Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 05.11.2010, Az.: L 1 KR 471/09

Abhängigkeit der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung von der Qualifizierung einer Beschäftigung als abhängig oder selbstständig; Voraussetzung für die Einordnung eines Beschäftigungsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers als selbstständige Tätigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
05.11.2010
Aktenzeichen
L 1 KR 471/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2010, 42028
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2010:1105.L1KR471.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Oldenburg - 22.10.2009 - AZ: S 61 KR 94/07
nachfolgend
BSG - 29.08.2012 - AZ: B 12 R 14/10 R

Redaktioneller Leitsatz

Die Beschäftigung eines Familienangehörigen in einem Betrieb stellt sich nicht als abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dar, wenn der Angehörige, ohne Inhaber des Unternehmens zu sein, die Firma praktisch wie ein Alleininhaber nach eigenen Vorstellungen führt oder wenn er über ein überragendes Fachwissen verfügt, ohne das der Inhaber faktisch nicht in der Lage gewesen wäre, das Familienunternehmen zu betreiben.

In dem Rechtsstreit
B.
Kläger und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt C.
gegen
Techniker Krankenkasse, - Hauptverwaltung -, vertreten durch den Vorstand,
Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,
Beklagte und Berufungsklägerin,
beigeladen:
1. Firma Baumschulpflanzen-Handels GmbH & Co. KG vertreten durch den Geschäftsführer D.,
2. Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
3. Techniker Krankenkasse, - Pflegekasse -,
Hauptstraße 85, 26131 Oldenburg,
4. Bundesagentur für Arbeit, vertreten durch d. vorsitzende Mitglied der Geschäftsführung der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen,
Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover,
hat der 1. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen
auf die mündliche Verhandlung vom 05. November 2010 in Celle
durch
den Vizepräsidenten des Landessozialgerichts E.,
den Richter am Landessozialgericht F.,
die Richterin am Landessozialgericht G. -H.
sowie die ehrenamtlichen I. und J.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Versicherungspflicht des Klägers in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005.

2

Der am 7. März 1975 geborene Kläger hat Gartenbau studiert und bereits während seines Studiums für die Beigeladene zu 1), die Firma Baumschulpflanzen-Handels GmbH & Co. KG, gearbeitet. Gegenstand des Unternehmens ist nach § 1 Abs. 3 des 1984 geschlossenen Gesellschaftsvertrages der Handel mit Baumschulerzeugnissen, die im Wesentlichen in der vom Vater des Klägers betriebenen Baumschule, dem Einzelunternehmen K., produziert werden. Der Baumschulenbetrieb und die Vertriebsgesellschaft sind juristisch getrennt. Für die Baumschule sind ca. 100 Beschäftigte tätig, für die Vertriebsgesellschaft 9 Beschäftigte. Die KG ist dem Einzelunternehmen Baumschule L. M. vorgeschaltet, um Haftungsrisiken aus dem Handel der KG nicht auf die Baumschule durchschlagen zu lassen. Sämtliche Pflanzen des Einzelunternehmens werden an die KG verkauft, die diese weiter an Gartenzentren verkauft. Das Einzelunternehmen N. M. ist ein Hof i.S. der Höfeordnung. Der Kläger ist der einzige Hoferbe. Er führt auch die Geschäfte der Baumschule und hat deren Bewirtschaftung übernommen.

3

Persönlich haftende Gesellschafterin (Komplementärin) der Beigeladenen zu 1) war seinerzeit die O. Verwaltungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, die am 9. November 1984 von den Eltern des Klägers, Herrn O. und Frau P. M. gegründet worden waren. Kommanditisten waren Q. R. (Einlage: 15.000,-- DM) und die Mutter des Klägers (Einlage: 10.000,-- DM).

4

Am 27. Januar 2003 schlossen S. und T. mit dem Kläger einen "Anstellungsvertrag", wonach der Kläger mit Vertragsbeginn neben dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer S. zum weiteren Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt wird. Der Vertrag lautet im Einzelnen:

§ 1 Geschäftsführung und Vertretung

1)

Herr Sebastian Heinje wird mit Vertragsbeginn neben dem alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer Peter U. zum weiteren Geschäftsführer (nachfolgend kurz Geschäftsführer) der Gesellschaft bestellt.

2)

Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen.

....

4)

Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

§ 2 Pflichten und Verantwortlichkeit

1)

Der Geschäftsführer hat seine Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.

2)

Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinne der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr. Insbesondere ist der Geschäftsführer zur Einstellung und Kündigung von Mitarbeitern berechtigt.

3)

Der Geschäftsführer wahrt die wirtschaftlichen und steuerlichen Interessen der Gesellschaft.

....

§ 4 Bezüge des Geschäftsführers

1)

Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von brutto 2.100,-- EUR, das jeweils zum 3. Werktag des Monats zu zahlen ist.

2)

Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt der Gehaltsanspruch für die Dauer von sechs Monaten bestehen. Dauert die Verhinderung länger als ununterbrochen sechs Monate ruht der Gehaltsanspruch im Übrigen.

....

§ 6. Jahresurlaub

1)

Der Geschäftsführer hat Anspruch auf 24 Arbeitstage (Samstag ist kein Arbeitstag) bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Der Geschäftsführer hat den Zeitpunkt seines Urlaubs so einzurichten, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen wird.

....

3)

Kann der Urlaub wegen Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht oder nicht vollständig genommen werden, ist er dem Geschäftsführer abzugelten.

