Sozialgericht Stade
Urt. v. 22.06.2015, Az.: S 9 R 440/13

Versicherungspflicht und Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung i.R.d. Tätigkeit eines Geschäftsführers als Selbständiger

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
22.06.2015
Aktenzeichen
S 9 R 440/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 21730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:0622.S9R440.13.0A

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob der Kläger bei der Beigeladenen zu 1. in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Februar 2014 als Geschäftsführer in einem Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung begründenden, abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Der 1978 geborene Kläger, der bereits in den Jahren 2000 bis 2011 als Selbständiger Finanzdienstleistungen mit dem Schwerpunkt im Wertpapier- und Rohstoffhandel erbrachte, gründete im April 2011 die F. mit Sitz in A-Stadt, die Beigeladene zu 1. Gegenstand des Unternehmens war die Erbringung von Finanzdienstleistungen aller Art sowie die Vermittlung von Immobilienprojekten. Das - allein vom Kläger gehaltene - Stammkapital betrug 25.000,00 Euro. Der Gesellschaftsvertrag regelte u.a. Folgendes: Gemäß § 7 kamen Beschlüsse grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen zustande. Einer qualifizierten Mehrheit von mehr als 51 Prozent bedurften u.a. die Abberufung und Bestellung von Geschäftsführern, Liquidatoren und Prokuristen, Weisungen zu Maßnahmen der Geschäftsführung, Feststellungen zum Jahresabschluss, der Ausschluss von Gesellschaftern, Befreiungen von etwaigen Wettbewerbsverboten, Zustimmungen zu Verfügungen über Geschäftsanteile sowie Änderungen des Gesellschaftsvertrages.

Mit Wirkung zum 1. Februar 2012 verkaufte der Kläger alle Gesellschaftsanteile an den mit ihm freundschaftlich verbundenen Herrn G. (im Folgenden: Alleingesellschafter) zum symbolischen Preis von 1 Euro. Der Alleingesellschafter fügte das bisherige Unternehmen des Klägers durch den Ankauf in seinen schon bestehenden Firmenverbund ein. Parallel zum Ankauf brachte er erhebliches Fremdkapital in die Beigeladene zu 1. ein. Für die Beigeladene zu 1. einschlägige Branchenkenntnisse betreffend die Finanzdienstleistungen besaß der Alleingesellschafter - im streitigen Zeitraum - nicht. Er war als Programmdirektor einer Hochschule berufstätig. Seinen Wohnsitz hatte er in H., knapp 800 km vom Sitz der Beigeladenen zu 1., also von A-Stadt, entfernt.

Parallel zur Übernahme der Geschäftsanteile wurde der - bisher schon als solcher tätige - Kläger zum nunmehrigen (Fremd-) Geschäftsführer bestellt. Im Geschäftsführervertrag hieß es u. a., der Geschäftsführer führe und vertrete die Gesellschaft. Er nehme die Rechte und Pflichten eines Arbeitgebers im Sinne arbeits- und sozialrechtlicher Vorschriften wahr. Er sei berechtigt, weitere Geschäftsführer zu bestellen. Er widme seine ganze Arbeitskraft und seine gesamten fachlichen Kenntnisse und Erfahrungen ausschließlich der Gesellschaft. Er berichte der Gesellschafterversammlung regelmäßig über die allgemeine geschäftliche Situation der Gesellschaft, über die Auftragslage, über Umsatz und Ertrag der Gesellschaft und über die Liquidität. Im § 2 des Geschäftsführervertrages befindet sich eine Liste derjenigen Geschäfte, die dem Geschäftsführer erst nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung erlaubt waren. Der Geschäftsführervertrag, der gemäß § 3 mit dem 1. Februar 2012 begann, eine Probezeit von 6 Monaten beinhaltete und von beiden Parteien mit einer Frist von 6 Monaten zum Monatsende gekündigt werden konnte, wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. In § 4 des Vertrages hieß es, der Geschäftsführer sei an keine bestimmten Arbeitszeiten gebunden. Die Arbeitszeit richte sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen. § 5 des Vertrages sah ein festes Jahresgehalt von 90.000,00 Euro (brutto) vor, mit dem Überstunden, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie sonstige Mehrarbeit abgegolten sein sollten. Gemäß § 6 des Vertrages war für den Fall einer Erkrankung oder sonstigen unverschuldeten Verhinderung die Fortzahlung der Vergütung für die Dauer von 6 Monaten vorgesehen. Das von der zuständigen Krankenkasse zu zahlende Krankengeld sei anzurechnen. In den §§ 7 bis 12 des Vertrages fanden sich Regelungen über die Gewährung eines Jahresurlaubs von 30 Arbeitstagen, über die Erstattung von Reisekosten, über Geheimhaltungspflichten, über die Rückgabe von Aufzeichnungen beim Ausscheiden aus der Gesellschaft, über ein Wettbewerbsverbot sowie über die Zuweisung von Erfindungen und technischen Verbesserungsvorschlägen an die Gesellschaft. Mit einer ergänzenden Geschäftsführungsordnung regelten der Alleingesellschafter und der Kläger unter dem 8. März 2012 Modalitäten näher, nach denen die Gesellschaft dem Kläger hohe Finanzmittel anvertraute, wobei dieser die Mittel durch flexible und kurzfristige Transaktionen auf internationale Finanzmärkten nach Möglichkeit mehren sollte. Mit diesem Geschäftsmodell sei die Maßgabe verbunden, frei von jeglichen Anweisungen und Restriktionen des Alleingesellschafters zu sein. Abweichend von § 3 des Geschäftsführervertrages sei die Gesellschaft lediglich bei Vorliegen eines wichtigen Grundes berechtigt, dem Kläger zu kündigen. Ungeachtet fehlender Regelungen über eine feste Beteiligung des Geschäftsführers am Erfolg der Gesellschaft bestehe Einvernehmen über eine Beteiligung des Geschäftsführers an dem durch ihn erzielten Gewinn.

