Sozialgericht Stade
Urt. v. 21.04.2015, Az.: S 15 KR 223/12

Rechtmäßigkeit einer gegenüber dem Betreiber einer stationären Pflegeeinrichtung infolge einer Betriebsprüfung angeordneten Beitragsnachforderung

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
21.04.2015
Aktenzeichen
S 15 KR 223/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 18818
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:0421.S15KR223.12.0A

Redaktioneller Leitsatz

Wird ein Arbeitnehmer objektiv zu Unrecht als selbstständig Beschäftigter geführt und unterlässt der Arbeitgeber trotz Kenntnis der Möglichkeit der Beitragspflicht die Beitragszahlung und nimmt dadurch die Nichtabführung von geschuldeten Beiträgen billigend in Kauf, liegt ein illegales Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des § 14 Abs 2 S. 2 SGB IV vor.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreites trägt die Klägerin. Der Streitwert wird auf 30.951,21EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wehrt sich gegen eine Beitragsnachforderung durch die Beklagte infolge einer Betriebsprüfung nach den Vorgaben des Vierten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Die Klägerin betreibt eine stationäre Pflegeeinrichtung. Sie ist in eine Holdingstruktur eingegliedert, deren weitere Unternehmen sich mit anderen Teilbereichen des Betriebes des Pflegeheimes befassen. Zu dem Unternehmensverbund gehört auch die I. GmbH. Ab dem Monat August 2005 wurde der Beigeladene zu 1. als Pflegedienstleiter bei der Klägerin in abhängiger Beschäftigung in Vollzeit angestellt und hierbei in die Steuerklasse I eingruppiert. Dem Beigeladenen zu 1. wurde Ende 2005 rückwirkend zum 1. März 2005 eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Bund bewilligt. Zum 1. November 2005 schloss der Beigeladene zu 1. mit der Klägerin und zwei weiteren Unternehmen aus der Holdinggruppe einen Dienstleistungsvertrag. Als Auftragsumfang wurde in § 1 die Qualitätssicherung in der Pflege bei der Klägerin mit Pflegeplanung, Pflegevisiten und Aufbau eines Qualitätsmanagements, das Ernährungsmanagement für die I. GmbH, die Wahrnehmung der Aufgabe des Sicherheitsbeauftragten im Pflegebereich sowie die Tätigkeit als Schnittstellenkoordinator für die Holdingunternehmen definiert. Die zuvor in abhängiger Beschäftigung ausgeübte Tätigkeit als Pflegefachkraft war nicht im Auftragsumfang des Dienstleistungsvertrages enthalten. In einer weiteren Vereinbarung zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. vom 1. November 2005 wurde eine Monatsvergütung für den Zeit-raum 1. Januar 2005 bis 31. Januar 2005 von EUR 1.822,00 vereinbart, ab 1. Februar 2006 erhöht auf EUR 1.972,00. Ab Januar 2009 (bis Februar 2010) zahlte die Klägerin monatlich EUR 2.100,00. Diese Vereinbarung enthielt die Festlegung, dass der Beigeladene zu 1. für das Pflegeheim im Qualitätsmanagement und im Leitungsbereich als freier Mitarbeiter tätig sein werde. Der Beigeladene zu 1. werde monatlich Rechnungen an die Klägerin über die genannten Beträge stellen. Mit der Vergütung seien alle eventuellen Abgaben wie Sozialversicherungsbeiträge und zu zahlende Steuern abgegolten. Der Beigeladene zu 1. stelle die Klägerin insoweit von allen eventuellen Ansprüchen frei. Die von der Klägerin getragene Vergütung wurde auf Grund gesonderter Vereinbarung in Höhe von EUR 500,00 pro Monat durch die I. GmbH refinanziert. Tatsächlich wurde der Beigeladene zu 1. nach Abschluss des Dienstvertrages weiterhin (zu 65%) als Pflegedienstleistung und im pflegerischen Bereich tätig. Weitere 25% seiner Arbeits-zeit verwandte er auf das Ernährungsmanagement und 10% auf die Koordinierung der verschiedenen Holdingunternehmen. Der Beigeladene zu 1. wurde im Schichtplan der Pflegemit-arbeiter wie andere Arbeitnehmer auch geführt, konnte seine Zeiten jedoch immer als erster Mitarbeiter eintragen. Ihm wurde ein Urlaubsanspruch gewährt und wäre nach den Angaben des Geschäftsführers der Klägerin im Falle einer längeren Krankheit weiterhin Vergütung zu zahlen gewesen. Ab März 2010 war der Beigeladene zu 1. bei der Klägerin wieder versicherungspflichtig