5

Der Kläger ist zum 1. Juni 2006 Gesellschafter der Beigeladenen zu 1) geworden.

6

Mit Schreiben vom 17. August 2006 übersandte der Kläger der Beklagten einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung und bat um Überprüfung der Sozialversicherungspflicht für den Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Dezember 2005.

7

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 23. August 2006 fest, dass der Kläger in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Dezember 2005 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der N. M. GmbH & Co KG abhängig beschäftigt gewesen sei. Geschäftsführer einer GmbH, die nicht am Stammkapital beteiligt sind (sog. Fremdgeschäftsführer), seien grundsätzlich abhängig beschäftigt. Lediglich in Ausnahmefällen könne bei Fremdgeschäftsführern eine selbstständige Tätigkeit in Betracht kommen. Dies seien Fälle, in denen ein Fremdgeschäftsführer in der GmbH schalten und walten könne, wie er wolle, weil er die Gesellschafter persönlich dominiere oder weil sie wirtschaftlich von ihm abhängig seien. Dies sei insbesondere bei einer Familiengesellschaft der Fall. Der Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer Herr R. sei bereits seit längerem in der Firma N. M. GmbH & Co KG tätig. Der Kläger sei als weiterer Geschäftsführer hinzugekommen. Zwar hätte er als Nachfolger eine besondere Stellung in der Firma, tatsächlich dürfe er auch nur im Rahmen des Gesellschaftervertrages und der Gesellschafterbeschlüsse handeln und unterliege damit der Überwachung der Gesellschafter. Ein Ausnahmefall liege nicht vor. Der Kläger sei als Arbeitnehmer vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 grundsätzlich kranken-, pflege-, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtig.

8

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. September 2006 Widerspruch ein. Er führte zur Begründung aus, dass es sich bei seiner Tätigkeit in dem streitigen Zeitraum nicht um eine abhängige Beschäftigung gehandelt habe. Der Kläger habe in der KG nach freiem Ermessen ohne Rücksprache mit Herrn R. schalten und walten können. Er habe nie den Weisungen von Herrn R. unterlegen, seine Tätigkeit frei bestimmt und einen maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg der Gesellschaft gehabt. Er sei vom Selbstkontrahierungsverbot gemäß § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit gewesen. Es sei bei Beginn der Tätigkeit bekannt gewesen, dass er das Unternehmen mittelfristig übernehmen werde, so dass vielmehr Herr R. vom Kläger wirtschaftlich abhängig gewesen sei.

9

Der Kläger sei auch nicht erst seit 1. Januar 2003 bei der Gesellschaft tätig, sondern hätte bereits seit Beginn seines Studiums in der Gesellschaft gearbeitet, seine Diplom-Arbeit über Betriebswirtschaft und Rating des Unternehmens geschrieben. Bei außerordentlichen Geschäften hätte der Kläger zudem über seine Mutter einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidung der Gesellschafterversammlung gehabt. Diese hätte ihm aufgrund eigener fehlender Branchenkenntnis völlig freie Hand gelassen. Der Unternehmenserfolg der Gesellschaft hänge von den Geschäftsbeziehungen zu der Baumschule O. ab, da die Gesellschaft einen Großteil der Pflanzen von dieser Baumschule beziehe. Der Kläger sei neben seiner Tätigkeit für die Gesellschaft in der Baumschule seines Vaters tätig. Er könne somit sowohl selbst als auch über seinen Vater tatsächlichen Einfluss auf die Geschicke Gesellschaft nehmen.

10

Er habe auch tatsächlich maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft gehabt. Für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit genüge es, wenn die Person keinen Weisungen unterliege. Ein Weisungsrecht hätte gerade nicht bestanden. Der Kläger sei frei von Weisungen gewesen und habe sämtliche Entscheidungen selbst fällen können. Herr R. hätte ihm völlig freie Hand gelassen. Es hätte keinen Bereich gegeben, den der Kläger nicht hätte bestimmen können. Es habe auch keine fremdbestimmte Leistung vorgelegen, denn der Kläger habe das Unternehmen selbstständig und weisungsfrei neu geordnet. Nach dem Einstieg in das Unternehmen habe er vielfältige Arbeits-, Personal-, Organisations-, Finanzierungs- sowie wirtschaftliche Entscheidungen getroffen, an die sich auch Herr R. zu halten gehabt habe. Letztlich hätte der Kläger über seine Mutter V. M. bei sämtlichen Entscheidungen mitbestimmen bzw. jede Entscheidung verhindern können. Im Gesellschaftsvertrag sei zwar nichts zu den Gesellschafterbeschlüssen geregelt, so dass sämtliche Beschlüsse nach der gesetzlichen Regelung nur einstimmig gefasst werden dürften. Ohne die Zustimmung der Mutter, die ihrem Sohn freie Hand gelassen habe, hätte Herr R. keine Entscheidung treffen können. Der Kläger habe somit die Sperrminorität gehabt. Dies gehe weit über die von der Rechtsprechung geforderte Weisungsfreiheit hinaus.