Auf den - obligatorischen - Antrag der Beigeladenen zu 1. zur Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers zog die Beklagte durch ihre Clearingstelle den Gesellschaftsvertrag, den Gesellschafts-Veräußerungsvertrag (vom 31. Januar 2012), den Geschäftsführervertrag und weitere Unterlagen bei. Mit ihrem Bescheid vom 14. Mai 2013 stellte sie das Bestehen von Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung für die Zeit ab dem 1. Februar 2012 fest. Im Zweig der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe dagegen Versicherungsfreiheit, weil das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige. Maßgeblich für die Annahme der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung sei das Fehlen einer Beteiligung am Stammkapital der Beigeladenen zu 1. im Anschluss an den Verkauf der Gesellschaftsanteile. Abgesehen davon enthalte der Geschäftsführervertrag Regelungen, die für die Ausgestaltung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses typisch seien, beispielsweise zum Anspruch auf Urlaub, zum Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei Krankheit sowie zum Fall einer Kündigung. Die Jahresvergütung entspreche einem für die Art der Tätigkeit üblichen Entgelt. Zwar sprächen die Befreiung des Geschäftsführers vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sowie die im Geschäftsführervertrag und in der Geschäftsführungsordnung vorgesehene Weisungsfreiheit für eine Einordnung als selbständige Tätigkeit, diese Gesichtspunkte könnten bei der erforderlichen Abwägung allerdings nicht den Ausschlag geben.

Der Kläger erhob Widerspruch und trug ergänzend vor, zu Gunsten der für die Gesellschaft zu tätigenden Wertpapiergeschäfte eine zusätzliche persönliche Haftung übernommen zu haben. Neben der Beteiligung an den Erfolgen der Beigeladenen zu 1. habe er das Risiko von Kürzungen seines Jahresentgelts bei schlechter Ertragslage übernommen. Auch habe er sein Privatfahrzeug zu etwa 70 Prozent für die Geschäftstätigkeit der Beigeladenen zu 1 genutzt.

Die Beklagte wies den Widerspruch ungeachtet des ergänzenden Vortrages des Klägers durch ihren Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2013 zurück.

Dagegen richtet sich die am 3. November 2013 beim erkennenden Gericht eingegangene Klage. Zu deren Begründung weist der Kläger beispielhaft auf die Handhabung im Geschäftsjahr 2013 hin, in dem das wirtschaftliche Ergebnis den Erwartungen nicht in vollem Umfang entsprochen habe und er anstelle der nach dem Geschäftsführervertrag vorgesehenen Vergütung von 90.000,00 Euro lediglich 84.000,00 Euro bezogen habe. Die für Selbständigkeit sprechenden Gesichtspunkte des Einsatzes von Spezialwissen sowie der Übernahme persönlicher Haftungsrisiken seien in bezeichnender Form im CFD (contract for difference) - Trading ablesbar. Bei diesen hochspekulativen Geschäften hingen Gewinn oder Verlust ausschließlich von den Preis- und Kursveränderungen der jeweiligen Wertpapier-Basiswerte ab.

