Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 22.05.2024, Az.: 8 LB 101/23
Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs i.R.e. Antrags auf Erteilung einer ärztlichen Approbation
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 22.05.2024
- Aktenzeichen
- 8 LB 101/23
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2024, 17773
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2024:0522.8LB101.23.00
Verfahrensgang
Rechtsgrundlage
- § 3 Abs. 1 S. 1 BÄO
Fundstelle
- GesR 2024, 482-483
Amtlicher Leitsatz
Eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit i.S.d. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG, die eine Durchbrechung des Verwertungsverbots des § 51 BZRG ermöglicht, kann auch in Fällen gegeben sein, in denen die Ablehnung der Erteilung der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit in Betracht zu ziehen ist. Sie liegt vor, wenn die Erteilung der Approbation eine besonders schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Integrität der Ärzteschaft zur Folge hätte, so dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Versagung auch unter Berücksichtigung des Gewichts der Berufsfreiheit und des Resozialisierungsinteresses zwingend gebietet
Tenor:
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Juni 2023 - 5. Kammer - geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Verfahren beider Instanzen.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des festzusetzenden Vollstreckungsbetrags abwenden, wenn nicht der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung der ärztlichen Approbation.
Er wurde am ... 1946 in Leipzig geboren. Nach abgeschlossener Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann (1967) absolvierte er ein Wirtschaftsstudium, welches er 1977 erfolgreich abschloss. Während des Studiums arbeitete er im Finanzierungs- und Versicherungsgeschäft. Im Herbst 1979 begann er ein Studium der Humanmedizin. Auch während dieses Studiums arbeitete er nebenher im Finanzierungs- und Versicherungsgeschäft und machte sich mit einem Geschäftspartner selbständig. Als sein Geschäftspartner im Jahr 1985 unerwartet verstarb, zerbrach das Unternehmen, was zu einer erheblichen Verschuldung des Klägers führte. Nach eigenen Angaben betrugen seine Schulden ca. 1,4 Mio. DM.
Am 27. November 1985 bestand der Kläger die mündliche Prüfung des Dritten Teils der ärztlichen Prüfung nicht. Kurz darauf trennte sich seine Lebensgefährtin endgültig von ihm und begann eine neue Beziehung mit einem Kommilitonen.
Am Morgen des ... fuhr der Kläger mit einer Schrotflinte bewaffnet in die Wohnung des H., dem neuen Freund seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Dort vermutete er die beiden. Als er die beiden in einem Bett schlafend antraf, erschoss er den neuen Freund seiner ehemaligen Lebensgefährtin. Dieser war durch die von dem Kläger verursachten Geräusche gerade wach geworden und wollte sich aufrichten, als ihn der tödliche Schuss in die Brust traf. Seine ehemalige Lebensgefährtin sprang aus dem Bett, um ihm das Gewehr zu entreißen. Der Kläger schlug ihr das Gewehr ins Gesicht, wodurch diese eine Trümmerfraktur des Nasenbeins sowie eine Rissplatzwunde an Nase und Wangen erlitt.
