Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.03.2014, Az.: 8 LA 138/13
Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme"
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 04.03.2014
- Aktenzeichen
- 8 LA 138/13
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 11850
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0304.8LA138.13.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 26.06.2013 - AZ: 5 A 2579/12
Rechtsgrundlagen
- § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO
- § 2 Abs. 3 HebG
- § 3 Abs. 2 HebG
- § 27 Abs. 1 HebG
- § 134a SGB V
- § 56 Abs. 1 StGB
Fundstellen
- GesR 2014, 378-380
- GewArch 2014, 368-370
- PflR 2014, 403-407
Redaktioneller Leitsatz
Der fortgesetzte Abrechnungsbetrug stellt einen schwerwiegenden Verstoß gegen wesentliche Berufspflichten einer Hebamme dar, der grundsätzlich die Prognose der Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs rechtfertigt. Auf Gegenteiliges kann allein aus einer Strafaussetzung zur Bewährung nicht geschlossen werden.
Tenor:
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 5. Kammer - vom 26. Juni 2013 wird abgelehnt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens.
Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 15.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme".
Die 1953 geborene Klägerin erlangte 1975 die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Kinderkrankenschwester" und 1983 die Anerkennung als Hebamme. Seitdem ist sie als freiberuflich tätige Hebamme in Hannover niedergelassen.
Auffälligkeiten im Abrechnungsverhalten gegenüber Krankenkassen führten bereits in den Jahren 2003 und 2005 zu vergleichsweisen Vereinbarungen über teilweise Rückzahlungen vereinnahmter Vergütungen zwischen der Klägerin und der B. sowie der C.. Das Amtsgericht Hannover verhängte gegen die Klägerin mit rechtskräftigem Strafbefehl vom 21. Dezember 2006 - 223 Cs 7151 Js 92038/06 (582/06) - wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr bei einem festgestellten Blutalkoholgehalt von 3,4 ‰ zur Tatzeit eine Geldstrafe von dreißig Tagessätzen und entzog ihr die Fahrerlaubnis. Das Amtsgericht Hannover verhängte gegen die Klägerin mit weiterem rechtskräftigen Strafbefehl vom 30. Dezember 2009 - 225 Cs 7771 Js 74149/09 (432/09) - wegen des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Fahrerlaubnis in drei Fällen eine Gesamtgeldstrafe von fünfundsechzig Tagessätzen. Mit Schreiben vom 23. November 2009 informierte die D. für Niedersachsen die Staatsanwaltschaft Hannover über im Rahmen der Prüfung eingereichter Rechnungen festgestellte erhebliche Beanstandungen. Auf den Beschluss des Amtsgerichts Hannover - 272 Gs 102/10 - wurden am 24. Februar 2010 die Wohnräume der Klägerin durchsucht. Das Amtsgericht Hannover verhängte gegen die Klägerin mit weiterem rechtskräftigen Strafbefehl vom 2. Mai 2011 - 225 Cs 5181 Js 103781/09 (159/11) - wegen Betruges in vierundfünfzig Fällen und Fahrens ohne Fahrerlaubnis in fünfzehn Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht stellte fest, dass die Klägerin im Zeitraum vom 7. Mai 2007 bis zum 30. November 2010 als Hebamme gegenüber den Krankenkassen bewusst Leistung abrechnete, die tatsächlich nicht oder nur teilweise erbracht worden waren, um sich zu bereichern. Durch die Betrugshandlungen der Klägerin entstand den Krankenkassen ein Schaden in Höhe von insgesamt 21.798,89 EUR. Darüber hinaus führte die Klägerin in der Zeit vom 11. Mai 2008 bis zum 18. Juli 2009 in fünfzehn Fällen ein Fahrzeug, obwohl ihr die Fahrerlaubnis entzogen war.