beschäftigt. Ab März 2009 ermittelten Finanzamt Cuxhaven und das Hauptzollamt Bremen wegen Verstoßes gegen § 266 a Strafgesetzbuch (StGB) im Hinblick auf die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. gegen den Geschäftsführer der Klägerin. Das Verfahren zum Aktenzeichen NZS 4 Cs 141 Js 5425/11 vor dem Amtsgericht Otterndorf wurde gegen eine Zahlung von EUR 12.000,00 gemäß § 153 a Strafprozessordnung (StPO) am 16. Juni 2011 eingestellt. Im Ermittlungsverfahren hatte das Finanzamt Cuxhaven die Beklagte um eine versicherungsrechtliche Bewertung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. gebeten. Die Beklagte hatte mit Schrei-ben vom 1. April 2009 an das Hauptzollamt Bremen angegeben, dass aus ihrer Sicht eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung als Arbeitnehmer gegeben sei. Als Arbeitsentgelt war der Nettorechnungsbetrag zugrunde gelegt. Die von der Beklagten vorgenommene Schadensberechnung wurden den weiteren Ermittlungen des Hauptzollamtes Bremen zugrunde gelegt. Mit Anhörungsschreiben vom 19. April 2011 teilte die Beklagte der Klägerin die beabsichtigte Nacherhebung von Beiträgen für den Zeitraum November 2005 bis Februar 2010 in Höhe von EUR 107.713,84 inklusive Säumniszuschlägen von EUR 30.373,50 mit. Es werde davon aus-gegangen, dass ein illegales Beschäftigungsverhältnis vorliege, für das die Beitragsnacherhebung auf der Grundlage einer Nettoarbeitsentgeltabrede erfolge. Das Nettogehalt sei anhand der Steuerklasse und der - nunmehr nachzuerhebenden - Sozialversicherungsbeiträge auf ein fiktives Bruttogehalt hochgerechnet worden. Grundlage für die Hochrechnung sei die Steuer-klasse VI. Nach weiteren Gesprächen mit der Klägerin ordnete die Beklagte den Beigeladenen zu 1. in die Lohnsteuerklasse I und verlangte im Bescheid vom 23 September 2011 von der Klägerin einen Gesamtbetrag in Höhe von EUR 81.226,18 inklusive Säumniszuschlägen von EUR 22.737,00. Vorliegend sei eine Nettolohnfiktion gemäß § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV wegen Vorliegen eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Es sei die 30-jährige Verjährungsfrist für die Versicherungsbeiträge gegeben, da die Klägerin vorsätzlich gehandelt habe. Der Beigeladene zu 1. sei als sozialversicherungspflichtiger Arbeitnehmer der Klägerin zu allen Beiträgen der Sozialversicherung versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Gegen in diesem Bescheid erhob die Klägerin unter dem 18. Oktober 2011 Widerspruch in-soweit, als Beiträge verlangt würden, die über einen Betrag von EUR 36.257,97 und Säumniszuschläge von EUR 14.017,00 hinausgingen. Nur in dieser Höhe werde Widerspruch und die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Die Klägerin könne sich der Feststellung der Beklagten anschließen, dass ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gegeben sei, nicht aber die Wertung teilen, dass ein illegales Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Die Aussetzung der Vollziehung wurde mit Bescheid vom 1. November 2011 abgelehnt. Der hiergegen erhobene Antrag auf einstweiligen Rechtsschutzes zum Az. S 29 KR 31/12 ER vom 22. Februar 2012 wurde mit Beschluss vom 27. April 2012 zurückgewiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 8. August 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Hierbei nahm sie Ausführungen zum Vorsatz im Hinblick auf die Entscheidung des BSG, Urteil vom 9. November 2011, B 12 KR 18/09 R vor. Der Vorsatz sei gegeben, da ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis in eine "selbstständige Tätigkeit" überführt worden sei, ohne dass sich die Tätigkeit geändert habe. Hiergegen hat die Klägerin unter dem 29. August 2012 Klage vor dem Sozialgericht Stade erhoben. Sie bekräftigt ihre Auffassung, dass der Bescheid nur hinsichtlich eines Gesamtbetrages von EUR 30.951,21 angegriffen werde, aber insoweit aufzuheben sei. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin sei nicht als illegales Beschäftigungsverhältnis i. S. des § 14 SGB IV zu werten, weshalb die von der Beklagten zugrunde gelegte Nettolohnabrede unzulässig sei.