Das Landgericht Hannover verurteilte den Kläger am ... wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren (Az. ...). Ein Mord habe dem Kläger nicht nachgewiesen werden können. Er habe zwar das objektive Mordmerkmal der Heimtücke verwirklicht, da das Opfer H. arg- und wehrlos gewesen sei. Dem Kläger habe jedoch nicht mit der erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden können, dass er die Arg- und Wehrlosigkeit bewusst ausgenutzt habe. Angesichts seiner persönlichen Krisensituation und dem Einfluss des am Abend zuvor genossenen Alkohols könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger die Lage seines Opfers nicht richtig erfasst habe. Im Rahmen der Strafzumessung ging das Gericht von einer verminderten Schuldfähigkeit aus und machte von der Milderungsmöglichkeit nach § 21 i.V.m. § 49 Abs. 1 StGB Gebrauch. Eine erhebliche Minderung der Steuerungsfähigkeit des Klägers zum Tatzeitpunkt könne nicht ausgeschlossen werden. Der Kläger weise eine narzisstische Persönlichkeit mit schizoiden Zügen auf, die im Zusammenspiel mit dem Grad der Alkoholisierung des Klägers und der persönlichen Krisensituation, in der er sich zum Tatzeitpunkt befunden habe, seine Steuerungsfähigkeit erheblich gemindert haben könnte. Strafschärfend berücksichtigte das Gericht die verachtenswerte Gesinnung des Klägers, der sein Opfer zum Objekt seiner Wut gemacht habe, sowie die erhebliche Aggressivität bei der Begehung der gefährlichen Körperverletzung sowie die gesamten äußeren Tatumstände. Strafmildernd berücksichtigte das Gericht im Rahmen der Gesamtstrafenbildung, dass der Kläger seine Berufswünsche nicht mehr werde verwirklichen können und es sich um eine einmalige Situationstat gehandelt habe.
Nach erfolgreicher Anfechtung der Prüfungsentscheidung (vgl. VG Hannover, Urt. v. 11.6.1987 - 6 VG 141/86 - und Niedersächsisches OVG, Urt. v. 17.1.1989 - 10 OVG A 339/87 -) wiederholte und bestand der Kläger die ärztliche Prüfung im ... 1989 und beantragte 1990 erstmalig die Erteilung der Approbation als Arzt. Das Niedersächsische Landesprüfungsamt für Studierende der Medizin, Pharmazie und Zahnmedizin lehnte den Antrag ab. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe blieben ohne Erfolg.
In den Folgejahren beantragte der Kläger wiederholt erfolglos die Erteilung der ärztlichen Approbation. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe waren ebenfalls erfolglos:
1997 beantragte der Kläger erneut die Erteilung der Approbation. Dies lehnte das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgaben ab, weil sich der Kläger mit der Tat im Dezember ...eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergebe. Widerspruch und Klage sowie Antrag auf Zulassung der Berufung hiergegen blieben ohne Erfolg (VG Hannover, Urt. v. 2.3.1999 - 5 A 1471/98 -; Senatsbeschl. v. 3.6.1999 - 8 L 1794/99 -).
Am ... verhängte das Amtsgericht Bremen gegen den Kläger eine Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr.
Einen weiteren Antrag auf Erteilung der Approbation nahm der Kläger im November 2005 zurück.
Am ... erließ das Amtsgericht Bremen einen Strafbefehl gegen den Kläger. In dem Strafbefehl setzte es wegen Körperverletzung eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen fest. Dem Kläger wurde vorgeworfen, am ... eine andere Person grundlos angespuckt und mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen zu haben. Beim Abwehrversuch habe das Opfer eine Schürfwunde an der Hand erlitten. Der Strafbefehl wurde am ... rechtskräftig.
Im November 2007 beantragte der Kläger erneut die Erteilung der Approbation als Arzt bei dem inzwischen zuständigen Beklagten. Zur Begründung trug er vor, dass seit seiner Straftat 22 Jahre vergangen seien. Er werde nun 61 Jahre alt. Nach einem verpfuschten Leben wolle er zumindest den Lohn der harten Studienzeit erlangen und ein wenig seine Psyche stärken und etwas Sinnvolles und Nützliches tun und nicht länger ohne Beschäftigung an der Armutsgrenze leben. Der Beklagte lehnte den Antrag ab. Der Kläger habe sich durch den im Dezember ... begangenen Totschlag eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergebe. Diese Tat sei auch noch nicht tilgungsreif. Hinzu kämen noch zwei weitere Straftaten. Der Kläger habe im Jahr ... eine Körperverletzung begangen und im Jahr... eine fahrlässige Trunkenheit im Straßenverkehr, für die das Amtsgericht A-Stadt jeweils Geldstrafen verhängt habe. Die hiergegen gerichtete Klage blieb ohne Erfolg (vgl. VG Hannover, Urt. v. 19.9.2009 - 5 A 3940/08 -), ebenso wie der Antrag auf Zulassung der Berufung (vgl. Senatsbeschl. v. 10.12.2009 - 8 LA 185/09 -).
