Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 03.12.2004, Az.: 203-VgK-52/2004

Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens auf Grund der Angabe einer Nachprüfungsbehörde bei EU-weiter Ausschreibung; Zeitliche Grenze einer unverzüglichen Rüge; Ausschluss von Änderungsvorschlägen und Nebenangeboten vom Vergabeverfahren; Umfang der Selbstbindung an die Verdingungsunterlagen; Berücksichtigung der Durchführung eines Aufklärungsgesprächs

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
03.12.2004
Aktenzeichen
203-VgK-52/2004
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 33783
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

VOB-Vergabeverfahren der Stadt xxx, Klinikum xxx, Haus G und Magistrale - Außenanlagen

Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
die Vorsitzende ORR'in Dr. Raab,
den hauptamtlichen Beisitzer BAR Peter und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Dierks
ohne mündliche Verhandlung
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2.669,91 EUR festgesetzt.

  4. 4.

    Die Antragstellerin hat der Beigeladenen die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten zu erstatten. Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes war für die Beigeladene notwendig.

Gründe

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit MU-Vergabebekanntmachung die Herrichtung der Außenanlagen für das Haus G des Klinikums xxx europaweit im offenen Verfahren als Bauleistung gemäß VOB/A ausgeschrieben. Dem diesbezüglichen Schreiben der Auftraggeberin an das Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften (die eigentliche Vergabebekanntmachung ist in der Vergabeakte der Auftraggeberin nicht enthalten) war zu entnehmen, dass Nebenangebote / Alternativvorschläge zugelassen waren. Die Zuschlagskriterien sollten den Verdingungsunterlagen der Auftraggeberin entnommen werden. Als Schlusstermin für den Eingang der Angebote war der 06.07.2004, 10.00 Uhr, genannt.

2

Den Verdingungsunterlagen der Auftraggeberin war das Formblatt "Angebotsschreiben" EVM (B) Ang beigefügt. Auf Seite 3 des Angebotsschreibens unter der lfd. Nr. 9.2 war von den Bietern die Anzahl der vorgelegten Nebenangebote / Änderungsvorschläge einzutragen. Unter lfd. Nr. 11 des Angebotsschreibens befindet sich unter der Unterschriftenzeile für die Bieter der folgende Zusatz:

"Wird das Angebotsschreiben an dieser Stelle nicht unterschrieben, gilt das Angebot als nicht abgegeben. Nebenangebote und Preisnachlässe, die im Angebotsschreiben nicht aufgelistet sind, werden nicht gewertet."

3

Bis zum Schlusstermin für die Angebotsabgabe wurden die Verdingungsunterlagen von 16 Unternehmen abgefordert, 6 Unternehmen unterbreiteten der Auftraggeberin ihre Angebote. Gemäß der Niederschrift über die Angebotseröffnung vom 06.07.2004 hatte die Antragstellerin ein Haupt- und ein Nebenangebot vorgelegt. In der Spalte "Anmerkungen" der Niederschrift ist handschriftlich vermerkt:

"3,5 % Rabatt, ein Nebenangebot Wertung prüfen, da unter Punkt 9 nicht eingetragen."

4

In Bezug auf die rechnerisch geprüften Endsummen der Hauptangebote belegte die Beigeladene mit 733.750,69 EUR Platz 1 vor dem Angebot der Antragstellerin auf Platz 2 mit 775.252,05 EUR.

5

Das Nebenangebot hatte die Antragstellerin der Auftraggeberin auf dem Anschreiben zum Hauptangebot unterbreitet, jedoch nicht an der dafür vorgesehenen Stelle in dem Formblatt "Angebotsschreiben" eingetragen. Das Nebenangebot sah vor, die Deckschichten in der Tiefgarage in Verbundpflaster anstatt in Asphalt auszuführen. Das Nebenangebot wurde in der Folge von dem von der Auftraggeberin beauftragten Projektsteuerungsbüro auf die technische Gleichwertigkeit geprüft und abschließend als technisch gleichwertig eingestuft. Das diesbezügliche Schreiben des Projektsteuerungsbüros datiert vom 04.08.2004 und schließt mit der Empfehlung, den Auftrag auf das Nebenangebot der Antragstellerin mit einer Angebotsendsumme von 708.726,53 EUR (brutto) zu erteilen.

