Sozialgericht Stade
Urt. v. 18.03.2015, Az.: S 38 AL 85/11

Gewährung von Arbeitslosengeld durch Erfüllung der Anwartschaftszeit i.R.e. versicherungspflichtigen Beschäftigung im Ausland

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
18.03.2015
Aktenzeichen
S 38 AL 85/11
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 21744
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:0318.S38AL85.11.0A

Tenor:

Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 24. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2011 verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld ab 15. März 2011 nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um Arbeitslosengeld nach dem 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der am 9. März 1981 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger. Vom 18. August 2008 bis 28. Februar 2011 übte er eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Vorsteher in Rotterdam/Niederlande aus; das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer schriftlichen Kündigung seines Arbeitgebers vom 24. Januar 2011. Nach Erhalt der Kündigung meldete er sich bei der niederländischen Arbeitsverwaltung Uitvoeringsinstituut Werknemersverzekeringen(UWV) arbeitslos und beantragte Sozialleistungen für den Fall der Arbeitslosigkeit. Am 17. Februar 2011 meldete er sich beim Einwohnermeldeamt seines jetzigen Wohnortes, wo er bereits von 2000 bis 2004 gemeldet war. Am 15. März 2011 meldete er sich bei der für diesen Ort zuständigen Agentur für Arbeit Verden arbeitslos und beantragte am 18. Mai 2011 Arbeitslosengeld. Dem schriftlichen Antrag fügte er bei eine Bescheinigung der UWV vom 16. Mai 2011 über Zeiten, die für die Gewährung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit zu berücksichtigen sind; danach hat er Versicherungszeiten in der Zeit vom 18. August 2008 bis 28. Februar 2011 zurückgelegt, aber keinen Anspruch auf Leistungen gegen den Träger, der die Bescheinigung ausgestellt hat. Ferner reichte er nach Aufforderung einen von ihm ausgefüllten Vordruck der Agentur für Arbeit zur Prüfung der Grenzgängereigenschaft ein; darauf gab er an, während der Auslandsbeschäftigung seinen Lebensmittelpunkt in Rotterdam gehabt, dort eine Wohnung bewohnt zu haben und nunmehr umgezogen zu sein, da seine Freundin in Verden wohne und arbeite. Mit Bescheid vom 24. Mai 2011 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab mit der Begründung, der Kläger habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Er sei in den letzten zwei Jahren vor dem 15. März 2011 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen. Die von einem Träger aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union bescheinigten Zeiten könnten zur Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht herangezogen werden, da unmittelbar vor Eintritt der Arbeitslosigkeit er nicht versicherungspflichtig in der Bundesrepublik bzw als echter oder unechter Grenzgänger beschäftigt gewesen sei. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 1. Juni 2011 Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2011 zurückwies. Darin wird ausgeführt, der Kläger sei nicht als sog unechter Grenzgänger einzustufen, da der Entschluss zum Aufbau einer gemeinsamen Zukunft mit seiner in Deutschland lebenden Freundin erst mit der Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses entstanden sei. Seit mindestens 2005 habe er nicht mehr in Deutschland gewohnt und die gelegentlichen Besuche bei einer befreundeten Familie in den nachfolgenden Jahren stellten keine enge Beziehung zu Deutschland im Sinne der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 und (EG) Nr. 988/2009 (GVO) des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 