11

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 6. Februar 2007 zurück. Sie führte zur Begründung aus, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) bei Geschäftsführern einer GmbH, die nicht am Stammkapital der GmbH beteiligt seien, grundsätzlich ein abhängiges und damit sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorliege. Dies gelte auch dann, wenn der Geschäftsführer nach Ort, Zeit und Dauer weisungsfrei tätig sei und im Rahmen des Geschäftszwecks im Wesentlichen "frei schalten und walten" könne. Es genüge, wenn die Gesellschaft die Geschäftspolitik bestimme. Lediglich wenn der Geschäftsführer in der GmbH schalten und walten könne wie er wolle, weil er die Gesellschafter persönlich dominiere oder weil diese wirtschaftlich von ihm abhängig seien, könne - ausnahmsweise etwa in einer Familiengesellschaft - Selbstständigkeit anzunehmen sein.

12

Im Falle des Klägers würden die Merkmale überwiegen, die für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen würden. Der Kläger sei in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Dezember 2005 nicht als Gesellschafter an der O. Baumschulenpflanzen Handels-GmbH & Co KG beteiligt gewesen und hätte somit keine Möglichkeit gehabt, Gesellschafterbeschlüsse herbeizuführen oder zu verhindern und damit maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen des Unternehmens zu nehmen. Schriftliche oder verbriefte Sonderrechte hätten nicht bestanden. Dass der mitarbeitende Familienangehörige den Gesellschafter-Geschäftsführer dominiere und ohne seinen Willen keine abweichenden Entscheidungen getroffen werden könnten, sei hier nicht erkennbar. Der Kläger hätte die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze und der Satzung der Gesellschaft u.a. unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung zu führen. Die Betriebsorganisation und der Geschäftsablauf hätten somit letztlich in der Hand der Gesellschafter gelegen.

13

Unerheblich sei, ob diese von ihrem Weisungsrecht Gebrauch gemacht hätten oder nicht, denn die theoretische Rechtsmacht reiche aus. Der Kläger habe sich nicht in eine eigene, selbst gegebene, sondern in eine vorgegebene, fremde Betriebsorganisation eingefügt, so dass er funktionsgerecht dienend am Arbeitsprozess teilgehabt habe und seine Arbeitsleistung demnach fremd bestimmt gewesen sei. Es fehle das die selbstständige Tätigkeit kennzeichnende Unternehmerrisiko. Der Kläger habe unabhängig von der Ertragslage eine gleichbleibende monatliche Vergütung von 2.100,-- EUR gehabt. Er habe dem Unternehmen weder Darlehen gewährt noch Bürgschaften übernommen. Zwar sei der Kläger von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen, dies sei nur ein Indiz für eine selbstständige Tätigkeit, die gegenüber den für eine abhängige Beschäftigung sprechenden Gesichtspunkten nicht wesentlich ins Gewicht falle. Im Übrigen würden für die Beurteilung der Geschäftsführertätigkeit als abhängiges Beschäftigungsverhältnis der Urlaubsanspruch von 24 Arbeitstagen jährlich und die Fortzahlung der Bezüge im Krankheitsfall sprechen.

14

Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 7. März 2007 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Er hat nochmals darauf hingewiesen, dass er nicht abhängig beschäftigt gewesen sei, da er nach freiem Ermessen hätte schalten und walten können. Er sei keinen Weisungen unterlegen, hätte seine Tätigkeit frei bestimmen können und einen maßgeblichen Einfluss auf den Unternehmensablauf der Gesellschaft gehabt. Er sei vom Selbstkontrahierungsverbot befreit gewesen und habe das Unternehmen mittelfristig übernehmen sollen. Er habe das Unternehmen selbstständig und weisungsfrei neu geordnet, vielfältige Arbeits-, Personal-, Organisations-, Finanzierungs- und wirtschaftliche Entscheidungen getroffen, an die sich auch Herr R. zu halten gehabt hätte. Er habe die umsatzstärksten und größten Kunden der KG in vollem Umfang allein betreut, sämtliche Jahresgespräche, Konditionsverhandlungen und Vereinbarungen geführt, über Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden.

15

Der Kläger sei Hoferbe des Einzelunternehmens O.. Dieser sei der einzige Lieferant der KG, die ihre Geschäfte in den Räumen des Einzelunternehmens betreibe. Alle Kundenbeziehungen seien auf die Produkte des Einzelunternehmens O. ausgerichtet. Die KG hätte für Dritte keinen Wert, da sie ihre Pflanzen von dem Einzelunternehmen bezogen hätte. Das Einzelunternehmen hätte die Mietverträge der KG kündigen können. Die KG besitze keinen wesentlichen Wert, keine eigenen Räume, keine gesicherten Lieferanten. Hätte sich der Gesellschafter R. gegen die Entscheidungen des Klägers gestellt, so hätte er sich gegen die Hofnachfolge gestellt und der Kläger hätte notfalls an der KG vorbei sämtliche Pflanzen über eine neue eigene Gesellschaft oder direkt an die Kunden vertreiben können. Herr R. sei damit in großem Maße wirtschaftlich abhängig von der Entscheidung des Klägers gewesen.

16

Die Nachfolge sei dann auch zum 1. Januar 2006 tatsächlich vollzogen worden. Der Kläger habe sämtliche Gespräche mit den Banken geführt sowie mit dem Steuerberater und dem Finanzbuchhalter. Finanzpolitische Entscheidungen habe der Kläger alleine getroffen. Bei außerordentlichen Geschäften habe der Kläger über seine Mutter einen maßgeblichen Einfluss auf die Entscheidungen der Gesellschafterversammlung gehabt. Diese habe keinerlei wirtschaftliche Erfahrung und keine Branchenkenntnisse und sei damit nicht in der Lage gewesen, irgendeine Gesellschaftsentscheidung zu treffen. Letztlich hätte der Kläger über seine Mutter sämtliche Entscheidungen verhindern können. Der Kläger habe seinen Jahresurlaub nie in vollem Umfang in Anspruch genommen. Nach allem sei der Kläger sozialversicherungsrechtlich wie ein selbstständig Tätiger zu behandeln.

