Sozialgericht Stade
Urt. v. 09.03.2015, Az.: 9 R 299/14

Gesetzliche Rentenversicherungspflicht eines hauptberuflichen Lerntherapeuten

Bibliographie

Gericht
SG Stade
Datum
09.03.2015
Aktenzeichen
9 R 299/14
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2015, 19203
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:SGSTADE:2015:0309.9R299.14.0A

Redaktioneller Leitsatz

Die Tätigkeit als Lerntherapeut, deren Schwerpunkt in einem heilenden Einwirken auf Körper, Geist und Motivation liegt, um nach den gegebenen Möglichkeiten am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können, fällt nicht unter den Lehrerbegriff des § 2 S. 1 Nr. 1 SGB VI.

Tenor:

Die Bescheide der Beklagten vom 6. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2014 werden aufgehoben. Es wird festgestellt, dass die Klägerin in ihrer Tätigkeit der Lerntherapeutin nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten dem Grunde nach zu erstatten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin in ihrer Hauptbeschäftigung einer Lern- therapeutin der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt und ob sie demgemäß verpflichtet ist, für die Zeit ab Januar 2009 Beiträge nachzuzahlen. Die 1958 geborene Klägerin, die im Anschluss an ihre Schulausbildung zunächst den Beruf der Zahnarzthelferin erlernte, qualifizierte sich in der Zeit von Februar 2001 bis Februar 2004 zur Lerntherapeutin. In dem von ihr vorgelegten Zertifikat vom 28. Januar 2005 heißt es, die (Zusatz-) Ausbildung habe eine ganzheitlich- systemische, integrative Lerntherapie umfasst. Von den absolvierten 1500 Stunden seien 600 Stunden dem erteilten Unterricht und 900 Stunden praktischen Anteilen und der Reflexion zuzuordnen. Wesentlicher Bestandteil der Kenntnisvermittlung (an die Klägerin im Rahmen der Zusatzausbildung) sei die Unterweisung zur Diagnostik in einem Erst- und Anamnesegespräch. Es gehe darum, die Aufarbeitung von Lerndefiziten der überwiegend vom Jugendamt zugewiesenen Kinder und Jugendlichen durch das Erkennen gesundheitlicher und insbesondere psychischer Einschränkungen, aber auch durch das Erkennen von Stärken zielführend einzuleiten. In der Unterweisung in den Förder- konzepten hätten Verfahren zur Verbesserung der alphabetischen Strukturierung, zur Lese- und Schreibförderung und zur gezielten Rechtschreibförderung im Mittelpunkt gestanden. Das Konzept der integrativen Lerntherapie umfasse im Übrigen grundlegende Kompetenzen in Gesprächsführung und Beratung. Zu den wesentlichen Bestandteilen der Weiterbildung hätten im Übrigen Hospitationen in psychosozialen, pädagogischen, medizinischen und paramedizinischen Einrichtungen gehört, ferner regelmäßige Intervisionssitzungen und im Falle der Klägerin eine Schwerpunktbildung im Bereich der Dyskalkulie. Im Dezember 2007 erwarb die Klägerin in Ergänzung zu ihrer dreijährigen Qualifikation ein Zertifikat als Dyslexietherapeutin nach BVL (Therapeut für Störungen der Fähigkeit, Geschriebenes zu erfassen, geistig aufzunehmen und zusammenhängend vorzulesen; orientiert an Vorgaben des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie e.V.; von der Klägerin besuchte Ausbildungseinrichtung: Institut Dr. Jochen Klein, Kreisel e.V., Hamburg). Die Klägerin, die im Übrigen 1998 eine nebenberufliche Arbeit als Vertreterin der G. aufgenommen hatte, gründete sodann in I. eine lerntherapeutische Praxis, eingebunden in das Netzwerk X e.V. (Institut für X), in die Y e.V. (Initiative Y) und in den Z (Bundesverband Z e.V.). Das Angebot des H. reicht - ua nach dem zu den Akten gereichten Prospekt - von der Früherkennung und Prävention bei Lese-, Rechtschreib- und Rechenschwierigkeiten im Vor- schulalter über die vorschulische Förderung, Vorbereitungskurse bei Schulwechsel, Lerntherapie als Fördermaßnahme in der Schule, über Lehrerfortbildung im Bereich Förderdiagnostik, über Beratung und Training für Kinder mit Aufmerksamkeitsstörungen/ADHS bis zu Alphabetisierungskursen. Die