Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 25.06.2004, Az.: 203-VgK-19/2004
Ausschreibung eines Monitoring für den Neubau des Teilbereichs eines Klinikums; Zulässigkeit eines Nachprüfungsverfahrens; Verletzung von Rechten des Bieters durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften; Formale Anforderungen an eine Rüge im Rahmen eines Vergabeverfahrens; Ausschöpfung der von der Rechtsprechung maximal zugestandenen Rügefrist
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 25.06.2004
- Aktenzeichen
- 203-VgK-19/2004
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 33911
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 107 Abs. 3 S. 1 GWB
- § 1 VOB/A
- § 3a VOB/A
- § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A
- § 13 VgV
Verfahrensgegenstand
Vergabeverfahren Klinikum der Stadt ...
hier: Haus G, Monitoring (Vergabe-Nr. ...)
In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden RD Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin BOAR'in Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Verwaltungswirt Bullerdiek
auf die mündliche Verhandlung vom 17.06.2004
beschlossen:
Tenor:
- 1.
Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
- 3.
Die Kosten werden auf 2.540,-- EUR festgesetzt.
Begründung
I.
Die Auftraggeberin hat mit Datum vom 13.01.2004 das Los Monitoring für den Neubau des Hauses G und Magistrale des Klinikums der Stadt ... im offenen Verfahren europaweit ausgeschrieben, nachdem sie mit Schreiben vom 04.10.2003 vorab über dieses Verfahren informiert hatte. Parallel dazu hatte sie in einem gesonderten Vergabeverfahren das Monitoring für die zentrale Notfallaufnahme ausgeschrieben. Der Bekanntmachung war zu entnehmen, dass eine Unterteilung der zu erbringenden Leistungen in Lose nicht vorgesehen ist.
Hinsichtlich der Zuschlagskriterien war in der Bekanntmachung auf die Verdingungsunterlagen verwiesen worden. Danach sollte der Zuschlag auf das wirtschaftlich günstigste Haupt- bzw. Nebenangebot erteilt werden und zwar nach den Kriterien:
Preis, Ausführungsfristen, Qualität, Funktionalität, technischer Wert, Konstruktion, Folgekosten, Betriebskosten, Wartung.
Nebenangebote/Alternativvorschläge waren ausdrücklich zugelassen. Die Bieter wurden darauf hingewiesen, dass seitens der Auftraggeberin erwartet wird, dass die Bieter für beide Ausschreibungen (Neubau Haus G und Zentrale Notfallaufnahme) ein Angebot abgeben.
Bei der Verdingungsverhandlung am 19.02.2004 ergab sich, dass dem Verhandlungsleiter zum Eröffnungstermin fünf Angebote vorlagen. Es wurde festgehalten, dass eine Firma, die nicht beigeladen ist, da ihr Angebot von der weiteren Wertung ausgeschlossen worden ist, mit einer ungeprüften Angebotssumme von 158.873,60 EUR das preisgünstigste Angebot abgegeben hatte. Die Antragstellerin bot die Leistungen für ungeprüfte 207.672,22 EUR an. Die Beigeladene bot die Leistungen für ungeprüfte 227.252,40 EUR an. Ferner hatte sie noch ein Nebenangebot eingereicht.
Einer undatierten Zusammenstellung der Preise in einem Preisspiegel der beauftragten Architekten ist zu entnehmen, dass das Angebot der Antragstellerin vollständig ist und mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 205.826,71 EUR an zweiter Stelle liegt. Zum Angebot der Beigeladenen wurde vermerkt, dass auch dieses vollständig ist und mit einer geprüften Angebotssumme in Höhe von 227.252,35 EUR an dritter Stelle liegt.
Sodann befindet sich in der Vergabeakte eine Mitteilung der Beigeladenen vom 18.03.2004, in der sie erklärt, dass ihr ein bedeutender Schreibfehler unterlaufen sei. Sie habe traditionell bei den Vertragsbedingungen und Gewährleistungen die VOL angewandt. Sie würde auch für diese Ausschreibung die Vertragsbedingungen der VOB akzeptieren.