17

Die Beklagte hat darauf hingewiesen, dass eine Aufnahme des Klägers in die Unternehmensleitung durch die Bestellung zum Geschäftsführer mit entsprechender Kapitalbeteiligung hätte dokumentiert werden können. Ein Unternehmerrisiko könne aus dem Umstand, dass der Kläger Hoferbe des Einzelunternehmens sei, nicht hergeleitet werden. Bei Kapitalgesellschaften sei die Frage der persönlichen Abhängigkeit weitestgehend an die Stimmrechte bei der Beschlussfassung in der Gesellschafterversammlung gekoppelt. Dafür sei die kapitalmäßige Beteiligung an der Gesellschaft maßgebend. Die Stellung des Klägers als Fremdgeschäftsführer sei nicht gleichbedeutend mit der unabhängigen Stellung eines Unternehmers, da aus der Geschäftsführertätigkeit kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke und die übergeordnete betriebliche Organisation der GmbH resultiere. Bei tatsächlicher maßgeblicher Einflussnahme auf die Geschicke der Gesellschaft hätte dies entsprechend Ausfluss in den Verträgen durch Vereinbarung von Sonderrechten finden können und müssen. Der Kläger sei nicht als eigener Unternehmer tätig gewesen. Er hätte als Fremdgeschäftsführer fremdes Kapital verwaltet und sei damit funktionsgerecht dienend innerer Teil einer fremden Betriebsorganisation gewesen. Dass die Gesellschaft ggf. im Alltag der GmbH im Wesentlichen keine Weisungen hinsichtlich der Ausübung der Geschäftsführung gegeben habe, sei dabei unerheblich. Leitende Angestellte seien im Tagesgeschäft im Wesentlichen frei. Das Vertragsverhältnis sei als Beschäftigungsverhältnis gelebt worden. Der Kläger sei seit dem 1. Februar 2003 in seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Sozialversicherung gemeldet worden.

18

Das SG hat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Oktober 2009 als Zeugen S., den Bilanzbuchhalter W. und den Steuerberater X. vernommen.

19

Es hat mit Urteil vom 22. Oktober 2009 den Bescheid der Beklagten vom 23. August 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Februar 2007 aufgehoben und festgestellt, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) in der Zeit vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 nicht der Versicherungspflicht in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

20

Das SG hat zur Begründung ausgeführt, die Klage sei als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Zwar gehe es dem Kläger im Wesentlichen um die Erstattung der in der Vergangenheit entrichteten Pflichtbeiträge zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Mit der kombinierten Anfechtungs- und Feststellungsklage gegenüber der beklagten Krankenkasse sei ihm jedoch die Möglichkeit eröffnet, in einem einzigen gerichtlichen Verfahren gegenüber allen notwendig beigeladenen Versicherungsträgern das Nichtbestehen von Versicherungspflicht klären zu lassen. Diese wären an die ergangene Gerichtsentscheidung gebunden und könnten in einem Erstattungsverfahren später nicht mehr geltend machen, es habe Versicherungspflicht bestanden.

21

Die Feststellungsklage sei auch begründet. Der Bescheid der Beklagten sei rechtswidrig und aufzuheben. Der Kläger habe bei der Beigeladenen zu 1) in dem streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis zum 31. Dezember 2005 nicht in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden und daher auch nicht der Beitragspflicht in der Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung unterlegen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergebe sich aus § 28 h Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Die Versicherungs- und Beitragspflicht in den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung richte sich nach §§ 24, 25 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), für die Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), für die Rentenversicherung nach § 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) und für die soziale Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI).

22

Voraussetzung für die Versicherungspflicht sei eine abhängige Beschäftigung gegen Entgelt im Sinne des§ 7 SGB IV. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV sei Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Arbeitnehmer sei danach, wer von einem Arbeitgeber persönlich abhängig sei. Dieses erfordere grundsätzlich die Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführung. Zwar könne das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, wie es insbesondere bei Diensten höherer Art der Fall sei. Vollständig entfallen dürfe es jedoch nicht. Es müsse eine fremdbestimmte Leistung verbleiben. Davon abzugrenzen sei die selbstständige Tätigkeit, die durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet sei. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig sei, hänge davon ab, welche Merkmale überwiegen würden. Maßgeblich sei das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Würden die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen abweichen, gäben letztere den Ausschlag.

23

Diese Grundsätze würden auch bei Organen juristischer Personen gelten. Bei einem Geschäftsführer einer GmbH, der aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft auf diese einen beherrschenden Einfluss ausüben könne, sei eine Eingliederung grundsätzlich zu verneinen. Bei Fremdgeschäftsführern einer GmbH sei regelmäßig eine abhängige Beschäftigung anzunehmen und nur in begrenzten Einzelfällen hiervon abzusehen. Ein solcher Ausnahmefall könne bei Familienunternehmen vorliegen, wenn die familiäre Verbundenheit der beteiligten Familienmitglieder zwischen ihnen ein Gefühl erhöhter Verantwortung schaffe, die dadurch zum Ausdruck komme, dass die Höhe der Bezüge von der Ertragslage des Unternehmens abhängig gemacht werde oder wenn es aufgrund der familienhaften Rücksichtnahme an der Ausübung eines Direktionsrechts völlig mangele. Hiervon sei dann auszugehen, wenn aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie bei einem Alleininhaber die Geschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken geführt würden.