29. April 2004 und 16. September 2009 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit und zur Festlegung des Inhalts ihrer Anhänge dar. Als unechter Grenzgänger sollten im Wesentlichen nur Personen anerkannt werden, die trotz Beschäftigung von vorübergehenden Aufenthalten in einem anderen Mitgliedsstaat sehr enge Beziehungen zum bisherigen Mitgliedsstaat beibehalten hätten. Am 5. August 2011 hat der Kläger vor dem Sozialgericht (SG) Stade Klage erhoben, mit welcher er den Anspruch auf Arbeitslosengeld weiterverfolgt. Er ist der Auffassung, als unechter Grenzgänger in Rotterdam gearbeitet zu haben. Sein Lebensmittelpunkt befände sich seit langem in Deutschland. Dies gehe zurück auf eine langjährige Beziehung zu einer in Verden ansässigen Familie, die er während eines Schüleraustausches 1994 kennen gelernt habe. Dort habe er auch seine jetzige Freundin kennengelernt, mit welcher er seit ca einem Jahr vor Beginn der Arbeitslosigkeit in Partnerschaft lebe. Während er in Rotterdam beschäftigt gewesen sei, habe er die Wochenenden teilweise in Paris, teilweise in Deutschland verbracht. Seine Angabe zum Lebensmittelpunkt in Rotterdam auf dem Vordruck zur Grenzgängereigenschaft beruhe auf einem sprachlichen Missverständnis. Die Frage nach dem Lebensmittelpunkt habe er so verstanden, wo er seine Lebensmittel regelmäßig einkaufe. Nicht erst seit seiner Entlassung, sondern durchgängig habe sein tatsächlicher Lebensmittelpunkt in Deutschland bestanden und nicht in den Niederlanden, wo er nur während der Woche gelebt habe. Aufgrund des frühen Todes seiner Mutter und Wiedervermählung seines Vaters habe er zu seiner Familie nach Frankreich kaum bzw nur geringe Kontakte, so dass schon seit langer Zeit seine soziale Herkunftsfamilie in Deutschland sei, zu der er auch immer wieder zurückgekehrt sei. Seit der Bindung zu seiner Lebensgefährtin im August 2010 habe er die Wochenenden regelmäßig für bis zu 3 1/2 Tage bei ihr in Deutschland verbracht; Besuche seien nur dann unterblieben, wenn er aus beruflichen Gründen auch am Wochenende habe arbeiten müssen. Nach Bekanntgabe seiner Absicht, mit seiner Freundin in Deutschland zusammenwohnen zu wollen, sei ihm von der UWV mitgeteilt worden, dass er seinen Antrag auf Arbeitslosengeld nicht in den Niederlanden, sondern nach erfolgtem Umzug an seinem neuen Wohnort in Deutschland zu stellen habe. Auch bei der zuständigen Agentur für Arbeit Verden habe er am 15. März 2011 die Auskunft erhalten, in Deutschland Arbeitslosengeld erhalten zu können, da er jetzt dort wohne. Aufgrund der erteilten Rechtsauskünfte habe er daraufhin auf die weitere Geltendmachung von Ansprüchen auf Arbeitslosengeld in den Niederlanden, welche dort höher seien als das Arbeitslosengeld in Deutschland, verzichtet. Sofern Ansprüche von ihm in den Niederlanden hätten verfolgt werden müssen, seien die hierzu erteilten Auskünfte fehlerhaft und müsse dies zu einem entsprechenden Anspruch in Deutschland führen.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Mai 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2011 zu verurteilen, ihm Arbeitslosengeld ab 15. März 2011 nach den gesetzlichen Vorschriften zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid. Angesichts eines durchgehenden Aufenthalts in Deutschland in den Jahren 2000 bis 2004 seien die behaupteten Sprachschwierigkeiten bei den Angaben auf dem Vordruck zur Grenzgängereigenschaft nicht glaubhaft. Zudem habe der Kläger eine sehr enge Beziehung zu Deutschland nicht dargelegt. Die Entscheidung sei daher auch nicht auf evtl Verständigungsschwierigkeiten mit dem Begriff Lebensmittelpunkt, sondern auf die vom Kläger geschilderte Situation gestützt worden. Von der Agentur für Arbeit Verden sei ihm auch kein Anspruch auf Arbeitslosengeld in Deutschland zugesichert worden, zumal er am 15. März 2011 nur in der Eingangszone vorgesprochen habe, wo lediglich persönliche Daten aufgenommen und Formulare ausgegeben, aber keine Auskünfte erteilt werden könnten, da die dort tätigen Beschäftigten nicht über die hierfür erforderlichen Rechtskenntnisse verfügten. Sofern er in den Niederlanden eine falsche Rechtsauskunft erhalten haben sollte, müssten vermeintliche Rechte dort geltend gemacht werden. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die gem §§ 54 Abs 1, Abs 5, 55 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage ist zulässig und begründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Diesem steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld gem § 118 3. Buch Sozialgesetzbuch (SGB III), anzuwenden in der bis 30. April 2012 geltenden Fassung (aF); ab 1. Mai 2012: § 138 SGB III) zu. Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit haben gem § 118 Abs 1 SGB III aF Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Aufgrund der Kündigung seines Beschäftigungsverhältnisses zum 28. Februar 2011 war der Kläger ab 1. März 2011 arbeitslos; am 15. März 2011 hat er sich bei der Agentur für Arbeit Verden arbeitslos gemeldet. Weiterhin erfüllt er auch die erforderliche Anwartschaftszeit. Nach §§ 119 Abs 1 Nr 3, 123 Abs 1 SGB III aF hat die Anwartschaftszeit erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Die Rahmenfrist beträgt zwei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs 1 SGB III aF). Innerhalb der Rahmenfrist, die vorliegend den Zeitraum vor seiner Meldung vom 15. März 2009 bis 14. März 2011 umfasst, hat der Kläger in keinem Versicherungspflichtverhältnis nach dem SGB III gestanden. Eine unmittelbare Berücksichtigung seiner in Rotterdam zurückgelegten Beschäftigungszeit als Versicherungszeit in einem anderen EU-Staat entsprechend der Bescheinigung der UWV vom 16. Mai 2011 nach Art 61 Abs 1 GVO kommt vorliegend wegen fehlender Vorbeschäftigung nicht in Betracht. Zwar sind nach dieser Vorschrift vom zuständigen Träger eines Mitgliedsstaats, nach dessen Vorschriften der Erwerb, die Aufrechterhaltung, das Wiederaufleben oder die Dauer des Leistungsanspruchs von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit abhängig ist, die Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten oder Zeiten einer selbständigen Erwerbstätigkeit, die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaats zurückgelegt wurden, soweit erforderlich zu berücksichtigen, als ob sie nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden wären. Doch gilt diese Regelung nach Art 61 Abs 2 GVO nur dann, wenn die betreffende Person unmittelbar zuvor Versicherungszeiten nach den Rechtsvorschriften, nach denen Leistungen beansprucht werden, zurückgelegt hat. Vor der Arbeitsaufnahme in den Niederlanden hat der Kläger keine Versicherungszeiten in Deutschland zurückgelegt. Eine -hier einschlägige- Ausnahme von dem Erfordernis der Vorbeschäftigung in dem Mitgliedsstaat, in dem Leistungen beansprucht werden, gilt allerdings gem Art 61 Abs 2 i.V.m. 65 Abs 5 GVO für die Personengruppe der Grenzgänger, die Anspruch auf Arbeitslosengeld im Wohnmitgliedstaat haben. Wie vorrangig Art. 65 GVO stellt auch diese Regelung das sog. Eingliederungsprinzip sicher, indem bei arbeitslos gewordenen Grenzgängern die bessere Vermittelbarkeit regelmäßig im Wohnstaat vermutet wird. Zu unterscheiden ist dabei weiterhin zwischen vollarbeitslosen echten Grenzgängern iSv Art 65 Abs 2 S 1 und 2 GVO, die bei Arbeitslosigkeit Leistungen grundsätzlich in dem Wohnmitgliedsstaat beziehen (Art 65 Abs 5 a GVO), und vollarbeitslosen unechten Grenzgängern; letztere erhalten bei