Sozialgericht Stade
Urt. v. 06.10.2015, Az.: S 24 SB 119/14

Zuerkennung des Merkzeichens "G" bei Vorliegens eines Grades der Behinderung (GdB) von 70; Anforderungen an das Vorliegen einer erheblichen Beinträchtigung der Bewegungsfähigkeit

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
06.10.2015
Aktenzeichen
S 24 SB 119/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 28294
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:1006.S24SB119.14.0A

Tenor:

Der Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger auf dessen Antrag vom 4. November 2013 das Merkzeichen "G" zuzuerkennen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten dem Grunde nach zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Zuerkennung des Merkzeichens "G" auf den Antrag vom 4. November 2013. Dem 1956 geborenen Kläger hatte der Beklagte zuletzt mit seinem Bescheid vom 6. März 2012 für die Zeit ab dem 24. Januar 2012 einen (Gesamt-) Grad der Behinderung (GdB) von 70 zuerkannt. Gestützt war diese Entscheidung auf die festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen: 1. armbetonte Halbseitenschwäche rechts und Sprachstörungen, Beeinträchtigungen der Gehirnfunktionen, Schwindel nach Schlaganfall Einzel-GdB 60 und 2. Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit mit Infarkt, operativer Behandlung und bei Bluthochdruck Einzel-GbB 20. Nicht auf die Bildung des Gesamt-GdB erhöhend ausgewirkt hatte sich die zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung aufgrund einer Magenschleimhautentzündung (Einzel-GdB 10). Außerdem festgestellte Gesundheitsstörungen einer Sehminderung, einer Arthrose im linken Bein sowie eines Diabetes mellitus hatten jeweils keinen Einzel-GdB erreicht. Am 4. November 2013 gingen bei dem Beklagten die Anträge ein, einerseits einen höheren GdB festzustellen, andererseits die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr (Merkzeichen G) anzuerkennen. Streitgegenständlich ist lediglich noch der das Merkzeichen G betreffende Antrag. Der Beklagte zog medizinische Unterlagen bei und ließ diese durch seinen Ärztlichen Dienst auswerten. Für den Ärztlichen Dienst erklärte Frau M. unter dem 8. Dezember 2013, trotz zusätzlicher Aufnahme einer Funktionsstörung der Halswirbelsäule (Einzel-GdB 10) und einer Beeinträchtigung des linken Sprunggelenkes (kein Einzel-GdB) in die anzuerkennenden Funktionsstörungen könnten die Voraussetzungen für das Merkzeichen G nicht bejaht werden. Die Beeinträchtigung des linken Sprunggelenks stelle sich als Behandlungsleiden dar. Der Beklagte erließ daraufhin den Bescheid vom 18. Dezember 2013, mit dem er den GdB auf weiterhin 70 festsetzte und es ablehnte, das Merkzeichen G zuzuerkennen. Der Kläger wiedersprach und trug vor, der Beklagte habe die Prüfung in den Mittelpunkt stellen müssen, ob ortsübliche Strecken noch in angemessener Zeit zurückgelegt werden könnten. An diesem Vermögen fehle es ihm. Er sei nicht mehr in der Lage, Wegstrecken von zwei Kilometer Länge innerhalb von etwa einer halben Stunde zu bewältigen. Die Folgen des im Februar 2009 erlittenen Schlaganfalls wirkten sich in Kombination mit der Gebrauchsbeeinträchtigung des rechten Sprunggelenks wie eine zum Vergleich heranzuziehende Beeinträchtigung durch hirnorganische Anfälle aus. In Analogie zu der dafür ausdrücklich vorgesehenen "G"-Feststellung sei auch im vorliegenden Fall das begehrte Merkzeichen zuzuerkennen. Der Beklagte zog die weitere Ärztliche Stellungnahme vom 20. April 2014 (N.) bei und wies den Widerspruch durch seinen Widerspruchsbescheid vom 28. April 2014 zurück. Für eine Anerkennung des Merkzeichens G fehle es an einer sich gravierend auf die Gehfähigkeit auswirkenden Funktionsbeeinträchtigung. Abgesehen von fehlenden