Ferner erklärte sie, dass sie unter der Position "Netzwerk-Installation" alle Funktionalitäten, die zur einwandfreien Nutzung der Gesamtanlage notwendig sind, bzw. alle von ihr gelieferten und installierten Komponenten, die den Betrieb der Anlage garantieren, verstehe.
Einem mit Datum vom 19.03.2004 von den beauftragten Architekten verfassten Vergabevermerk ist hinsichtlich des Preisspiegels zu entnehmen, dass die Rangfolge der Bieter ohne Wertung der Nebenangebote ermittelt wurde. Es wurde auch festgehalten, dass ein Angebot ausgeschlossen worden ist, da es zu spät vorgelegt worden war.
Hinsichtlich der Wertung des Angebotes der Antragstellerin wurde vermerkt, dass die von ihr angebotenen Geräte in den Punkten Überwachungszentrale,Überwachungsmonitore und Andockeinheit nicht der Ausschreibung entsprechen. Wörtlich wurde festgehalten:
"Wichtige Parameter, wie EKG und Kapnografie werden nicht erbracht. Das ausgeschriebene Konzept mit portablen Monitoren und Andockeinheiten kann nicht angeboten werden. Auf Grund dieser Nichterfüllung der geforderten technischen Spezifikation wird der Bieter von der weiteren Wertung ausgeschlossen."
Hinsichtlich der Wertung des Angebotes der Beigeladenen wurde festgehalten, dass sie an Stelle des Monitors mit einem Display von 8,4" zum gleichen Einheitspreis einen höherwertigen Monitor mit einem Display von 10,4" bei gleichen Außenabmessungen des Gehäuses angeboten habe. Ferner wurde vermerkt, dass die angebotenen Produkte den gestellten Leistungskriterien entsprechen.
Es wurde auch festgehalten, dass die Beigeladene im Rahmen der Angebotsaufklärung bestätigt habe, dass die Vertragsbedingungen der VOB gelten. Dies beträfe die gesamte Installation und die Gerätekomponenten. Ferner wurde vermerkt, warum das Alternativangebot nicht gewertet werden konnte.
Als Prüfergebnis und Vergabeempfehlung hielten die beauftragten Architekten fest, dass auf Grund der fachlichen Prüfung nur die Angebote der Beigeladenen und eines weiteren Bieters dem ausgeschriebenen Patienten-Monitoringkonzept, bestehend aus portablen Bettmonitoren und fest installierten Andockeinheiten, entsprechen. Die Beigeladene habe das wirtschaftlichste Angebot für die Ausstattung der Intermediate Care abgegeben. Wörtlich wurde ferner festgehalten:
"Die angebotenen Fabrikate entsprechen den gestellten Leistungskriterien. Hinzu kommt, dass bereits in verschiedenen Bereichen des Krankenhauses Geräte dieser Firma eingesetzt werden. Dies sind wesentliche Vorteile, insbesondere hinsichtlich Kompatibilität, Service, Zubehör- und Ersatzteilbevorratung sowie Handhabung durch das Personal."
Die erhebliche Spanne der Angebotspreise zwischen dem Angebot der Beigeladenen und dem Hauptangebot eines weiteren Bieters in Höhe von ~ 20 % wurde damit erklärt, dass diese Differenz im üblichen Rahmen für den Bereich der Medizintechnik läge. Begründet sei dies zum einem mit dem starken Wettbewerb auf dem Markt und zum anderen durch das Einräumen von erheblichen Projektnachlässen.
Der Projektsteuerer schloss sich dem Vorschlag der Architekten mit Datum vom 19.03.2004 an. Er wies nochmals ausdrücklich darauf hin, dass den Bietern in einem mit dem Geschäftsbereich und dem RPA abgestimmten Ergänzungsschreiben zu den Besonderen Vertragsbedingungen mitgeteilt worden war, dass der Bauherr sich vorbehält, vor dem Hintergrund der Wirtschaftlichkeit/Systemgleichheit eine gemeinschaftliche Vergabe für das Haus G und die ZNA vorzunehmen. Die Bieter hatten diesen Umstand bei der Kalkulation zur Kenntnis zu nehmen bzw. zu berücksichtigen und durch Unterschrift zu bestätigen.
