Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 05.03.2014, Az.: 5 LA 291/13

Vergleichbarkeit einer Anlassbeurteilung und eines Arbeitszeugnisses der Bewerber nach Art, Inhalt und betrachtetem Zeitraum i.R.e. Bewerbungsverfahrensanspruchs

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
05.03.2014
Aktenzeichen
5 LA 291/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11844
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0305.5LA291.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 05.11.2013 - AZ: 7 A 89/12

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 7. Kammer - vom 5. November 2013 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Zulassungsverfahren auf 39.337,14 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Kläger, der die Befähigung zum Richteramt hat, ist als Ministerialrat (Besoldungsgruppe A 16) im Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt des Landes C. tätig. Der Beigeladene hat den Hochschulgrad Diplom-Ingenieur inne. Er ist im Angestelltenverhältnis als Projektleiter bei der D. tätig.

Der Kläger und der Beigeladene bewarben sich auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines "Projektleiters E. - Außertarifliches Entgelt bzw. BesGr. B 2 BBesO -". Die Beklagte entschied, die Stelle mit dem Beigeladenen zu besetzen. Die dagegen gerichtete Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht abgewiesen.

Der Antrag des Klägers auf

Zulassung der Berufung

hat keinen Erfolg.

Die Voraussetzungen des geltend gemachten Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind nicht erfüllt.

Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung sind erst dann zu bejahen, wenn bei der Überprüfung im Zulassungsverfahren, also aufgrund der Begründung des Zulassungsantrags und der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts, gewichtige, gegen die Richtigkeit der Entscheidung sprechende Gründe zu Tage treten, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das ist der Fall, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird. Die Richtigkeitszweifel müssen sich auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zur Änderung der angefochtenen Entscheidung führt. Um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darzulegen, muss sich der Zulassungsantragsteller substantiiert mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Welche Anforderungen an Umfang und Dichte seiner Darlegung zu stellen sind, hängt deshalb auch von der Intensität ab, mit der die Entscheidung des Verwaltungsgerichts begründet worden ist. Ist das angegriffene Urteil auf mehrere selbständig tragende Begründungen gestützt, müssen hinsichtlich aller dieser Begründungen Zulassungsgründe hinreichend dargelegt werden (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 25.4.2008 - 5 LA 154/07 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen führt das Vorbringen des Klägers nicht zur Zulassung der Berufung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Der Kläger hat keine gewichtigen, gegen die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sprechenden Gründe aufgezeigt, aus denen sich ergibt, dass ein Erfolg der erstrebten Berufung mindestens ebenso wahrscheinlich ist wie ein Misserfolg. Das Verwaltungsgericht ist zu Recht zu der Einschätzung gelangt, dass die Auswahlentscheidung der Beklagten vom 7. März 2013 den Kläger nicht in seinem Bewerbungsverfahrensanspruch aus Art. 33 Abs. 2 GG verletzt. Der Senat macht sich die zutreffende Begründung des angefochtenen Urteils zu eigen und verweist auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren ist das Folgende zu ergänzen bzw. hervorzuheben:

Der Kläger hat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Anlassbeurteilung, die die Beklagte für den Kläger herangezogen hat, und das Arbeitszeugnis vom 31. Dezember 2012, das die Arbeitgeberin des Beigeladenen für diesen gefertigt hat, nach Art, Inhalt und betrachtetem Zeitraum miteinander vergleichbar sind (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, [...] Rn 36; Nds. OVG, Beschluss vom 26.10.2012 - 5 ME 220/12 -, [...] Rn 15), nicht aufgezeigt.

Qualifizierte Arbeitszeugnisse stellen entgegen der Ansicht des Klägers nicht von vorneherein ein untaugliches Mittel für den anzustellenden Leistungsvergleich dar. Ein qualifiziertes Arbeitszeugnis muss neben Angaben zu Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses auch alle wesentlichen Tatsachen und Bewertungen zu Leistung und Verhalten enthalten, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung und für Dritte von Interesse sind (BAG, Urteil vom 11.12.2012 - 9 AZR 227/11 -, [...] Rn 10; BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a. a. O., Rn 38). Diesen Anforderungen genügt das Arbeitszeugnis vom 31. Dezember 2012. Denn es enthält sowohl Angaben zu der Art und der Dauer der Tätigkeit des Beigeladenen bei der D. als auch Angaben zu seinem dortigen Aufgabenbereich sowie zur Bewertung seiner fachlichen Leistungen und seiner Persönlichkeit.