Angesichts des Wechsels des Klägers in den Vorstand einer Aktiengesellschaft (AG) ist lediglich noch die Zeit bis zum 3. Februar 2014 streitig.

Die Kammer hat den Arbeitgeber sowie die Trägerin der Arbeitslosenversicherung zum Rechtsstreit beigeladen.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid der Beklagten vom 14. Mai 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Oktober 2013 aufzuheben und

  2. 2.

    festzustellen, dass er in der Zeit vom 1. Februar 2012 bis zum

  3. 3.

    Februar 2014 als Geschäftsführer der C. nicht in einem Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung und zur Arbeitslosenversicherung begründenden, abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beigeladene zu 1. schließt sich sinngemäß dem Vorbringen des Klägers an, die Beigeladene zu 2. ausdrücklich dem Vorbringen der Beklagten. Die Beigeladenen stellen keine Anträge, jedenfalls - soweit ersichtlich - nicht ausdrücklich.

Die Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für weiterhin zutreffend. Die von der Klägerseite betonten, besonderen Branchenkenntnisse sowie die weitreichenden Kompetenzen seien auch bei abhängiger Beschäftigung anzutreffen. Da jede Tätigkeit für sich zu beurteilen sei, könne aus den Verhältnissen vor dem streitigen Zeitraum sowie im Anschluss an diesen Zeitraum und gegebenenfalls parallel zu der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1. kein Argument zu Gunsten einer Bewertung als Selbständigkeit abgeleitet werden.

Die Beigeladene zu 1. hat sich im gerichtlichen Verfahren nicht besonders geäußert. Die Beigeladene zu 2. schließt sich dem Vorbringen der Beklagten an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, ferner wegen der ergänzenden Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls. Die Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, Beratung und Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist statthaft und zulässig.

Die Kammer hat die Klage als in der Sache unbegründet abgewiesen. Sie hält die Beurteilung der Beklagten für im Ergebnis zutreffend, ungeachtet des überzeugenden Vortrags des Klägers. Zu entscheiden war lediglich über die Zeit bis zum 3. Februar 2014, weil der Kläger ab dem Folgetag als Mitglied des Vorstandes einer AG versicherungsfrei geworden ist, § 1 Satz 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in aktueller Fassung. Für den noch streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2012 bis zum 3. Februar 2014 geht die Kammer vom Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses des Klägers zur Beigeladenen zu 1. aus mit der Konsequenz der Beitragspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung sowie zur Arbeitslosenversicherung. In der gesetzlichen Krankenversicherung bestand dem gegenüber während des streitigen Zeitraumes Versicherungsfreiheit, weil der Kläger mit seinem Verdienst von 90.000,00 Euro bzw 84.000,00 Euro pro Jahr die Versicherungspflichtgrenze überschritten hatte, § 6 Abs 1 und 6 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Verbunden mit dieser Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung war die Pflicht des Klägers, sich privat gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern, §§ 20, 21 und 23 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

Die Beklagte hat ihre Entscheidung zu Gunsten des Bestehens von Versicherungspflicht des Klägers zutreffend auf die einschlägigen Grundlagen im SGB III sowie im SGB VI gestützt.

Der Versicherungs- und Beitragspflicht in der gesetzlichen Sozialversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, und zwar in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III). Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt ist gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. In langjähriger Rechtsprechung hat das BSG die in einem Arbeitsverhältnis ausgeübte unselbständige Arbeit für das Sozialversicherungsrecht näher charakterisiert. Danach ist die persönliche Abhängigkeit des Arbeitnehmers von einem Arbeitgeber Ausgangspunkt der Beurteilung. Die persönliche Abhängigkeit drückt sich in der Eingliederung in einen fremden Betrieb aus und in der Bindung an ein Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung der Tätigkeiten umfassendes Weisungsrecht des Arbeitgebers. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG - Urteil vom 22. Juni 2005, Az. B 12 KR 28/03 R; der steuerrechtlichen Behandlung der erzielten Einkünfte indizielle Bedeutung beimessend BSG Urteil vom 30. März 2006, Az. B 10 KR 2/04; ).