6

Da offensichtlich schon bei der Angebotsöffnung Zweifel an der Wertbarkeit des Nebenangebotes bestanden (siehe oben), wurde das Nebenangebot in der Folge dem Rechtsamt der Auftraggeberin zur Bewertung vorgelegt. Der 11/2-seitige Vermerk des Rechtsamtes datiert vom 13.09.2004. Das Rechtsamt der Auftraggeberin führt darin aus, dass die Antragstellerin es zwar versäumt habe, ihr Nebenangebot im EVM Angebotsschreiben unter Punkt 9.2 einzutragen, jedoch sei das Nebenangebot in der Submissionsverhandlung als solches erkannt und in die Niederschrift mit dem Hinweis "Prüfen, da unter Punkt 9 nicht genannt" aufgenommen worden. Es sei von daher zu prüfen, ob das Nebenangebot gewertet werden dürfe. Nach § 21 Nr. 3 VOB/A sei die Anzahl der vorgelegten Nebenangebote an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen. Diese Vorschrift der VOB sei als "Muss-Bestimmung" ausgestaltet. Hierbei handele es sich jedoch nach allgemeiner Auffassung wie auch nach der Intention des Deutschen Vergabe- und Vertragsausschusses (DVA) lediglich um eine Ordnungsvorschrift, deren Verletzung nicht zur Unwirksamkeit der Erklärung führe. Da § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A Ermessen dahingehend eröffne, ob Angebote von Bietern, die nicht dem § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A entsprächen, ausgeschlossen werden können, sei erkennbar, dass es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift handele. Gegen die Ausübung des Ermessens spräche im vorliegenden Fall allerdings, dass sich die Auftraggeberin mit dem Verfahren, diejenigen Nebenangebote, die nicht in dem EVM Angebotsschreiben aufgelistet seien, auszuschließen, bereits festgelegt habe. Hieraus resultiere eine eindeutige Selbstbindung der Auftraggeberin mit der Folge, dass auch bei ersichtlich erkennbarem Vorliegen eines Nebenangebotes dieses nicht zu werten sei, wenn die Kennzeichnung unter Punkt 9.2 fehle. Das Nebenangebot sei damit im Ergebnis von der Angebotswertung auszuschließen. Damit komme man auch nicht mehr zu der Prüfung der Frage, inwieweit das von der Antragstellerin abgegebene Nebenangebot als gleichwertig gegenüber dem Hauptangebot der Beigeladenen anzusehen sei.

7

Mit Vergabebenachrichtigung gem. § 13 VgV vom 25.10.2004 (Eingang bei der Antragstellerin nicht dokumentiert) informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden solle. Es sei beabsichtigt, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Auf das Angebot der Antragstellerin könne der Zuschlag nicht erteilt werden, weil sie nicht das wirtschaftlichste Angebot gem. § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A abgegeben habe und das vorgelegte Nebenangebot nicht gewertet werden konnte.

8

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 01.11.2004 (Eingang bei der Auftraggeberin nicht dokumentiert) rügte die Antragstellerin erstmalig die beabsichtigte Vergabeentscheidung. Die Antragstellerin rügte, dass die Auftraggeberin ihr nicht mitgeteilt habe, weshalb ihr Nebenangebot nicht gewertet worden sei. Sie sei insoweit auf Mutmaßungen angewiesen. Mit Schriftsatz vom 03.11.2004 ergänzte die Antragstellerin ihren Rügeschriftsatz. Ein Grund, weshalb die Wertung ihres Nebenangebotes unterblieben sei, sei nicht ersichtlich. Vorsorglich merkte die Antragstellerin an, dass etwa zu verzeichnende Verstöße gegen § 21 Nr. 3 VOB/A nicht zwingend zu einem Wertungsausschluss führen würden. Das Nebenangebot der Antragstellerin sei dem Angebot vom 05.07.2004 beigefügt und als solches klar identifizierbar gewesen. Abschließend setzte die Antragstellerin der Auftraggeberin eine Frist zur Stellungnahme bis zum 04.11.2004.