Mit Bescheid vom 13. Februar 2012 widerrief der Beklagte nach vorheriger Anhörung die Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme". Die Klägerin erweise sich aufgrund ihres strafrechtlich geahndeten Verhaltens als unzuverlässig zur Ausübung des Berufs der Hebamme. Der Beklagte ordnete die sofortige Vollziehung des Widerrufs an.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt. Zwar habe sie die geahndeten Straftaten begangen. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis habe indes keinen Bezug zum ausgeübten Beruf gehabt. Die übrigen Straftaten seien ohne Einfluss auf die Versorgung ihrer Patientinnen geblieben. Diese hätten sich vielmehr mit ihrer Arbeit zufrieden gezeigt und ihr gegenüber auch Schadensersatzansprüche nicht geltend gemacht. Den Schaden gegenüber den Krankenkassen habe sie ausgeglichen. Die Gefahr der Begehung erneuter Straftaten sei nicht gegeben, was auch die Bewährungsaussetzung durch das Strafgericht und ihr straffreies Verhalten seit der Tataufdeckung zeigten. Seit März 2011 habe sie eine Rechtsanwaltsfachangestellte zur Überprüfung der Abrechnungen eingestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 10. Mai 2012 - 8 ME 59/12 - auf die Beschwerde der Klägerin gegen den die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ablehnenden Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 12. März 2012 - 5 B 2580/12 - die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt, da der Sofortvollzug des Widerrufs der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme" schon vor dem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter nicht erforderlich sei.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 26. Juni 2013 abgewiesen. Im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides habe der Klägerin die notwendige Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der Hebamme gefehlt. Die bewusste Falschabrechnung gegenüber den Krankenkassen in einer Vielzahl von Fällen stelle eine schwerwiegende Verletzung von Berufspflichten dar. Das Verhalten der Klägerin begründe auch die Gefahr erneuter Verfehlungen. Die Klägerin habe sich weder durch die 2003 und 2005 aufgedeckten Abrechnungsauffälligkeiten noch durch die Wohnungsdurchsuchung im Februar 2010 von weiteren Betrugshandlungen abbringen lassen. Dem anschließenden, zumal nur kurzzeitigen Wohlverhalten unter dem Druck des Widerrufsverfahrens des Beklagten und der laufenden strafrechtlichen Bewährungszeit komme demgegenüber eine besondere Bedeutung nicht zu. Gleiches gelte für die Beauftragung Dritter mit der Abrechnung, da eine solche Beauftragung auch schon im Zeitpunkt der Tatbegehung vorgelegen habe.
Gegen dieses Urteil richtet sich der Antrag der Klägerin auf
Zulassung der Berufung.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg.
Der von der Klägerin allein geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 3.4.2013 - 13 LA 34/13 -, [...] Rn. 2; Beschl. v. 24.3.2009 - 10 LA 377/08 -, [...] Rn. 2; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: September 2004, § 124a Rn. 100).
Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ein, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht ihre Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der Hebamme verneint. Diese Zuverlässigkeit beurteile sich maßgeblich nach der Fähigkeit, die gesetzlich geforderte Hebammenhilfe zu leisten und dabei den Gesundheitszustand der Patientinnen und des Säuglings zu überwachen und nicht zu gefährden. Dieser Verpflichtung sei sie seit 1983 fehlerlos nachgekommen. Sie habe die Gesundheit ihrer Patientinnen und der Säuglinge zu keinem Zeitpunkt gefährdet und auch ihre Berufshaftpflichtversicherung nicht in Anspruch genommen. Die abgeurteilten Straftaten habe sie zwar begangen. Die Strafe sei aber zur Bewährung ausgesetzt worden und die Bewährungszeit laufe am 28. Mai 2014 ab. Die Bewährungsaussetzung prognostiziere ihr ein zukünftig straffreies Verhalten. Die widerstreitende Annahme des Verwaltungsgerichts, es bestehe die Gefahr eines erneuten Abrechnungsbetruges gegenüber den Krankenkassen, sei daher nicht gerechtfertigt. Dies zeige auch die tatsächliche Entwicklung. Beeindruckt durch das Strafverfahren habe sie eine Mitarbeiterin eingestellt, welche weitgehend die Abrechnungen wahrnehme und daneben als Fahrerin tätig sei. Seit 2010 sei es auch zu keinen weiteren Abrechnungsfehlern gekommen. Sie habe auch den entstandenen Schaden wieder gutgemacht. Sie sei in der Lage, eigenverantwortlich richtige Abrechnungen für erbrachte Leistungen gegenüber den Krankenkassen und Privatpatienten zu erstellen. Jedenfalls im jetzigen Zeitpunkt sei ihre Zuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der Hebamme gegeben.
Diese Einwände begründen nach dem dargestellten Maßstab ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der Hebamme ergibt, und dass der Bescheid des Beklagten vom 13. Februar 2012 über den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme" deshalb rechtmäßig ist.
Die von der Bezirksregierung Lüneburg der Klägerin am 1. April 1983 wirksame erteilte Anerkennung als Hebamme gilt nach der Überleitungsregelung in § 27 Abs. 1 des Gesetzes über den Beruf der Hebamme und des Entbindungspflegers - Hebammengesetz - vom 4. Juni 1985 (BGBl. I S. 902) in der hier anzuwendenden, zuletzt durch Gesetz vom 6. Dezember 2011 (BGBl. I S. 2515) geänderten Fassung als Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme". Diese Erlaubnis ist nach § 3 Abs. 2 und § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hebammengesetz zu widerrufen, wenn sich der Erlaubnisinhaber nach Erteilung der Erlaubnis eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt.
Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen insbesondere gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Erlaubnisinhaber biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Erlaubnisinhabers und seine Lebensumstände zu würdigen, so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen können (vgl. BVerwG, Beschl. v. 28.8.1995 - BVerwG 3 B 7.95 -, NVwZ-RR 1996, 477 f. (Widerruf der ärztlichen Approbation wegen Unzuverlässigkeit nach Abrechnungsbetrug); Senatsbeschl. v. 25.2.2011 - 8 LA 330/10 -, [...] Rn. 8 (Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Hebamme" wegen Unzuverlässigkeit nach Abrechnungsbetrug) jeweils m.w.N.). Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.09.2002 - BVerwG 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913 (Widerruf der Approbation eines Apothekers wegen Unzuverlässigkeit); Urt. v. 28.4.2010 - BVerwG 3 C 22.09 -, BVerwGE 137, 1, 2 (Widerruf der Berufserlaubnis eines Logopäden wegen Unzuverlässigkeit); Senatsbeschl. v. 24.5.2012 - 8 LA 198/11 -, [...] Rn. 9 (Streichung aus der Architektenliste wegen Unzuverlässigkeit); Senatsbeschl. v. 25.2.2011, a.a.O.; Senatsbeschl. v. 27.5.2009 - 8 ME 62/09 -, [...] Rn. 2 (Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung "Krankenpfleger" wegen Unzuverlässigkeit)).
Hier hat die Klägerin wiederholt in gravierender Weise gegen wesentliche Berufspflichten einer Hebamme verstoßen.
Die Berufspflichten der Hebammen, die in Niedersachsen ihren Beruf ausüben, ergeben sich zum einen aus §§ 1 f. des Niedersächsischen Gesetzes über die Ausübung des Hebammenberufs - NHebG - vom 19. Februar 2004 (Nds. GVBl. S. 71), zuletzt geändert durch Gesetz vom 20. Februar 2009 (Nds. GVBl. S. 25). Danach ist es Berufsaufgabe der Hebammen, Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen und stillenden Müttern Rat zu geben und ihnen sowie Neugeborenen Hilfe zu leisten. Sie haben die Gesundheit der Schwangeren, Gebärenden, Wöchnerinnen, stillenden Mütter und Neugeborenen, auch in psychosozialer Hinsicht, zu fördern, zu schützen und zu erhalten. Sie sind verpflichtet, ihren Beruf entsprechend dem jeweiligen Stand der Erkenntnisse auf dem Gebiet der Geburtshilfe und der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse gewissenhaft auszuüben und dabei Qualitätssicherungsmaßnahmen durchzuführen. Soweit für die Qualitätssicherung anerkannte fachliche Regeln vorhanden sind, müssen die Maßnahmen diesen entsprechen. Hebammen, die freiberuflich tätig sind, sind darüber hinaus nach § 6 Abs. 1 NHebG besonderen Berufspflichten unterworfen.
Die Berufspflichten einer freiberuflich tätigen Hebamme werden zum anderen aber auch durch ihre Stellung als originäre Leistungserbringerin für die Hebammenhilfe im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. § 134a SGB V und eingehend Rixen, Sozialrecht als öffentliches Wirtschaftsrecht am Beispiel des Leistungserbringerrechts der gesetzlichen Krankenversicherung, 2005, S. 455 f.) geprägt. Die freiberuflich tätige Hebamme rechnet die für ihre Patienten erbrachten Leistungen auf der Grundlage des zwischen den Berufsverbänden der Hebammen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen geschlossenen Vertrages über die Versorgung mit Hebammenhilfe nach § 134a SGB V, der darin enthaltenen Hebammen-Vergütungsvereinbarung und der Richtlinien der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 302 Abs. 2 SGB V über Form und Inhalt des Abrechnungsverfahrens mit "Sonstigen Leistungserbringern" sowie mit Hebammen und Entbindungspflegern (§ 301a SGB V) unmittelbar gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen ab. Die Hebamme ist verpflichtet, diese Abrechnungen gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen richtig vorzunehmen. Anderenfalls wird das sozialversicherungsrechtliche Gesundheitssystem der Bundesrepublik Deutschland geschädigt, weil die Solidargemeinschaft der Versicherten für Leistungen aufzukommen hat, welche überhaupt nicht oder so, wie abgerechnet, nicht erbracht worden sind, was zur Folge hat, dass die erbrachten Mittel in anderen Zusammenhängen fehlen. Die Funktionsfähigkeit der gesetzlichen Krankenkassen ist ein wesentlicher Pfeiler des Gesundheitswesens. Die Gefährdung ihrer finanziellen Basis durch betrügerische oder leichtfertige Falschabrechnungen in großem Umfang stellt daher eine schwerwiegende Verletzung der Berufspflichten dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002, a.a.O., S. 914 m.w.N. (Abrechnungsbetrug eines Apothekers)). Nichts anderes gilt für die fehlerhafte Abrechnung erbrachter Leistungen gegenüber einem privat versicherten Patienten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 20.9.2012 - BVerwG 3 B 7.12 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr. 112 (Abrechnungsbetrug eines Arztes); Urt. v. 16.9.1997- BVerwG 3 C 12.95 -, BVerwGE 105, 214, 222 (Abrechnungsbetrug eines Arztes)).
Nach diesen Maßstäben stellt der fortgesetzte Abrechnungsbetrug der Klägerin, wie er im rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 2. Mai 2011 - 225 Cs 5181 Js 103781/09 (159/11) - geahndet worden ist, einen schwerwiegenden Verstoß gegen wesentliche Berufspflichten einer Hebamme dar. Die Klägerin rechnete im Zeitraum vom 7. Mai 2007 bis zum 30. November 2010 in vierundfünfzig einzelnen Fällen als Hebamme gegenüber den Krankenkassen bewusst Leistungen ab, die tatsächlich nicht oder nur teilweise erbracht worden waren (siehe die konkrete Schadensaufstellung in der Anlage zum Strafbefehl vom 2. Mai 2011, Bl. 132 f. Beiakte B), um sich zu bereichern. Durch die Betrugshandlungen der Klägerin entstand den Krankenkassen ein Schaden in Höhe von insgesamt 21.798,89 EUR.
Ohne dass es auf die weiteren Verurteilungen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und wegen des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne die erforderliche Fahrerlaubnis noch ankommt, rechtfertigt schon dieses strafrechtlich geahndete Verhalten der Klägerin die Prognose, sie biete nicht die Gewähr, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Diese Prognose wird dadurch bestätigt, dass die Klägerin sich auch durch die vorausgegangenen Auseinandersetzungen mit der B. und der C. um fehlerhafte Abrechnungen in den Jahren 2003 und 2005 nicht von den Taten hat abbringen lassen. Vielmehr hat sie trotz des laufenden strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und sogar noch nach der Durchsuchung ihrer Wohnräume am 24. Februar 2010 in weiteren fünf Fällen am 1. Oktober 2010, am 17. Oktober 2010, am 8. November 2010, am 23. November 2010 und am 30. November 2010 bewusst fehlerhaft gegenüber der D. für Niedersachsen Leistungen abgerechnet.
Der Prognose steht auch die Strafaussetzung zur Bewährung durch das Amtsgericht Hannover im Beschluss vom 2. Mai 2011 nicht entgegen. Der Strafaussetzung zur Bewährung liegt nach § 56 Abs. 1 StGB (nur) die strafgerichtliche Erwartung zugrunde, dass der Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Die hier zu beurteilende berufsrechtliche Prognose erfordert mehr als die bloße Erwartung straffreien Verhaltens. Der Erlaubnisinhaber muss die Gewähr dafür bieten, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Hierauf kann allein aus der Strafaussetzung zur Bewährung nicht geschlossen werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.12.1990 - BVerwG 7 C 20.90 -, NVwZ 1991, 889, 891 (Zuverlässigkeit eines Berufsluftfahrzeugführers); Bayerischer VGH, Beschl. v. 7.2.2002 - 21 ZS 01.2890 -, [...] Rn. 21 (Zuverlässigkeit eines Arztes)). Die zur Annahme der Unzuverlässigkeit führende Gefährdung kann vielmehr bereits dann zu bejahen sein, wenn sie nicht so fernliegt, dass sie ohne Bedenken außer Betracht gelassen werden kann (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.3.1996 - BVerwG 1 B 54.96 -, Buchholz 355 RBerG Nr. 49; Senatsbeschl. v. 8.11.2007 - 8 LA 88/07 -, [...] Rn. 5).
Der Prognose steht schließlich nicht entgegen, dass die Klägerin eine Angestellte mit der Abrechnung betraut hat. Das Verwaltungsgericht hat, von der Klägerin unwidersprochen, darauf hingewiesen, dass auch die strafrechtlich geahndeten fehlerhaften Abrechnungen unter Einschaltung eines Abrechnungsdienstleisters vorgenommen worden seien und die Klägerin sich allein durch die Beauftragung eines Dritten nicht von ihrer eigenen Verantwortung befreien könne.
Die danach gerechtfertigte Annahme einer Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der Hebamme ist auch nicht nachträglich entfallen. Die Klägerin hat die Zuverlässigkeit zur Ausübung dieses Berufs bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung am 13. Februar 2012 nicht wiedererlangt. Eine beanstandungsfreie Abrechnungspraxis über mehrere Jahre, die Grundlage für eine solche Annahme sein könnte (vgl. Senatsbeschl. v. 25.2.2011, a.a.O., Rn. 17), war zu diesem Zeitpunkt noch nicht absolviert. Auch dem sonstigen Wohlverhalten der Klägerin, das unter dem Druck eines schwebenden behördlichen Verfahrens an den Tag gelegt worden ist, kann ein besonderer Wert nicht beigemessen werden (vgl. Senatsbeschl. v. 7.2.2014 - 8 LA 84/13 -, [...] Rn. 39 m.w.N.).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG und Nr. 14.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).