Der Umstand, dass für Arbeitszeugnisse der Grundsatz der Wahrheit gilt (vgl. BAG, Urteil vom 9.9.1992 - 5 AZR 509/91 -, [...] Rn 16) und sie von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein und ihm das weitere Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren sollen (sog. Wohlwollensgrundsatz; vgl. BAG, Urteil vom 11.12.2012, a. a. O., Rn 21), führt zu keiner anderen Beurteilung. Denn in der Praxis hat sich ein Sprachgebrauch herausgebildet, der ein Arbeitszeugnis jedenfalls für personalbearbeitende Stellen "übersetzbar" und damit verwertbar macht (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a. a. O., Rn 38).

Die Auswahlkommission der Beklagten hat die über den Kläger erstellte Anlassbeurteilung und das über den Beigeladenen gefertigte Arbeitszeugnis im Einzelnen miteinander verglichen und seine Einschätzung in dem Auswahlvermerk vom 7. März 2013 (S. 2 f.) niedergelegt und begründet. Ihre Einschätzung, dass der Kläger und der Beigeladene jeweils sehr gute Bewertungen erhalten hätten, wobei sich zugunsten des Beigeladenen ein kleiner Vorsprung ergebe, hat die Auswahlkommission nachvollziehbar begründet. Bei dem Vergleich der Anlassbeurteilung und des Arbeitszeugnisses hat die Auswahlkommission sodann ausschlaggebend zugunsten des Beigeladenen darauf abgestellt, dass er angesichts der Bauprojekte, die er bereits geleitet habe, das Anforderungsprofil im Hinblick auf die erforderlichen fundierten Kenntnisse und umfangreichen Erfahrungen im Projektmanagement erheblich besser als der Kläger erfülle. Auch diese Einschätzung hat die Auswahlkommission nachvollziehbar begründet.

Mit seiner abschließenden Feststellung "Der Beurteilungszeitraum ist ganz offensichtlich gar nicht identisch" hat der Kläger ernstliche Richtigkeitszweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt. Die Anlassbeurteilung (Beurteilungszeitraum: 1.1.2007 - 6.12.2011) und das Arbeitszeugnis (bewerteter Zeitraum: 1.11.2007 - 31.12.2012) beziehen sich zwar auf unterschiedlich lange Zeiträume. Der Beigeladene ist jedoch erst seit dem 1. November 2007 bei der D. tätig, so dass der bewertete Zeitraum schon allein deshalb hinter dem Beurteilungszeitraum des Klägers zurückbleiben musste. Ob die Beklagte gehalten war, für den Kläger bezogen auf den Beurteilungsstichtag 31. Dezember 2012 eine weitere Anlassbeurteilung einzuholen, kann offen bleiben. Denn der Kläger hat nicht dargelegt, dass seine Anlassbeurteilung im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht mehr hinreichend aktuell gewesen sei, weil er etwa nach dem 6. Dezember 2011 andere Aufgaben wahrgenommen habe oder seitdem in Bezug auf seine Verwendung einschneidende Änderungen eingetreten seien (vgl. dazu BVerwG, Beschluss vom 22.9.2005 - BVerwG 1 WB 4.05 -, [...] Rn 25; Urteil vom 30.6.2011 - BVerwG 2 C 19.10 -, [...] Rn 23; Nds. OVG, Beschluss vom 6.10.2011 - 5 ME 296/11 -, [...] Rn 8; Beschluss vom 19.12.2013 - 5 LA 196/13 -; Beschluss vom 14.2.2014 - 5 ME 267/13 -; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 26.8.2013 - OVG 6 S 32.13 -, [...] Rn 11).

Unabhängig davon, dass die Beklagte - wie ausgeführt wurde - bereits aufgrund eines Vergleichs der Anlassbeurteilung und des Arbeitszeugnisses in nicht zu beanstandender Weise einen Eignungsvorsprung des Beigeladenen ermittelt hat, hat sie ergänzend auch auf das Ergebnis der Vorstellungsgespräche abgestellt. Vorstellungsgespräche sind geeignete Erkenntnismittel, auf die ergänzend zurückgegriffen werden kann, wenn im Einzelfall herangezogene dienstliche Beurteilungen und Arbeitszeugnisse noch keine abschließend verlässliche Entscheidungsgrundlage ergeben (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010, a. a. O., Rn 39). Warum die Auswahlkommission der Beklagten auch nach dem Ergebnis der Vorstellungsgespräche einen Eignungsvorsprung des Beigeladenen angenommen hat, ist in dem Auswahlvermerk vom 7. März 2013 (S. 3 f.) nachvollziehbar niedergelegt worden.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 5 Satz 4 in Verbindung mit Satz 1 Nr. 1 GKG (6 x Grundgehalt der Besoldungsgruppe B 2 in Höhe von 6.556,19 EUR = 39.337,14 EUR).