9

Mit Datum vom 04.11.2004 bestätigte die Auftraggeberin den Eingang des Rügeschreibens der Antragstellerin vom 03.11.2004 und teilte ihr mit, dass sie dieses Schreiben an ihre Rechtsabteilung weitergeleitet habe.

10

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 05.11.2004 beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfverfahrens. Das Informationsschreiben gem. § 13 VgV der Auftraggeberin enthalte keine Begründung, weshalb das Nebenangebot der Antragstellerin nicht gewertet werden könne. Schon allein diese Tatsache verletze die Antragstellerin in ihrem Recht auf Durchführung eines ordnungsgemäßen Vergabeverfahrens. Die Antragstellerin sei auf Mutmaßungen über den Grund der Nichtberücksichtigung ihres Nebenangebotes angewiesen. Gemäß Informationsschreiben der Auftraggeberin solle der Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen erteilt werden, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe. Dem sei jedoch nicht so. Das Angebot der Beigeladenen sei auf dem Submissionstermin am 06.07.2004 mit einer Angebotssumme von 733.750,69 EUR verlesen worden. Bei Berücksichtigung ihres Nebenangebotes und des Weiteren angebotenen Nachlasses von 3,5 % habe jedoch die Antragstellerin mit einer Angebotssumme von 707.015,52 EUR das günstigste Angebot unterbreitet. Auf dieses Angebot sei dementsprechend der Zuschlag zu erteilen.

11

Nach Erhalt des Vergabevermerks des Rechtsamtes der Auftraggeberin vom 13.09.2004 trägt die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 16.11.2004 ergänzend vor. Die Auftraggeberin sei unzutreffender Weise der Ansicht, sich selbst dahingehend gebunden zu haben, Nebenangebote und Preisnachlässe, die im Angebotsschreiben nicht aufgelistet seien, nicht werten zu können. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A könnten Angebote von Bietern, die dem § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A nicht entsprächen, ausgeschlossen werden. Hierbei handele es sich um Angebote, die nicht auf besonderer Anlage gemacht oder deutlich gekennzeichnet seien. Da es sich bei dem § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A um eine Ermessensvorschrift handele, werde deutlich, dass es sich bei der Vorschrift des § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A lediglich um eine bloße Ordnungsvorschrift handele. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 21 VOB/A sei das eindeutige Erkennen von Nebenangeboten im Eröffnungstermin, um nachträgliche Manipulationen zu verhindern. Unstreitig sei das Nebenangebot der Antragstellerin im Submissionstermin von der Auftraggeberin auch erkannt und im Protokoll mit dem Hinweis "Prüfen, da unter Punkt 9 nicht genannt" vermerkt worden. Mithin sei die behauptete Selbstbindung der Auftraggeberin mit der Begründung der fehlenden Kennzeichnung unter Punkt 9.2 widersprüchlich zu den eigenen Bewerbungsbedingungen und dem Sinn und Zweck der Regelung des § 21 VOB/A. Dieser Widerspruch müsse zur Zulassung des Nebenangebotes der Antragstellerin führen. Auch habe die VOB/A bei einem Verstoß gegen die Formvorschrift des § 21 Nr. 3, Satz 1 VOB/A gerade nicht die Möglichkeit des Ausschlusses von der Wertung nach § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A vorgesehen. Der Zuschlag sei somit auf das im Submissionstermin von der Auftraggeberin erkannte und verlesene Nebenangebot der Antragstellerin zu erteilen.

12

Mit Schriftsatz vom 17.11.2004 trägt die Antragstellerin ergänzend vor, dass am 29.07.2004 ein Aufklärungsgespräch gem. § 24 VOB/A zwischen der Antragstellerin und der Auftraggeberin stattgefunden habe. In diesem Gespräch und in dem diesbezüglichen Schriftverkehr sei es nicht um die Frage der Wertung des Nebenangebotes, sondern ausschließlich um die Gleichwertigkeit des Nebenangebotes gegangen. Bekanntlich sei Voraussetzung für ein Aufklärungsgespräch über ein Nebenangebot nach § 24 VOB/A, dass das Nebenangebot nicht bereits von der Angebotswertung ausgeschlossen wurde. Nach alledem habe die Antragstellerin darauf vertrauen dürfen, dass das Nebenangebot gewertet und nicht ausgeschlossen werden würde.