ihrer Rückkehr in den Wohnmitgliedsstaat zunächst Leistungen nach den Regelungen des Beschäftigungsstaates (Art 65 Abs 5 b HS 1 GVO i.V.m. Art 64 GVO) und -sofern sie dort keine Leistungen erhalten- nach den Regelungen im Wohnmitgliedsstaat (Art 65 Abs 5 b HS 1 GVO). Damit hat der unechte Grenzgänger das Wahlrecht, ob er im Beschäftigungsstaat verbleibt oder in seinen Wohnmitgliedstaat zurückkehrt; zudem räumt ihm Abs. 5 lit. b) GVO das Wahlrecht ein, die Rechte aus dem Leistungsexport nach Art. 64 GVO oder aber die Ansprüche nach Abs. 5 lit. a) GVO in seinem Wohnsitzstaat geltend zu machen (vgl im einzelnen: Kador in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 65 VO (EG) 883/2004, Rn. 44). Nach der Legaldefinition Art 1 f GVO ist echter Grenzgänger eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübt und in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, in den sie in der Regel täglich, mindestens jedoch einmal wöchentlich zurückkehrt. Bei dem unechten Grenzgänger handelt es sich um eine Person, die in einem Mitgliedstaat eine Beschäftigung oder selbständige Erwerbstätigkeit ausübt und ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat wohnt, die aber - anders als der echte Grenzgänger - weder täglich noch mindestens einmal wöchentlich, sondern seltener in den Wohnsitzstaat zurückkehrt (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. April 2013, Az: L 8 AL 339/09; s.a. Bundesagentur für Arbeit, Geschäftsanweisungen GA IntRecht ALV (08/2014) Nr 2.1.); beispielsweise sind dies Saisonarbeiter, die nicht wöchentlich, aber dennoch regelmäßig in ihren Heimatstaat zurückkehren, weil sie dort weiterhin den "Mittelpunkt ihrer Interessen haben". Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), auf den der Begriff des unechten Grenzgängers zurückgeht, ist demnach kein echter Grenzgänger, wer als Arbeitnehmer oder Selbständiger während seiner letzten Beschäftigung seinen Wohnort in einen anderen Mitgliedstaat verlegt oder nach dieser Verlegung nicht mehr in den Beschäftigungsstaat zurückkehrt, um seine Tätigkeit dort auszuüben; dennoch hat dieser Arbeitnehmer als sog. unechter Grenzgänger einen Anspruch auf Leistungen im Fall der Arbeitslosigkeit im Wohnsitzstaat, wenn er persönliche und berufliche Bindungen solcher Art aufrechterhalten hat, dass er dort im Falle der Arbeitslosigkeit die besten Aussichten auf Wiedereingliederung hat (EuGH v. 22.09.1988, Az: 236/87 (Bergmann) - zit. nach ; vgl auch Brall in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, Art. 1 GVO Rz 31). Dementsprechend kann der Kläger nicht als echter Grenzgänger im Sinne von Art 1 Buchst f) GVO angesehen werden, da er während seiner Beschäftigung in den Niederlanden nicht mindestens einmal wöchentlich nach Deutschland zurückgekehrt ist. Nach eigenem Vortrag hat er seine ab ca 1990 begründete Bindung nach Verden zwar nie abgebrochen, doch fanden regelmäßige Besuche erst seit der Aufnahme einer Beziehung zu seiner Lebensgefährtin ab August 2010 statt, ohne aber dass er ab diesem Zeitpunkt mindestens wöchentlich dorthin zurückgekehrt ist. Der Kläger gehört jedoch zu den unechten Grenzgängern, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit ihren Wohnort in einem Mitgliedsstaat hatten und nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaates beschäftigt oder selbständig erwerbstätig waren, ohne echte Grenzgänger gewesen zu sein. In der mündlichen Verhandlung hat er nachvollziehbar und überzeugend ausgeführt, dass er seit Mitte der 1990er Jahre seinen sozialen Lebensmittelpunkt in Deutschland hat. Dementsprechend hat er seitdem durchgängig ein Zimmer bei der Familie G. in Verden beibehalten und ist er trotz seines Studiums und seiner Beschäftigung im