Sozialgericht Stade
Urt. v. 21.04.2015, Az.: S 15 KR 286/13

Anspruch eines gesetzlich Krankenversicherten auf Erstattung von Kosten für die Behandlung eines Prostatakarzinoms

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
21.04.2015
Aktenzeichen
S 15 KR 286/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 15869
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:0421.S15KR286.13.0A

Redaktioneller Leitsatz

1.

Der Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 S. 1 Fall 2 SGB V scheidet aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor den Leistungsträger einzuschalten und seine Entscheidung abzuwarten.

2.

Die tumorspezifische Immuntherapie (TSIT) stellt eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode dar, für die keine Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses ergangen und die mithin nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst ist. Jedenfalls im Hinblick auf die Behandlung von Prostatakrebs kann die TSIT grundsätzlich auch nicht als ausnahmsweise gemäß § 2 Abs. 1a SGB V in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung eingeschlossene Methode anerkannt werden.

Tenor:

  1. 1.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. 2.

    Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Erstattung von Kosten für die Behandlung eines Prostatakarzinoms nach den Vorschriften des Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Bei dem 1941 geborenen Kläger wurde im Jahr 2011 ein Prostatakarzinom diagnostiziert. Zudem war bei ihm eine zeitweilige Blutanämie vorhanden. Der Wert des prostataspezifischen Antigens (PSA) betrug am 16. Juni 2011 5,2 mg/ml.

Der Kläger begab sich im Juli 2011 in stationäre Behandlung in die G. vom 9. Juli bis zum 23. Juli 2011. Anschließend erfolgte eine ärztliche Beratung durch H. in I., der den Kläger an andere Behandler verwies. In der Folgezeit kam es zu unterschiedlichen Aussagen über die richtige weitere Behandlung nach den Leitlinien der Medizinischen Fachgesellschaften. Daraufhin informierte sich der Kläger über alternative Ansätze und begab sich ab September 2011 in Behandlung bei J. in K. und München. Hierbei wurde eine Behandlung anhand der von J. entwickelten tumorspezifischen Immuntherapie (TSIT) eingeleitet. Im Schreiben vom 26. September 2011 an die Beklagte beantragte die von J. betriebene Praxisklinik für Immunologie, Zellbiologie und Regenerationsmedizin L. die Umwandlung des Sachleistungs- in das Kostenerstattungsprinzip. Der Kläger hat geltend gemacht, dass dieses Schreiben unmittelbar nach Erstellung an die Beklagte übersandt worden sei.

Die Beklagte erhielt nach eigenen Angaben erstmals am 20. Februar 2012 einen Antrag auf Kostenerstattung durch den Kläger. Sie teilte dem Kläger im Bescheid vom 29. Februar 2012 mit, dass es sich bei der beantragten TSIT leider nicht um eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) handele. Daher dürften grundsätzlich keine Kosten übernommen werden. Die Beklagte werde aber dennoch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) befragen, ob unter Umständen doch eine Kostenübernahme in Betracht kommen könne.

Den hierzu übersandten Fragebogen der Beklagten beantwortete M. aus der Praxis von J. in L. unter dem 4. Mai 2012. Darin wird u. a. ausgeführt, dass sich der Kläger nach Auseinandersetzung mit konventionellen Methoden deren Durchführung ablehne. Die Nebenwirkungen und Risiken seien bei fraglichem Therapieerfolg nicht gerechtfertigt. In dem Schreiben ist ferner angegeben, dass bei dem Kläger eine TSIT mit modifiziertem Eigenblut durchgeführt wird; ferner sei bei ihm die Infusionstherapien mit Vitamin C nach Pauling, eine Infusionstherapie mit Gluthation gegen freie Radikale sowie eine homöopathische Behandlung zur Schadstoffausleitung durchgeführt worden.

Der von der Beklagten beauftragte MDK kam im Gutachten vom 3. August 2012 nach Vorlage weiterer Facharztberichte zu dem Ergebnis, dass die fragliche Methode nicht vom gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) anerkannt sei. Auch hätten die Voraussetzung für eine Kostenübernahme gemäß § 2 Abs 1 a SGB V nicht vorgelegen. Weder sei eine akut lebensbedrohliche Krankheit gegeben, noch sei eine Behandlung anhand der S-3-Leitlinie erfolgt. Auch seine für die TSIT kein spürbarer Nutzen gegeben.

Unter Verweis auf die Stellungnahme des MDK lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 12. September 2012 erneut ab. Für den hiergegen unter dem 20. September 2012 eingereichten Widerspruch wurden seitens des Klägers keine neuen ärztlichen Unterlagen eingereicht, da ihm diese nicht ärztlicherseits zur Verfügung gestellt wurden.