13

Die Antragstellerin beantragt,

festzustellen, dass die Antragstellerin durch die unterbliebene Wertung ihres Nebenangebotes vom 05.07.2004 in dem Vergabeverfahren der Stadt xxx, Klinikum xxx, Haus G und Magistrale - Außenanlagen - in ihren Rechten verletzt ist und die Antragstellerin zu verpflichten, das Nebenangebot der Antragstellerin vom 05.07.2004 zu werten und das Vergabeverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer ordnungsgemäß zu Ende zu führen.

14

Die Auftraggeberin beantragt,

im Rahmen des Nachprüfverfahrens die Einwendungen der Antragstellerin abzuweisen.

15

Die Auftraggeberin nimmt nicht gesondert Stellung, sondern verweist in ihrem Anschreiben zur Übersendung der Akten an die Vergabekammer auf die Stellungnahme ihres Rechtsamtes vom 13.09.2004.

16

Die Beigeladene beantragt mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.11.2004,

  1. 1.

    den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen und ihr die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen,

  2. 2.

    festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Beigeladene notwendig und erforderlich war.

17

Der Nachprüfungsantrag sei bereits unzulässig, weil die Antragstellerin den gerügten Verstoß gegen die Vergabevorschriften nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt habe. Die Antragstellerin sei durch Bieterinformation gem. § 13 VgV am 25.10.2004 darauf hingewiesen worden, dass ihr Angebot und insbesondere ihr Nebenangebot nicht gewertet werden könne. Erstmals mit Schreiben vom 03.11.2004 habe die Antragstellerin aber die unterbliebene Wertung des Nebenangebotes gerügt. Das Oberlandesgericht Koblenz beispielsweise gehe bei einfacher Sach- und Rechtslage im Grundsatz insoweit von einer Rügefrist von 1 bis 3 Tagen aus. Im vorliegenden Falle betrage die Frist, innerhalb derer der angebliche Vergabeverstoß gerügt wurde, 8 Tage. Dies sei insbesondere vor dem Hintergrund der hier nicht schwierig zu beurteilenden Sach- und Rechtslage viel zu lang, sodass nicht davon auszugehen sei, dass die Rüge unverzüglich erfolgt sei.

18

Auch sei der formelle Ausschluss des Nebenangebots der Antragstellerin durch die Auftraggeberin vergaberechtlich nicht zu beanstanden. Richtig sei zwar, dass § 25 Nr. 1 Abs. 2 VOB/A ein Ermessen dahingehend eröffne, Angebote von Bietern, die nicht den Formvorschriften des § 21 Nr. 3 Satz 2 VOB/A entsprächen, auszuschließen. Dieses Ermessen sei allerdings im vorliegenden Fall aufgrund der eindeutigen Hinweise im Formblatt EVM (B) Ang (Angebotsschreiben) zu Ziffer 11 in vollem Umfange auf "Null" reduziert. Dieser fett gedruckte Hinweis durch die Auftraggeberin habe vom Bieterkreis nur dahingehend verstanden werden können, dass ein Verstoß gegen die im Angebotsschreiben formulierten Formvorschriften und somit eine unterbliebene Eintragung von Nebenangeboten in der dafür vorgesehenen Stelle im Angebotsschreiben zwingend zum Angebotsausschluss führen würde. Dieses entspräche dem Grundsatz der Transparenz des Vergabeverfahrens und würde bei entsprechendem Verstoß zu einer unmittelbaren Ungleichbehandlung und Diskriminierung anderer Bieter, die auf die zwingenden Folgen einer formell nicht korrekten Angebotsabgabe im Hinblick auf einen zwingenden Angebotsausschluss vertraut haben, hinauslaufen. Dies gelte umso mehr, als dass auch der Bundesgerichtshof zur Wahrung der Grundsätze der Transparenz des Vergabeverfahrens die formellen Kriterien des Vergabeverfahrens sehr in den Vordergrund stellen würde. Der Bundesgerichtshof habe beispielsweise in einem Urteil vom 17.02.1999 festgestellt, dass die Vergabestelle uneingeschränkt an die bekannten Vergabekriterien gebunden sei. Vor dem Hintergrund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung sei die Vorgehensweise der Auftraggeberin hinsichtlich der Behandlung des Nebenangebotes der Antragstellerin nicht zu beanstanden.