Ausland immer wieder hierher zurückgekehrt. Auch hat er nach seinen nachvollziehbaren überzeugenden Angaben, an deren Richtigkeit für das Gericht keine Zweifel bestehen, auch während seiner Beschäftigung in den Niederlanden seine Wochenenden, zwar nicht vollständig, aber jedenfalls regelmäßig in Deutschland verbracht und konnte er aufgrund einer weitgehend freien Einteilung seiner Arbeitszeit, insbesondere seit Aufnahme der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin, seine Aufenthalte in Verden von Freitagnachmittag bis Montagabend ausdehnen. Zudem verfügte er außer in Rotterdam, wo er allerdings nur wochentags war, weder in Frankreich noch anderswo über einen regelmäßigen Aufenthaltsort oder eine Wohnung, die er regelmäßig während der Beschäftigung bzw nach dessen Beendigung aufgesucht hat oder aufsuchen konnte. Schließlich hat er die sozialen Kontakte, insbesondere zu seiner früheren Gastfamilie, durchgängig aufrecht erhalten und während dieser Zeit neue Kontakte wie zB zu seiner neuen Lebensgefährtin knüpfen können. Damit hat er spätestens mit Aufnahme dieser Beziehung in Deutschland seinen Wohnort hierher verlegt, was für die Annahme eines unechten Grenzgängers ausreicht, da die Grenzgängereigenschaft auch während eines Beschäftigungsverhältnisses begründet oder beendet werden kann (vgl die Geschäftsanweisungen der Beklagten aaO, Nr 2.1 Abs 2). Dass er in Rotterdam Wohnraum angemietet hatte, steht dem nicht entgegen, sondern liegt vielmehr darin begründet, dass wegen der großen Entfernung eine tägliche Rückkehr an den Wohnort ausgeschlossen war. Ferner ergibt sich auch nicht anderes aus seiner Angabe zum Lebensmittelpunkt auf dem eingereichten Vordruck, weil sich diese Aussage ohne weiteres mit Übersetzungsschwierigkeiten erklären lässt. Zusammenfassend lässt sich damit feststellen, dass trotz der Beschäftigung und vorübergehendem Aufenthalt in einem anderen Mitgliedsstaat sehr enge Beziehungen zu dem Wohnortstaat beibehalten wurden und sich keine Indizien für eine Verlegung des Lebensmittelpunktes nach Rotterdam finden lassen, während die Beziehungen nach Deutschland durchgehend aufrechterhalten wurden und spätestens mit Aufnahme der neuen Beziehung der Wohnort hier besteht. Damit treffen auch die vom EuGH (aaO) angenommenen Anforderungen für unechte Grenzgänger zu, dass enge Bindungen zu dem Land bestehen, in dem sie sich niedergelassen haben und gewöhnlich aufhalten, und dass bei Arbeitnehmern, die derartige Bindungen zu dem Staat haben, in dem sie wohnen, in diesem Staat auch die besten Chancen für eine berufliche Wiedereingliederung haben können. Infolge dessen kann sich der Kläger nach Art 65 Abs 2 GVO als vollarbeitslose Person, die während ihrer letzten Beschäftigung oder selbständigen Erwerbstätigkeit in einem anderen als den zuständigen Mitgliedsstaat gewohnt hat und weiterhin in diesem Mitgliedsstaat wohnt bzw in ihn zurückkehrt, der Arbeitsverwaltung des Wohnmitgliedsstaats zur Verfügung stellen und hat dort gem Art 65 Abs 5 Buchst b) GVO Anspruch auf Leistungen nach den Rechtsvorschriften des Wohnmitgliedsstaats, als ob diese Rechtsvorschriften für ihn während seiner letzten Beschäftigung gegolten hätten. Diese Leistungen werden -sofern wie vorliegend keine Leistungen von dem Träger im Beschäftigungsstaat erbracht werden- dann von dem zuständigen Träger am Wohnort gewährt. Dementsprechend ist trotz Beitragszahlungen in den Niederlanden die zurückgelegte Beschäftigungszeit als Versicherungszeit bzw Anwartschaftszeit im Sinne von § 123 SGB III aF vorliegend anzusehen und erfüllt der Kläger damit vollständig die Voraussetzungen für den Bezug von Arbeitslosengeld gem §§ 118 ff SGB III aF. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.