Sie beantragt,

die Bescheide der Beklagten hinsichtlich der Beträge aufzuheben, die EUR 36.257,97 an Beitragslast bzw EUR 14.017,00 an Säumniszuschlägen überschreiten und die Beklagte zur Rückzahlung zu verpflichten. Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, ihre Bescheide seien nicht zu beanstanden. Insbesondere sei der Vor-satz für die Feststellung einer Nettoentgeltabrede gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die Bescheide der Beklagten erweisen sich als rechtmäßig. Nachdem bereits im Vorverfahren seitens der Klägerin anerkannt worden ist, dass der Beigeladene zu 1. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses auch ab November 2005 bei ihr beschäftigt war, ist streitig nur noch die Höhe der Beitragsnachforderung. Diese ist im Ergebnis nicht zu beanstanden, da die Beklagte zu Recht davon ausgegangen ist, dass ein illegales Beschäftigungsverhältnis i. S. des § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV gegeben war. Nach dieser Norm gilt ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei illegalen Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung zur Arbeitsförderung nicht gezahlt worden sind. Eine "Illegalität" eines Beschäftigungsverhältnisses im Sinne des seit dem 1. August 2002 geltenden § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV liegt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 9. November 2009, B 12 KR 18/09 R, nach Wortsinn und allgemeinem Sprachgebrauch bereits vor, wenn die Beschäftigung gegen geltendes Recht verstößt. Aller-dings sei nach Sinn und Zweck der Norm sowie der Entstehungsgeschichte der Tatbestand des § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV nicht bereits dann erfüllt, wenn die Nichtzahlung von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung (allein) aus Anlass ("bei") einer objektiven Verletzung dieser Zahlungspflichten und mit ihnen einhergehender, hierauf bezogener Pflichten erfolgt, also darauf beruht. Insoweit seien objektive Gegebenheiten im Hinblick auf die Nichtzahlung von Abgaben nicht ausreichend. Vielmehr sei als Korrektiv geboten, dass die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element in der Form eines (mindestens bedingten) Vorsatzes getragen sind. Um schlichte Berechnungsfehler und bloße versicherungs- sowie beitragsrechtliche Fehlbeurteilungen, die ebenfalls zu einer Nichtzahlung von Steuern und Beiträgen zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung führen können, aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen, bedürfe es nicht einer Eingrenzung auf bestimmte Erscheinungsformen objektiver Gesetzwidrigkeit, sondern des zusätzlichen Erfordernisses des Vorsatzes (BSG aaO, zu alledem). Nach diesen Maßgaben ist der objektive Tatbestand eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses erfüllt. Denn ein Verstoß gegen die gesetzlichen Melde-, Aufzeichnungs- und Nachweis-pflichten der §§ 28a und 28f SGB IV sowie die Nichtzahlung von Beiträgen gemäß §§ 28 d, e, SGB IV liegt vor. Dieser Verstoß ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig und ist durch den insoweit nicht angegriffenen Bescheid der Beklagten vom 23. September 2011 bestands-kräftig festgestellt. Die Klägerin hat auch im Rahmen des vorliegenden gerichtlichen Verfahrens stets eingeräumt, dass der Beigeladenen zu 1. objektiv zu Unrecht als selbstständig Beschäftigter geführt wurde und nach Art, Umfang und konkrete Ausgestaltung seiner Tätigkeit tatsächlich - mit der Folge der Beitragspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung - abhängig beschäftigt war. Der Annahme eines illegalen Beschäftigungsverhältnisses steht nicht entgegen, dass vorliegend der Beigeladene zu 1. nach seinen unbestrittenen Angaben in vollem Umfang die Einkünfte aus der Tätigkeit für die Klägerin zur Einkommensteuer veranlagt hat. Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass damit keine Nichtabführung von Steuern iSd § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV gegeben ist, folgt das Gericht dem nicht. Die Argumentation verkennt, dass für die Nichtabführung von Steuern auf die Klägerin abzustellen ist. Es verbietet sich aus Sicht des Gerichts nach Sinn und Zweck der Norm, es ausreichen zu lassen, dass der Beigeladene zu 1. seiner Steuerpflicht nachgekommen ist. Denn § 14 Abs 2 Satz 2 SGBV IV ist die Grundlage für die Nacherhebung von Beiträgen zur Sozialversicherung, die seitens der Klägerin als Arbeitgeber abzuführen sind. Vor diesem Hintergrund kann es nicht darauf ankommen, ob der Beigeladene zu 1. seiner Steuerpflicht nachgekommen ist. Anderenfalls hätte es die beschäftigte Person in der Hand, ob die Vorschrift § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV zu Lasten des Arbeitgebers greift. Dies ist nicht sachgerecht. Die Klägerin hatte zwar mit dem Beigeladenen verein-bart, dass dieser sie von allen beitrags- und steuerrechtlichen Folgen freistellt. Letztlich hatte sie es nach der gewählten Vertragsgestaltung aber nicht in der Hand, ob die Abführung von Steuern auf die gezahlte Vergütung erfolgt. Ausreichend ist damit vielmehr der Umstand, dass seitens der Klägerin keine Steuern für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ab November 2005 mehr abgeführt worden sind, obwohl dies erforderlich war, weil seine Beschäftigung als abhängig zu qualifizieren war. Darauf stellt auch das BSG, aaO, Rn 15 ab, wenn dort festgestellt wird, dass nach den Feststellungen des LSG "der Kläger - weil der Beigeladene zu Un-recht als Selbstständiger behandelt worden ist - insgesamt weder Steuern noch Beiträge zur Sozialversicherung und zur Arbeitsförderung abgeführt" [hat]. Insofern liegt in der in den angegriffenen Bescheiden vertretenen Auffassung der Beklagten, objektiv von einem illegalen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, kein Widerspruch zu der Kommentierung von Seewald, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 14 Rn 137, wonach die Illegalität des Beschäftigungsverhältnisses auch die Vorenthaltung von Steuern voraussetze. Die Klägerin handelte bedingt vorsätzlich iSd. § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV. Das BSG, aaO, hat für die Frage, in welchem Grade die Pflichtverstöße von einem subjektiven Element getragen sein müssen, in Ermangelung anderer Maßstäbe an die für die Verjährung vorenthaltener Sozialversicherungsbeiträge geltende Regelung des § 25 Abs 1 Satz 2 SGB IV (Verlängerung der Verjährungsfrist von vier auf dreißig Jahre) angeknüpft. Danach sei für den Eintritt dieser qualifizierten Folge ebenfalls (mindestens bedingter) Vorsatz erforderlich. Bedingter Vorsatz im Hinblick auf die Vorenthaltung von Beiträgen liegt vor, wenn der Arbeitgeber trotz Kenntnis der Möglichkeit der Beitragspflicht die Beitragszahlung unterlässt und er dadurch die Nichtabführung von geschuldeten Beiträgen billigend in Kauf nimmt (BSG, Urteil vom 30. März 2000 - B 12 KR 14/99 R Rn. 23-25). Der Vorsatz muss sich nach den vorstehend wiedergegebenen Ausführungen des BSG darauf beziehen, dass Pflichtverstöße gegen Melde- bzw Beitrags- und Steuerabführungsverpflichtungen begangen werden. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin nahm zumindest billigend in Kauf, dass sie ab 1. November 2005 gegen die ihr obliegenden beitragsrechtlichen Melde- und Abführungs-verpflichtungen verstoßen würde. Als wesentliches Indiz stützt sich das Gericht auf den Um-stand, dass der Beigeladene zu 1. zunächst als abhängig Beschäftigter bei der Klägerin tätig wurde. Zu diesem Zeitpunkt im August 2005 ging die Klägerin offenbar davon aus, dass die Tätigkeit des Klägers nicht in selbständiger Form ausgeübt wurde. Mit der Umwandlung in einen Dienstleistungsvertrag zum 1. November 