19

Im Übrigen sei das Nebenangebot der Antragstellerin auch nicht dem Amtsentwurf der Auftraggeberin gleichwertig. Dies gelte insbesondere in Bezug auf die Wasserabführung, den Schutz gegen Spurenbildung und den Wartungs- und Reparaturaufwand. Die Wertung dieses Nebenangebots müsse deshalb schon aus technischen Gründen unterbleiben.

20

Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, nach Aktenlage, gem. § 112 Abs. 1 Satz 2 GWB zugestimmt. Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Vergabeakte Bezug genommen.

21

II.

Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet. Die Auftraggeberin hat das Nebenangebot der Beigeladenen nach Prüfung gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A zu Recht von der weiteren Wertung ausgeschlossen, weil es entgegen den Vorgaben der Auftraggeberin nicht im Angebotsschreiben aufgelistet war.

22

1.

Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um Bauleistungen im Sinne des § 1 VOB/A und damit um einen Bauauftrag. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des ausgeschriebenen Loses der Baumaßnahme Klinikum der Stadt xxx, Neubau Haus G und Magistrale - Außenanlagen - (Vergabe Nr. 04-0135) zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. Euro noch den Wert von 1 Mio. Euro. Die Auftraggeberin hat das streitbefangene Los jedoch EU-weit ausgeschrieben und als Nachprüfungsbehörde die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg angegeben. Durch diese im Rahmen der EU-weiten Ausschreibung erfolgte Benennung der Vergabekammer als Nachprüfungsbehörde hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung steht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638) [BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]. Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer zugänglich.

23

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin habe ihr preislich auf Rang 1 liegendes Nebenangebot in vergaberechtswidriger Weise bei der Wertung nicht berücksichtigt und beabsichtige, den Zuschlag unter Verstoß gegen § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A nicht auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen.

24

Die Antragstellerin ist auch ihrer Pflicht gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nachgekommen, vor Anrufung der Vergabekammer den behaupteten Verstoß gegen Vergabevorschriften bereits im Vergabeverfahren selbst gegenüber der Auftraggeberin unverzüglich nach positiver Kenntnisnahme zu rügen. Die Auftraggeberin hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 25.10.2004, eingegangen bei der Antragstellerin frühestens am 26.10.2004, gem. § 13 VgV darüber informiert, dass beabsichtigt wäre, am 09.11.2004 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen und ausgeführt, dass die Antragstellerin nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hätte und ihr Nebenangebot nicht gewertet werden könnte. Mit Schreiben vom 01.11.2004 (Fax), Eingang bei der Auftraggeberin ungeklärt, und Schreiben vom 03.11.2004 (Fax), eingegangen bei der Auftraggeberin am 03.11.2004, hat die Antragstellerin die Vergabeentscheidung und den Ausschluss ihres Nebenangebotes gegenüber der Auftraggeberin gerügt. Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis eines Mangels im Sinne von § 107 Abs. 3 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Antragstellerin hat frühestens am 26.10.2004 die Information der Auftraggeberin erhalten, dass ihr Nebenangebot nicht berücksichtigt worden sei. Die höchstens 8 Tage später, möglicherweise aber schon 6 Tage später, entweder bereits am 01.11.2004 oder jedenfalls am 03.11.2004 bei der Auftraggeberin eingegangene Rüge erfolgte noch deutlich vor Ablauf der von der Rechtsprechung maximal zugestandenen Rügefrist von 14 Tagen. Die Vergabekammer wertet die Rüge im vorliegenden Fall als noch unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB.