Im Jahr 2014 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Erteilung der Approbation. Nach erfolglosen Versuchen, eine außergerichtliche Lösung zu finden, lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers im Januar 2019 ab. Das hiergegen gerichtete Klageverfahren wurde eingestellt, nachdem der Kläger das Verfahren nicht weiter betrieb (VG Hannover, Beschl. v. 28.11.2019 - 5 A 798/19 -).
Mit bei dem Beklagten am 9. Juli 2021 eingegangenen Schreiben stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erteilung der ärztlichen Approbation. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 3. September 2021 ab. Zur Begründung führte er aus, dass sich aus den von dem Kläger begangenen Straftaten die Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes ergebe. Eine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes sei anzunehmen, wenn der Arzt durch sein Verhalten nicht mehr das erforderliche Vertrauen und Ansehen besitze, das für die Ausübung seines Berufes unabdingbar notwendig sei. Erforderlich sei ein schwerwiegendes Fehlverhalten, das bei Würdigung aller Umstände die Berufsausübung als untragbar erscheinen lasse. Die Berufsunwürdigkeit eines Arztes könne sich aus der Begehung von Straftaten ergeben. Dies sei bei dem Kläger der Fall. Er sei wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Ein angehender Arzt, der wegen eines solchen Deliktes derart bestraft worden sei, sei grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig, den Arztberuf auszuüben. Erschwerend komme hinzu, dass der Kläger im Jahr ... wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr und im Jahr ... wegen Körperverletzung zu Geldstrafen verurteilt worden sei. Die Verurteilung wegen Totschlags und gefährlicher Körperverletzung sowie die weiteren Verurteilungen könnten auch als Grundlage für die Entscheidung verwertet werden. § 51 Abs. 1 BZRG regele die Voraussetzungen für ein Verwertungsverbot. Hierfür sei Voraussetzung die Tilgung der Verurteilungen im Bundeszentralregister. Trotz der Tilgung der Straftaten im Bundeszentralregister könnten diese jedoch herangezogen werden. Dies ergebe sich aus § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG. Danach dürften die Taten abweichend vom Verwertungsverbot berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person die Zulassung zu einem Beruf beantrage, falls die Zulassung zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Dies sei hier aufgrund der bewussten Zerstörung fremden Lebens und der beiden weiteren Verurteilungen der Fall. Die Ablehnung der Erteilung der Approbation verletze den Kläger auch nicht unverhältnismäßig in seinem Grundrecht auf Berufsfreiheit und sei insbesondere verhältnismäßig.
Hiergegen hat der Kläger am 5. Oktober 2021 Klage erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, in den vorangegangenen Verwaltungsverfahren sei gesagt worden, dass spätestens mit der Löschung der Straftaten im Zentralregister eine Zulassung erteilt werden könne. Die Straftaten seien im Dezember 2015 gelöscht worden. Entgegen der Annahme des Beklagten bestünden keinerlei Widrigkeiten in der Öffentlichkeit hinsichtlich seiner Beschäftigung. Innerhalb der Ärzteschaft seien ihm nur gute Beurteilungen ausgestellt worden. Nunmehr seien fast 36 Jahre seit der Tat vergangen und es stelle sich die Frage, wer überhaupt ein öffentliches Interesse herstellen wolle. Es würden sowohl aufgrund des allgemeinen Ärztemangels als auch aufgrund der pandemischen Lage dringend Ärzte gesucht. Das Grundgesetz sehe kein lebenslanges Berufsverbot vor. Eine lebenslange Unwürdigkeit könne aus der Tat nicht abgeleitet werden. Diese sei im Zusammenhang mit einer außerordentlichen Lebenskrise begangen worden, welche zu einer suizidalen Handlung und zur Annahme der eingeschränkten Schuldfähigkeit geführt habe. Nach nunmehr 36 Jahren bestünden keine Gründe gegen eine Zulassung mehr.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 9. Juli 2021 die begehrte Approbation als Arzt zu erteilen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat vorgetragen, der Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Ausführungen des Klägers zu den vergangenen Antragsverfahren seien unbeachtlich. Es gehe allein um den Antrag des Klägers vom 5. Juli 2021 und darum, ob die Voraussetzungen für eine Erteilung der ärztlichen Approbation vorlägen oder nicht. Dies sei nicht der Fall.
Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 21. Juni 2023 den Bescheid des Beklagten vom 2. September 2021 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, dem Kläger die Approbation als Arzt zu erteilen. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht habe in seinem Beschluss vom 3. Juni 1999 - 8 L1794/99 - über das Begehren des Klägers festgehalten, dass ein angehender Arzt, der wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bestraft werden musste, grundsätzlich auf Lebenszeit unwürdig sei, den Arztberuf auszuüben. Gleichwohl sei zu prüfen, ob ein besonders gelagerter Fall vorliege, der es ausnahmsweise rechtfertige, den Kläger abweichend von diesem Grundsatz zur ärztlichen Tätigkeit zuzulassen. Ein Anhalt dafür sei, ab wann dem Kläger die begangene Straftat nicht mehr vorgehalten werden dürfe, weil sie nach den Bestimmungen des Bundeszentralregistergesetzes einem Verwertungsverbot unterliege. Die Straftat aus dem Jahr ... könne dem Kläger nicht mehr entgegengehalten werden, da diese getilgt sei und gemäß § 51 Abs. 1 BZRG nicht mehr verwertet werden dürfe. Die Tat könne dem Kläger auch nicht aufgrund der Ausnahme des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG über die Tilgung hinaus vorgehalten werden. Eine Verwertung bereits getilgter Straftaten sei nur gerechtfertigt, wenn dies im Hinblick auf Art und Schwere der Straftaten unter Berücksichtigung des Risikos für die Verletzung hochrangiger Rechtsgüter geboten sei. Die Vorschrift sei nur in Bereichen relevant, in denen wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Betroffenen zu stellen seien. Durch die Zulassung müsse eine beschreibbare konkrete, schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit entstehen. Eine tatsächliche Realisierung dieser Gefahr müsse allerdings nicht im einzelnen nachgewiesen werden, vielmehr genüge es, wenn eine erhebliche Gefährdung nach Sachlage nicht ausgeschlossen werden könne. Daraus folge, dass sich eine Gefahr im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG nicht schon aus dem hohen Alter und der fehlenden praktischen Erfahrung des Klägers ergebe, der das Medizinstudium erst nach der Verurteilung abgeschlossen und den Arztberuf nie ausgeübt habe. Auch eine Gefährdung des Ansehens des Berufsstandes, auf der die Annahme der Unwürdigkeit des Klägers maßgeblich beruhe, stelle keine erhebliche Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG dar. Sie beruhe auf abstrakten Erwartungen und Zuschreibungen, nicht auf einer konkreten Rechtsgütergefährdung. Die Annahme der Unwürdigkeit könne für sich genommen kaum die Durchbrechung des materiell-rechtlichen Verwertungsverbotes tragen, sofern nicht weitere Umstände des Einzelfalls hinzuträten. Solche Umstände lägen nicht vor bei einem Risiko beliebiger, kleiner Straftaten. Erforderlich sei, dass eine erhebliche, konkrete Gefahr für einen größeren Personenkreis entstehe. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ziele die Vorschrift auf Fälle, in denen zwischen der früheren Tat und dem erwarteten künftigen Verhalten des Betroffenen ein Zusammenhang bestehe. Einen solchen Zusammenhang zwischen der früheren Tat und einer andauernden Gefahr durch die künftige Tätigkeit als Arzt könne das Gericht nicht erkennen. Die schweren Straftaten zum Nachteil der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers und deren neuen Freund hätten einen allein privaten Hintergrund. Zwar sei die Zerstörung des Lebens und die