2005 war - wie der Klägerin bekannt war - keine wesentliche inhaltliche Änderung des Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1. verbunden. Vielmehr wurde der weit überwiegende Teil seiner Beschäftigung in Form der auch zuvor ausgeübten pflegerischen Tätigkeiten geleistet. Dem entsprechend ist aus dem in der Verwaltungsakte enthaltenen Vermerk des Hauptzollamtes Bremen vom 12. März 2010 ersichtlich, dass der Geschäftsführer der Klägerin, befragt zu den Umständen der selbstständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1., angab, dass dieser "eigentlich als Schichtleiter" im Unternehmen tätig sei. Damit ist für das Gericht hinreichend erwiesen, dass die Klägerin in Person ihres Geschäftsführers bei der - nach strafrechtlichen Maßstäben ausreichenden - Parallelwertung in der Laiensphäre davon ausging, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. der Sache nach auch nach Begründung des Dienstvertrages nicht als selbständig zu qualifizieren war. Es kann vor dem Hintergrund dieser Angaben hier dahinstehen, ob bei dem Geschäftsführer der Klägerin, der nicht nur geschäftlich erfahren ist, sondern darüber hinaus auch die gesamten Personalbelange und -abrechnungen in Eigenregie erstellt, überhaupt von einem "Laien" bei der sozialversicherungsrechtlichen Bewertung von Beschäftigungs- und Arbeitsverhältnissen gesprochen werden kann. Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass nicht von einem vorsätzlichen Verhalten ausgegangen werden könne, da die Einstufung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. zmindest vertretbar gewesen sei, so dass lediglich die Annahme von Fahrlässigkeit in Betracht komme (so ausdrücklich im Schreiben vom 27. Mai 2011 an die Beklagte). Das BSG, aaO, hat hinsichtlich der Prüfung der subjektiven Tatbestandsseite des § 14 Abs 2 Satz 2 SGB IV als berücksichtigungsfähig angesehen, dass der Arbeitgeber bei Unklarheiten hinsichtlich der versicherungs- und beitragsrechtlichen Beurteilung einer Erwerbstätigkeit die Möglichkeit hat, darüber im Einzugsstellen- (vgl § 28h SGB IV) und/oder Anfrageverfahren (vgl § 7a SGB IV) Gewissheit durch Herbeiführung der Entscheidung einer fachkundigen Stelle zu erlangen; der Verzicht auf einen entsprechenden Antrag könne vorwerfbar sein, soweit es die beitragsrechtlichen Folgen einer Fehlbeurteilung des Betroffenen anbelangt (vgl auch Küttner/Schlegel, Personalbuch 2011, Stichwort "Säumniszuschläge" RdNr 16; Segebrecht in jurisPK-SGB IV, 2. Aufl 2011, § 28g RdNr 23). Diese Wertung legt das Gericht auch vorliegend zu Grunde. Soweit die Einstufung der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als selbständiges freies Mitarbeitsverhältnis aus Sicht der Klägerin "zumindest vertretbar" war, hätten die damit aufgezeigten Zweifel bzw Unklarheiten gerade Anlass für die Einholung einer verbindlichen Auskunft sein müssen. Eine Anfrage bei Einzugsstelle oder Clearingstelle der DRV Bund ist jedoch nicht gestellt worden. Das Unterlassen einer derartigen Klärung führt dazu, dass eine spätere gegenteilige Bewertung durch die Sozialversicherungsträger billigend in Kauf genommen wird. Keinen ausreichenden Ersatz für die Durchführung eines solchen Verfahrens stellt die Aussage eines Wirtschaftsprüfers dar, zumal wenn dieser nach Angaben des Geschäftsführers ihr nicht einmal bekannt war und er dem familiären Umfeld des Beigeladenen zu 1. entstammte. Weitere konkrete Einzelumstände des vorliegenden Sachverhaltes untermauern die Annahme von Vorsatz und widerlegen die Einschätzung der Klägerin, dass die Fehleinschätzung der Zulässigkeit einer Umwandlung des Beschäftigungsverhältnisses bzw der daran anknüpfenden Einstellung von Meldungen und Beitragsabführung lediglich fahrlässig erfolgte. So war die Frage der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen von vornherein Gegenstand der