25

2.

Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Die Antragstellerin ist nicht in ihren Rechten gem. § 97 Abs. 7 GWB verletzt. Die Auftraggeberin hat sich mit dem Nebenangebot der Antragstellerin wie auch der anderen Bieter in einer den Anforderungen der §§ 21 Nr. 3, 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A genügenden Weise auseinander gesetzt und den Ausschluss auch in einem den Anforderungen des § 30 Abs. 1 VOB/A genügenden Vergabevermerk dokumentiert. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Auftraggeberin eine Selbstbindung angenommen und entsprechend ein Ermessen zur Frage der Berücksichtigung des strittigen Nebenangebotes verneint hat.

26

Die Auftraggeberin hatte auf Seite 3 ihres Formulars mit der Bezeichnung "EVM (B) Ang (Angebotsschreiben)" in Fettdruck niedergelegt:

"Nebenangebote und Preisnachlässe, die nicht im Angebotsschreiben aufgeführt sind, werden nicht gewertet."

27

Gemäß § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A sind Änderungsvorschläge und Nebenangebote auszuschließen, wenn der Auftraggeber in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen erklärt, dass er diese nicht zulässt. Dieser Ausschlussgrund gilt auch dafür, dass der Auftraggeber weitere besondere Kriterien für den Ausschluss oder die Zulassung von Nebenangeboten in den Verdingungsunterlagen ausdrücklich niedergelegt hat (vgl. Prieß in Motzke/Pietzcker/Prieß,

28

Beck'scher VOB-Kommentar, VOB/A, § 21 Rn. 53). § 21 Nr. 3 Satz 1 VOB/A, nach dem die Anzahl von Nebenangeboten an einer vom Auftraggeber in den Verdingungsunterlagen bezeichneten Stelle aufzuführen ist, ist zwar trotz der Formulierung als nicht zwingende formale Ordnungsvorschrift und nicht zwingende Ausschlussregelung zu lesen. Schon danach wird es allerdings im Regelfall zum Ausschluss kommen, da die Vorschrift letztlich sowohl den Interessen des Auftraggebers als auch denen der Konkurrenzbieter zu dienen bestimmt ist. Die Auftraggeberin hat aber in ihrem Formular "EVM (B) Ang" auf Seite 3 sogar unmissverständlich in Fettdruck festgelegt, dass Nebenangebote und Preisnachlässe, die in diesem Angebotsschreiben nicht aufgelistet sind, nicht gewertet werden. Mit dieser eindeutigen Aussage hat sie sich in ihrer Ermessensausübung selbst gebunden, und muss sich, wie sie in ihrem Vergabevermerk vom 13.09.2004 zutreffend ausgeführt hat, gegenüber allen Beteiligten daran halten. Es kommt nicht mehr darauf an, ob etwa eine Manipulationsgefahr überhaupt bestehen kann, weil das strittige Nebenangebot in dem dem Hauptangebot beigefügten Anschreiben aufgeführt war und es im Submissionstermin genannt wurde. Unerheblich ist danach auch, dass die Auftraggeberin mit der Antragstellerin noch ein Aufklärungsgespräch gem. § 24 VOB/A zur Frage der Gleichwertigkeit des strittigen Nebenangebots durchgeführt hat. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist es nicht Voraussetzung für ein Aufklärungsgespräch, dass ein Nebenangebot zugelassen wird. Vielmehr trägt ein Aufklärungsgespräch häufig gerade zur Klärung der Frage bei, ob ein Ausschluss erfolgt oder nicht. Auch kann der zwingende Ausschlussgrund - u.a. im Interesse des Konkurrenzbieters - nicht deshalb entfallen, weil der Auftraggeber ein Aufklärungsgespräch durchführt. Ein Aufklärungsgespräch vermag den Auftraggeber nicht von seinen eigenen zwingenden Vorgaben zu entbinden. Unzulässig und eine Verletzung der rechtlichen Interessen der Beigeladenen wäre es gewesen, wenn die Auftraggeberin das Nebenangebot entgegen ihren eigenen Vorgaben berücksichtigt hätte. Wegen der Formstrenge des Vergabeverfahrens und des Grundsatzes der Transparenz muss der erklärte Wille des Auftraggebers zu den Anforderungen an ein Nebenangebot maßgeblich sein.