Beklagte, die die Klägerin zunächst als wegen geringfügigen Einkommens versicherungs- frei behandelt hatte, erhob durch die streitgegenständlichen Bescheide vom 6. Januar 2014 rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Januar 2009 Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Seit dem Ende der Phase der Geringfügigkeit übe die Klägerin eine Tätigkeit als selbständige Lehrerin bzw Erzieherin aus, die nach § 2 Satz 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) versicherungspflichtig zur gesetzlichen Rentenversicherung sei. Der Ausnahmetatbestand der Beschäftigung eines seinerseits der Versicherungspflicht unterliegenden Arbeitnehmers liege nicht vor. Während die Klägerin ihre selbständige Tätigkeit in der Zeit bis Juni 2007 lediglich in geringfügigem Umfang ausgeübt habe, habe sie nachfolgend über der Grenze der Versicherungsfreiheit gelegen und habe - unter Einhaltung der Verjährungsvorschriften - rückwirkend für die Zeit ab Januar 2009 an dem durch die entsprechenden Steuerbescheide nachgewiesenen Einkommen orientierte Beiträge zu zahlen bzw nachzuzahlen. Für die Zeit bis zum 31. Januar 2014 ergab sich eine Gesamt-Beitragsforderung in Höhe von 29.859,74 EUR. Die Klägerin erhob Widerspruch und trug vor, die Beklagte verkenne das Aufgabengebiet eines Lerntherapeuten. Der Lerntherapeut setze gezielt an den Ursachen für die Unfähigkeit an, Lesen, Rechnen oder Schreiben zu erlernen. Er bearbeite im Schwerpunkt sogenannte "Vorläuferfähigkeiten" wie Konzentrations-, Sprach-, Hör- und Artikulationsvermögen sowie inhaltliches Verständnis. Der vornehmlich dem therapeutischen Einwirken und weniger einer Lehrtätigkeit zuzuordnende Ansatz zeige sich im Umstand der staatlichen Förderung der integrativen Lerntherapie nach § 35a Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Die damit an- gesprochene Förderung im Rahmen der Eingliederungshilfe setze eine seelische Behinderung des betreffenden Kindes oder Jugendlichen voraus. Abgesehen davon gehe die Deutsche Rentenversicherung gemäß einer Arbeitsanweisung zur Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI zumindest nach früherer Praxis selbst davon aus, die Lerntherapeuten als nicht kraft Gesetzes der Rentenversicherungspflicht unterliegend zu beurteilen. Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin durch ihren Widerspruchsbescheid vom 27. Juni 2014 zurück. Die Tätigkeit der Klägerin enthalte wesentliche Elemente des Aufgabenzuschnitts eines Lehrers. Dies entspreche den Maßgaben der Rechtsprechung, beispielhaft der vom Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 27. September 2007 niedergelegten Einordnung einer selbständig tätigen Aerobic-Trainerin als Lehrerin im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI (Bezugnahme auf das Urteil vom 27. September 2007, Az B 12 R 12/06 R). Elemente der Lehrtätigkeit seien danach bereits die individuelle Arbeit mit Kunden, die Einstufung der Kunden nach dem jeweiligen Ist-Zustand, das Entwerfen individueller Konzepte, die Überwachung des Ablaufs, die Anleitung zur Vermeidung von Rückschlägen sowie die Durch- führung von Nachbesprechungen und Erfolgskontrollen. Dagegen richtet sich die am 25. Juli 2014 beim erkennenden Gericht eingegangene Klage. Zu deren Begründung betont die Klägerin, Schulstoff nicht nachzuarbeiten, vielmehr an den psychischen Begleiterscheinungen der Lerndefizite anzusetzen, beispielhaft an Aggressivität, extremer Unruhe und Angstsymptomen. Abgesehen von der früheren Einschätzung der Grundsatzabteilung der Beklagten werde das Wirken von Lerntherapeuten auch im Bereich der Unfallversicherung als therapeutische und nicht als lehrende Tätigkeit eingestuft. Regel- mäßig sei die Berufsgenossenschaft für Wohlfahrtspflege (BGW) zuständig.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    die (beiden) Bescheide der Beklagten vom 6. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Juni 2014 aufzuheben und

  2. 2.

    festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit als Lerntherapeutin nicht der Versicherungspflicht zur gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte beruft sich ergänzend auf die Ausführungen des BSG in einem Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde (Az B 12 R 34/11 B), in dem die Maßgaben des Aerobic-Urteils vom 27. September 2007 vertieft und verfeinert worden seien. Es genüge, wesentliche Elemente einer Lehrtätigkeit in der konkreten Berufsausübung vorzufinden. Demgegenüber sei weder ein qualitatives noch ein quantitatives Überwiegen zu fordern, ebenso wenig ein Über- wiegen des Zeitaufwandes. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Rentenakte der Beklagte verwiesen. Diese Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung, der Beratung und der Urteilsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist statthaft und zulässig. Gegenstand der Klage ist zunächst und vor allem die Frage, ob die Klägerin mit ihrer Tätigkeit als Lerntherapeutin im I. der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI unterliegt. Auf der Grundlage einer bejahenden Beantwortung dieser Frage ist bzw wäre des Weiteren streitig, ob die Klägerin nachträglich für die Zeit ab Januar 2009 zur Zahlung einkommensgerechter Beiträge herangezogen werden kann und ob sie laufend Bei- träge zur gesetzlichen Rentenversicherung an die Beklagte abführen muss. Die Kammer konnte die Beantwortung der Fragen nach der Berechtigung zur Beitragserhebung, Beitragsnacherhebung und Höhe der Beiträge dahinstehen lassen, weil sie die von der Beklagten vor- genommene Zuordnung der Klägerin zu den Lehrberufen des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht teilt. Nach Auffassung der Kammer erweisen sich die angefochtenen Bescheide als unzutreffend, weil darin ein zu den therapeutischen Tätigkeiten zählendes Berufsbild als Lehrberuf verstanden wird. Versicherungspflichtig sind nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI selbständig tätige Lehrer und Erzieher, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen. Die Entscheidung der Beklagten scheitert nicht schon an dem Ausnahmetatbestand der Beschäftigung eines versicherungspflichtigen Arbeitnehmers. Zumindest für die ersten Jahre seit 2009 fehlen dafür genügende Anhaltspunkte. Soweit die Klägerin für einen ersten Teilzeitraum angegeben hat, einen Arbeitnehmer zu beschäftigen, blieb diese Beschäftigung offenbar im geringfügigen Rahmen. Soweit die Beschäftigung ab einem bestimmten Zeitpunkt nach 2009 ihrerseits die Geringfügigkeitsgrenze überschritten haben mag, fehlt es vorerst an aus- reichenden Nachweisen. Der Klägerin obläge es, derartige Nachweise aktenkundig zu machen. Für die Entscheidung der Kammer kam es darauf allerdings ohnehin nicht entscheidend an. Der von der Beklagten bejahten Versicherungspflicht stand kein nur geringfügiger Umfang der eigenen Tätigkeit der Klägerin entgegen. Vielmehr ergibt sich aus den von ihr beigebrachten Einkommensteuerbescheiden ein durchgehend mehr als geringfügiger Umfang, § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI (i.V.m. § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch - SGB IV). Bei der somit für die Kammer streitentscheidenden Frage, ob die Versicherungspflicht aus einer Tätigkeit als Lehrer im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI herzuleiten ist, ist im Ausgangspunkt eine weite Auslegung des Begriffs geboten, um die vom Gesetzgeber typisierend angenommene Schutzbedürftigkeit des gemeinten Personenkreises zu berücksichtigen (BSG - Urteil vom 27. September 2007, Az B 12 R 12/06 R). Unter dem Begriff der "selbständigen Lehrer" sind alle diejenigen Personen zu fassen, die im Rahmen einer Aus- oder Fortbildung durch theoretischen oder praktischen Unterricht Kenntnisse, Fähigkeiten oder Erfahrungen vermitteln. Die Lehrtätigkeit ist dabei nicht auf das Unterrichten an Schulen, Universitäten oder sonstigen Bildungseinrichtungen beschränkt. Die