24

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sei die Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass die Geschäftsführertätigkeit des Klägers in dem streitigen Zeitraum keine abhängige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung gewesen sei. Unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles würden die für eine Selbstständigkeit sprechenden überwiegen. Die Beklagte habe zwar zutreffend darauf verwiesen, dass der Kläger mangels Kapitalbeteiligung nicht die Rechtsmacht gehabt habe, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern. Auch würden die Regelungen in dem am 27. Januar 2003 geschlossenen Anstellungsvertrag, insbesondere die Vereinbarung einer festen monatlichen Vergütung unter Anspruch auf Fortzahlung des Gehalts im Krankheitsfall sowie auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub, für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprechen. Nach dem Ergebnis der Anhörung des Klägers und der Zeugen R., Y. und Z. seien im hier zu entscheidenden Fall jedoch besondere Umstände gegeben, die dazu führten, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sei.

25

Der Kläger habe nach den nachvollziehbaren glaubhaften Aussagen der Zeugen die Beigeladene zu 1) faktisch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken geführt. Er habe aufgrund seines Gartenbaustudiums in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter S. über die Kenntnisse verfügt, die erforderlich gewesen seien, um das seinerzeit offenbar rasch wachsende Vertriebsunternehmen zu führen. Der Zeuge R. sei zwar bei der Ernennung des Klägers zum Geschäftsführer im Februar 2003 ebenfalls weiterhin alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) gewesen. Er habe nach eigenen Angaben seine Tätigkeit jedoch mehr auf den praktischen Bereich des Unternehmens beschränkt, insbesondere auf die Verpackung und Übersendung der Ware. Alle wesentlichen Geschäftsbereiche seien offensichtlich vom Kläger wahrgenommen worden. Dieser habe die Verhandlungen mit den wichtigsten Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und sei der wesentliche Ansprechpartner für die Bilanzbuchhaltung und Steuerberatung gewesen. Der Kläger habe über Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich tätig gewesen seien.

26

Der Zeuge R. habe in diesem Zusammenhang angegeben, dass sich der Gartenbaubetrieb und der Vermarktungsbetrieb in einem starken Wandel befunden hätten und er froh gewesen sei, dass der Kläger, der über konkrete Vorstellungen über die Entwicklung des Betriebes verfügt habe, als Geschäftsführer eingetreten sei und die mehr theoretischen Aufgaben übernommen hätte. Er habe dem Kläger in seinem Geschäftsbereich völlig freie Hand gelassen. Auch die Mutter des Klägers als Mitgesellschafterin der Beigeladenen zu 1) sei aufgrund fehlender Branchenkenntnisse ganz offensichtlich nicht zu einer wirksamen Kontrolle der Geschäftsführeraktivitäten des Klägers in der Lage gewesen und sein Vater hätte sich nach Aussagen des Zeugen R. fast ausschließlich um die stark expandierende Baumschule gekümmert. Der Kläger habe in seinem Geschäftsbereich schalten und walten können wie er wolle, ohne dass sich andere einmischt hätten.

27

Dies hätten auch die Aussagen der Zeugen Z. und Y. bestätigt, die die beigeladene Firma als Bilanzbuchhalter und Steuerberater betreut hätten. Der Kläger sei bei den mehrmals im Jahr stattfindenden Besprechungen der wesentliche und im weiteren Verlauf sogar fast alleinige Ansprechpartner gewesen. Der Zeuge R. habe nur selten an den Besprechungen teilgenommen und auch der Vater des Klägers hätte sich, soweit es um die Belange der Vertriebsgesellschaft ging, weitgehend zurückgehalten. Die dominante Stellung des Klägers spreche gegen eine Arbeitnehmereigenschaft. Weiteres Indiz sei, dass der Kläger nach seinen Angaben regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet habe, ohne hierfür einen finanziellen Ausgleich zu beanspruchen. Es hätte offensichtlich fest gestanden, dass der Kläger in absehbarer Zeit als Mitgesellschafter und Mitinhaber in die Vertriebsfirma eintreten würde und dass er auch früher oder später Inhaber oder zumindest Mitinhaber der von dem Vater betriebenen Baumschule werden würde, die der einzige Lieferant der Beigeladenen zu 1) sei. Als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1) und künftiger Inhaber der Baumschule habe der Kläger weitaus mehr als ein abhängig Beschäftigter ein maßgebliches Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der eng miteinander verflochtenen Unternehmen.