orthopädischen Diagnosen liege auch kein inneres Leiden mit einer Beeinträchtigung der Herzleistung und einem Einzel-GdB von wenigstens 50 vor, ebenso wenig eine den Einzel-GdB von 50 rechtfertigende Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion von wenigstens mittlerem Grad. Dagegen richtet sich die am 20. Mai 2014 beim erkennenden Gericht eingegangene Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger ergänzend vor, die Folgen des Schlaganfalls wirkten sich nicht nur wegen der fortgeschrittenen Arthrose des linken Sprunggelenks schwerwiegender aus als von dem Beklagten angenommen, sondern zusätzlich wegen einer Osteochondrose (degenerativer, nicht entzündlicher Prozess des Knorpel-Knochen-Gewebes) der Wirbelsäule. Darüber hinaus seien das Auftreten muskulärer Erschöpfung und Beeinträchtigungen der Atmung in eine Gesamtbeurteilung einzubeziehen. Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    den Bescheid des Beklagten vom 18. Dezember 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. April 2014 aufzuheben und

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, ihm das Merkzeichen "G" auf seinen Antrag vom 4. November 2013 zuzuerkennen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für weiterhin zutreffend. Er hält es für zwingend erforderlich, Feststellungen im Sinne eines der in Teil D 1. (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr; Merkzeichen G) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VMG) unter den Punkten d. bis f. genannten Beispiele zu erfüllen. Eine zusammenfassende Betrachtung aller im Einzelfall festgestellte Leiden unter dem Gesichtspunkt der Auswirkung auf die Gehfähigkeit komme nicht in Betracht. Die Kammer hat den Sachverhalt ergänzend aufgeklärt und Befundberichte des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. E. vom 21. November 2014, der Augenärzte Dres. G. und O. vom 24. November 2014 sowie des Facharztes für Orthopädie, Rheumatologie, Chirotherapie, Sportmedizin und Physikalische Therapie Dr. F. vom 9. Dezember 2014 beigezogen und das Gutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. D. vom 27. April 2015 veranlasst. Zu den Befundberichten hat der Ärztliche Dienst des Beklagten unter dem 29. Januar 2015 Stellung bezogen (Frau P.), zu dem Gutachten des Dr. D. hat er sich, wiederum durch Frau P., am 18. Juni 2015 geäußert. In der mündlichen Verhandlung hat der Terminssachverständige, der Dr. C., der im Vorwege eine körperliche Untersuchung durchgeführt hatte, weitere Ausführungen zu Protokoll gegeben. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Schwerbehinderten-Akten des Beklagten verwiesen. Diese Akten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, zu der der Beklagte keinen Vertreter entsenden konnte, der Beratung und der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage erweist sich als in der Sache begründet. Die Kammer sieht sich veranlasst, die gesundheitlichen Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "G" zugunsten des Klägers für die Zeit ab der Antragstellung festzustellen. Gegenstand des gerichtlichen Rechtsstreites sind alleine die "G"-Voraussetzungen. Denn bereits mit seinem am 20. Februar 2014 bei dem Beklagten eingegangenen Widerspruch hat der Kläger den ursprünglich auch auf Feststellung eines höheren GdB gerichteten Folgeantrag auf die Berechtigung für das Merkzeichen G beschränkt. Grundlage für die vom Kläger insoweit begehrte Feststellung ist § 146 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in Verbindung mit den am 01.01.2009 in Kraft getretenen VMG zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung vom 10.12.2008. Danach ist ein schwerbehinderter Mensch in seiner Bewegungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt, wenn er infolge einer Einschränkung des Gehvermögens, die auch durch innere Leiden oder Anfälle oder Störungen der Orientierungsfähigkeit verursacht sein kann, nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden. Die VMG geben in Form eines antizipierten Sachverständigengutachtens vor, welche Funktionsstörungen in welcher Ausprägung vorliegen müssen, bevor angenommen werden kann, dass ein behinderter Mensch infolge einer Einschränkung seines Gehvermögens "in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist", wobei als Wegstrecke im Ortsverkehr, die üblicherweise zu Fuß zurückgelegt wird, eine solche von etwa zwei Kilometern gilt und dafür eine Zeitdauer von etwa einer halben Stunde veranschlagt wird. Die VMG tragen dem Umstand Rechnung, dass das Gehvermögen des Menschen von verschiedenen Faktoren geprägt wird, zu denen neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also dem Körperbau und etwaigen Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens sowie Persönlichkeitsmerkmale wie vor allem die Motivation zu zählen sind. Von all diesen Faktoren haben gemäß den VMG diejenigen außer Betracht zu bleiben, die die Bewegungsfähigkeit des behinderten Menschen nicht behinderungsbedingt einschränken, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen. Die VMG beschreiben Regelfälle, bei denen nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt anzusehen sind, wobei diese Regelfälle für die nicht erwähnten Behinderungen als Vergleichsmaßstab dienen können (vgl. zum Ganzen etwa BSG-Urteil vom 13.08.1997, SozR 3-3870 § 60 Nr. 2). Nach Teil D Nr. 1 d) der VMG sind die Voraussetzungen für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr infolge behinderungsbedingter Einschränkung des Gehvermögens als erfüllt anzusehen, wenn auf die Gehfähigkeit sich auswirkende Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und/oder der Lendenwirbelsäule bestehen, die für sich einen GdB von wenigstens 50 bedingen. Darüber hinaus können die Voraussetzungen bei Behinderungen an den unteren Gliedmaßen mit einem GdB unter 50 gegeben sein, wenn diese Behinderungen sich auf die Gehfähigkeit besonders auswirken. Letzteres soll z. B. der Fall sein bei der Versteifung eines Hüftgelenks, eines Knie- oder Fußgelenks in ungünstiger Stellung und bei arteriellen Verschlusskrankheiten, jeweils bemessen mit einem Einzel-GdB von 40. Sind innere Leiden festzustellen, so kommt es für die Beurteilung (ebenfalls) auf die Einschränkung des Gehvermögens an. eine erhebliche Beeinträchtigung ist vor allem bei Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung wenigstens nach der Gruppe 3 und bei Atembehinderungen mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades anzunehmen. Darüber hinaus sind die Voraussetzungen für das Merkzeichen G auch bei anderen inneren Leiden mit einer schweren Beeinträchtigung der körperlichen Leistungsfähigkeit als gegeben anzuerkennen, zB bei chronischer Niereninsuffizienz mit ausgeprägter Anämie. Im Falle hirnorganischer Anfälle ist die Beurteilung von der Art und Häufigkeit sowie von der Tageszeit des Auftretens abhängig. Im Allgemeinen ist auf eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit erst ab einer mittleren Anfallshäufigkeit mit einem GdB von wenigstens 70 zu schließen, sofern die Anfälle überwiegend am Tage auftreten. Entsprechendes gilt bei einem Diabetes mellitus mit häufigen hypoglykämischen Schocks. Störungen der Orientierungsfähigkeit, die zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit führen, sind bei allen Sehbehinderungen mit einem Einzel-GdB von wenigstens 70 und bei Sehbehinderungen, die einen GdB von 50 oder 60 bedingen, nur in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zB hochgradige Schwerhörigkeit beiderseits, geistige Behinderung) anzunehmen. Bei Hörbehinderungen ist die Annahme solcher Störungen nur bei Taubheit oder an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit im Kindesalter (in der Regel bis zum 16. Lebensjahr) oder im Erwachsenenalter bei diesen Hörstörungen in Kombination mit erheblichen Störungen der Ausgleichsfunktion (zB Sehbehinderung, geistige Behinderung) gerechtfertigt. Bei geistig behinderten Menschen sind entsprechende Störungen der Orientierungsfähigkeit vorauszusetzen, wenn die behinderten Menschen sind im Straßenverkehr auf Wegen, die sie nicht täglich benutzen, nur schwer zu recht finden können. Unter diesen Umständen ist eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit bei geistigen Behinderungen mit einem GdB von 100 immer und mit einem GdB von 80 oder 90 in den meisten Fällen zu bejahen. Bei einem GdB unter 80 kommt eine solche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit nur in besonders gelagerten Einzelfällen in Betracht (vgl. - im Wesentlichen wörtlich übernommen - Unterpunkte d. bis f. des Teils D 1 der VMG). Die Kammer hält es nicht für zwingend, neben dem Ergebnis einer nicht mehr ausreichenden Wegstreckenbewältigung müsse die gesundheitliche Begründung stets ausschließlich aus der Erfüllung der Tatbestandsmerkmale eines der Regelbeispiele des Teils D 1 der VMG herzuleiten sein. Die Kammer versteht die Vorgaben des Verordnungsgebers zwar ebenfalls dahingehend, über die Frage nach der Begrenzung der Wegstrecke hinaus müsse die Einschränkung der Gehfähigkeit auf - zumindest im Wesentlichen - eines der genannten Beispiele zurückgeführt werden können. Andernfalls, wenn man also überhaupt nur nach einer im Ergebnis begrenzten Wegstrecke fragen würde, wäre die Auflistung obsolet. Der Katalog der Fälle d. bis f. des Teils D 1 der VMG erfüllt seinen Sinn allerdings auch dann noch ausreichend, wenn er zur Ausklammerung derjenigen Gesundheitsstörungen führt, die gemäß den jeweiligen medizinischen Erkenntnissen nicht unmittelbar zu einer Einschränkung des Gehvermögens führen, beispielsweise bei einem jede Bewegung schmerzhaft beeinflussenden Syndrom der Halswirbelsäule oder bei psychischen Erkrankungen (vgl. Wendler/Schillings, Kommentar zu den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, herausgegeben vom VdK, Teil D 1, 5 und 9). Unter Einbeziehung des systematischen Zusammenhangs und der erkennbar werdenden Vorgaben sind unter Beschränkung auf die in den Regelbeispielen genannten Gesundheitsstörungen beispielsübergreifende Gesamtbetrachtungen möglich und im Ergebnis auch geboten, wobei sich Funktionsstörungen der unteren Gliedmaßen und / oder der Lendenwirbelsäule, Herzschäden, Beeinträchtigungen der Lungenfunktion, Niereninsuffizienzen, hirnorganische Anfälle, Seh- oder Hörbehinderungen sowie Störungen der Orientierungsfähigkeit gegenseitig verstärken oder aber auch kompensieren können. Beispielsweise kann die Funktionseinschränkung einer unteren Gliedmaße infolge eines größeren Energieaufwandes beim Gehen das Herz-Kreislaufsystem vermehrt belasten. Andererseits ist vorstellbar, dass sich infolge einer Schädigung der unteren Extremitäten eine bestehende Herzleistungsminderung weniger oder gar nicht auswirkt. Sofern ein gegenseitiges Verstärken zu bejahen ist, kann dies - für sich - den Nachteilsausgleich begründen (Wendler/Schillings AAO sowie Bayerisches Landessozialgericht, Az. L 11 VS 93/95 sowie L 18 SB 112/96). a) Die Kammer sieht den Kläger als bereits seit Antragstellung nicht mehr in der Lage an, ortsübliche Wegstrecken von ca. zwei Kilometern in etwa einer halben Stunde zurückzulegen. Das haben der vom Gericht eingeschaltete Sachverständige Dr. D., der im Termin gehörte Sachverständige Dr. C. sowie der behandelnde Facharzt Dr. E. übereinstimmend bekundet. Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 27. April 2015 unter anderem erklärt, auch unter wiederholten Pausen sei die allgemein zugrunde gelegte Wegstrecke in 30 Minuten nicht annähernd zu bewältigen. Dr. C. hat dies in der der mündlichen Verhandlung bestätigt. Dr. E. ging in seinem Befundbericht vom 21. November 2014 von einer Fähigkeit aus, den Weg von zu Hause bis zur Arztpraxis über ca. 800 Meter in etwa 20-25 Minuten zurückzulegen. b) Über diese zwischen den Beteiligten im Wesentlichen unstreitige Leistungsbeurteilung hinaus sieht die Kammer auch die weitere Bedingung als erfüllt an, die Unfähigkeit zum Zurücklegen ortsüblicher Gehstrecken in angemessener Zeit auf Gesundheitsstörungen der Regelbeispiele zurückzuführen, hier in der zusammenfassenden Betrachtung der schmerzhaften Funktionseinschränkung und Minderbelastbarkeit des linken Sprunggelenks mit deutlicher Muskelverschmächtigung im Bereich des Ober- und Unterschenkels bei radiologisch nachgewiesener fortgeschrittener Arthrose des oberen Sprunggelenks sowie einer leicht- bis mittelgradigen Funktionseinschränkung mit Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule einerseits, der Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit mit Infarkt andererseits und schließlich der armbetonten Halbseitenschwäche rechts mit Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen und Schwindel nach Schlaganfall (Auflistung der Diagnosen bei Dr. D.). Die Minderbelastbarkeit des linken Sprunggelenks ist als Funktionsstörung der unteren Gliedmaßen im Sinne des Teils D 1. d. der VMG einzuordnen, an derselben Stelle sind die Funktionsbeschwerden der Lendenwirbelsäule zu verorten. Den unter d. ebenfalls erwähnten "Herzschäden mit Beeinträchtigung der Herzleistung" ist die von Dr. D. genannte Herzleistungsminderung bei koronarer Herzkrankheit mit Infarkt zuzuordnen, auch wenn der Grad der Beeinträchtigung nicht denjenigen der Gruppe 3 erreicht. Dem Regelbeispiel der hirnorganischen Anfälle sind die Auswirkungen des vom Kläger im Februar 2009 erlittenen Schlaganfalls zuzuordnen. Denn die armbetonte Halbseitenschwäche mit Beeinträchtigung der Gehirnfunktionen und Schwindel beeinflusst die Möglichkeit des Klägers zur Fortbewegung erheblich. Dr. D. hat nachvollziehbar erklärt, das Zusammenwirken der Anfallfolgen mit der Beeinträchtigung des Sprunggelenks, anzunehmen seit dem Monat der Antragstellung, also seit November 2013, begründe die Voraussetzungen für erhebliche Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Fortbewegung. Im Sinne der Zuordnung zu hirnorganischen Störungen hat der Sachverständigenbeirat im vergleichbaren Fall eines neurogenen Hinkens den Nachteilsausgleich G in Betracht bezogen. Zuzuerkennen sei der Ausgleich dann, wenn ortsübliche Wegstrecken auch unter der Voraussetzung häufigerer Pausen nicht mehr zurückgelegt werden könnten. In Bezug auf den Kläger hat Dr. C. eine Qualifizierung als neurogenes Hinken ausdrücklich zu Protokoll erklärt. Ohne eine genaue Einzelbewertung der im Falle des Klägers zusammentreffenden Funktionsbeeinträchtigungen vornehmen zu müssen, sieht die Kammer die sich auf die Gehfähigkeit erheblich auswirkenden Leiden jedenfalls als im Ausmaß einer Schwerbehinderung nachzuweisen an. Denn der dem Kläger zugeordnete Gesamt-GdB von 70 ist nahezu vollständig auf Gesundheitsstörungen und daraus folgende Funktionsbeeinträchtigungen zurückzuführen, die gleichzeitig auch die Gehfähigkeit erheblich beeinträchtigen. Nach alledem war der Beklagte antragsgemäß zu verurteilen. Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung der §§ 183, 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).