Nach mehreren Fristverlängerungen lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2013 den Widerspruch des Klägers unter Verweis auf die Stellungnahmen des MDK ab.

Hiergegen erhob der Kläger am 25. September 2013 Klage zum Sozialgericht Stade.

Er ist der Auffassung, die Beklagte sei verpflichtet, die Kosten für die Behandlungen zu erstatten. Mittlerweile sei er als geheilt zu betrachten, was schon für sich betrachtet eine Kostenübernahme - auch vor dem Hintergrund der Kostenersparnis für die Beklagte - rechtfertige.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Februar 2012 und 12. September 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2013 zu verpflichten, die Kosten für die Behandlung der Prostatatumorbehandlung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, ihre Bescheide seien nicht zu beanstanden.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Einholung von Befundberichten von N. und H., die unter dem 3. November 2014 bzw. 1. November 2014 erstattet worden sind.

Zuletzt sind vom Kläger Rechnungen in Höhe von EUR 82.165,13 zur Akte gereicht worden. Nach Auskunft des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 sind jedoch weitere Kosten entstanden, die bisher nicht beziffert werden konnten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Die Voraussetzungen der einzig in Betracht kommenden Ermächtigungsgrundlage des § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V sind nicht gegeben. Danach hat die Krankenkasse Kosten einer Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit diese medizinisch notwendig war und die Krankenkasse sie zu Unrecht abgelehnt hat. In Höhe eines Betrages von EUR 26.902,95 fehlt es an der Kausalität zwischen Inanspruchnahme der Leistung und Leistungsablehnung (nachfolgend 1.). Hinsichtlich des Restbetrages, d. h. derzeit nachgewiesener EUR 55.262,18 sowie der nachfolgend entstandenen weiteren, noch nicht bezifferten Kosten, liegen die Voraussetzungen des § 13 Abs 3 SGB V nicht vor, weil es an einem Sachleistungsanspruch des Klägers fehlt (2.).

1. Eine Erstattung der Kosten, die dem Kläger bis zum 29. Februar 2012 entstanden sind, vorliegend EUR 26.902,95, kann vom Kläger mangels Kausalität zwischen Antragstellung und Leistungsinanspruchnahme nicht verlangt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG (vgl Urteil vom 2. November 2007, B 1 KR 14/07 R; weiterhin BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 15 S 74 mwN; BSG SozR 3-2500 § 13 Nr 22 S 105 f; BSG SozR 4-2500 § 135 Nr 10; BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, jeweils RdNr 23, 24; BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 8/06 R - RdNr 10) scheidet der Erstattungsanspruch gemäß § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V aus, wenn sich der Versicherte die Leistung besorgt hat, ohne zuvor den Leistungsträger einzuschalten und seine Entscheidung abzuwarten. Dem Leistungsträger muss Gelegenheit gegeben werden, über seine Leistungspflicht im Hinblick auf die konkrete Leistung zu entscheiden. Erst nach einer Ablehnung kommt die Erstattung von Kosten für selbstbeschaffte Leistungen in Betracht. Dies gilt auch dann, wenn die Ablehnung des Antrages von vornherein feststand (BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 1 RdNr 13; BSG SozR 4 - 2500 § 13 Nr 12 RdNr 12).

Im Ausnahmefall kann ein Versicherter auch nach Antragstellung bei seiner Krankenkasse Kostenerstattung beanspruchen, obwohl die Krankenkasse den Antrag noch nicht (rechtswidrig) abgelehnt hat (grundlegend BSG, Urteile vom 06. März 2012, B 1 KR 17 und 18/11 R). Kommt die Krankenkasse ihrer Pflicht nicht zeitgerecht nach, haben Versicherte dem Rechtsgedanken des § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V entsprechend Anspruch auf Kostenerstattung für selbst beschaffte Krankenbehandlung, wenn die Krankenkasse diese Leistung nicht rechtzeitig erbringt, sie aber nach vollständigem Antrag und ggf. umgehender MDK-Überprüfung hätte erbringen können und die Behandlung unaufschiebbar ist. Unaufschiebbarkeit liegt vor, wenn ein Zuwarten dem Versicherten aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, weil der angestrebte Behandlungserfolg zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr eintreten kann oder aus anderen medizinischen Gründen - zB wegen der Intensität der Schmerzen - ein auch nur vorübergehendes weiteres Zuwarten nicht mehr zumutbar ist (zum Begriff der Unaufschiebbarkeit vgl auch BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 23 mwN). Selbst wenn die Behandlung aufschiebbar war, ist die Krankenkasse nach Treu und Glauben gehindert, sich darauf zu berufen, dass Versicherte nicht ihre Entscheidung abgewartet haben, wenn sie Versicherte durch Irreführung von ihren Obliegenheiten abgehalten hat (vgl BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15, RdNr 27 f). In derartigen Fällen kommt es nicht auf die Unaufschiebbarkeit der Behandlung an. Diese Rechtsprechung ist ab 26. Februar 2013 durch § 13 Abs 3a SGB V hinsichtlich der Entscheidungszeiträume für Träger der Krankenversicherung konkretisiert worden; diese Vorschrift ist vorliegend jedoch noch nicht anwendbar.

Nach diesen Maßgaben kommt eine Kostenerstattung nicht in Betracht, soweit die Leistungen vor dem 29. Februar 2012 in Anspruch genommen bzw. in Rechnung gestellt worden sind. Denn erst an diesem Tage ging die erste Entscheidung der Beklagten über einen Leistungsanspruch des Klägers. Der Kläger kann sich auch nicht auf die vorstehend dargelegte Rechtsprechung des BSG berufen, bei der es bei nicht zeitgerechter Bescheidung durch die Krankenkasse unter Umständen nicht auf den Zeitpunkt der Ablehnung ankommt. Denn das hier so ein Fall gegeben ist, konnte das Gericht nicht feststellen. Der Kläger hat geltend gemacht, dass das Schreiben vom 26. September 2011 bereits unmittelbar nach Erstellung an die Beklagte übersandt worden sei. Die Beklagte hat den Zugang bestritten und erklärt, dass erstmals am 20. Februar 2012 ein Antrag des Klägers bei ihr eingescannt worden sei. Daran ist vorliegend festzuhalten, da der Kläger den Zugang des Schreibens vom 26. September 2011 nicht nachweisen konnte. Das Gericht schließt nicht aus, dass das ärztliche Schreiben, das als Antrag zu werten gewesen wäre, tatsächlich versendet worden ist. Nachdem die Beklagte den Zugang jedoch bestritten hat, muss es mangels weiterer ersichtlicher Ermittlungsmöglichkeiten für das Gericht auf einen Zugangsnachweis ankommen. Der beweisbelastete Kläger trägt die Folgen der Nichterweislichkeit. Im Übrigen weist das Gericht darauf hin, dass selbst bei unterstelltem Antragseingang noch im September 2011 die Kosten für die Behandlung in der Schweiz nicht übernahmefähig gewesen wären, da sie bereits im Juli 2011 angefallen waren. Aus diesem Grund kann auch offen bleiben, ob und wie weit sich die Entscheidung der Beklagten in den angegriffenen Bescheiden auch auf die - nicht von J. veranlasste - Therapie in der O. bezieht. Ein Kostenerstattungsanspruch scheidet jedenfalls nach § 13 Abs 3 SGB V aus.

2. Ein Kostenerstattungsanspruch des Klägers scheidet auch für die Leistungen aus, die nach dem 29. Februar 2012 durch J. bzw. die in seinem Namen behandelnden Ärzte erbracht worden sind.

Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs 3 SGB V kann nicht weiter reichen als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f [BSG 24.09.1996 - 1 RK 33/95] = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 93, 236 = SozR 4-2500 § 27 Nr 1, jeweils RdNr 10: Visudyne; SozR 4-2500 § 27a Nr 1 RdNr 3: Künstliche Befruchtung mittels ICSI; BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 14/06 R - RdNr 8: Restless-Legs-Syndrom).

Dies ist nicht der Fall. Vorliegend fehlt es an einem Sachleistungsanspruch des Klägers. Denn die Behandlung nach der TSIT-Methode ist nicht vom Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst. Dieser Ausschluss ergibt sich aus § 135 SGB V i.V.m. den Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung) idF vom 17. Januar 2006. § 135 Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung schreibt vor, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkasse nur abgerechnet werden dürfen, wenn der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB V Empfehlungen ua über die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode abgegeben hat. Durch derartige Richtlinien wird sowohl geregelt, unter welchen Voraussetzungen zugelassene Leistungserbringer neue Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen erbringen oder abrechnen dürfen, als auch der Umfang der den Versicherten geschuldeten ambulanten Leistungen verbindlich festgelegt (stRspr seit BSGE 91, 73 ff [BSG 24.04.2003 - B 10 EG 2/02 R]). Dies gilt für die Untersuchung und Behandlung durch Vertragsärzte einschließlich der von ihnen nach § 15 Abs 1 Satz 2 SGB V eingeschalteten selbständigen Hilfspersonen (§ 92 Abs 1 Satz 2 Nr 1 i.V.m. § 135 Abs 1 SGB V) ebenso wie gemäß § 72 Abs 1 Satz 2 SGB V, § 92 Abs 6a SGB V für den Bereich der nichtärztlichen Psychotherapie durch selbständige psychologische Psychotherapeuten. Nach der Rechtsprechung des BSG ist eine ärztliche Untersuchungs- oder Behandlungsmethode "neu", wenn sie zum Zeitpunkt der Behandlung nicht als abrechnungsfähige Leistung im Einheitlichen Bewertungsmaßstab für vertragsärztliche Leistungen (EBM) aufgeführt wird (BSGE 81, 54, 58 [BSG 16.09.1997 - 1 RK 28/95] = SozR 3-2500 § 135 Nr 4; BSGE 81, 73, 75 f [BSG 16.09.1997 - 1 RK 32/95] = SozR 3-2500 § 92 Nr 7; BSGE 94, 221 [BSG 22.03.2005 - B 1 A 1/03 R] RdNr 24 = SozR 4-2400 § 89 Nr 3 RdNr 25 mwN).

Nach diesen Maßgaben ist die TSIT eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Für sie ist keine Empfehlung des gemeinsamen Bundesausschusses ergangen. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die von J. zuvor propagierte Autologe Target Cytokine-Behandlung (ATC) nach Anlage 2 Nr. 18 Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung zu den Methoden gezählt wird, die nicht als vertragsärztliche Leistung zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. Ob und inwieweit zu der TSIT Unterschiede bestehen, die ebenfalls als Eigenblutbehandlung konzipiert ist und die erst nach Einfügung der ATC in den Katalog der von der Versorgung ausgeschlossenen Methoden seitens J. entwickelt worden ist, kann hier offen bleiben. Jedenfalls waren die seitens des Klägers übersandten Urteile, die Kostenerstattungen für Leistungen von J. zugesprochen haben, bereits deshalb nicht in das vorliegende Verfahren einzubeziehen, da diese durchweg ATC-Behandlungen betreffen.

Die TSIT ist auch nicht als ausnahmsweise gemäß § 2 Abs 1 a SGB V in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung eingeschlossenen Methode zu qualifizieren, die eine Kostenerstattungspflicht der Beklagten nach sich zieht. Nach § 2 Abs 1 a SGB V können Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Krankheit oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, auch eine von dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse abweichende Leistungen beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht (Satz 1). Für derartige Leistungen erteilt die Krankenkasse nach Abs. 1 a Satz 2 der Vorschrift vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn der Versicherte oder der behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistungen festgestellt (§ 2 Abs 1 a Satz 3 SGB V).

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Das Gericht kann offen lassen, dass das bei dem Kläger vorhandene Prostatakarzinom eine Ausprägung hatte, die es zu einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung bzw einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung qualifiziert. Dagegen könnte sprechen, dass auch die interdisziplinäre Leitlinie der Qualität S-3 zur Früherkennung, Diagnose und Therapie der verschiedenen Stadien des Prostatakarzinoms (Oktober 2014) der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlichen medizinischen Fachgesellschaften e.V., Deutschen Krebsgesellschaft e. V. und Deutschen Krebshilfe e. V. davon ausgehen, dass es sich beim Prostatakarzinome um eine im allgemeinen langsam progredierende Erkrankung mit langen Gesamtüberlebenszeiten auch ohne therapeutischen Intervension handelt (Seite 80) auch wird darin ausgeführt (Seite 87), dass nicht alle Männer, die im Laufe ihres Lebens an Prostatakarzinom entwickeln, mit einer tumorbedingten Einschränkung ihrer Lebenserwartung oder Lebensqualität rechnen müssen. Autopsiestudien hätten schon vor Jahrzehnten gezeigt, dass die Zahl der Karzinomträger um ein vielfaches höher sei als die Zahl derer, die an einem Karzinom erkrankten oder verstürben. Konkret auf den Fall des Klägers bezogen lag dessen PSA-Wert mit 5,2 ng/ml nur relativ knapp über dem Wert von 4,0 ng/ml, ab dem eine ärztliche Kontrolle empfohlen wird. Auch der angegebene Gleasonwert von 3 - 4 liegt noch im unteren bis mittleren Bereich. Jedoch hat der Kläger unwidersprochen geltend gemacht, dass die bei ihm vorhandene Tumorform zu einer schnellen Metastasierung neigt. Vor diesem Hintergrund kann das Gericht nicht ausschließen, dass die objektiven Anhaltspunkte der PSA bzw. Gleasonwerte in seinem Fall nicht aussagekräftig sind und die Erkrankung ein Maß erreicht hatte, dass sie als lebensbedrohlich oder vergleichbar im Sinne des § 2 Abs 1 a SGB V qualifiziert.

Diese Frage muss vorliegend nicht entschieden werden, da es an der zweiten Voraussetzung des § 2 Abs 1 a SGB V fehlt. Denn es stand dem Kläger dem medizinischen Standard entsprechende Leistung zur Verfügung. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die vorstehend zitierten S-3-Leitlinien für die Behandlung von Prostatakrebs ein ausdifferenziertes Behandlungsspektrum bilden. Der Kläger hat insoweit angegeben, dass ihn die widersprüchlichen Stellungnahmen von H., dem UKE und dem Ärztehaus Diakonie P. von einer leitliniengerechten Behandlung abgehalten hätten. Angesichts der Nebenwirkungen, die sich aus Behandlungen mit Chemotherapie, Strahlentherapie oder antihormoneller Therapie bzw einer Prostataresektion ergeben können - die S-3-Leitlinien zählen insoweit u. a. Inkontinenz und Impotenz auf - habe sich der Kläger gegen diese Behandlungsform entschieden. Mag dieses Vorgehen auch menschlich nachvollziehbar sein, vermag dies jedoch nicht eine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung für die alternativ gewählte Behandlung bei J. zu begründen. Denn zum einen ist dem Kläger kein diagnostisches Konsil im Sinne einer übergreifenden Begutachtung erfolgt, sodass nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, was als Therapieempfehlung für den Kläger am Ende dieses Prozesses gestanden hätte. Die S-3-Leitlinie weist u. a. als eine mögliche Therapie durchaus auch das "watchful waiting" aus, die die vom Kläger aufgezählten Nebenwirkungen nicht hat.

Tatsachen dafür, dass die leitliniengerechte Therapie beim Kläger nicht in Frage kam, konnte das Gericht nicht feststellen. Der Kläger hat dies zwar geltend gemacht. Der als Beweisangebot benannte H. hat jedoch in seinem Befundbericht vom 1. November 2014 zu der ausdrücklichen Frage, ob eine leitliniengerechte Therapie für den Kläger ausgeschlossen war, nur ausgeführt, dass der Kläger die Tomotherapie aus persönlichen Gründen abgelehnt habe. Dies bestätigt das Gericht in der Einschätzung, dass sich der Kläger nach einer Abwägung der Vor- und Nachteile der möglichen Behandlungsansätze gegen eine leitliniengerechte Therapie entschied, ohne dass dies darauf zurückzuführen war, dass medizinische Gründe die Anwendung einer leitliniengerechten Therapie ausgeschlossen hätten. Der persönlich erschienenene Kläger hat dies in der mündlichen Verhandlung vom 21. April 2015 bestätigt. Weiterer Ermittlungen, zB der Einholung des ebenfalls beantragten Sachverständigengutachtens, bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht. Dies wäre als Ermittlung ins "Blaue hinein" untunlich gewesen, weil kein Ansatzpunkt dafür erkennbar war, dass der Kläger aus medizinischen Gründen keine leitliniengerechte Therapie absolvieren konnte.

Auch bedurfte es vor diesem Hintergrund keiner weiterer Ermittlungen dazu, ob die TSIT auf die Erkrankung des Klägers eine spürbar positive Einwirkung haben konnte bzw. diese heilen konnte (dritte Voraussetzung des § 2 Abs 1 a Satz 1 SGB V). Der Kläger hat im Zuge der mündlichen Verhandlung seinen Anspruch insbesondere damit begründet, dass die Behandlung bei J. zu einer Heilung des Prostatakarzinoms geführt habe. Als Beleg hat er hierzu den am 13. April 2015 erhobenen, auf 2,66 ng/ml abgesunkenen PSA-Wert angeführt. Wie jedoch vorstehend aufgezeigt, kann aus einem etwaigen Behandlungserfolg keine Kostenerstattungspflicht für die Beklagte abgeleitet werden. Das Gericht vermag nicht auszuschließen, dass die geltend gemachte Heilung des Klägers eingetreten ist und dass sie tatsächlich auf der Behandlung von J. beruht. Auch wenn dies der Fall sein sollte - weitere Ermittlungen hierzu erübrigen sich nach dem vorstehend Gesagten - könnte hieraus keine Verpflichtung der Beklagten zur Kostentragung erwachsen.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.