28

Gegen das am 27. November 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21. Dezember 2009 Berufung eingelegt. Sie hat zur Begründung ausgeführt, das SG habe die Besonderheiten des Einzelfalles nicht ausreichend gewürdigt. Es könne dahinstehen, ob die Aussagen der Zeugen glaubhaft seien. Auch wenn die vom Gericht festgestellten tatsächlichen Umstände des Einzelfalles zur Beurteilung herangezogen würden, stelle sich die Geschäftsführertätigkeit als eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung dar. Die dominante Stellung des Klägers als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) spreche nicht gegen eine Arbeitnehmerschaft. Es sei durchaus normal und geradezu typisch für einen Geschäftsführer, dass er eine dominante Stellung inne hätte. Wenn der Auffassung des Gerichts zu folgen wäre, wäre eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung bei Geschäftsführern gleichsam ausgeschlossen. Das Gericht lasse weitgehend unberücksichtigt, dass es neben dem Kläger mit dem Zeugen S. einen zweiten alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer gegeben hätte. Dass dieser den Kläger in seinen Geschäftsbereichen weitgehend freie Hand gelassen hätte, spreche zwar für eine sinnvolle Arbeitsteilung, nicht aber gegen die Arbeitnehmerschaft des Klägers. Anders herum werde sicherlich auch der Kläger dem zweiten Geschäftsführer weitgehend freie Hand in dessen Geschäftsbereichen gelassen haben. Dass dessen Aufgaben eher im praktischen und die des Klägers mehr im theoretischen Bereich gelegen hätten, mache den Kläger noch nicht zu einem Selbstständigen. Ein ausgleichsfreier Verzicht auf Jahresurlaub bei leitenden Angestellten und abhängig beschäftigten Geschäftsführern sei nicht unüblich. Es sei auch nicht untypisch für einen abhängig beschäftigten Geschäftsführer, dass er mit Steuerberatern und Bilanzbuchhaltern spreche. Ein besonderes Indiz für die Selbstständigkeit sei die Übernahme eines unternehmerischen Risikos. Das Gericht lasse unberücksichtigt, dass der Kläger in der maßgeblichen Zeit einem solchen Risiko nicht ausgesetzt gewesen sei. Sofern das Gericht ausführe, der Kläger habe ein erhöhtes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg gehabt, weil eine Übernahme der Geschäfte bereits geplant gewesen sei, sei dieses Interesse sicherlich nicht einem unternehmerischen Risiko gleichzusetzen. Wäre der wirtschaftliche Erfolg nicht eingetreten, hätte der Kläger auf eine Teilhabe oder Übernahme des bestehenden Betriebes verzichtet. Ein Risiko habe zu der fraglichen Zeit für ihn also überhaupt nicht bestanden. Darüber hinaus sei sogar seine Vergütung vom wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens unabhängig gewesen.

29

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 22. Oktober 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

30

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

31

Er bezieht sich auf seinen erstinstanzlichen Vortrag und die Entscheidungsgründe des Gerichts. Die Argumente der Beklagten, dass ein Geschäftsführer gerade typischerweise eine dominante Stellung hätte, gingen fehl. Ein Geschäftsführer hätte zwar gegenüber seinen Mitarbeitern grundsätzlich eine dominante Stellung, in der Regel aber nicht gegenüber den Gesellschaftern und Mitgeschäftsführern der GmbH & Co KG. Dies gelte insbesondere deshalb, weil ein Geschäftsführer jeder Zeit abberufen werden könne. Der Kläger hätte gerade diese dominante Stellung gegenüber dem Mitgeschäftsführer und Gesellschafter R. sowie der Gesellschafterin M. gehabt. Darin hätte eine Besonderheit des vorliegenden Falles gelegen, die gegen eine abhängige Beschäftigung gesprochen hätte. Die Tatsache, dass Herr R. den Kläger die für das Unternehmen existentiellen Fragen habe allein entscheiden lassen, zeige die dominierende Stellung des Klägers und die wirtschaftlichen Interessen des Klägers in seinem Unternehmen.

32

Der Kläger habe lediglich 10 Tage Urlaub im Kalenderjahr genommen, auf den restlichen Urlaub ausgleichsfrei verzichtet und darüber hinaus weit in die Abendstunden hinein und an den Wochenenden gearbeitet bzw. sich mit Kunden getroffen. Dies sei für einen Geschäftsführer mit einem Gehalt von 2.100,-- EUR brutto sehr unüblich. Der Kläger hätte sehr wohl ein unternehmerisches Risiko gehabt. Dieses hätte für den Kläger nicht in einer privaten Insolvenz bestanden. Dieses Risiko hätte aber kein Gesellschafter einer GmbH & Co KG, denn es sei gerade der Gesetzeszweck einer GmbH & Co KG, dass das unternehmerische Risiko nicht in das Privatvermögen durchschlage. Folge man den Argumenten der Beklagten, dann hätte nicht einmal ein geschäftsführender Gesellschafter einer GmbH, der zu 100% an dem Vermögen beteiligt sei und zweifellos nicht als Arbeitnehmer gelte, ein unternehmerisches Risiko. Denn eine GmbH könne ohne Stammkapital gegründet werden, so dass Verluste nicht auf den Gesellschafter durchschlagen würden. Die gesamte Ausbildung und der Werdegang des Klägers sowie die Unternehmensentwicklung ziele auf die Übernahme des Unternehmens durch den Kläger ab. Der gesamte Unternehmenswert der KG und der Baumschule, die der Kläger als Hoferbe sicher erben werde, würde im Falle einer Insolvenz der KG auf dem Spiel stehen. Das Risiko sei für den Kläger sogar bedeutend größer als für den Zeugen R., da der Wert der Baumschule bedeutend größer sei als der Wert der Handels GmbH & Co KG. Dies sei ein unternehmerisches Risiko, auch wenn der Kläger damit nicht zum Sozialfall würde.

33

Die Beigeladene zu 4) hat keinen Antrag gestellt. Sie hält die Rechtsauffassung in dem angefochtenen Urteil des SG für zutreffend.

34

Die übrigen Beigeladenen haben keine Anträge gestellt und sich im Verfahren nicht geäußert.