Versicherungspflicht ist weder davon abhängig, ob eine besondere pädagogische Ausbildung durchlaufen wurde, noch davon, ob es ein durch Ausbildungsordnungen geregeltes Berufsbild gibt. § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI enthält keine Vorgaben zu Lehrinhalten, zur Form des Unterrichts, zur Qualifikation des Lehrers und auch nicht zum "Ob und Wie" von Leistungskontrollen, insbesondere in Gestalt der Abnahme von Prüfungen und in Gestalt des Ausstellens von Zeugnissen. Unerheblich soll des Weiteren sein, welches Niveau die Lehrtätigkeit hat und ob sich der Unterricht an Schüler und Studenten oder aber lediglich an Laien wendet. Die weite Auslegung des Lehrerbegriffs des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI hat nicht zuletzt zu der von der Beklagten im Widerspruchsbescheid beispielhaft in den Vordergrund gerückten Zuordnung der Aerobic-Trainerin zu den Lehrern geführt. Die Tätigkeit der Aerobic-Trainerin sei darauf gerichtet, den Kunden bzw Kursteilnehmern spezielle Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten zum Training sämtlicher Muskelgruppen und zur Verbesserung ihrer Bewegungsabläufe zu vermitteln. Die individuelle Arbeit mit den Kunden, die Einstufung der Kunden nach dem vorgefundenen physischen Zustand, das Entwerfen individueller Trainingspläne, die Überwachung des Trainings, die Anleitungen, um Fehlbedienungen an den Fitnessgeräten zu vermeiden, die Nachbesprechungen und die Kontrollen des Erfolges der jeweiligen Trainingseinheiten spiegelten bereits wesentliche Elemente einer Lehrtätigkeit wider (vgl. BSG - Urteil vom 22. Juni 2005, Az B 12 RA 6/04 R). Demgegenüber dürfte nicht von Lehrtätigkeiten im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI gesprochen werden, wenn die Elemente einer Kenntnis- oder Wissensvermittlung lediglich einen untergeordneten Teil des Berufsbildes darstellen. Der Begriff des Lehrers würde auf nahezu jede Dienstleistung ausgedehnt, wenn auch solche Berufsbilder erfasst würden, bei denen die Wissensvermittlung lediglich einen kleinen Ausschnitt des Gesamtbildes darstellt. Selbst Rechtsanwälte und Steuerberater müssten regelhaft als Lehrer angesehen werden, weil über die im Rahmen der Mandate im Vordergrund stehenden Beratungen hinaus typischerweise auch Wissen über das zugrundeliegende Recht und sich daraus ergebende Anforderungen des Alltags vermittelt werden. Soweit die Beklagte in der jeweils zu beurteilenden Berufstätigkeit enthaltene "wesentliche Elemente einer Lehrtätigkeit" genügen lässt, hält die Kammer dies für nicht überzeugend. Für überzeugender hält sie vielmehr diejenigen Ausführungen, die den Schwerpunkt der jeweiligen Berufsausübung in den Vordergrund der Beurteilung rücken (vom BSG so zumindest beiläufig erwähnt in dem Urteil vom 27. September 2007, Az B 12 R 12/06 R; vgl zum Ganzen im Übrigen zusammenfassend das Urteil des Hessischen Landes- sozialgerichts vom 21. August 2014, Az L 8 KR 154/13 - Ernährungsberater). Nach den vorstehend aufgezeigten Maßgaben ist eine Zuordnung der Klägerin zu den Lehrern nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI nicht zu begründen. Wie es bereits in der Bezeichnung "Lerntherapeut" zum Ausdruck kommt, liegt der Schwerpunkt in einem heilenden Einwirken auf Körper, Geist und Motivation, um nach den gegebenen Möglichkeiten am Leben in der Gesellschaft teilhaben zu können. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, im Vordergrund ihrer Beschäftigung mit den Kindern und Jugendlichen stehe es, Mut zu machen, das eigene Selbstbewusstsein zu entwickeln und Abstand von Selbstzweifeln bis hin zu Selbstmordgedanken zu finden. Es gehe ganz wesentlich darum, mit eigenen Schwächen umzugehen und gleichzeitig eigene Stärken herauszuarbeiten, selbst wenn dieses Herausarbeiten nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit der Beförderung schulischer Leistungen stehe. Die Kammer sieht bei zusammenfassender Würdigung den von der Beklagten im Widerspruchsbescheid