Die Verwaltung der Auftraggeberin schlug am 22.03.2004 vor, der Beigeladenen den Auftrag zu erteilen. Diesem Vorschlag stimmte das zuständige Rechnungsprüfungsamt der Auftraggeberin offenbar am 29.03.2004 zu.
Mit Schreiben vom 31.03.2004 (Mittwoch) informierte die Auftraggeberin die Antragstellerin, dass ihr Angebot ausgeschlossen wird, da es nicht den geforderten Leistungsparametern entspricht. Ferner wurde ihr mitgeteilt, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten soll. Laut Antragstellerin ist das Informationsschreiben erst am 05.04.2004 (Montag) bei ihr eingegangen. Mit Telefax vom 08.04.2004, der Vergabekammer vorgelegt am 13.04.2004, beantragte die Antragstellerin die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens. Die Vergabekammer teilte ihr am 13.04.2004 telefonisch mit, dass der Nachprüfungsantrag wegen der fehlenden Rüge nicht zugestellt werden könne, da er offensichtlich unzulässig sei.
Mit Schreiben vom 13.04.2004 rügte die Antragstellerin die Nichtberücksichtigung ihres Angebotes gegenüber der Auftraggeberin. Sie vertritt die Auffassung, dass ihr Angebot am wirtschaftlichsten sei, und hält die Ablehnung für nicht ausreichend begründet. Ferner weist sie darauf hin, dass bei Zuschlagserteilung am 13.04.2004 die 14-Tage-Frist gemäß § 13 VgV nicht eingehalten wäre.
In einem internen Vermerk der Auftraggeberin vom 14.04.2004 wurde festgehalten, dass die Absageschreiben am 31.03.2004 versandt wurden, die Frist am 01.04.2004 zu laufen begann und am 14.04.2004 endete. Im Absageschreiben an die Antragstellerin und eine weitere Bieterin sei als Termin für die Zuschlagserteilung irrtümlich der 13.04.2004 genannt worden. Aus der Tatsache, dass in der Information nach § 13 VgV an zwei andere Bieter der korrekt ermittelte Termin 15.04.2004 eingetragen worden sei, könne man erkennen, dass es sich bei dem genannten Termin 13.04.2004 um ein Versehen handelt.
Die Antragstellerin beantragte ebenfalls mit Schreiben vom 13.04.2004, eingegangen bei der Vergabekammer per Fax am selben Tage, die Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Gleichzeitig zog sie mit gesondertem Telefax vom 13.04.2004 den ursprünglichen Nachprüfungsantrag vom 08.04.2004 zurück. Zur Begründung führt sie aus, dass die Auftraggeberin völlig unsubstantiiert behauptet habe, dass ihr Angebot im Wesentlichen nicht den geforderten Leistungsparametern entsprechen soll.
Im Übrigen verstoße der mitgeteilte Zuschlagstermin gegen § 13 VgV.
Die geplante Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen würde zu einer unangemessenen Benachteiligung führen und stelle auch einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Gerade das Angebot der Beigeladenen erfülle im Gegensatz zu ihrem Angebot nicht die Anforderungen des Leistungsverzeichnisses.
Die Antragstellerin beantragt
- 1.
das Ausschreibungsverfahren aufzuheben, hilfsweise vorläufig einzustellen und ein Zuschlagsverbot auszusprechen bzw. auf das bestehende Zuschlagsverbot hinzuweisen und dessen Einhaltung hinzuwirken,
- 2.
der Antragsgegnerin aufzugeben, das Ausschreibungsverfahren für die Vergabe von Leistungen für Monitoring für den Neubau Haus G des Klinikums der Stadt ..., ..., ..., unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
- 3.
festzustellen, das auch eine Verletzung der Informationspflicht gemäß § 13 VgV vorliegt, weil im Informationsschreiben nicht konkret erläutert wurde, warum das Angebot ausgeschlossen wurde und die angekündigte Wartefrist zu kurz bemessen war,
- 4.
die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Auftraggeberin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Zur Begründung ihrer Rechtsauffassung bezieht sie sich auf die Stellungnahme des von ihr beauftragten Architekturbüros. Dieses erklärt zunächst einmal seine Verwunderung darüber, wie weit die Antragstellerin über das Angebot der Beigeladenen informiert ist. Sodann nimmt das Büro zu den einzelnen Rügepunkten der Antragstellerin Stellung. Die Auftraggeberin vertritt die Auffassung, dass die von der Beigeladenen angebotenen Geräte ihren Leistungskriterien genügen. Sie weist abschließend darauf hin, dass der Auftraggeber mit einer Beauftragung an die Beigeladene Produkte erhalte, die der ausgeschriebenen Leistung in vollem Umfang entsprächen, sie glaube sogar, übersteigen. Ein Mehr an Eignung sei zwar kein Eignungsmerkmal, aber ein zusätzliches Angebotsqualifikationsmerkmal (so OLG Zweibrücken und München).
Die Beigeladene beantragt,
den Nachprüfungsantrag, insbesondere die Anträge zu den Ziffern 1 und 2 abzuweisen.
Zur Begründung ihrer Auffassung führt sie aus, dass die Auftraggeberin zum Ausschluss des Angebotes der Antragstellerin berechtigt gewesen sei, da die Antragstellerin für die Pos. 150.1.30 kein zulässiges Angebot abgegeben habe. Soweit die Antragstellerin unter der Pos. 0030 keine Andock-Einheit, sondern eine Haltung mit Schnellverschluss angeboten habe, habe sie damit in unzulässiger Weise eine Änderung an den Verdingungsunterlagen vorgenommen, die zu einem zwingenden Ausschluss führen würde.
Ihrer Auffassung nach hat die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebotes nicht unverzüglich gerügt. Zur Begründung bezieht sich die Beigeladene auf die Entscheidung des OLG Koblenz, Beschluss vom 18.09.2003 - 1 Verg 4/03 m.w.N. Ferner genüge die Rüge nicht den inhaltlichen Anforderungen des § 107 Abs. 3 GWB. Die Rüge müsse zwar keine detaillierte Bedeutung oder gar rechtliche Würdigung enthalten, sie dürfe andererseits aber auch nicht völlig pauschal und undifferenziert sein oder sich gar auf den bloßen Hinweis beschränken, dass das Vergabeverfahren rechtsfehlerhaft sei. Die Rüge vom 13.04.2004 sei jedoch sehr pauschal, da sie aus dem einzigen Vorwurf bestehe, dass "die Ablehnung nicht ausreichend begründet ist". Der Ausschluss des Angebotes selbst werde also noch nicht einmal gerügt. Insgesamt sei der Antrag unzulässig. Soweit die Antragstellerin die Auffassung vertrete, dass das Angebot der Beigeladenen nicht den Vorgaben der Auftraggeberin entspräche, schließt sie sich inhaltlich den Ausführungen der Auftraggeberin an.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 17.06.2004 verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig. Die Antragstellerin hat den von ihr im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten, vermeintlichen Vergaberechtsverstoß im Hinblick auf den Ausschluss ihres Angebotes vor Anrufung der Vergabekammer nicht unverzüglich gegenüber der Auftraggeberin gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt.
Bei der Auftraggeberin handelt es sich um eine Gebietskörperschaft und damit um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt auch den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um das mit gesondertem Vergabeverfahren unter der Nr. 04-0012 ausgeschriebene Fachlos Monitoring im Rahmen der Baumaßnahme Klinikum der Stadt ..., Neubau Haus G und Magistrale und damit um Leistungen im Rahmen eines Bauauftrages im Sinne des § 1 VOB/A. Für Bauaufträge gilt gem. § 2 Nr. 4 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 5 Mio. Euro. Werden Bauaufträge, wie im vorliegenden Fall, losweise ausgeschrieben, so gilt gem. § 2 Nr. 7 VgV ein Schwellenwert von 1 Mio. Euro oder bei Losen unterhalb 1 Mio. Euro deren addierter Wert ab 20 % des Gesamtwertes aller Lose. Nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung erreicht der Wert des ausgeschriebenen Loses Monitoring Haus G im Rahmen der Baumaßnahme Neubau Haus G zwar weder den Schwellenwert von 5 Mio. Euro noch den Wert von 1 Mio. Euro. Die Auftraggeberin hat das streitbefangene Los jedoch EU-weit im offenen Verfahren gem. § 3 a VOB/A ausgeschrieben. Dadurch hat die Auftraggeberin den rechtlichen Rahmen (§§ 102 ff. GWB) für die Nachprüfung festgelegt. Die Wirkung dieser Festlegung steht in einer Selbstbindung der Auftraggeberin, dass sie das verfahrensgegenständliche Los nicht dem 20%-Kontingent nach § 2 Nr. 7 VgV zuordnet, für welches das Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet wäre (vgl. BayObLG, Beschluss v. 20.08.2001, Az.: Verg 9/01; BGH NJW 1998, S. 3636 ff., 3638 [BGH 08.09.1998 - X ZR 48/97]). Das Vergabeverfahren ist damit einer Nachprüfung durch die Vergabekammer grundsätzlich zugänglich.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, die Auftraggeberin habe ihr Angebot zu Unrecht von der Angebotswertung ausgeschlossen, obwohl die Voraussetzungen für einen Ausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. d VOL/A (die Antragstellerin geht in ihrem Nachprüfungsantrag vom 13.04.2004 offenbar von einem isolierten Dienstleistungs- und Lieferauftrag aus) bzw. § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A nicht vorlägen. Darüber hinaus habe sie, die Antragstellerin, ihrer Auffassung nach das wirtschaftlichste Angebot abgegeben. Die Antragstellerin hat damit ein Rechtsschutzbedürfnis im Sinne des § 107 Abs. 2 GWB dargelegt. Diesbezügliche Anforderungen an die Darlegungslast dürfen nichtüberspannt werden (vgl. Byok/Jaeger, VergabeR, § 107, Rn. 677). Eine über die Schlüssigkeit hinausgehende Darstellung des Rechtsschutzbedürfnisses ist nicht erforderlich. Das tatsächliche Vorliegen der Rechtsverletzung ist vielmehr eine Frage der Begründetheit (vgl. Vergabekammer Südbayern, Beschluss v. 13.12.1999 - Az.: 11/99). Die Antragstellerin hat schlüssig dargelegt, dass sie eine Aussicht auf Erhalt des Zuschlags gehabt hätte, wenn die Auftraggeberin ihr Angebot nicht ausgeschlossen hätte. Es ist nicht erforderlich, dass ein Antragsteller auch schlüssig darlegt, dass er bei vergabekonformem Verhalten der Auftraggeberin den Zuschlag auch tatsächlich erhalten hätte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.04.1999, Az.: 1/99, S. 24).
Die Antragstellerin hat jedoch den von ihr mit Nachprüfungsantrag vom 13.04.2004 geltend gemachten Vergaberechtsverstoß, die Auftraggeberin habe das Angebot der Antragstellerin ausgeschlossen, obwohl die Gründe für einen zwingenden Angebotsausschluss gem. § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A (§ 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A) nicht vorlägen, nicht unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB gerügt. Die Antragstellerin hat mit Informationsschreiben der Auftraggeberin vom 31.03.2004 gem. § 13 VgV die Mitteilung erhalten, dass ihr Angebot ausgeschlossen wird, weil es im Wesentlichen nicht den geforderten Leistungsparametern entspreche. Ferner wurde ihr mitgeteilt, dass beabsichtigte sei, den Zuschlag am 13.04.2004 auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Die Antragstellerin hat in ihrem Antragsschriftsatz mitgeteilt, dass ihr das Informationsschreiben gem. § 13 VgV am 05.04.2004 zugegangen ist. In der mündlichen Verhandlung hat sie dann erklärt, dass ihr dieses Schreiben vermutlich sogar erst am 06.04.2004 zugegangen ist. Die Antragstellerin hat dieses Schreiben nicht mit einem Eingangsvermerk versehen. Der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 17.06.2004 erklärt, dass er am 07.04.2004 von der Antragstellerin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen betraut worden ist. Eine Rüge gegenüber der Auftraggeberin erfolgte zunächst nicht. Mit Anwaltsschriftsatz vom 08.04.2004, übersandt per Fax vorab am gleichen Tage (15.19 Uhr), wandte sich die Antragstellerin vielmehr unmittelbar an die Vergabekammer. Dieses Fax lag der Vergabekammer allerdings erst am 13.04.2004 (Dienstag nach Ostern) vor. Auf den telefonischen Hinweis des Vorsitzenden, dass der Nachprüfungsantrag mangels Rüge offensichtlich unzulässig sei und der Antrag daher gem. §§ 107 Abs. 3 Satz 1, 108 Abs. 2 GWB i.V.m. § 110 Abs. 2 GWB nicht zugestellt werde, holte die Antragstellerin mit Telefax vom 13.04.2004 die Rüge nach und stellte am gleichen Tage, ebenfalls vorab per Telefax, einen erneuten Nachprüfungsantrag. Gleichzeitig zog sie mit gesondertem Telefax vom 13.04.2004 den ursprünglichen Nachprüfungsantrag vom 08.04.2004 zurück. Diese nachgeholte Rüge erfolgte entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht mehr unverzüglich im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB. Die Antragstellerin hatte ungeachtet der Frage, ob sie das Informationsschreiben der Auftraggeberin gem. § 13 VgV bereits am 05.04.2004 oder, wie sie später in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, am 06.04.2004 erhalten hat, nach eigenen Angaben spätestens am 07.04.2004 positive Kenntnis vom vermeintlichen Vergaberechtsverstoß. Dies ergibt sich daraus, dass sie nicht nur wusste, dass ihr Angebot ausgeschlossen wird. Sie hat vielmehr am 07.04.2004 ihren Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt. Spätestens am 08.04.2004 hat sie den Ausschluss ihres Angebots als vergaberechtswidrig bewertet, was wiederum daraus folgt, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin bereits am 08.04.2004 den ersten Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer stellte, ohne zuvor zu rügen. Die Antragstellerin, vertreten durch ihre Verfahrensbevollmächtigte, war somit spätestens am 08.04.2004 in der Lage, den vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin vor Anrufung der Vergabekammer per Telefax oder auch nur telefonisch zu rügen.
Bei der Vorschrift des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB handelt es sich um eine Präklusionsregel unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben. Der Bieter soll Vergabefehler nicht auf Vorrat sammeln. Die Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB entsteht, sobald ein Bieter oder Bewerber im Vergabeverfahren einen vermeintlichen Fehler erkennt. Vorausgesetzt ist die positive Kenntnis des Anbieters von den Tatsachen. Ausreichend für die positive Kenntnis im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB ist bereits das Wissen um einen Sachverhalt, der den Schluss auf die Verletzung vergaberechtlicher Bestimmungen erlaubt und es bei vernünftiger Betrachtung gerechtfertigt erscheinen lässt, das Vergabeverfahren als fehlerhaft zu beanstanden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 22.08.2002, Az.: Verg 9/00). Die Frage, ob eine Rüge noch unverzüglich nach positiver Kenntniserlangung erfolgt, hängt vom Einzelfall ab. Nach der Rechtsprechung muss die Rüge angesichts der kurzen Fristen, die im Vergaberecht allgemein gelten, grundsätzlich binnen 1 - 3 Tagen erfolgen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 18.09.2003, Az.: 1 Verg. 4/03; Bechtold, GWB, § 107, Rn. 2). Eine Rügefrist von zwei Wochen, die in der Rechtsprechung als Obergrenze anerkannt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NZBau 2000, S. 45 ff. [OLG Düsseldorf 13.04.1999 - Verg 1/99]) kann einem Bieterunternehmen allenfalls dann zugestanden werden, wenn eine verständliche Abfassung der Rüge durch eine schwierige Sach- und/oder Rechtslage erschwert wird und die Inanspruchnahme fachkundiger Hilfe erfordert. Die Voraussetzungen für die Ausschöpfung der von der Rechtsprechung maximal zugestandenen Rügefrist liegen im vorliegenden Fall jedoch nicht vor. Da die Antragstellerin offenbar sogar in der Lage war, mit Anwaltsschriftsatz vom 08.04.2004 per Telefax vorzeitig die Vergabekammer anzurufen, war es ihr möglich und zuzumuten, kurz vorher oder wenigstens parallel auch eine entsprechende Rüge an die Auftraggeberin abzusetzen.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass an den Inhalt einer Rüge nur sehr geringe Anforderungen gestellt werden. Weder muss sie ausdrücklich als solche bezeichnet werden, noch ist es erforderlich, mit ihr die verletzte Vergabevorschrift zu benennen. Sie muss aber den vermeintlichen Vergabeverstoß bezeichnen und die Anforderung an die Vergabestelle enthalten, Abhilfe zu schaffen (vgl. Kullack in: Heiermann/Riedl/Rusam, VOB, 10. Auflage, § 107 GWB, Rn. 28, m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Anforderungen an die Substanz des Rügeschreibens nur an dem Umfang der Informationen gemessen werden können, die dem Antragsteller zur Verfügung stehen. Angesichts der Tatsache, dass das Informationsschreiben der Auftraggeberin vom 31.03.2004 zwar den Anforderungen des § 13 VgV entsprach, aber inhaltlich äußerst knapp gehalten war und den Ausschluss des Angebotes der Antragstellers lediglich damit begründete, dass es "im Wesentlichen nicht den geforderten Leistungsparametern entspricht", konnten demgemäß an die Rüge der Antragstellerin inhaltlich auch keine höheren Anforderungen gestellt werden. Dementsprechend ist die nachgeholte und im Ergebnis verspätete Rüge vom 13.04.2004 auch zu Recht knapp gehalten. Sie beschränkt sich darauf, dass die Antragstellerin ihr eigenes Angebot für das wirtschaftlichste hält. Die Ablehnung sei nicht ausreichend begründet. Darüber hinaus würde bei einer Zuschlagserteilung bereits am 13.04.2004 die Wartefrist von 14 Tagen gem. § 13 VgV nicht eingehalten, so dass ein etwaiger Zuschlag nichtig wäre. Diese Rüge genügt den inhaltlichen Anforderungen des § 107 Abs. 3 GWB.
Angesichts des der Rüge zu Grunde liegenden, einfachen und knappen Sachverhalts war auf der anderen Seite jedoch für die Antragstellerin keine besondere Einarbeitung in eine schwierige Sach- und Rechtslage erforderlich. Die Antragstellerin ist auch offensichtlich spätestens am 07.04.2004 und damit zwei Tage nach Erhalt des Informationsschreiben von einer vermeintlichen Vergaberechtsverletzung ausgegangen, da sie an diesem Tag ihren Verfahrensbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hat. Sie war daher bereits am 07.04.2004, spätestens aber am 08.04.2004 in der Lage, die von ihr beanstandete Vergabeentscheidung vor Stellung eines Nachprüfungsantrages gegenüber der Auftraggeberin zu rügen. Selbst wenn man ihr aber trotz des einfach gelagerten Sachverhalts zugesteht, zuvor einen Anwalt zu konsultieren, um die Chancen einer Rüge und ggf. eines Nachprüfungsantrages abzuwägen, war sie resp. ihr Verfahrensbevollmächtigter spätestens am 08.04.2004 in der Lage, per Fax oder telefonisch eine Rüge an die Auftraggeberin abzusetzen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 05.06.2003, Az.: 1 Verg 2/03 = VergabeR 6/2003, S. 719 ff., 722; Beschluss v. 18.11.2003, Az.: 1 Verg 4/03 = VergabeR 6/2003, S. 710 ff.).