35

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Entscheidungsgründe

36

Die gemäß §§ 143 f. SGG form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten ist zulässig.

37

Sie ist jedoch nicht begründet.

38

Zutreffend hat das SG festgestellt, dass der Kläger in dem streitigen Zeitraum vom 1. Februar 2003 bis 31. Dezember 2005 nicht der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlag.

39

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen herangezogen, den Sachverhalt und die erhobenen Beweise überzeugend gewürdigt und ist zu einem zutreffenden Ergebnis gekommen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe in dem Urteil des SG Bezug genommen.

40

Zur Ergänzung wird Folgendes ausgeführt:

41

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 SGB IV entscheidet die Einzugsstelle über die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung und erlässt den Widerspruchsbescheid. An sie ist der Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen, sie überwacht die Einreichung des Beitragsnachweises und macht die Beitragsansprüche geltend.

42

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 SGB III).

43

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist die Beschäftigung die nicht selbstständige Tätigkeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Nur derjenige, der das wirtschaftliche Risiko der Tätigkeit, nämlich Gewinn und Verlust selbst trägt und dem die im Unternehmen verrichteten Arbeiten zugerechnet werden können, ist selbstständig (vgl. BSG, Urteil vom 30. März 2006 - B 10 KR 2/04 R).

44

Ob jemand abhängig oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten. Eine im Widerspruch zur ursprünglich getroffenen Vereinbarung stehende Beziehung und die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehungen geht der nur formellen Vereinbarung vor (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006 - B 12 KR 30/04). Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange die Rechtsposition nicht wirksam abgedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 24. Januar 2007 - B 12 KR 31/06 R). Weichen also die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG, Urteil vom 22. Juni 2005 - B 12 KR 28/03 R).

45

Ein Gesellschafter einer GmbH kann zu dieser gleichzeitig in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehen. Demgegenüber schließt ein maßgeblicher rechtlicher oder tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ein Beschäftigungsverhältnis aus, wenn der Gesellschafter damit Einzelanweisungen verhindern kann (zu GmbH-Gesellschaftern, die zugleich Geschäftsführer sind und mindestens 50% des Stammkapitals innehaben - BSG, Urteil vom 17. Mai 2001 - B 12 KR 34/00 = SozR 3-2400 § 7 Nr. 17).

46

Bei Personen, die bei einer Gesellschaft weder Geschäftsführer mit eigenen Geschäftsanteilen noch Gesellschafter sind, ist grundsätzlich von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Auch bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG regelmäßig eine abhängige versicherungspflichtige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3- 2400 § 7 Nr. 20, SozR 4-2400 § 7 Nr. 1, Seewald, Kasseler Kommentar, Bd I, Stand: September 2009, § 7 Rdnr. 90 ff.). Dies soll selbst dann gelten, wenn der Geschäftsführer seine Tätigkeit frei von Weisungen hinsichtlich der Gestaltung und zeitlichen Durchführung seiner Arbeit ausübt, da dies grundsätzlich auch für Leitende Angestellte zutreffe.

47

Jedoch kann in seltenen Ausnahmefällen aufgrund besonderer Umstände das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeschlossen sein. Zu solchen besonderen Umständen können die Abbedingung des Selbstkontrahierungsverbotes nach § 181 BGB, die alleinige Branchenkenntnis des Geschäftsführers oder das Bestehen einer Familien-GmbH mit besonderer Bindung an die Gesellschafter gehören (vgl. BSG NZS 1990, 915, Seewald, a.a.O.., § 7 Rdnr. 93 ff; Baier, in Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Kommentar, § 7 SGB IV Rdnr. 19). Voraussetzung ist daher, dass der Geschäftsführer das Geschäft aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen nach eigenem Gutdünken führen kann, die Ordnung des Betriebes selbst prägt und deshalb faktisch wie ein Alleininhaber "frei schalten und walten kann", ohne dass der Gesellschafter das verhindert hätte oder wenn der /die Gesellschafter von dem ihm/ ihnen zustehenden Direktionsrecht gegenüber dem Geschäftsführer tatsächlich in keiner Weise Gebrauch macht/machen (vgl BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001 - B 12 KR 10/01 R; Segebrecht/Wissing/Scheer/Wrage, [...] PK-SGB IV, § 7 Rdnr. 97 f.; erkennender Senat LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 26. August 2009 - L 1 KR 52/09; 22. September 2010 - L 1 KR 41/09). Eine rechtlich bestehende Abhängigkeit kann durch die tatsächlichen Verhältnisse so überlagert sein, dass eine Beschäftigung im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ausscheidet. Entscheidend kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse an.

48

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zutreffend entschieden, dass im Falle des Klägers aufgrund der tatsächlichen Verhältnisse in dem streitigen Zeitraum nicht von einer abhängigen sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung auszugehen ist. Sämtliche oben aufgeführten einen Ausnahmefall begründenden Umstände liegen hier vor.

49

Zwar sprechen einige Merkmale für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung. Die Beteiligten haben am 27. Januar 2003 einen Anstellungsvertrag geschlossen, ein monatliches festes Gehalt vereinbart sowie einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes im Krankheitsfall sowie auf bezahlten jährlichen Erholungsurlaub und den Kläger zu allen Zweigen der Sozialversicherung gemeldet. Der Kläger hatte mangels Kapitalbeteiligung in dem streitigen Zeitraum selbst auch nicht die Rechtsmacht, Beschlüsse der Gesellschaft herbeizuführen oder zu verhindern.