29

Die Auftraggeberin hat demnach das Nebenangebot der Antragstellerin zu Recht gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOB/A von der Wertung ausgeschlossen, weil das Nebenangebot nicht im Formular "EVM (B) Ang" aufgelistet war.

30

Auch im Übrigen ist die in der Vergabeakte dokumentierte Angebotswertung nicht zu beanstanden. Die Auftraggeberin hat zu Recht entschieden, den Zuschlag auf das preislich niedrigste Hauptangebot der Beigeladenen mit einer Gesamtauftragssumme von 733.750,69 EUR brutto zu erteilen. Der Nachprüfungsantrag war daher als unbegründet zurückzuweisen.

31

III. Kosten

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992 ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, sodass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.

33

Es wird eine Gebühr in Höhe von 2.669,91 EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.

34

Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 610.971,15 EUR (netto). Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Nebenangebot der Antragstellerin für das streitbefangene Los und damit ihrem Interesse am Auftrag.

35

Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 610.971,15 EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2.669,91 EUR.

36

Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten durch Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.

37

Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs.3 Satz 1 GWB unterlegen ist.

38

Kosten der Beigeladenen:

39

Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Erstattungsfähigkeit der Kosten der Beigeladenen folgt aus analoger Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO. Dort ist für das verwaltungsgerichtliche Verfahren geregelt, dass die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nur erstattungsfähig sind, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Die analoge Anwendung dieser Vorschrift zu Gunsten eines obsiegenden Beigeladenen ist im Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer geboten (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 155, 158; sowie OLG Düsseldorf, Beschluss v. 15.06.2000, Az.: Verg 6/00). Die für eine analoge Anwendung von Vorschriften erforderliche Regelungslücke ergibt sich daraus, dass gem. § 128 Abs. 4 Satz 2 lediglich geregelt wird: "Soweit ein Beteiligter im Verfahren unterliegt, hat er die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Auslagen des Antragsgegners zu tragen. § 80 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und die entsprechenden Vorschriften der Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder gelten entsprechend." Eine daraus folgende Ungleichbehandlung eines Beigeladenen gegenüber den anderen Beteiligten des Nachprüfungsverfahrens wäre jedoch nicht sachgerecht, zumal der Beigeladene schließlich gem. § 109 GWB deshalb den Beteiligten-Status erhält, weil "dessen Interessen durch die Entscheidung schwerwiegend berührt werden".

40

Einerseits darf daher zwar für den Antragsteller durch (mögliche) Beiladungen kein unkalkulierbares und damit abschreckendes Kostenrisiko entstehen. Andererseits dürfen aber auch Kosten des Beigeladenen nicht zu einer Waffenungleichheit zu seinen Lasten führen (vgl. Byok/Jaeger, Vergaberecht, § 128, Rdnr. 1034).

41

Unter Berücksichtigung dieser sachgerechten Grundsätze entspricht es im vorliegenden Fall der Billigkeit i.S.d. hier analog anzuwendenden § 162 Abs. 3 VwGO, dass die unterlegene Antragstellerin die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Nachprüfungsverfahren erforderlichen Aufwendungen der Beigeladenen, zu denen auch die Kosten einer in einem derartig komplexen, nicht nur materielles Vergaberecht, sondern auch prozessuale Rechtsfragen berührenden Verfahren ohne weiteres erforderlichen Hinzuziehung eines Rechtsanwalts gehören, zu tragen hat.

42

Die Auftraggeberin war nicht anwaltlich vertreten und hat keinen Kostenantrag gestellt.

43

Die Antragstellerin wird aufgefordert, innerhalb einer Frist von einem Monat nach Rechtskraft dieses Beschlusses den Betrag von 2.669,91 EUR unter Angabe des Kassenzeichens

44

xxx

auf folgendes Konto zu überweisen:

45

NORD/LB (BLZ 250 500 00) Konto xxx

Dr. Raab,
Peter,
Dierks