klägerischen Überlegungen im Rahmen der Umwandlung des abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in den Dienstvertrag. Dies folgt aus dem Umstand, dass die Freistellungsklausel hinsichtlich Sozialversicherungsbeiträgen und Steuern zu Gunsten der Klägerin ausdrücklicher Bestandteil der Vergütungsvereinbarung geworden ist. Die Übertragung der Verantwortung für die Abführung von Beiträgen und Steuerlast auf den Beigeladenen zu 1. entband die Klägerin nicht von den eigenen beitragsrechtlichen Verpflichtungen, gerade weil, wie dargelegt, die Klägerin wegen des nach der Begründung des Dienstleistungsvertrages weitgehend unveränderten Tätigkeitsbildes selbst nicht vom Vorliegen der objektiven Gegebenheiten einer selbständigen Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. ausging. Hinzu tritt, dass der Klägerin - vom Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 bestätigt - jedenfalls in groben Zügen bekannt war, dass die Um-wandlung des Beschäftigungsverhältnisses des Beigeladenen zu 1. darauf gerichtet war, aus seiner Beschäftigung mehr "Brutto für Netto" zu erlangen. Nach dem bereits zitierten Vermerk des Hauptzollamtes Bremen vom 12. März 2010 hat der Geschäftsführer der Klägerin angegeben, dass die Definition der Tätigkeiten durch den Bruder des Beigeladenen zu 1. vorgenommen worden sei, der Wirtschaftsprüfer sei. Dessen Idee sei es wohl auch gewesen, dieser Art der Beschäftigung zu wählen, da der Beigeladene zu 1. im Rentenbezug stehe und so keine Kollision mit dem Rentenversicherungsträger zu erwarten habe. Der Geschäftsführer der Klägerin hat diese Auskünfte später im Rahmen seiner Vernehmung vom 14. September 2010 erneut bestätigt und nur in Teilen korrigiert. Klargestellt wurde lediglich, dass nicht der Bruder des Beigeladenen zu 1. sein, sondern ein entfernter Verwandter Wirtschaftsprüfer gewesen sei und zudem, dass der Beigeladene zu 1. seinerzeit noch nicht im Rentenbezug gestanden habe. Im Kern unverändert bleibt die Aussage der Klägerin, dass ihr der wesentliche Beweggrund (jedenfalls des Beigeladenen zu 1.) für die Umwandlung des entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses in eine selbstständige Tätigkeit bekannt war; dieser bestand darin, dass sich die Beitragslast für ihn mindern sollte. Der Vorsatz ist nicht dadurch ausgeschlossen bzw entfallen, dass das Konto 6410 "sonstige Personalaufwendungen", auf dem die Klägerin die Aufwendungen für die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. verbucht hatte, im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung vom 9. Dezember 2008 nicht beanstandet worden ist. Aus dem Bericht vom gleichen Tage ergibt sich zum einen nicht ausdrücklich, dass das Konto 6410 Gegenstand der Stichprobenprüfung war. Aber auch wenn dies der Fall gewesen sein sollte, so ist der Gegenstand der Lohnsteueraußenprüfung nicht die sozialversicherungsrechtliche Bewertung des Beschäftigungsverhältnisses des Bei-geladenen zu 1. Auch vermag die drei Jahre nach Abschluss des Dienstvertrages durchgeführte Prüfung des Finanzamtes Cuxhaven keinen Einfluss auf den, wie vorstehend festgestellt, seit Begründung des Dienstverhältnisses bestehenden Vorsatz einer billigend in Kauf genommenen Verletzung von Melde- und Beitragsabführungspflichten haben. Ein "Guter Glaube" kann nachträglich hierdurch nicht begründet werden. Ist danach das Vorliegen von bedingtem Vorsatz zur Überzeugung des Gerichts gegeben, konnte die Beklagte auch Säumniszuschläge iSd § 24 SGB IV erheben, deren Höhe nicht zu beanstanden ist. Ferner liegt hier vor dem Hintergrund des gegebenen Vorsatzes auch keine Verjährung vor. Nach Satz 1 des § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge vier Jahre nach dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Vorsätzlich vor-enthaltene Beiträge verjähren dagegen nach Satz 2 der Vorschrift