zugrunde gelegten Ausgangspunkt als widerlegt an, als Lerntherapeutin vermittle die Klägerin Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten. Zumindest die Vermittlung von Kenntnissen steht ganz im Hintergrund. Soweit überhaupt von Kenntnisvermittlung gesprochen werden kann, bezieht sich dieser Teil der Aufgabenstellung der Klägerin vorrangig auf vorangehende Kompetenzen und besteht im Schwerpunkt in der Anwendung von Verfahrenstechniken. Aus der Beschreibung der notwendigen Kompetenzen der Lerntherapeuten geht hervor, aufzuarbeiten seien Defizite in sogenannten "Vorläuferfähigkeiten". Es gehe da- rum, Konzentration, Sprach-, Artikulations- und Hörvermögen zu stärken. Die Klägerin hat erläutert, Selbstbewusstsein und Aufnahmefähigkeit zu befördern, nicht aber, auf in der Schule anstehende Diktate oder Mathematikarbeiten vorzubereiten. Auch gehe es darum, den benachteiligten Kindern und Jugendlichen Unterstützung darin zu leisten, ihre nach der Schul- ordnung mögliche Gleichstellung und Rücksichtnahme auf Schwächen durch abweichende Benotungen durchzusetzen. Soweit die Klägerin psychische Probleme in Gestalt von Ängsten, Verweigerungshaltungen, Unruhe und Aufmerksamkeitsdefiziten im Wege des sogenannten "Kieler Lese-, Rechtschreib- und Rechenaufbaus", im Wege "visueller Wahrnehmungsförderung nach Frostig", im Wege von "Hilfen für das schreibauffällige Kind nach Hauke Stehn", im Wege "Lösungsorientierter Beratung nach Steve de Shazer" und im Wege "sensorischer Integration nach Jean Ayres" behebt bzw zu beheben versucht, steht das therapeutische Ein- wirken im Vordergrund, nicht die Vermittlung von Fähigkeiten und Fertigkeiten. Für die Kammer lassen sich diese Angaben über das Aufgabengebiet im I. als Umsetzung der Ausbildungsinhalte gemäß den Zertifikaten vom 28. Januar 2005 und vom 16. Dezember 2007 begreifen. Danach ist die Klägerin zwar ihrerseits zu einem nicht unerheblichen Teil von Pädagogen und Didaktikern ausgebildet worden, im Vordergrund stand jedoch die Vermittlung therapeutischer Inhalte und Techniken. Im Ausbildungsschwerpunkt des Bereichs Dyskalkulie gehörten ua eine staatlich anerkannte Sprachheiltherapeutin, ein Kinderarzt, eine Orthoptistin und Lerntherapeutin, eine Pädaudiologin, eine Diplom-Psychologin sowie ein Kinder- und Jugendpsychiater zum Lehrteam. Aus Sicht der Kammer sind als wesentliche Gesichtspunkte zur Einordnung der Tätigkeit der Klägerin ferner die Zuweisung der Kinder und Jugendlichen durch das Jugendamt sowie die einleitende Diagnostik zu nennen. Ein solcher Verfahrensablauf ist mit dem Berufsbild des Lehrers nach § 2 Satz 1 Nr 1 SGB VI nur schwerlich vereinbar. Die Klägerin beginnt im Sinne eines therapietypischen Vorgehens ihre Tätigkeit mit einem Erst- und Anamnesegespräch unter Einbeziehung des Umfeldes des Kindes oder Jugendlichen. Ausgehend davon setzen die Konzepte der sensomotorischen Förderung sowie die strukturierten und kreativen Verfahren zur Verbesserung der Lernkompetenzen ein. Die Bezeichnung "I" sieht die Kammer bei alledem nicht als durchgreifendes Indiz für die Argumente der Beklagten an. Nur ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass die Klägerin auch nicht als sogenannte Pflegeperson im Sinne des § 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI als Selbständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt. Zum einen schließt sich die Kammer der Sichtweise der Grundsatzabteilung an, wonach die Klägerin unabhängig ist von Weisungen eines Arztes oder sonstigen Heilkundigen (Kriterium der Tätigkeit auf ärztliche Verordnung, vgl BSG - Urteil vom 4. Juni 1998, Az B 12 KR 9/97 R sowie Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 17. April 2013, Az L 22 R 1149/11). Zum anderen sind die Kinder und Jugendlichen auch nicht pflegebedürftigen Personen zuzuordnen, vielmehr solchen, die einer psychosozialen Betreuung bedürfen. Die Kostenentscheidung folgt aus der Anwendung des § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG).