann anzupassen sind, wenn sich der Mietzins ändert. Damit wird der Mietzins entsprechend den vertraglich vereinbarten Zuschusszahlungen stets zu 100 % kompensiert.

35

Auch der Ansatz der Antragstellerin, die Antragstellerin und die übrigen potenziellen Bieter würden durch die Beistellung auf der Grundlage eines Mietvertrages zum Abschluss von Beschaffungsverträgen unter Verstoß gegen eigene Pflichten aus Gemeinschafts- und Bundesrecht gezwungen, ist unzutreffend. Richtig ist, dass die Antragstellerin wie die übrigen potenziellen Bieter selbst Sektorenauftraggeber im Sinne von Artikel 2 Abs. 2 lit. c der Richtlinie 93/98 EWG und damit im Sinne von § 98 Nr. 4 GWB sind. Daraus folgt jedoch nur, dass die Antragstellerin wie auch die übrigen EVU verpflichtet sind,eigene Fahrzeuge selbst im Wege einer europaweiten Ausschreibung auf der Grundlage des 4. Abschnitts der VOL/A zu beschaffen. Dies gilt auch für eine Beschaffung auf Mietvertragsbasis, da auch Mietverhältnisse ausdrücklichöffentliche Lieferaufträge im Sinne des § 99 Abs. 2 GWB sind. Wie bereits oben ausgeführt, handelt es sich bei der xxx als Vermieter aber nicht um einen Hersteller, Lieferanten oder sonstigen "Dritten". Die Vermietung der Fahrzeuge erfolgt vielmehr als zulässige Beistellung des Auftraggebers zu 1. Der ausgeschriebene Dienstleistungsvertrag verlangt gerade nicht von den Bietern, sich die erforderlichen Fahrzeuge selbst bei einem Hersteller oder Lieferanten zu beschaffen. Das EVU als potenzieller Bieter und Auftragnehmer muss vielmehr die Fahrzeuge nutzen, die der Auftraggeber zu 1 über die xxx auf der Grundlage eines abgeschlossenen, vergaberechtsgemäßen, europaweiten gesonderten Vergabeverfahrens verbindlich bestellt und damit beschafft hat. Sektorenauftraggeberpflichten der Antragstellerin oder der übrigen potenziellen Bieter sind damit in keiner Weise berührt.

36

Auch die in § 6 Nr. 2 des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Fahrzeugmietvertrages geregelte Verpflichtung des künftigen Auftragnehmers und Mieters, die Fahrzeuge einer Wartung auf der Grundlage des von der xxx zeitgleich mit der Fahrzeugbestellung geschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrages zuzuführen, beinhaltet keinen Verstoß gegen § 8 Nr. Abs. 3 VOL/A. Gleiches gilt für den vorgegebenen Ort der Wartungsleistung in der Werkstatt der xxx in xxx. In § 6 Abs. 2 des Fahrzeugmietvertrages heißt es:

"Der Vermieter hat mit dem Hersteller der Fahrzeuge einen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag abgeschlossen, der dem Mieter in Teilen (vgl. Anlage E.1 der Verdingungsunterlagen) offen gelegt wurde. Der Vermieter trägt die Wartungs- und Instandhaltungskosten dieses Vertrages. Der Mieter ist Empfänger der Leistung am Übergabepunkt xxx und überprüft diese."

37

Auch hier wird von dem künftigen Auftragnehmer und Mieter offensichtlich nicht verlangt, dass er sich die notwendigen Wartungs- und Instandhaltungsleistungen selbst auf dem Markt bei einem bestimmten Dienstleister im vergaberechtlichen Sinne beschafft. Vielmehr wird dem Auftragnehmer auch hier von den Auftraggebern eine Dienstleistung auf der Grundlage eines vom Auftraggeber zu 1 über die xxx zur Sicherstellung einer ausreichenden Bedienung mit Verkehrsleistungen im öffentlichen Personalverkehr gem. § 2 Abs. 2 NNVG, die den Auftraggebern als Träger des Schienenpersonennahverkehrs obliegt, beigestellt. Der Auftragnehmer des hier streitbefangenen Verkehrsdienstleistungsvertrages tritt nicht in vertragliche Beziehung zum Herstellerunternehmen, dem die Wartung und Instandhaltung obliegt. Er ist nicht an den Kosten der Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen beteiligt, da der Vermieter ausdrücklich alle Wartungs- und Instandhaltungskosten dieses Vertrages trägt. Damit entfällt auch eine eigene Ausschreibungspflicht der Antragstellerin und der übrigen potenziellen Bieter im Rahmen ihrer Eigenschaft als Sektorenauftraggeber gem. § 98 Nr. 4 GWB i.V.m. § 99 Abs. 4 GWB. Der Auftragnehmer und Mieter wird durch den Auftraggeber gerade nicht gezwungen, einen eigenen schriftlichen entgeltlichen Vertrag über die Wartung und Instandhaltung abzuschließen.

38

Da der künftige Auftragnehmer nicht Vertragspartner des zwischen der xxx und dem Hersteller geschlossenen Wartungsvertrages wird, wird § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A auch nicht durch die Vorgabe des Ortes der Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen verletzt. Die Auftraggeber haben mit dem ersten Bieterrundschreiben der federführend mit der Durchführung der streitbefangenen Ausschreibung beauftragten xxx vom 23.04.2004 unter Ziffer 19 die Regelung des § 6 Abs. 2 des Fahrzeugmietvertrages dahingehend bestätigt, dass die Wartungs- und Instandhaltungsdienstleistungen in der Werkstatt der xxx in xxx durchzuführen sind, und noch einmal betont, dass diese Dienstleistungen dem künftigen Auftragnehmer und Mieter der Fahrzeuge in vollem Umfange - inklusive der Werkstattnutzung - ohne Kosten beigestellt werden. Ausdrücklich haben die Auftraggeber im genannten Bieterrundschreiben die Regelungen in Ziffer 5.2 (Präventive und korrektive Fahrzeugwartung und -Instandhaltung) wie folgt geändert:

"Die Kosten für die Nutzung der Werkstatt für die präventive und korrektive Wartung und Instandhaltung werden von der xxx im Rahmen der vorstehend genannten Vereinbarung zwischen der xxx und der xxx getragen."

39

Mangels Einschlägigkeit des § 8 Nr. 3 Abs. 3 VOL/A, des § 8 Nr. 3 Abs. 5 VOL/A und mangels Verletzung eigener Pflichten der Antragstellerin aus §§ 98 Abs. 4, 99 Abs. 2 und § 99 Abs. 4 GWB bedarf es auch nicht der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 14.06.2004 (Seite 5, 6 und 37) beantragten Vorlagen (Vorabentscheidung im beschleunigten Verfahren) an den Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 EU-Vertrag i.V.m. Art. 104 a EuGH Verfahrensordnung.

40

Auch im Übrigen sind die Auftraggeber-Beistellungen hinsichtlich der Fahrzeuge, der Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten sowie der Vorgabe des Ortes der Wartungs- und Instandhaltungsleistungen im Wege einer Vermietung per se nicht zu beanstanden. Da diese Bedingungen für alle potenziellen Bieter und Auftragnehmer gleichermaßen gelten, liegt insbesondere keine Verletzung des vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gem. § 97 Abs. 2 GWB und § 2 Nr. 2 VOL/A vor. Es handelt sich bei der von den Auftraggebern gewählten Verfahrensweise, die Verkehrsdienstleistungen getrennt von der Fahrzeugbeschaffung auszuschreiben, auch gerade nicht um eine wettbewerbsbeschränkende Maßnahme im Sinne des § 2 Abs. 2 VOL/A. Der Wettbewerb wird vielmehr dadurch gestärkt, dass auch kleineren Eisenbahnverkehrsunternehmen die Möglichkeit gegeben wird, sich unbelastet von den für die Beschaffung der Fahrzeuge erforderlichen Investitions- und insbesondere Kreditkosten an der vorliegenden Verkehrsdienstleistungsausschreibung zu beteiligen.