Ausgangspunkt für die Beurteilung ist bei GmbH-Geschäftsführern angesichts der daraus ablesbaren Rechtsmacht vor allem die gesellschaftsrechtliche Position und damit der Umfang der Beteiligung am Stammkapital. Wenn der GmbH-Geschäftsführer als gleichzeitiger Gesellschafter mindestens 50 % des Stammkapitals innehat, wird Selbständigkeit anzunehmen sein (vgl. BSG - Urteil vom 17. Mai 2001, Az. B 12 KR 34/00). Je geringer der Anteil am Stammkapital ist, desto eher wird dagegen Selbständigkeit zu verneinen und wird das Bestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses zu bejahen sein. Als gegenüber der Mehrheitsbeteiligung schwächeres Indiz für Selbständigkeit ist zu prüfen, ob der Anteil wenigstens die Grenze für eine Sperrminorität bzw. die Grenze für ein Vetorecht erreicht, ob der Gesellschafter also in der Lage ist, ihm nicht genehme Beschlüsse der Gesellschaft zu verhindern.

Allerdings ist selbst bei Geschäftsführern ohne eigenen Gesellschaftsanteil unter besonderen Umständen das daraus für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechende Indiz widerlegbar, und es ist möglich, trotz fehlender Beteiligung am Stammkapital Selbständigkeit anzunehmen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 5. November 2010, Az. L 1 KR 471/09 mwN aus der Rechtsprechung des BSG).

Im Falle des Klägers ist Folgendes anzunehmen: Es lag die regelhaft zur Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses führende Konstellation fehlender Beteiligung am Stammkapital einer GmbH vor. In Anbetracht dieser auschlaggebenden Bedeutung der Kapitalverhältnisse kommt der Hinweis des Klägers darauf, im elterlichen Büro oder sonst bei Kunden unabhängig von Weisungen und darüber hinaus ohne Gegenwart des Alleingesellschafters tätig gewesen zu sein und örtlich und zeitlich keinen Beschränkungen unterlegen zu haben, keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Ausschlaggebend im Sinne eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ist vielmehr gerade die dem Alleingesellschafter zugeordnete Rechtsmacht, zunächst die Probezeit des Klägers jederzeit beenden und später den Geschäftsführervertrag jederzeit aufzulösen zu können. Inhaltlich war die Tätigkeit des Klägers durch den Zustimmungsvorbehalt in § 2 des Geschäftsführervertrages maßgeblichen Einschränkungen unterworfen. Nur nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung konnte der Kläger die dort aufgelisteten, wesentlichen Geschäfte zu Gunsten bzw. zu Lasten der GmbH tätigen, beginnend bei der Veräußerung und Stilllegung des Betriebes der Gesellschaft oder wesentlicher Teile davon bis zu Änderungen am IT-Sicherheitskonzept der Gesellschaft. Mögen die Zustimmungsvorbehalte in der täglichen Praxis auch ebenso wenig eine Rolle gespielt haben wie ein dem Arbeitgeber grundsätzlich zukommendes Weisungsrecht, ist deren Bedeutung für den Fall einer Auseinandersetzung zwischen den Beteiligten doch unverkennbar. Ebenso wie bei der Frage der Entlassung während der Probezeit bzw. der Kündigung des Geschäftsführervertrages vermochte sich der Alleingesellschafter "in schlechten Zeiten" kraft der ihm rechtlich zugewiesenen Befugnisse gegenüber dem Geschäftsführer durchzusetzen. Dem Alleingesellschafter fiel das Verwertungsrecht für Erfindungen und technische Verbesserungsvorschläge zu. Er konnte aus der Position eines Arbeitsgebers ein Wettbewerbsverbot sowie die Einhaltung der Geheimhaltungs- und Aufzeichnungspflichten durchsetzen, § 9 bis 12 des Geschäftsführervertrages. Korrespondierend damit ist der Kläger gemäß den Bedingungen des Geschäftsführervertrages befugt gewesen, arbeitsnehmertypisch die Zahlung eines festen Gehalts, die Fortzahlung seiner Vergütung im Falle einer Erkrankung oder sonstigen unverschuldeten Verhinderung sowie einen Anspruch auf Jahresurlaub durchzusetzen. Die Kammer verkennt in diesem Zusammenhang nicht den ohne weiteres nachvollziehbaren Vortrag des Klägers, in Anbetracht des seinen Zielen nicht ganz gerecht gewordenen Geschäftsergebnisses für 2013 - wie ein Selbständiger - auf einen Teil der ihm zustehenden Vergütung verzichtet zu haben. Ebenso wenig lässt sie die Freiheit in der Führung der Geschäfte, der Wahl der Arbeitszeit und des Arbeitsortes und den weitgehenden Einsatz privater Mittel, von der Büroausstattung bis zum genutzten Fahrzeug reichend, außer Betracht. All dies vermag aber nichts daran zu ändern, die Abgrenzung zwischen selbständiger Tätigkeit und abhängiger Beschäftigung entscheidend nach der jeweils vertraglich eingeräumten Rechtsstellung vornehmen zu müssen. Das ist schon allein deshalb geboten, weil das Verfahren der Statusfeststellung nach seinem Sinn grundsätzlich im Vorhinein Rechtssicherheit verleihen soll, nicht aber im Nachhinein Raum geben soll zur Rückabwicklung bereits durchgeführter Verträge unter dem besonderen Gesichtspunkt des Abweichens "gelebter Verhältnisse" von den zwischen den Beteiligten vereinbarten Regelungen (vgl. zu einem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und betragsrechtlicher Tatbestände und der kritischen Sicht auf eine "Schönwetter-Selbständigkeit" das bereits zitierte BSG-Urteil vom 29. August 2012).