in dreißig Jahren nach Ab-lauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Ob die kurze oder die lange Verjährungsfrist gilt, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber gutgläubig war (dh die Beiträge nicht vorsätzlich vorenthalten hat) oder ob er bösgläubig war (dh die Beiträge vorsätzlich vorenthalten hat). War er bei Fälligkeit der Beiträge gutgläubig und ist er es bis zum Ablauf der dann geltenden vierjährigen Verjährungsfrist geblieben, gilt die kurze Verjährungsfrist. War er hingegen schon bei Fälligkeit der Beiträge bösgläubig, gilt die lange dreißigjährige Verjährungsfrist. Nach der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30. März 2000, aaO, gilt auch dann die dreißigjährige Verjährungsfrist, wenn zwar bei Fälligkeit der Beiträge Gutgläubigkeit vorlag, aber vor Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist Bösgläubigkeit eingetreten ist. Nach diesen Maßgaben ist vorliegend der bedingte Vorsatz gegeben. Dies folgt aus den bereits aufgezeigten Umständen. Bösgläubigkeit bestand bereits im November 2005, d. h. bei Begründung des Dienstleistungsvertrages.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung. § 193 SGG ist nicht anwendbar, da die Beteiligten in kostenrechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 183 SGG nicht privilegiert sind. Die Festsetzung des Streitwertes hat ihre Grundlage in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG i.V.m. § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz.

Rechtsmittelbelehrung: 1. Sachentscheidung Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden. Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Str. 1, 29223 Celle, oder bei der Zweigstelle des Landessozialge-richts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen schriftlich oder in elektronischer Form nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom 21.10.2011 (Nds. GVBl. S. 367) in der jeweils aktuellen Fassung oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Monatsfrist bei dem Sozialgericht Stade, Am Sande 4a, 21682 Stade, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. Die Berufungsschrift muss innerhalb der Monatsfrist bei einem der vorgenannten Gerichte eingehen. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begrün-dung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben. Auf Antrag kann vom Sozialgericht durch Beschluss die Revision zum Bundessozialgericht zugelassen werden, wenn der Gegner schriftlich zustimmt. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Stade, Am Sande 4a, 21682 Stade, schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen. Ist das Urteil im Ausland zuzustellen, so gilt anstelle der obengenannten Monatsfrist eine Frist von drei Monaten. Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war. Der Berufungsschrift und allen folgenden Schriftsätzen sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden. Dies gilt nicht bei Einlegung der Berufung in elektronischer Form. 2. Streitwertfestsetzung: Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde an das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zu-lässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 Euro übersteigt. Sie ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Sozialgericht Stade, Am Sande 4a, 21682 Stade, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, so kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Hilft das Sozialgericht der Beschwerde nicht ab, so legt es diese dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen zur Entscheidung vor. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Georg-Wilhelm-Straße 1, 29223 Celle oder bei der Zweigstelle des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen, Am Wall 198, 28195 Bremen, schriftlich oder in elektronischer Form oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.