Schädigung der körperlichen Unversehrtheit von erheblicher Bedeutung und stünden den persönlichen und charakterlichen Anforderungen an die Ausübung des ärztlichen Berufes diametral entgegen. Allerdings könne aus dieser einmaligen Tat im privaten Umfeld nicht der Schluss gezogen werden, dass eine künftige ärztliche Tätigkeit hiervon beeinflusst würde. Diese Tat alleine könne die Annahme einer fortbestehenden Gefährdung der Allgemeinheit nicht tragen. Ein Zusammenhang zu der ärztlichen Tätigkeit ergebe sich auch nicht aus der von dem Kläger im Jahr ... begangenen Körperverletzung. Zugunsten des Klägers sei zu berücksichtigen, dass er die Tat gestanden habe und aufrichtig bereue. Seitdem habe sich der Kläger nicht vergleichbar strafbar gemacht. Die weiteren Straftaten lägen mittlerweile ebenfalls 23 bzw. 18 Jahre zurück. Der Kläger habe sich zwischenzeitlich ehrenamtlich engagiert und damit versucht, seinen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Die Erteilung der Approbation führe bei realistischer Betrachtung auch faktisch zu keinen schweren Gefahren für einen größeren Personenkreis. Die Aufnahme der ärztlichen Tätigkeit durch den Kläger sei in seinem Alter faktisch ausgeschlossen. Ein tatsächlicher Kontakt mit Patienten sei außer in einem privaten Rahmen kaum zu erwarten.
Mit der durch Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 6. November 2023 zugelassenen Berufung macht der Beklagte geltend, das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass dem Kläger die strafrechtliche Verurteilung aus dem Jahr ... nicht mehr entgegen gehalten werden dürfe. Die Gefährdung des Ansehens des Berufsstandes sei eine im Rahmen des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG zu berücksichtigende Gefahr. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Gefährdung des Ansehens des Berufsstandes durch die Zulassung des Klägers nicht lediglich eine abstrakte Erwartung oder Zuschreibung. Vielmehr ergebe sich aus der Art und Weise der Tatbegehung durch den Kläger, dass das Ansehen der Ärzteschaft schwerwiegend beeinträchtigt werden könnte, wenn dem Kläger die ärztliche Approbation erteilt würde. Das Verwaltungsgericht habe die Konsequenzen einer Zulassung des Klägers für das Vertrauen der Bevölkerung in die Zuverlässigkeit der Ärzteschaft nicht hinreichend gewürdigt. Der Kläger habe im Jahr ... den Freund seiner ehemaligen Freundin mit einer Doppelflinte erschossen und Letzterer mit dem Gewehr schwere stumpfe Verletzungen zugefügt. Die Begehungsweise habe sich durch eine erhebliche Aggressivität ausgezeichnet. Er sei zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt worden. Das Landgericht Hannover habe in dem Urteil einen Hang des Klägers zu affektiver Reaktion festgestellt, die ihre Ursache in seiner narzisstisch-schizophrenen Persönlichkeitsstruktur habe. Dieser Hang habe sich erneut bei der im Jahr ... verübten Körperverletzung gezeigt. Gemäß § 1 Abs. 1 BÄO diene der Arzt der Gesundheit des einzelnen Menschen und des gesamten Volkes. Es müsse der Gesellschaft daher völlig unverständlich erscheinen, würde jemandem, der dieses Gebot in dem größtmöglichen Maße verletzt habe, indem er vorsätzlich einen anderen Menschen getötet habe, die ärztliche Approbation erteilt. Das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen des Patienten in die Integrität der Person des Arztes würde durch eine Berufstätigkeit eines Arztes zerstört, der ein Verhalten gezeigt habe, dass mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren sei. In diesem Zusammenhang komme es weder darauf an, dass die Tat nicht in einem Arzt-Patientenverhältnis geschehen sei oder dass diese bereits lange Zeit zurück liege und deswegen in der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannt sein dürfte. Zudem weiche das erstinstanzliche Urteil von dem Grundsatz ab, dass ein wegen eines vorsätzlichen Tötungsdelikts bestrafter, angehender Arzt auf Lebenszeit unwürdig sei, den Arztberuf auszuüben. Die Schlussfolgerung des Verwaltungsgerichts, dass nach Ablauf der Tilgungsfrist automatisch eine Erteilung erfolgen müsse, lasse sich mit der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts nicht in Einklang bringen.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover vom 21. Juni 2023, Az. , abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht habe den Beklagten zu Recht verpflichtet, dem Kläger die Approbation als Arzt zu erteilen. Der Kläger sei auch nicht mehr unwürdig. Dies folge aus seinem fortgeschrittenen Alter, seinen anhaltenden sozialen Tätigkeiten sowie aus wiederholten und erfolgreichen Hospitationen in der Zeit von 2016-2020 in der Arztpraxis des I. in J. -Stadt. Hinsichtlich der Straftaten bestehe ein Verwertungsverbot nach § 51 BZRG. Eine Ausnahme vom Verwertungsverbot nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG liege nicht vor. Die Zulassung des Klägers führe angesichts seines sozialen Engagements nicht zu einer Gefährdung der Allgemeinheit. Der Kläger könne aufgrund seines fortgeschrittenen Alters nicht mehr medizinisch tätig werden und wolle für sich persönlich medizinische Maßnahmen bestimmen und durchführen. Entsprechend bestehe keine Gefährdung für einen größeren Personenkreis. Ein Zusammenhang zwischen den früheren Taten und einer andauernden Gefahr durch eine Tätigkeit als Arzt sei nicht erkennbar. Das Tötungsdelikt habe der Kläger nicht vorsätzlich begangen. Dieses habe einen allein privaten Hintergrund. Die ehemalige Lebensgefährtin habe sich zudem selbst die Verletzung zugefügt, als sie nach der Tat dem Kläger das Gewehr entrissen habe. Die in dem Strafbefehl geahndete Körperverletzung habe der Kläger nicht begangen. Es sei im Jahr ... in einer Gaststätte in A-Stadt lediglich zu einer verbalen Auseinandersetzung gekommen, der Kläger habe dem betreffenden Gast nicht mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen. Er habe es lediglich versäumt, rechtzeitig gegen den Strafbefehl Einspruch einzulegen. Das Verwaltungsgericht habe zutreffend festgestellt, dass nichts für eine lebenslange Unwürdigkeit des Klägers spreche. Der Kläger habe die Tötung gestanden und nachhaltig bereut. Aufgrund des Zeitablaufs und der altersbedingt fehlenden Möglichkeit der Berufsausübung als Arzt sei auch keine Gefährdung des Ansehens des Berufsstandes zu befürchten. Der Kläger bestreite zudem, dass er eine narzisstische oder schizophrene Persönlichkeitsstruktur habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Verpflichtungsklage auf Erteilung der Approbation ist zulässig. Insbesondere ist entgegen der Ansicht des Beklagten ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Es verhält sich nicht so, dass auch ein Erfolg des Rechtsbehelfs dem Kläger keinerlei rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil brächte. Der Kläger beabsichtigt, sich selbst ärztlich zu behandeln. Dies lässt sich ohne die Approbation und die daran anknüpfende Mitgliedschaft in einer Ärztekammer nicht umsetzen.