41

b)

Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses gem. § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A

42

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch teilweise begründet, soweit sich die Antragstellerin gegen die Auferlegung eines ungewöhnlichen Wagnisses im Sinne des§ 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A wendet. Diese Verletzung folgt zwar nicht aus der Haftungs- und Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und xxx einerseits und Bieter und künftigem Auftragnehmer auf der Grundlage des streitbefangenen Fahrzeugmietvertrages und des Verkehrsvertrages an sich. In ihren Rechten verletzt wird die Antragstellerin vielmehr durch die Tatsache, dass die konkrete Ausgestaltung des mit den Verdingungsunterlagen vorgegebenen Fahrzeugmietvertrages dazu führt, dass dem künftigen Auftragnehmer einerseits zwar alle Haftungsrisiken unter Ausschluss der üblichen Pflichten des Vermieters übertragen werden und den Mieter so stellen, als hätte er die Fahrzeuge selbst beschafft, ohne aber auf der anderen Seite ein risikobegrenzendes Äquivalent für diese uneingeschränkte, eigentümerähnliche Haftungsobliegenheit zu erhalten. Die in § 9 Abs. 1 des Fahrzeugmietvertrages geregelte Abtretung der Gewährleistungsansprüche an den Mieter, die der xxx gegenüber dem Hersteller zustehen, macht die umfassende vertragliche Haftungsabwälzung auf den Mieter nur dann für den Bieter zu einem kalkulierbaren und damit nicht ungewöhnlichen Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, wenn ihm die den abgetretenen Gewährleistungsansprüchen zu Grunde liegenden Vertragswerke für die Herstellung und Lieferung sowieüber die Wartung und Instandhaltung nebst Anlagen so weit offen gelegt werden, dass der Bieter absehen kann, in welchen Grenzen sich die abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller halten und wie und auf welchem technischen Niveau die Wartungs- und Instandhaltungsarbeiten durchgeführt werden.

43

Gemäß § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A soll dem Auftragnehmer kein ungewöhnliches Wagnis aufgebürdet werden für Umstände und Ereignisse, auf die er keinen Einfluss hat und deren Einwirkung auf die Preise und Fristen er nicht im Voraus schätzen kann. Diese Regelung ist im Zusammenhang mit der Risikoverteilung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zu sehen, die sich aus § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A ergibt (vgl. Zdzieblo in: Daub/Eberstein, VOL/A, 5. Auflage, § 8, Rn. 36 ff., m.w.N.). Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Der Auftraggeber trägt somit die Verantwortung für die Erstellung einer erschöpfenden Leistungsbeschreibung. Da er die benötigte Leistung durch die von ihm vorgegebene Leistungsbeschreibung spezifiziert, legt der Auftraggeber prinzipiell auch die Risiken fest, die der Auftragnehmer später mit der Ausführung seiner Leistungübernimmt. Der Auftragnehmer andererseits trägt die Verantwortung für die von ihm erbrachte Leistung. Er ist grundsätzlich auch verantwortlich für die diejenigen Risiken, die sich aus der Übernahme der vertraglichen Verpflichtung ergeben (Erfüllungsrisiko). Er trägt damit regelmäßig die Gefahr für den zufälligen Untergang oder die zufällige Verschlechterung der Leistung bis zur Abnahme. Der Auftragnehmer soll nach § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A also nur gewöhnliche Wagnisse eingehen müssen. Ein Wagnis in diesem Sinne kommt nur in Betracht, wenn das Risiko auf Umständen und Ereignissen beruht, die außerhalb des Einflussbereichs des Auftragnehmers liegen. Zu derartigen Umständen und Ereignissen können beispielsweise Beistellungen, Leistungen vorgeschriebener Unterauftragnehmer, Ersatzteilbedarf und Wartungsaufwand in der Nutzungsphase sowie andere Leistungsziele zählen (vgl. Zdzieblo, a.a.O., Rn. 39). Zu einem ungewöhnlichem Wagnis wird aber auch in diesen Fällen das dem Auftragnehmer auferlegte Risiko erst dann, wenn es darüber hinaus nach Art der Vertragsgestaltung und nach dem allgemein geplanten Ablauf nicht zu erwarten ist und im Einzelfall wirtschaftlich schwer wiegende Folgen für den Auftragnehmer mit sich bringen kann.Schließlich ist Voraussetzung eines unzulässigen ungewöhnlichen Wagnisses im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A, dass der Auftragnehmer das Wagnis und dessen Einwirkung auf Preise und Fristen nicht im Voraus schätzen kann, sodass das Wagnis hinsichtlich seines Eintritts für den Auftragnehmer ungewiss ist und er keine Möglichkeit hat, es abzuwenden.

44

Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die von den Auftraggebern im Fahrzeugmietvertrag festgelegte Risikoverteilung hinsichtlich der dem Mieter aufgebürdeten Haftung nicht per se als Verstoß gegen § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A zu werten. Die Auftraggeber haben im Zuge des Nachprüfungsverfahrens betont, dass sie die Regelungen des Fahrzeugmietvertrages so gewählt haben, dass der künftige Auftragnehmer und Mieter angesichts der Tatsache, dass es sich bei der zu entrichtenden Fahrzeugmiete lediglich um einen durchlaufenden Posten handelt, der durch Zuschüsse in vollem Umfang ausgeglichen wird, als EVU hinsichtlich des Risikos und der Haftung so gestellt wird, als wenn er eigene Fahrzeuge einsetzt. Dementsprechend sieht der Fahrzeugmietvertrag insbesondere folgende umfassende Haftungsregelungen vor:

"§ 7 Versicherungsschutz und Schadensabwicklung

1.
Der Mieter wird die Fahrzeuge ab deren Übernahme (Gefahrübergang im gesetzlich vorgeschriebenen und geschäftsüblichen Umfang auf seine Kosten ausreichend versichern ...

2.
Im Schadensfall hat der Mieter den Vermieter unverzüglich zu unterrichten; die notwendigen Reparaturarbeiten am Mietgegenstand hat der Mieter unverzüglich im eigenen Namen und auf eigene Rechnung durchführen zu lassen. Der Mieter hat mit der Durchführung der Reparaturarbeiten einen vom Hersteller anerkannten Betrieb zu beauftragen ...

§ 8 Haftung

1.
Für Untergang, Verlust, Beschädigung und Wertminderung der Fahrzeuge und ihre Ausstattung haftet der Mieter dem Vermieter auch ohne Verschulden, jedoch nicht bei Verschulden des Vermieters oder höherer Gewalt.

2.
Für unmittelbare und mittelbare Schäden, die dem Mieter oder anderen Personen durch den Gebrauch des Mietgegenstandes, Gebrauchsunterbrechung oder -entzug entstehen, haftet der Vermieter dem Mieter nur bei Verschulden."

45

Besonders deutlich kommt die von den Auftraggebern beabsichtigte eigentümerähnliche Haftung des Mieters aber in den Gewährleistungsregelungen zum Ausdruck. Dort heißt es:

"§ 9 Gewährleistung

1.
Der Vermieter tritt seine Gewährleistungsansprüche, die ihm gegenüber dem Hersteller zustehen, für die Dauer des Mietvertrages an den Mieter ab, der sie im jeweiligen Fall auch geltend zu machen hat. Die einschlägigen Teile des Werkvertrages (§§ 6, 10 und 12) sowie des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages (§ 2 Abs. 4 - 6, § 6) werden dem Mieter offen gelegt.

2.
Mit Rücksicht auf die dem Mieter abgetretenen Gewährleistungsansprüche gegenüber dem Hersteller (vgl. Abs. 1) werden weiter gehende Ansprüche des Mieters gegen den Vermieter aus dem Mietverhältnis, insbesondere die Verpflichtung zur Erhaltung der Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB), ausgeschlossen. Der Mieter hat dafür zu sorgen, dass die Mietsache stets in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand bleibt."

46

Da die xxx als Vermieter ihre vertraglichen Gewährleistungsansprüche an den Mieter abtritt, ist auch die Abbedingung der üblichen Vermieterhaftung per se nicht vergaberechtswidrig. Dies folgt aus § 4 Nr. 3 VOL/B. Dort heißt es ausdrücklich:

"Für die Qualität der Zulieferungen des Auftraggebers sowie für die von ihm vereinbarten Leistungen anderer haftet der Auftraggeber, soweit nichts anderes vereinbart ist."

47

Ein ungewöhnliches Wagnis folgt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht aus der Tatsache, dass die Auftraggeberin zu 1 über die xxx und nicht der künftige Auftragnehmer der ausgeschriebenen Verkehrsdienstleistungen den Beschaffungsvertrag und den Wartungs- und Instandsetzungsvertrag mit dem Hersteller abgeschlossen haben. Dies ist vielmehr zwingende und damit gewöhnliche Folge einer Beistellung.

48

Vergaberechtlich unbedenklich ist ebenfalls, dass die xxx als Besteller und künftiger Eigentümer die Fahrzeuge selbst durch fachkundiges Personal abnimmt. Der Auftragnehmer wird mietvertraglich nicht verpflichtet, mangelhafte Fahrzeuge von der xxx abzunehmen. Er wird vielmehr seinerseits eine sorgfältige Abnahme als Mieter durchführen.

49

Die Antragstellerin weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Abtretung der Gewährleistungsansprüche der xxx gegen den Hersteller xxx nur dann das umfassende mietvertragliche Haftungsrisiko kalkulierbar machen, wenn dem Bieter alle für den Umfang der Gewährleistung und für die erfolgreiche Geltendmachung von abgeleiteten Ansprüchen gegenüber dem Hersteller erforderlichen Regelungen und Bestandteile des Werkvertrages sowie des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages nebst allen Anlagen offen gelegt werden. Die Antragstellerin hat darauf hingewiesen, dass aus ihrer Sicht weiterhin offen bleibe, wer die Kosten zu tragen hat, falls der im Wartungs- und Instandhaltungsvertrag vorgesehene Leistungsumfang nicht ausreicht, um die Verfügbarkeit der Fahrzeuge auf dem vom Hersteller zugesicherten Niveau zu halten. Der tatsächliche Umfang der geschuldeten Wartungsleistungen sei nach wie vor offen und die Wartungsleistung könne vom Eisenbahnverkehrsunternehmen auch nicht ausreichend kontrolliert werden. Unklar sei auch die Frage, welche Folgen sich ergeben und wer die Kosten zu tragen hat, wenn sich der Instandhaltungsaufwand für die Fahrzeuge z.B. auf Grund eines außergewöhnlichen, nicht vorhersehbaren Verschleißes spürbar erhöht und dadurch nicht mehr innerhalb des Fristenplanes bewältigt werden kann. Auch hierzu bedürfe es klarer vertraglicher Regelungen. Angesichts der Haftungsregelungen des Verkehrsvertrages und des Mietvertrages genügt es nach Auffassung der Antragstellerin ferner nicht, dass ihren Rügen auf mangelnde Offenlegung insoweit nur dadurch abgeholfen wurde, als durch die auszugsweise Offenlegung der vertraglichen Regelungen, die einschlägigen Daten, wie etwa die Haftungsobergrenze der Firma xxx bekannt gegeben wurden. Es bleibe jedoch dabei, dass für das weiter gehende Risiko der Fahrzeugbeschaffung und Instandhaltung der Auftragnehmer die volle Verantwortung trage, ohne die Verträge zur Fahrzeugbeschaffung und zur Wartung und Instandhaltung beeinflussen zu können. Ein besonderes, ungewöhnliches Risiko ist für die Antragstellerin auch mit der Abnahme der Fahrzeuge durch die xxx von der Firma xxx und die Übergabe an den Auftragnehmer verbunden. Trotz der Offenlegung der Abnahmemöglichkeiten und der Absicht der Auftraggeber, die Übergabe an den Auftragnehmer gleichzeitig mit der Abnahme erfolgen zu lassen, bestehe hier für den Fall, dass die Fahrzeuge bei der Abnahme Mängel aufweisen, für den Auftragnehmer ein erhebliches und nicht kalkulierbares Risiko. So habe der Auftragnehmer gem. § 16 Abs. 5 des Verkehrsvertrages in dem Fall, dass er mit der Aufnahme des Betriebes in Verzug gerät, den Auftraggebern den durch die verspätete Betriebsaufnahme entstehenden Schadens zu ersetzen. Außerdem könnten die Auftraggeber gem. § 19 Abs. 2 lit. b des Verkehrsvertrages diesen fristlos kündigen, wenn der Auftragnehmer den Termin für die Betriebsaufnahme verschuldet nicht einhält. Somit hätte der Auftragnehmer eine verspätete Betriebsaufnahme infolge einer verzögerten Fahrzeuglieferung oder der Lieferung nicht einsatzbereiter Fahrzeuge gegenüber den Auftraggebern zu vertreten. Diese Haftungsabwälzung sei nicht zu vereinbaren mit der Tatsache, dass der Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Abnahme habe, sondern nur - möglicherweise - der Abnahme beiwohnen darf. Der Auftragnehmer könne daher nicht verhindern, dass die xxx unfertige bzw. nicht fahrbereite Fahrzeuge abnehme. Der Auftragnehmer habe in diesem Fall auch keine Möglichkeit, bei der xxx Rückgriff zu nehmen, da die Gewährleistungsansprüche gegen die xxx nach derÜbernahme der Fahrzeuge durch die Mieter gem. § 9 Abs. 2 des Mietvertrages gerade ausgeschlossen werden.

50

Die Auftraggeber haben die Beschränkungen der Offenlegung der Vertragswerke zwischen der xxx und dem Hersteller xxx im Zuge des Nachprüfungsverfahrens damit begründet, dass die xxx mit dem Fahrzeughersteller xxx Vertraulichkeit vereinbart habe. Das Geheimhaltungsinteresse von xxx sei darin begründet, dass sämtliche Bieter potenzielle Kunden dieses Herstellers sind. Gerade die Antragstellerin selbst habe über 1000 Doppelstockwagen bei xxx gekauft. Vor diesem Hintergrund sei das Bestreben der Antragstellerin, zu erfahren, welche einzelnen Konditionen xxx dem Antragsgegner eingeräumt hat, zwar wirtschaftlich verständlich, da sie dabei Rückschlüsse für künftige eigene Bestellungen bei xxx gewinnen könne. Es sei aber verständlich, dass der Hersteller xxx genau dieses vermeiden möchte und einer Offenlegung nur insoweit zugestimmt habe, als dies auf einer ersten Stufe für die Ausschreibung erforderlich ist und auf einer zweiten Stufe für den späteren Vertragspartner aus dieser Ausschreibung erforderlich sein wird. Etwas anders, aber im Ergebnis identisch sei die Sach- und Interessenlage bei dem Wartungs- und Instandhaltungsvertrag, zumindest was die Antragstellerin selbst betreffe. Dort sei die Antragstellerin weniger ein potenzieller Kunde des Herstellers, als vielmehr ein unmittelbarer Konkurrent, der diese Wartungs- und Instandhaltungsleistungen selbst anbiete. Auch aus dieser Konstellation ergebe sich ein berechtigtes Interesse des Herstellers an Vertraulichkeit.

51

Die Auftraggeber haben gleichwohl in Reaktion auf die Rügen der Antragstellerin und im Zuge des Nachprüfungsverfahrens sukzessive nach und nach immer mehr Bestandteile der Vertragswerke offen gelegt:

  • Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 des Fahrzeugmietvertrages sollten dem Mieter ursprünglich nur die einschlägigen Teile des Werkvertrages (§§ 6, 10 und 12) sowie des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages (§ 2 Abs. 4 - 6, § 6) offen gelegt werden. Eine Offenlegung vor Abschluss des Mietvertrages, die bei der Kalkulation hätte berücksichtigt werden können, war offensichtlich nicht vorgesehen. Dementsprechend enthalten die Verdingungsunterlagen als Anlage E. 1 (Leistungsübersicht Wartungs- und Instandhaltung) nur auszugsweise Angaben zum Leistungsumfang des Herstellers xxx. Ferner ist als Anlage E. 2 ein Fristenplan für die Wartung der einzusetzenden Fahrzeuge beigefügt.
  • Mit Bieterrundschreiben vom 23.04.2004 hat die Antragstellerin auf Rückfragen aus dem Bieterkreis und unter anderem auch auf die Rügen der Antragstellerin reagiert, die Vergabeunterlagen, insbesondere die Verträge, in einigen Punkten geändert und einige Gewährleistungsregelungen offen gelegt. Diese Offenlegung umfasste die §§ 6, 10 und 12 des Werkvertrages sowie § 2 Abs. 4 - 6, § 6 des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages, deren Offenlegung mit § 9 Abs. 1 des Fahrzeugmietvertrages ursprünglich erst nach Zuschlagserteilung gegenüber dem Mieter erfolgen sollte. Daneben wurden die §§ 6 (Störungen/Fehler), 9 (Höhere Gewalt), 10 (Unmöglichkeit) und 11 (Haftungsbegrenzung) des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages offen gelegt. Ferner wurde den Bietern die Definition der "betrieblichen Verfügbarkeit" (Anlage 5 zum Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zwischen der xxx und dem Hersteller xxx GmbH (vormals xxx GmbH) zugänglich gemacht.
  • Auf erneute Rüge der Antragstellerin vom 18.05.2004 haben die Auftraggeber ohne Anerkennung einer Rechtspflicht nach Rücksprache mit dem Fahrzeughersteller mit Bieterrundschreiben Nr. 4 vom 04.06.2004 weitere Vertragsinhalte offen gelegt. Dies waren im Einzelnen § 2 Abs. 1 des Werkvertrages zwischen der xxx und dem Hersteller geschlossenen Werkvertrag, der die Verantwortlichkeit des Herstellers für die Herstellung und Bereitstellung der bestellten Schienenfahrzeuge regelt, sowie § 9 des Werkvertrages, der Regelungen über die Abnahme der bestellten Fahrzeuge enthält. Daneben wurde den Bietern noch § 4 des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages zwischen der xxx und dem Hersteller eröffnet, der wichtige Regelungen hinsichtlich der Gewährleistung des Herstellers enthält. Dort heißt es:
    "§ 4
    1.
    Für die innerhalb der Gewährleistungsfrist des § 10 Nr. 1 des Werkvertrages auftretende Mängel gelten die im Werkvertrag in § 10 getroffenen Regelungen.
    2.
    Diese Regelungen werden für den vorliegenden Vortrag wie folgt ergänzt:
    Mit einer Störungsbeseitigung während der Gewährleistungszeit wird der Anbieter innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Störungsmeldung beginnen."
  • Im Zuge des Nachprüfungsverfahrens haben die Auftraggeber mit Schriftsatz vom 18.06.2004 im Nachgang zur mündlichen Verhandlung vom 15.06.2004 ohne Anerkennung einer Rechtspflicht als Anlage Ag 7 und Anlage Ag 8 weitere Unterlagen vorgelegt. Dabei handelt es sich zum einen um eine tabellarische Übersicht über die zu liefernden und einzusetzenden Fahrzeuge, aus der sich ergibt, dass der Herstellungsprozess von dem DB-Güteprüfdienst begleitet und testiert wird. Ferner haben die Auftraggeber einen nicht näher datierten Vermerk des Herstellers xxx beigefügt, dem weitere Einzelheiten zum Wartungs- und Instandhaltungsprozess zu entnehmen sind. Diese betreffen die Verantwortung für den Instandhaltungsprozess, Erläuterungen zur Instandhaltungsdokumentation, eine Darstellung des Arbeitsprozesses und der Dokumentation der Instandhaltungsleistungen im Prüfprotokoll. Überdies hat sich der Hersteller in diesem Vermerk ausdrücklich bereit erklärt, interessierten Bietern auf Anfrage Einsicht in die Dokumentation und Arbeitsabläufe im Werk xxx zu gewähren.
    Darüber hinaus haben die Auftraggeber angekündigt, durch gesondertes Bieterrundschreiben den Mietvertrag in § 9 Abs. 1 um folgenden neuen 2. Unterabsatz zu ergänzen:
    "Vermieter und Mieter legen dem Mietvertrag eine Haftungsbegrenzung des Herstellers gem. § 11 Satz 1 des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages zwischen dem Vermieter und dem Fahrzeughersteller xxx in Höhe von 500.000,-- EUR jährlich zu Grunde. Sollte die dem Grunde nach bestehende Haftung des Fahrzeugherstellers nach § 11 Satz 1 niedriger sein als der vorstehend genannte Betrag, haftet der Vermieter dem Mieter für die Differenz."
    Zur Vermeidung weiterer Auseinandersetzungen haben die Auftraggeber sich bereit erklärt, darüber hinaus eine Änderung des § 11 des Fahrzeugmietvertrages dahingehend vorzunehmen, dass nicht nur dem Vermieter, sondern beiden Parteien das Recht zur außerordentlichen Kündigung des Mietvertrages für den Fall der Beendigung des Verkehrsvertrages zusteht. Diese Änderung soll den Bietern mit einem weiteren Bieterrundschreiben bekannt gegeben werden. Schließlich will der Auftraggeber in den Verkehrsvertrag in Reaktion auf die vom Auftraggeber mit Schriftsatz vom 14.06.2004 beanstandeten, vermeintlichen Risiken im Zusammenhang mit der Abnahme der Fahrzeuge in den Verkehrsvertrag entsprechende - deklaratorische - Regelungen aufnehmen, wonach es ausgeschlossen ist, dass die Auftraggeber des Verkehrsvertrages Ansprüche gegen das EVU geltend machen, die darauf beruhen, dass die xxx ihren Vermieterpflichten aus dem Fahrzeugmietvertrag unzureichend nachgekommen ist, sofern die Vergabekammer eine solche Regelung für erforderlich hält.
    Die Vergabekammer hält diese im Zuge des Nachprüfungsverfahrens von den Auftraggebern angekündigten Regelungen für erforderlich, da sie die Grenzen der umfassenden Haftung des künftigen Auftragnehmers und Mieters klarstellen. Vor allen Dingen aber vertritt die Vergabekammer die Auffassung, dass sämtliche von den Auftraggebern erst auf Grund der Rügen und im Zuge des Nachprüfungsverfahrens offen gelegten weiteren Regelungen des Werkvertrages und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages zwischen der xxx und dem Hersteller xxx für die Antragstellerin wie auch dieübrigen potenziellen Bieterkalkulationsrelevant im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A sind und dem Bieter und künftigen Auftragnehmer offen gelegt werden mussten, damit ihm angesichts der umfassenden Haftung, die der Auftragnehmer mit dem streitbefangenen Fahrzeugmietvertrag übernimmt, kein ungewöhnliches Wagnis im Sinne des § 8 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A aufgebürdet wird.
    Soweit die Auftraggeber monieren, dass die Antragstellerin im Vorfeld des Nachprüfungsverfahrens wie auch im Zuge des Nachprüfungsverfahrens laufend die Offenlegung weiterer Bestandteile und Regelungen des Werkvertrages und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages verlangt haben, ist darauf hinzuweisen, dass es vergaberechtlich nicht dem Bieter obliegt, permanent die Offenlegung von vertraglichen Regelungen unter genauer Bezeichnung nachzufordern, die er für die Abschätzung seines Risikos im Zuge der Kalkulation benötigt. Vielmehr obliegt es den Auftraggebern gem. § 8 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A, die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und die Angebote miteinander verglichen werden können. Hinsichtlich der kalkulationsrelevanten Regelungen des Werkvertrages und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages über die Gewährleistung des Herstellers und die Durchführung der Wartungs- und Instandhaltungsleistungen haben die Auftraggeber durch die oben beschriebenen Nachlieferungen auf die Rügen der Antragstellerin und im Zuge des Nachprüfungsverfahrens dazu beigetragen, dass ursprünglich bestehende Mängel hinsichtlich der Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung sukzessive abgestellt wurden und werden. Dies war indessen entgegen der Auffassung der Auftraggeber unter Berücksichtigung der Regelungen des § 8 Nr. 1 Abs. 1 - 3 VOL/A aber auch erforderlich. Da die Antragstellerin wie auch die übrigen potenziellen Bieter aber nach wie vor weder den (kompletten) Werkvertrag noch den Wartungs- und Instandhaltungsvertrag kennen, auf der anderen Seite aber wie ein Eigentümer für die anzumietenden Fahrzeuge haften sollen und ggf. Gewährleistungsansprüche aus diesen ihnen nur auszugsweise bekannten Vertragswerken gegen den Hersteller geltend machen sollen, war die Vergabekammer gem. § 114 Abs. 1 Satz 1 und 2 GWB gehalten, unabhängig von den weiter gehenden Anträgen der Antragstellerin auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken und die Auftraggeber gemäß dem Tenor zu 1 zu verpflichten, der Antragstellerin und den übrigen Bietern im streitbefangenen Vergabeverfahren zu Kalkulationszwecken auf Verlangen Einsicht in den zwischen der Auftraggeberin zu 1 und dem Fahrzeughersteller xxx (vormals xxx) geschlossenen Herstellungs- und Liefervertrag vom 12.12.2002 sowie in mit dem Hersteller geschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zu gewähren. Dabei können die Auftraggeber resp. die xxx die Offenlegung zur Wahrung ihrer eigenen berechtigten Geheimhaltungsinteressen sowie hinsichtlich der Geheimhaltungsinteressen des Fahrzeugherstellers xxx dahingehend beschränken, dass solche Bestandteile von der Offenlegung ausgenommen werden, die diese berechtigten Geheimhaltungsinteressen betreffen und keine Bedeutung für die Durchsetzung von abgeleiteten Gewährleistungsansprüchen des künftigen Auftragnehmers und Mieters gegen den Hersteller und zur Überprüfung von Art und Maß der vom Hersteller durchführten oder veranlassten Wartung und Instandhaltungen haben. Dazu gehören insbesondere Angaben zu Preisen, Nachlässen und Zahlungsmodalitäten sowie sonstige, nicht gewährleistungsrelevante Betriebsgeheimnisse des Herstellers. Die Beschränkung der Offenlegung kann dadurch erfolgen, dass die Auftraggeber der Antragstellerin und den übrigen Bietern auf Anforderung Einsicht in eine Kopie der Vertragswerke gewähren, in der die Geheimhaltungsinteressen der xxx und des Herstellers stehenden und nicht gewährleistungs- oder haftungsrelevanten Passagen geschwärzt sind.
    Im Übrigen war der Nachprüfungsantrag dagegen sowohl hinsichtlich des auf Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens gerichteten Hauptantrages zu 1 sowie der hilfsweise gestellten Anträge zu 2 a - e in vollem Umfang zurückzuweisen.