50

Nach den vorliegenden Unterlagen und den Aussagen der Zeugen hat der Kläger in der Familiengesellschaft jedoch wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken das Geschäft geführt. Er war nach § 1 Abs. 2 des Vertrages vom 27. Januar 2003 als Geschäftsführer alleinvertretungsberechtigt und nach § 1 Abs. 4 von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Der Kläger verfügte zudem aufgrund seines Gartenbaustudiums - wie das SG zu Recht ausgeführt hat - in weitaus größerem Maße als der Mitgeschäftsführer und Mehrheitsgesellschafter R. über die erforderlichen Branchenkenntnisse, um das Vertriebsunternehmen zu führen. Der Kläger hatte bereits seine Diplomarbeit über die Betriebswirtschaft und das Rating in seinem Unternehmen geschrieben und hat konkrete Vorstellungen über die zukünftige Entwicklung des Betriebes entwickelt. Er hat alle wesentlichen Geschäftsbereiche selbst wahrgenommen, die Verhandlungen mit wichtigen Kunden geführt, neue Märkte erschlossen, mit Banken verhandelt und war wesentlicher Ansprechpartner für den Bilanzbuchhalter und den Steuerberater, die im SG-Verfahren ebenfalls als Zeugen gehört worden sind und die Angaben des Klägers bestätigt haben. Der Kläger hat über Einstellungen und Entlassungen von Mitarbeitern entschieden, soweit sie in seinem Geschäftsbereich - dem Vertriebsunternehmen der Beigeladenen zu 1) - tätig waren. Der Kläger hat die Verantwortung getragen und das Unternehmen weiter entwickelt.

51

Die Gesellschafter R. und die Mutter des Klägers, die selbst überhaupt nicht über Branchenkenntnisse verfügte, haben die Aktivitäten des Klägers tatsächlich nicht kontrolliert. Darüber hinaus hat der Kläger regelmäßig auf einen Teil des vertraglich vereinbarten Jahresurlaubs verzichtet.

52

Zu berücksichtigen sind im vorliegenden Fall insbesondere die familiären Umstände und die Verbindung der beiden Unternehmen. Der Kläger hat in dem streitigen Zeitraum als künftiger Mitgesellschafter der Beigeladenen zu 1) und künftiger Inhaber der Baumschule und Hoferbe, dem nach § 4 der Höfeordnung der Hof kraft Gesetzes allein zufällt, ein besonderes eigenes Interesse am wirtschaftlichen Erfolg der miteinander verbundenen Unternehmen gehabt. Zutreffend hat der Kläger darauf hingewiesen, dass aufgrund der besonderen wirtschaftlichen Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) von der Baumschule und der familiären Verflechtungen zwischen der Baumschule des Vaters, die der Kläger als Hoferbe erhalten sollte, und die er bereits selbst mitbewirtschaftete, sowie der Stellung der Mutter bei der Beigeladenen zu 1) der Geschäftsführergesellschafter R. eher abhängig vom Kläger war als dieser i.S. eine Arbeitsverhältnisses von dem Gesellschafter R..

53

Der Senat verkennt bei seiner Entscheidung nicht, dass seit geraumer Zeit verstärkt Überprüfungsanträge gestellt werden, die sich - wie auch im vorliegenden Verfahren - auf viele Jahre in der Vergangenheit erstrecken (vgl. dazu auch Menthe, RV aktuell, 2006, 179, 186, LSG Niedersachsen-Bremen, Urteile vom 27. Mai 2009 - L 1 KR 293/07, 22. September 2010 - L 1 KR 41/09). Der Senat hat darin bereits ausgeführt, dass derartige nachträgliche Korrekturen des sozialversicherungsrechtlichen Status die Planbarkeit und damit die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Sozialversicherung erheblich beeinträchtigen können und die Gefahr besteht, dass sich diese Überprüfungsverfahren zu Lasten der Versichertengemeinschaft auswirken. Trotz dieser sozialpolitischen Erwägungen richtet sich die Abgrenzung einer selbstständigen von einer abhängigen Tätigkeit nach den oben genannten Kriterien und es kommt nach der Rechtsprechung des BSG maßgeblich auf die tatsächliche Ausgestaltung an.

54

Im vorliegenden Fall geht es lediglich um den Anspruch auf Feststellung des Bestehens oder des Nichtbestehens des Versicherungsverhältnisses und noch nicht um die Beitragsrückerstattung. Dabei wird im Verwaltungsverfahren zu prüfen sein, ob die den tatsächlichen Verhältnissen nicht entsprechenden Vertragsgestaltungen oder die tatsächlich erfolgte jahrelange Beitragsentrichtung nach den Grundsätzen von Treu und Glauben bzw. nach dem Verbot des venire contra factum proprium einem Erstattungsanspruch der Beiträge ebenso entgegenstehen, wie die Tatsache, dass der Kläger auf diese Weise den Schutz der Versichertengemeinschaft genossen hat. Das Risiko der Arbeitslosigkeit oder des Eintrittes einer dauerhaften Erwerbsminderung hätten andernfalls privat abgesichert werden müssen. Unabhängig davon ist zu prüfen, ob und ggf. welche Ansprüche bereits verjährt sind (Urteil des erkennenden Senats vom 27. Mai 2009 - L 1 KR 293/07).

55

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

56

Die Revision wird gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.

E.
F.
G.-H.