Sozialgericht Stade
Urt. v. 02.06.2015, Az.: S 15 KR 355/13
Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Rahmen der Prüfung des Bestehens eines Anspruchs auf Krankengeld
Bibliographie
- Gericht
- SG Stade
- Datum
- 02.06.2015
- Aktenzeichen
- S 15 KR 355/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2015, 22625
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:SGSTADE:2015:0602.S15KR355.13.0A
Rechtsgrundlage
- § 49 Abs. 1 Nr. 1 SGB V
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Krankengeld von der Beklagten für den Zeitraum 25.03.2011 bis 08.04.2011 nach den Vorschriften des Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).
Der 1956 geborene Kläger war langjährig bei der Firma G. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete zum 25.03.2011 durch fristlose Kündigung. Gegen den Kläger waren Anschuldigungen erhoben worden, dass er Betriebsmittel entwendet habe. Ab dem gleichen Tag bescheinigte Dr. H. dem Kläger Arbeitsunfähigkeit bis 08.04.2011. Vom 09.04.2011 an erhielt der Kläger Arbeitslosengeld von der Bundesagentur für Arbeit gemäß § 117 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von 35,11 EUR kalendertäglich. Zum 01.08.2011 wurde die Bewilligung von Arbeitslosengeld wieder aufgehoben, nachdem der Kläger wieder eine Beschäftigung aufgenommen hatte.
Der Kläger beantragte für den Zeitraum ab 25.03.2011 Krankengeld von der Beklagten. Diese lehnte mit Bescheid vom 13.04.2011 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass das Arbeitsverhältnis zum 25.03.2011 geendet habe, die Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit jedoch erst ab dem 26.03.2011 wirksam geworden sei. Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch kein Versicherungsverhältnis mehr mit Anspruch auf Krankengeld bestanden.
Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 13.05.2011 Widerspruch. Der angegriffene Bescheid sei unrichtig; am 26.03.2011 habe noch ein Versicherungsverhältnis bestanden, das zum Krankengeldbezug berechtigt habe.
Der Kläger erhob gegen die fristlose Kündigung Klage zu dem Arbeitsgericht A-Stadt (1 Ca 180/11). Mit Vergleich vom 13.05.2011 erzielte der Kläger mit seinem früheren Arbeitgeber eine Einigung folgenden Inhalts:
"1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass ihr Arbeitsverhältnis infolge ordentlicher Kündigung der Beklagten vom 25. März 2011 aus betrieblichen Gründen mit dem 30. April 2011 beendet worden ist.
2. Die Beklagte zahlt dem Kläger restliche Vergütung für den Zeitraum vom 26. März bis zum 30. April 2011 unter Berücksichtigung des Anspruchsübergangs auf die Agentur für Arbeit A-Stadt in Höhe von 500,00 EUR brutto."
Die weiteren Punkte des Vergleichs betrafen Urlaubs- bzw. Zeugnisansprüche. Der Arbeitgeber des Klägers erstattete in der Folgezeit eine Meldung bei der Beklagten, in der das Entgelt für den Zeitraum 01.01. bis 30.04.2011 gemeldet wurde, dieses betrug monatlich 1.726,75 EUR.
Die Beklagte erläuterte im Schreiben vom 17.05.2011, dass der Krankengeldanspruch erst am Tag nach der ärztlichen Feststellung entstehe (§ 46 Abs 1 SGB V). Zu diesem Zeitpunkt habe jedoch kein Versicherungsverhältnis mit Krankengeldanspruch mehr bestanden. Nachfolgend nahm die Beklagte den Bescheid vom 13.04.2011 jedoch mit Bescheid vom 08.06.2011 zurück. Darin wurde festgehalten, dass grundsätzlich ein Anspruch auf Krankengeld ab dem 26.03.2011 bestehe. Dieser Anspruch ruhe jedoch gemäß § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V, da der Kläger gemäß des Vergleiches vor dem Arbeitsgericht A-Stadt Leistungen der Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber bezogen habe. Damit sei dem Widerspruch abgeholfen worden.
Hiergegen erhob der Kläger erneut Widerspruch. Das Schreiben vom 11.07.2011 enthielt keine Begründung. Eine solche wurde auch nicht nachgereicht, obwohl der Kläger 21 Mal eine Fristverlängerung für die Begründung beantragte und von der Beklagten gewährt erhielt. Die Beklagte erstattete mit Bescheid vom 14. Oktober 2013 dem Klägerbevollmächtigten die Kosten für das Widerspruchsverfahren hinsichtlich des Widerspruchs vom 13.05.2011 gegen den Bescheid vom 13.04.2011. Im Widerspruchsbescheid vom 05.11.2013 wurde jedoch der Widerspruch gegen die Ablehnung der Krankengeldzahlung im Bescheid vom 08.06.2011 abgelehnt. Erneut verwies die Beklagte darauf, dass wegen der vom Arbeitgeber gewährten Entgeltfortzahlung der Anspruch auf Krankengeld geruht habe.
Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2013 Klage zu dem Sozialgericht Stade.
Er ist der Auffassung, es sei von der Beklagten für den streitigen Zeitraum Krankengeld zu gewähren. Anders als aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich ersichtlich, habe es keine Entgeltfortzahlung durch den früheren Arbeitgeber des Klägers gegeben. Vielmehr habe es eine Einmalzahlung von 500,00 EUR gegeben, mit der die Sache inhaltlich erledigt gewesen sei. Hierbei habe es sich jedoch um eine Art Abfindung gehandelt.