52

c)

Einforderung der Tariftreueerklärung

53

Der Nachprüfungsantrag ist auch unbegründet, soweit die Antragstellerin die mit Ziffer II c der Aufforderung zur Angebotsabgabe (S. 9) in Verbindung mit dem beigefügten Formblatt B. 2.1 eingeforderte Tariftreueerklärung beanstandet. Dort heißt es:

"Ein Angebot ist nach § 6 des Landesvergabegesetzes Niedersachsen zwingend von der Wertung auszuschließen, wenn der Bieter folgende Unterlagen nicht beibringt: ... c) eine Tariftreuerklärung (s. Formblatt B 2.1). Die im Formblatt aufgeführten anzuwendenden Tarifverträge sind aus der in den Verdingungsunterlagen enthaltenen CD als pdf-Dokumente enthalten. Diese nach dem Landesvergabegesetz Niedersachsen erforderlichen Erklärungen haben die Bieter unter Verwendung des Formblattes B. 2.1 mit Abgabe dieses Angebotes abzugeben."

54

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Einforderung der Tariftreueerklärung weder dem Grunde nach noch hinsichtlich der konkret von den Auftraggebern mit dem Formblatt B. 2.1 vorgegebenen Tarifvereinbarungen vergaberechtlich zu beanstanden. Zur Einforderung der Tariftreueerklärung waren und sind die Auftraggeber vielmehr gem. § 3 LVergabeG verpflichtet:

55

aa)

Gemäß § 3 Abs. 1 LVergabeG dürfen Aufträge für Bauleistungen nur an solche Unternehmen vergeben werden, die sich bei der Angebotsabgabe schriftlich verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei der Ausführung dieser Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu bezahlen. Gemäß Satz 3 des § 3 Abs. 1 LVergabeG gilt Satz 1 aber ausdrücklich auch für die Vergabe von Verkehrsleistungen im öffentlichen Personennahverkehr. An diese nach wie vor gültige Regelung sind die öffentlichen Auftraggeber in xxx gebunden. Zwar existiert ein Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und der FDP vom 02.05.2004 (Landtagsdrucksache 15/135), berichtigt durch Vorlage vom 13.05.2003, wonach die Verpflichtung deröffentlichen Auftraggeber zur Einforderung einer Tariftreueerklärung für den ÖPNV-Bereich künftig entfallen soll. Dieses Änderungsgesetz ist jedoch nach wie vor nicht verabschiedet worden, geschweige denn in Kraft getreten. Nach Auskunft des zuständigen Niedersächsischen Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr auf telefonische Anfrage der Vergabekammer ist derzeit auch nicht absehbar, wann dies der Fall sein wird. Die landesgesetzliche Regelung des § 3 LVergabeGüber die Einforderung der Tariftreueerklärung findet entgegen der Auffassung der Antragstellerin ihre Ermächtigungsgrundlage in § 97 Abs. 4 GWB. Danach werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen vergeben;andere oder weiter gehende Anforderungen dürfen an Auftragnehmer nur gestellt werden, wenn dies durch Bundes- oder Landesgesetzvorgesehen ist. Von dieser bundesgesetzlichen Ermächtigung hat der Landesgesetzgeber zulässigerweise und rechtswirksam Gebrauch gemacht. Diese gesetzliche Pflicht zur Einforderung der Tariftreueerklärung wird nicht dadurch beseitigt, dass nach wie vor die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Einforderung von Tariftreueerklärungen beim Bundesverfassungsgericht auf Grund eines Vorlagebeschlusses des BGH vom 18.01.2000 (NZA 2000, S. 377 ff.) betreffend einer entsprechenden Regelung des Berliner Vergabegesetzes nach wie vor anhängig ist. Die Vergabekammer teilt die Auffassung der Auftraggeber, dass Artikel 100 Abs. 1 GG nicht nur den Gerichten, sondern selbstverständlich auch der Verwaltung die Kompetenz zur Verwerfung einer angeblich verfassungswidrigen landesgesetzlichen Regelung entzieht und das Normverwerfungsmonopol ausdrücklich dem Bundesverfassungsgericht zuweist (vgl. Herzog in: Maunz/Dürig, GG-Kommentar, Art. 20, Rn. 30, m.w.N.). Daher sind sowohl die niedersächsischen öffentlichen Auftraggeber als auch die niedersächsischen Vergabekammern an die rechtswirksamen Regelungen des Nds. LVergabeG gebunden.

56

Unabhängig davon teilt die Vergabekammer im Ergebnis aber auch die Auffassung der Auftraggeber, dass § 3 LVergabeG verfassungsgemäß ist:

  • § 3 LVergabeG verstößt nicht gegen die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, die ausdrücklich auch das Tarifrecht umfasst. Dies folgt bereits daraus, dass es sich bei der Vorschrift des § 3 LVergabeG nicht um eine tarifrechtliche und damit arbeitsrechtliche Regelung im Sinne von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG handelt, sondern ausdrücklich lediglich um eine Regelung über das Vergabeverfahren. Die Vorschrift regelt weder Inhalt und Form noch den Geltungsbereich von Tarifverträgen. Auch eine Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen ist damit nicht verbunden. Die öffentlichen Auftraggeber werden durch § 3 LVergabeG lediglich verpflichtet, den Bietern im Rahmen eines Vergabeverfahrens eine bestimmte Erklärung abzuverlangen.
  • Auch die negative Koalitionsfreiheit der Bieter gem. Art. 9 Abs. 3 GG wird durch die Regelung des § 3 LVergabeG im Ergebnis nicht verletzt. Der Bieter wird nicht gezwungen, einem tariflich gebundenen Arbeitgeberverband beizutreten und damit Partei eines Tarifvertrages zu werden. Er wird lediglich verpflichtet, seinen Arbeitnehmern für die Dauer des Auftragsverhältnisses ein Entgelt auf der Grundlage einer tariflichen Vereinbarung zu zahlen, die der öffentliche Auftraggeber gem. § 3 LVergabeG vorgibt. Derartige Regelungen sind nicht per se verfassungswidrig. So hat das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 5 Tarifvertragsgesetz (TVG), die die Allgemeinverbindlichkeit von Tarifverträgen regelt, ausdrücklich für verfassungsrechtlich zulässig erklärt (vgl. BVerfG, NJW 1977, S. 2255).
  • Ferner steht der landesgesetzlichen Regelung des § 3 LVergabeG auch nicht der Vorrang des Bundesrechts gem. Art. 31 GG entgegen. Eine Kollision zwischen Bundes- und Landesrecht liegt nicht vor. Dies folgt daraus, dass es eine bundesrechtliche Regelung auf dem Gebiet des Vergaberechts zur Regelung der Einforderung von Tariftreueerklärungen nicht gibt. Das von der Bundesregierung seinerzeit initiierte Bundestariftreuegesetz ist im Sommer 2002 an der fehlenden Zustimmung des Bundesrates gescheitert. Eine Kollision mit den bundesrechtlichen Regelungen des § 5 TVG und der §§ 19, 20 Abs. 1 GWB scheidet ebenfalls aus, da diese eine völlig andere Zielsetzung als § 3 LVergabeG und einen anderen Regelungsgehalt haben. Während § 3 LVergabeG Anforderungen an einen potenziellen Auftragnehmer im Rahmen eines öffentlichen Ausschreibungsverfahrens stellt, regelt § 5 TVG die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Verstoß gegen die kartellrechtliche Regelung des § 19 GWB (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung) liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gem. § 20 GWB scheidet ungeachtet der Frage, ob kartellrechtliche Vorschriften überhaupt Gegenstand einer Prüfung in einem Vergabenachprüfungsverfahren sein können (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.05.2002, Az.: Verg 6/02), ebenfalls aus. Wie der BGH in dem von der Antragstellerin und den Auftraggebern zitierten Vorlagebeschluss vom 18.01.2000 selbst ausgeführt hat, kann ein Verstoß gegen das kartellrechtliche Diskriminierungsverbot dann nicht vorliegen, wenn ein Nachfrager zu dem angefochtenen Verhalten (hier: Einforderung der Tariftreueerklärung) durch ein gültiges Gesetz verpflichtet ist. Eine solche gesetzliche Regelung aber liegt mit dem hier streitbefangenen § 3 LVergabeG rechtswirksam vor.
    Die Einforderung der Tariftreueerklärung gem. § 3 LVergabeG verstößt entgegen der Auffassung der Antragstellerin auch nicht gegen die gemeinschaftsrechtliche Regelung des Art. 36 Abs. 1 lit. a der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie 92/50/EWG vom 18.06.2002. Wie der EuGH in seinen Entscheidungen vom 20.09.1988, Rs. 31/87 ("Beentjes") und vom 26.09.2000 im Rechtsstreit EG-Kommission gegen Frankreich RS C-225/98 ("Calais") im Zusammenhang mit Anforderungen an die Bieterunternehmen bezüglich der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen entschieden hat, lässt das Gemeinschaftsrecht den Mitgliedsstaaten und den öffentlichen Auftraggebern die Option, den Zuschlag nicht nur vom Hauptkriterium des niedrigsten Preises oder des wirtschaftlich günstigsten Angebotes abhängig zu machen, sondern auch von sog. Zusatzkriterien. Beachtet werden müssen dabei lediglich die wesentlichen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts, vor allem das Diskriminierungsverbot, das aus den Bestimmungen des Vertrages zum Niederlassungsrecht und zum Recht des freien Dienstleistungsverkehrs folgt. Ferner muss das Transparenzgebot eingehalten werden. Das Zusatzkriterium muss wie das Hauptkriterium in der Bekanntmachung des Auftrags ausdrücklich angegeben werden, damit die Unternehmer in der Lage sind, vom Bestehen einer solchen Bedingung Kenntnis zu nehmen. Angesichts dieser klaren Position des EuGH in seinem Urteil vom 26.09.2000 sind Diskussionen darüber, ob daseuropäische Vergaberechtvergabefremde Aspekte oder auch "Sekundärzwecke im Vergabeverfahren" (vgl. Benedict, Sekundärzwecke im Vergabeverfahren, 2000, S. 17) zulässt, jedenfalls hinsichtlich der Grundsatzfrage müßig. Der EuGH hat mit seiner Rechtsprechung den Mitgliedsstaaten jedenfalls die Option eröffnet, mit einer öffentlichen Auftragsvergabe nicht nur das Ziel der wirtschaftlichen Beschaffung zu verfolgen, sondern damit auch die Förderung weiterer Ziele des EG-Vertrages zu verknüpfen. Es sind dies namentlich die in Art. 2 EG-Vertrag aufgeführten konkreten Ziele, zu denen insbesondere auch eine harmonische, ausgewogene und nachhaltige Entwicklung des Wirtschaftslebens sowie ein hohes Beschäftigungsniveau und ein hohes Maß an sozialem Schutz gehören. Es bleibt den Mitgesetzgebern der Mitgliedsstaaten daher nach der Rechtsprechung des EuGH im Ergebnis unbenommen, etwa zum Zweck der Eindämmung von Dumpinglöhnen eine gesetzliche Pflicht zur Einforderung einer Tariftreueerklärung zu schaffen, sofern Gewähr leistet ist, dass die konkrete Einforderung der Tariftreueregelung im öffentlichen Vergabeverfahren mit den wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts, insbesondere dem Diskriminierungsverbot und dem Transparenzgebot vereinbar ist. Diese Vorgaben aber werden durch die Regelungen des § 3 LVergabeG beachtet. Die Regelungskompetenz der Mitgliedsstaaten, neben den Primärzwecken des Vergaberechts auch vergabefremde "Sekundärzwecke" zu verfolgen, hat der EuGH zu keinem Zeitpunkt in Frage gestellt. Dabei ist es unbeachtlich, ob es sich um auftragsgegenstandsbezogene Kriterien oder - wie im Falle von Tariftreueregelungen - um unternehmensbezogene Kriterien handelt.

57

bb)

Auch die konkrete Umsetzung der Vorgaben des § 3 LVergabeG i.V.m. § 1 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung des Landesvergabegesetzes (DVO LVergabeG) durch die Auftraggeberin ist vergaberechtlich entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zu beanstanden. Sie war insbesondere nicht gehalten, den für die Antragstellerin, die derzeit die streitbefangene Linie Uelzen - Hannover - Göttingen bedient, geltenden Tarifvertrag auszuwählen und den Bietern mit den Verdingungsunterlagen vorzugeben. § 3 Abs. 2 LVergabeG regelt für den Fall, dass am Ort der Leistung mehrere Tarifverträge für dieselbe Leistung gelten, dass deröffentliche Auftraggeber einenrepräsentativen Tarifvertrag zu Grunde zu legen hat, der mit einer tariffähigen Gewerkschaft vereinbart wurde. Die Landesregierung wird dabei ermächtigt, durch Verordnung zu bestimmen, in welchem Verfahren festgestellt wird, welche Tarifverträge als repräsentativ im Sinne von Satz 1 anzusehen sind. Die Verordnung kann auch die Vorbereitung der Entscheidung durch einen Beirat vorsehen; sie regelt in diesem Fall auch die Zusammensetzung des Beirats. Die Feststellung, welche Tarifverträge als repräsentativ im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 LVergabeG anzusehen sind, obliegt gem. § 1 DVO-LVergabeG vom 23.01.2003 dem für Arbeit zuständigen Fachministerium und somit dem Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr (MW). Dort wurde gem. § 1 Abs. 2 - 4 DVO-LVergabeG ein Beirat für das Bauwesen und ein Beirat für den öffentlichen Personennahverkehr mit jeweils sechs Mitgliedern gebildet. Die Geschäftsführung obliegt dem MW. Das MW führt eine Liste über die repräsentativen Tarifverträge und veröffentlicht diese Liste im Internet. Dort können die öffentlichen Auftraggeber unter www.niedersachsen.de unter Eingabe Stichwörter "Landesvergabegesetz" oder "Tarifverträge" in der dortigen Suchfunktion recherchieren, welche repräsentativen Tarifverträge für die von ihnen auszuschreibenden Auftragsgegenstände gelten. Das Nähere regeln die Erläuterungen zum Landesvergabegesetz mit Durchführungsverordnung (Nds. MBl. Nr. 13/2003 S. 264, 265).

58

§ 3 LVergabeG i.V.m. § 1 DVO-LVergabeG gibt denöffentlichen Auftraggebern damit nicht nur vor, wie sie den ihrer Ausschreibung zu Grunde zu legenden repräsentativen Tarifvertrag zu ermitteln haben. Den Auftraggebern wird vielmehr auch jegliches Ermessen hinsichtlich der Frage entzogen, ob bestimmte Tarifverträge "am Ort der Leistung" gelten. Dabei ist die Voraussetzung der Geltung "am Ort der Leistung" entgegen der Auffassung der Antragstellerin im Bereich der Eisenbahnverkehrsdienstleistungen nicht auf eine bestimmte Linie beschränkt. Vielmehr gelten die in der veröffentlichten Liste vom Beirat aufgenommenen repräsentativen Tarifverträge in ganz xxx. Die Auftraggeber haben sich in nicht zu beanstandender Weise an die Vorgaben des Landesvergabegesetzes gehalten. Sie haben den Bietern mit dem Formblatt B. 2.1 für die Erklärungen nach dem Landesvergabegesetz Niedersachsen vorgegeben, sich für den Fall der Auftragserteilung zu verpflichten, den in ihrem Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei Ausführung der beauftragten Leistungen mindestens das am Ort der Ausführung tarifvertraglich vorgesehene Entgelt nach den Tarifvereinbarungen Nr. 2271, 2272 und 2305 vom 28.11.2002 und 26.02.2003 zum tarifvertraglich vorgesehenen Zeitpunkt zu zahlen. Diese sind in der vom MW im Internet veröffentlichten Liste der repräsentativen Tarifverträge im öffentlichen Personennahverkehr (Stand: 25.05.2004) unter II. - Tarifverträge für den Verkehr auf der Schiene (SPNV) und unter der lfd. Nr. 03 auf Seite 18 veröffentlicht.

59

Der Rechtmäßigkeit der Auswahl und Vorgabe dieser Tarifvereinbarungen steht nicht entgegen, dass es sich dabei um den Tarifvertrag eines Konkurrenten der Antragstellerin, der xxx GmbH (vormals xxx GmbH), xxx handelt. Die Auftraggeber waren entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gehalten, von den insgesamt fünf in Betracht kommenden, veröffentlichten repräsentativen Tarifverträgen den Haustarif der Antragstellerin (lfd. Nr. 02. der Liste der repräsentativen Tarifverträge für den Verkehr auf der Schiene (SPNV)) auszuwählen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass der Haustarif der Antragstellerin ungleich mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erfasst als die von den Auftraggebern ausgewählten und vorgegebenen tariflichen Vereinbarungen der xxx. Da das Landesvergabegesetz den Auftraggebern die Entscheidung der Frage, welche Tarifverträge "repräsentativ" im Sinne des Landesvergabegesetzes sind, entzieht und das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr mit dem dort gegründeten, zuständigen Beirat die Liste der repräsentativen Tarifverträge verbindlich vorgibt, sind die Auftraggeber nicht gehalten, aus dieser Liste dann in einem zweiten Schritt einen Tarifvertrag auszuwählen, der nach ihrem Ermessen als "repräsentativer" erscheint.

60

Gemäß § 114 Abs. 1 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Wegen der oben unter II 2 b festgestellten Verletzung der Rechte der Antragstellerin durch die Aufbürdung eines ungewöhnlichen Wagnisses war die Vergabekammer gehalten, gem. § 114 Abs. 1 Satz 2 GWB unabhängig von den Anträgen der Antragstellerin auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einzuwirken. Die Auftraggeber waren daher zu verpflichten, der Antragstellerin und den übrigen Bietern zu Kalkulationszwecken auf Verlangen Einsicht in den von der xxx und dem Fahrzeughersteller xxx (vormals xxx) geschlossenen Herstellungs- und Liefervertrag vom 12.12.2002 sowie in den mit dem Fahrzeughersteller geschlossenen Wartungs- und Instandhaltungsvertrag zu gewähren. Dabei muss die Offenlegung sich auf alle Bestandteile des Herstellungs- und des Wartungs- und Instandhaltungsvertrages nebst etwaiger Anlagen, Wartungshandbücher und sonstiger technischer Anleitungen erstrecken, die für den künftigen Auftragnehmer und damit Mieter des von den Auftraggebern zur Verfügung gestellten Fahrzeugkontingentes zur Durchsetzung von Gewährleistungsansprüchen gegen den Hersteller und zurÜberprüfung von Art und Maß der vom Hersteller durchgeführten und veranlassten Wartung und Instandhaltung erforderlich sind. Die Offenlegung darf in Ansehung der von den Auftraggebern mit dem streitbefangenen Mietvertrag vorgesehenen Risikoübertragung auf den künftigen Mieter nur versagt werden, soweit Preise, Nachlässe und Zahlungsmodalitäten oder aber sonstige Betriebsgeheimnisse des Herstellers betroffen sind, die zur Durchsetzung von Gewährleistungs- oder Haftungsansprüchen des künftigen Auftragnehmers und Mieters gegenüber dem Hersteller nicht von Bedeutung sind.

61

Die Antragstellerin wird dadurch in die Lage versetzt, ohne ungewöhnliches Wagnis zu kalkulieren und zu entscheiden, ob sie sich an der streitbefangenen Ausschreibung mit einem eigenen Angebot beteiligt oder nicht. Dagegen war der Nachprüfungsantrag sowohl hinsichtlich des Hauptantrages zu 1, der auf Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens gerichtet ist, sowie mit ihren hilfsweise gestellten Anträgen zu 2 a - e, die darauf gerichtet sind, den Auftraggebern zu versagen, den Bietern vorzuschreiben, das benötigte Fahrzeugkontingent bei der xxx anzumieten, die anzumietenden Fahrzeuge von der Firma xxx warten und in Stand halten zu lassen, die Wartungen in der Werkstatt der xxx am Standort xxx durchführen zu lassen und die eingeforderte Tariftreueerklärung abzugeben, als unbegründet zurückzuweisen. Auch im Übrigen ist das Vergabeverfahren vergaberechtlich nicht zu beanstanden.

62

III. Kosten

63

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungs- gesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

64

Es wird die gesetzliche Höchstgebühr in Höhe von 25.000 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

65

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach der übereinstimmenden Schätzung der Beteiligten ca. 100 Mio. EUR über die gesamte achtjährige Vertragslaufzeit. Konkrete Angebote liegen im derzeitigen Stadium des Vergabeverfahrens noch nicht vor.

66

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 100 Mio. EUR ergibt sich die Höchstgebühr von 25.000,-- EUR. Eine Reduzierung des Gegenstandswertes entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 3 VgV durch Ansatz von lediglich 48 Monaten kam nicht in Betracht, da der streitbefangene Auftrag weder unbefristet noch vom Ende her unabsehbar ist ( vgl.BayObLG, Beschluss vom 09.10.2003, Az.: Verg 8/03). Er wurde vielmehr verbindlich für die Laufzeit von 8 Jahren ausgeschrieben.

67

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten durch die Zeugenvernehmung in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.

68

Die in Ziffer 2 des Tenors verfügte Aufteilung der Kosten auf die Antragstellerin und den Auftraggeber folgt aus § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Verfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Hier war zu berücksichtigen, dass der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin nur zum geringeren Teil begründet war und diese nur durch die nicht ausreichende Offenlegung der Vertragswerke über die Beschaffung der Fahrzeuge und der Wartungs- und Instandsetzungsdienstleistungen in ihren Rechten im Sinne des § 97 Abs. 7 verletzt ist. Dagegen hatte die Antragstellerin mit ihrem Nachprüfungsantrag sowohl hinsichtlich ihres Hauptantrages zu 1, der auf Aufhebung des streitbefangenen Vergabeverfahrens gerichtet ist, als auch mit ihren hilfsweise gestellten Anträgen zu 2 a - e, die darauf gerichtet sind, den Auftraggebern zu untersagen, den Bietern vorzuschreiben, dass für die ausgeschriebenen SPNV-Dienstleistungen benötigte Fahrzeugkontingent bei der xxx anzumieten, die anzumietenden Fahrzeuge von der Firma xxx warten und in Stand halten zu lassen, die Wartungen in der Werkstatt der xxx am Standort xxx durchführen zu lassen und die eingeforderte Tariftreueerklärung abzugeben, im Ergebnis keinen Erfolg. Die anteilige Kostentragungspflicht entspricht daher dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens im Nachprüfungsverfahren (vgl. Beschluss des OLG Celle vom 06.06.2003, Az.: 13 Verg 5/03).

69

Gemäß § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war auf Antrag der Antragstellerin gem. Ziffer 4 des Tenors auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Das folgt daraus, dass die Antragstellerin ungeachtet der Tatsache, dass das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, gleichwohl wegen der Komplexität des Vergaberechts und des das Nachprüfungsverfahren regelnden Verfahrensrechts einerseits sowie auch der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltlicher Beratung und Begleitung bedurfte.

70

Der Kostenanspruch ist wegen des überwiegenden Unterliegens der Antragstellerin jedoch auf 1/3 zu begrenzen.

71

Die anteilige Erstattungspflicht der Antragstellerin bezüglich der Kosten der Auftraggeber, die diesen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind, folgt aus § 128 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 VwVfG. Danach war festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes auch für die Auftraggeber im konkreten Verfahren erforderlich war. Auch wenn man von öffentlichen Auftraggebern grundsätzlich verlangen darf, dass sie über das notwendige personelle Know-how bezüglich der für eine Ausschreibung erforderlichen Rechtsgrundlagen, insbesondere der VOL/A und der VOB/A verfügen, bedurften sie für eine angemessene Reaktion in der auch für einen erfahrenen öffentlichen Auftraggeber ungewohnten Situation eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens besonderen rechtskundigen Beistandes.

72

Nach den zu § 80 VwVfG geltenden Grundsätzen ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes dann notwendig, wenn sie vom Standpunkt eines verständigen Beteiligten für erforderlich gehalten werden durfte (BVerwGE 55, 299, 306). Dies ist nach der herrschenden Lehre nicht nur in schwierigen und umfangreichen Verfahren zu bejahen, sondern entspricht der Regel (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl., § 80, Rdn. 45; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 5. Aufl., § 80, Rdn. 81). Dieser Grundsatz soll allerdings nur im Verhältnis des Bürgers zum Staat gelten. Zu Gunsten der Ausgangsbehörde im Verwaltungsverfahren wird demgegenüber die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Bevollmächtigten nur in besonders gelagerten Einzelfällen angenommen, da die Ausgangsbehörde in der Regel mit eigenem Fachpersonal so gut ausgestattet sein muss, dass sie ihre Verwaltungstätigkeit, zu der auch die Mitwirkung im Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) gehört, ohne fremde Unterstützung ausführen kann. Diese für die Situation der Ausgangsbehörde in einem Widerspruchsverfahren zutreffende Auffassung kann jedoch nicht auf das vergaberechtliche Nachprüfungsverfahrenübertragen werden. Schon beim materiellen Vergaberecht handelt es sich um eine überdurchschnittlich komplizierte Materie, die nicht nur in kurzer Zeit zahlreiche Veränderungen und Neuregelungen erfahren hat, sondern auch durch komplexe gemeinschaftsrechtliche Fragen überlagert ist. Entscheidend aber ist, dass das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich ausgebildet ist, die Beteiligten also auch prozessuale Kenntnisse haben müssen, um ihre Rechte umfassend zu wahren. Deshalb ist im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren die nach § 80 VwVfG gebotene Rechtspraxis zur Erstattung der Rechtsanwaltskosten nicht übertragbar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09.11.2001, Az.: Verg 1/01; OLG Stuttgart, Beschluss v. 19.07.2000, 2 Verg 4/00, NZBau 11/2000, S. 543 ff.). Denn durch seinen Charakter als gerichtsähnlich ausgestaltetes Verfahren unterscheidet sich das Vergabenachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eben grundlegend von dem Widerspruchsverfahren nach der VwGO.

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Die Auftraggeber werden aufgefordert, den Betrag von8.333,-- EURO unter Angabe des Kassenzeichens

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xxxxxauf folgendes Konto zu überweisen:

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NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto 1900151012.Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von16.666,-- EURO unter Angabe des Kassenzeichens

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xxxxxauf folgendes Konto zu überweisen:

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Gause
Peter
Lohmöller