Die Antragstellerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie eine Rüge am 08.04.2004 und damit am Donnerstag vor Ostern für eine überflüssige Förmelei gehalten habe, da ihrer Auffassung nach nicht zu erwarten war, dass die Auftraggeberin dieser Rüge selbst abhelfen wird. Dies habe sich für die Antragstellerin daraus ergeben, dass die Auftraggeberin in ihrem Informationsschreiben vom 31.03.2004 mitgeteilt habe, dass der Zuschlag bereits am Dienstag, dem 13.04.2004, erteilt werde. Die Auftraggeberin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass dieses Datum irrtümlich eingetragen worden sei. Vielmehr sei von Anfang an beabsichtigt gewesen, dass der Zuschlag - ebenso wie im Parallelverfahren bezüglich des Monitoring für die Notfallaufnahme - erst am 15.04.2004 und somit ordnungsgemäß nach Ablauf der 14-Tagesfrist gem. § 13 VgV erteilt werden sollte. Aus der Vergabeakte ist ersichtlich, dass den übrigen Bietern auch tatsächlich der korrekte Zuschlagstermin 15.04.2004 mitgeteilt wurde. Im Parallelverfahren ist auch der Antragstellerin unstreitig der beabsichtigte Zuschlagstermin 15.04.2004 mitgeteilt worden. Der aus Sicht der Antragstellerin unmittelbar nach Ostern bevorstehende Zuschlag vermag indessen ein Abweichen von der Rügepflicht des § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht zu rechtfertigen. Diese Sachlage durfte die Antragstellerin allenfalls veranlassen, den Nachprüfungsantrag zeitnah oder auch parallel zur Rüge noch am gleichen Tage zu stellen, ohne der Auftraggeberin noch eine längere Frist für die Selbstabhilfe einzuräumen. Auch unter Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes musste die Antragstellerin daher spätestens am 08.04.2004 und damit zum Zeitpunkt ihres ersten, zwischenzeitig zurückgenommenen Nachprüfungsantrages den von ihr positiv erkannten, vermeintlichen Vergaberechtsverstoß gegenüber der Auftraggeberin wenigstens per Telefax oder auch nur mündlich per Telefon rügen. Selbst wenn die Auftraggeberin in vergaberechtswidriger Weise beabsichtigt hätte, den Zuschlag bereits am Dienstag, dem 13.04.2004, und damit vor Ablauf der 14-Tagesfrist gem. § 13 VgV zu erteilen, wäre sie auf Grund einer rechtzeitigen Rüge am 08.04.2004 in der Lage gewesen, den Vergaberechtsverstoß zu vermeiden. Die Rüge war daher auch im vorliegenden Fall nicht entbehrlich.
Der Nachprüfungsantrag war daher gem. § 107 Abs. 3 Satz 1 GWB als unzulässig zurückzuweisen.
III. Kosten
Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Nach Art. 7 Nr. 5 des 9. Euro - Einführungsgesetzes (BGBl. 58/2001 vom 14.11.2001, S. 2992ff.) vom 10.11.2001 werden die DM-Angaben in § 128 GWB für die von der Vergabekammer festzusetzende Gebühr durch Angaben in Euro im Verhältnis 1 : 2 ersetzt, so dass die regelmäßige Mindestgebühr nunmehr 2.500 Euro, die Höchstgebühr 25.000 Euro bzw., in Ausnahmefällen, 50.000 Euro beträgt.
Es wird eine Gebühr in Höhe von 2540,-- EUR gemäß § 128 Abs. 2 GWB festgesetzt.
Der zu Grunde zu legende Auftragswert beträgt nach dem Ergebnis der streitbefangenen Ausschreibung 205.826,-- EUR. Dieser Betrag entspricht den Kosten nach dem Angebot der Antragstellerin (geprüfte Angebotssumme) und damit ihrem Interesse am Auftrag.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes vom 09.02.1999 in der z. Zt. gültigen Fassung vom 01.01.2003. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000,-- EUR zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 25.000,-- EUR (§ 128 (2) GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. EUR (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996 -1998) gegenübergestellt. Bei einer Ausschreibungssumme von 205.826,-- EUR ergibt sich durch Interpolation eine Basisgebühr von 2540,-- EUR.
Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten und Kosten von Zeugenvernehmungen sind nicht angefallen.
Die im Tenor verfügte Kostentragungspflicht ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin im Nachprüfungsverfahren i.S.d. § 128 Abs. 3 Satz 1 GWB unterlegen ist.
Die Antragstellerin wird aufgefordert, den Betrag von 2540,-- EUR unter Angabe des Kassenzeichens ... auf folgendes Konto zu überweisen:
xxx
Schulte
Herr Bullerdiek, ehrenamtlicher Beisitzer, kann auf Grund einer Dienstreise nicht selbst unterschreiben. Gause