Er beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.06.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2013 zu verpflichten, dem Kläger Krankengeld für den Zeitraum 25.03.2011 bis 08.04.2011 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, ihre Bescheide seien nicht zu beanstanden. Die Ausführungen im Vergleich vor dem Arbeitsgericht A-Stadt seien eindeutig gefasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von Krankengeld gegen die Beklagte. Denn der Anspruch auf Krankengeld für den streitigen Zeitraum hat jedenfalls geruht.
Der Anspruch des Klägers auf Krankengeld ruhte ab dem 25.03.2011 gemäß § 49 Abs 1 Nr 1 SGB V. Nach dieser Vorschrift tritt Ruhen ein, soweit und solange Versicherte beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erhalten; dies gilt nicht für einmalig gezahltes Arbeitsentgelt. Das Ruhen des Anspruches auf Krankengeld war nach diesen Maßgaben gegeben, da der Kläger für den Zeitraum 25.03.2011 bis 08.04.2011 Arbeitsentgelt in voller Höhe erhalten hat.
Ausweislich des Vergleiches vor dem Arbeitsgericht A-Stadt zu dem Aktenzeichen 1 Ca 180/11, dort Nr 1., bestand das Arbeitsverhältnis des Klägers bis zum 30.04.2011 fort und begründete einen Anspruch auf Zahlung des Arbeitsentgeltes über den streitigen Zeitraum hinaus bis 30. April 2011 (Nr. 2).
Das Gericht hat keine Bedenken, diesen arbeitsgerichtlichen Vergleich für die hier zu treffende Entscheidung zu Grunde zu legen. Denn Einwände, die die Wirksamkeit oder Umsetzung des Vergleiches in Frage stellen könnten, sind nicht ersichtlich. Zwar hat der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 02.06.2015 erklärt, dass nach seiner Erinnerung eine Abfindung in Höhe von 500,00 EUR gezahlt worden und das Arbeitsverhältnis zum 25.03.2011 abgerechnet worden sei. Auch der Klägerbevollmächtigte, der bereits im arbeitsgerichtlichen Verfahren für den Kläger tätig geworden war, hat ausgeführt, dass sich der Sachverhalt nach seiner Erinnerung so abgespielt habe.
Dem folgt das Gericht nicht. Die Nachfragen des Gerichts dazu, warum von den Vorgaben des arbeitsgerichtlichen Vergleiches, der aus Sicht des Gerichts eindeutig gefasst ist, abgewichen worden sein soll, hat der Klägerbevollmächtigte nicht befriedigend erklären können. Die Angaben sind nicht in sich schlüssig. So ist seitens des Klägers nicht nachgewiesen worden, dass tatsächlich durch den früheren Arbeitgeber lediglich ein Betrag von 500,00 EUR gezahlt worden ist, um das Arbeitsverhältnis abzuwickeln. Auch ist die Schilderung des Geschehensablaufes nicht plausibel. Während der Klägerbevollmächtigte einerseits angegeben hat, an die näheren Umstände der Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den arbeitsgerichtlichen Vergleich keine genaue Erinnerung mehr zu haben, war er sich andererseits sehr sicher, dass das Beschäftigungsverhältnis durch Zahlung einer geringen Abfindung abgewickelt worden sei. Für das Gericht ist nicht nachvollziehbar, wieso gerade ein Geschehensablauf, der im diametralen Gegensatz zu ausdrücklich festgehaltenen Vorgaben eines gerichtlichen Vergleiches steht, vom Klägerbevollmächtigten erinnert wurde, nicht aber die Umstände, die zu dem Vergleich geführt haben.
Ein weiteres entscheidendes Indiz gegen die Auffassung des Klägers ist, dass die von der Firma G. bei der Beklagten abgegebene Meldung zur Sozialversicherung für den Kläger das Ende des Beschäftigungsverhältnisses nicht zum 25.03.2011, sondern - entsprechend des arbeitsgerichtlichen Vergleiches - zum 30.04.2011 angab. Zudem kann das Gericht nicht ausschließen, dass der restliche Lohnanspruch aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich, der der Höhe nach hierin nicht beziffert worden ist, auf eine Größenordnung von ungefähr 500,00 EUR dadurch reduziert worden ist, dass ausweislich Nr 2. des Vergleiches der Anspruchsübergang auf die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 500,00 EUR von dem verbleibenden Lohnanspruches des Klägers abzusetzen war. Damit besteht nicht zwingend eine Diskrepanz zwischen der Erinnerung des Klägerbevollmächtigten und der Fassung des arbeitsgerichtlichen Vergleiches. Eine nähere Sachverhaltsermittlung war hierzu nach dem vorstehend Gesagten nicht mehr durchzuführen.
Aus der Zahlung von Arbeitslosengeld bzw der Anrechnung im arbeitsgerichtlichen Vergleich war auch nicht ein Teilanspruch auf Krankengeld abzuleiten. Zwar war gemäß Ziffer 2. des Vergleiches ein Anspruchsübergang in Höhe von 500,00 EUR auf die Bundesagentur für Arbeit berücksichtigt worden. Jedoch war das Arbeitslosengeld seitens der Bundesagentur für Arbeit erst ab 09.04.2011 gezahlt worden. Eine Überschneidung mit dem hier streitigen Zeitraum bis 08.04.2011 ist daher nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz. Diese Entscheidung ist unanfechtbar, § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz. Nach der Berechnung der Beklagten hätte der Krankengeldanspruch für den streitigen Zeitraum lediglich einen Gesamtbetrag von 564,06 EUR ausgemacht, so dass der Berufungsstreitwert von 750,00 EUR nicht erreicht ist. Gründe für die Zulassung der Berufung sind für das Gericht nicht ersichtlich.