Die Kammer verkennt nicht die Annahme eines Status der Selbstständigkeit des Klägers sprechenden Argumente, sieht sie aber als im Ergebnis nicht ausschlaggebend an: Die alleinigen Branchenkenntnisse dürften dabei noch am geringsten zu Buche schlagen. Die Beklagte betont insoweit zutreffend, es handele sich um ein auch in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen vielfach vorzufindendes Merkmal. Weitergehend in Rechnung zu stellen war die Befreiung vom Verbot des Selbstkontrahierens nach § 181 BGB. Die Beklagte betont zwar insoweit, es handele sich um eine bei Geschäftsführerverträgen übliche Klausel, gleichwohl ist ihre Einfügung in die Vertragsbedingungen Ausdruck eines besonderen Vertrauens in die Person des jeweiligen Geschäftsführers. Zu Gunsten des Status der Selbständigkeit des Klägers (auch) im streitigen Zeitraum ist darüber hinaus auf den beruflichen Werdegang mit demselben Status vor und nach dem Streitzeitraum zu verweisen. Letztlich sieht die Kammer allerdings die hier mit dem Austausch des Alleingesellschafters geänderten vertraglichen Bedingungen als im umgekehrten Sinne maßgeblich an.

Des Weiteren ist zu Gunsten des Status der Selbständigkeit auf zusätzlich übernommene Haftungsrisiken abzustellen, die dem Kläger im Zusammenhang mit dem CFD - Trading abverlangt worden sind. Die Hergabe einer persönlichen Haftungs- und Freistellungserklärung hat dem Kläger ein Risiko zugewiesen, das unternehmertypisch ist und im Widerspruch zur festen Abgeltung in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen steht. Die Kammer hatte insoweit gemäß den ergänzenden Erläuterungen des Klägers zu Protokoll der mündlichen Verhandlung ein Volumen des Acht- bis Zehnfachen des Stammkapitals der GmbH zu würdigen. Letztlich sieht die Kammer in der an die sonst bei Selbständigen anzutreffende Risikoübernahme kein zur Änderung der Gesamtabwägung führendes Indiz. Zum einen ist die nachträgliche zusätzliche Haftungsübernahme nicht vertraglich vereinbart worden, weder im Geschäftsführervertrag noch in der nachträglichen Geschäftsführungsordnung vom 8. März 2012. Zum anderen resultierten aus der Risikoübernahme - soweit ersichtlich - keine Beschränkungen in der Lebensführung des Klägers, die Anlass zu einer zusätzlichen Absicherung gaben.

Nach alledem verneint die Kammer derartige besondere Umstände, die ausnahmsweise das Fehlen einer Beteiligung am Stammkapital der GmbH als im Ergebnis unbeachtlich darstellen und zur Beurteilung des Klägers als Selbständiger führen könnten.

Die Entscheidung über die Tragung der notwendigen außergerichtlichen Kosten dem Grunde nach beruht auf der Anwendung des § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Sie orientiert sich in erster Linie am Ausgang des Verfahrens.