2. Die Klage ist nicht begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 2. September 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
a) Der Anspruch auf Erteilung der Approbation als Arzt bemisst sich nach dem zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung über den Anspruch geltenden Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 11.12.2008 - 3 C 33/07 -, NJW 2009, 867, juris Rn. 13; vgl. auch Senatsbeschl. v. 12.6.2018 - 8 PA 135/17 -).
b) Derjenige, der den ärztlichen Beruf ausüben will, bedarf der Approbation als Arzt (vgl. § 2 Abs. 1 der Bundesärzteordnung (in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1218), zuletzt geändert durch Art. 4 FachkräfteeinwanderungsG vom 15.8.2019 (BGBl. I S. 1307)) (BÄO).
c) Der Bescheid des Beklagten vom 2. September 2021 ist materiell-rechtlich rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung der Approbation als Arzt.
aa) Anspruchsgrundlage für die Erteilung der Approbation ist § 3 Abs. 1 Satz 1 BÄO. Danach ist die Approbation als Arzt auf Antrag zu erteilen, wenn die unter den Ziffern 1 bis 5 genannten Voraussetzungen vorliegen. Voraussetzung für die Erteilung der Approbation ist danach u.a. gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BÄO, dass der Antragsteller sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt.
Die Voraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO liegt im Fall des Klägers nicht vor.
(1) Die Merkmale der Unwürdigkeit und der Unzuverlässigkeit sind im Gesetz nicht definiert. Sie sind jeweils eigenständige unbestimmte Rechtsbegriffe, die der Behörde weder einen Beurteilungs- noch einen Ermessensspielraum eröffnen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, juris Rn. 28; Bayerischer VGH, Urt. v. 28.3.2007 - 21 B 04.3153 -, juris Rn. 21, 23; Bayerischer VGH, Urt. v. 28.4.2010 - 21 BV 09.1993 -, juris Rn. 17; Bayerischer VGH, Beschl. v. 14.9.2021 - 21 CS 21.2087 -, juris Rn. 31).
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat sich ein Arzt eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO seine Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs ergibt, wenn er ein Fehlverhalten gezeigt hat, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist, und er daher nicht mehr das Ansehen und das Vertrauen besitzt, das für die Ausübung des ärztlichen Berufs unabdingbar ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 - 3 B 7/18 -, NVwZ-RR 2019, 1048, juris Rn. 9 m.w.N.). Diese Definition knüpft die Feststellung der Berufsunwürdigkeit gerade im Hinblick auf Art. 12 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an hohe Voraussetzungen. Die Feststellung der Berufsunwürdigkeit verlangt ein schwerwiegendes Fehlverhalten des Arztes, das bei Würdigung aller Umstände seine Berufsausübung im maßgeblichen Zeitpunkt untragbar erscheinen lässt (vgl. zum Widerruf der Approbation BVerwG, Beschl. v. 14.4.1998 - 3 B 95/97 -, NJW 1999, 3425, juris Rn. 11 m.w.N.; v. 31.7.2019 - 3 B 7/18 -, NVwZ-RR 2019, 1048, juris Rn. 9, 13; Senatsbeschl. v. 3.6.1999 - 8 L1794/99 - m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.4.2006 - 9 S 2317/05 - , ESVGH 56, 210, juris Rn. 10 ff., 18 ff. m.w.N.; Bayerischer VGH, Beschl. v. 26.10.2023 - 21 ZB 20.2575 , juris Rn. 13 f. m.w.N.). Maßgeblich ist das für eine ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung unabdingbare Vertrauen zwischen Arzt und Patient, welches durch das Fehlverhalten nachhaltig zerstört wurde. Mit diesem Vertrauen untrennbar verbunden ist das Schutzgut des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung, in dessen Interesse Patienten die Gewissheit haben müssen, sich dem Arzt als ihrem Helfer uneingeschränkt anvertrauen zu können und nicht etwa durch Misstrauen davon abgehalten werden, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Gesundheitsversorgung und der Gesundheitsschutz der Bevölkerung ist ein besonders wichtiges Gemeinschaftsgut, zu dessen Schutz eine subjektive Berufszulassungsschranke nicht außer Verhältnis steht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 8.9.2017 - 1 BvR 1657/17 -, ZMGR 2017, 348, juris Rn. 13, m.w.N.). Hier geht es nicht um eine Sanktion, sondern vielmehr darum, das Ansehen der Ärzteschaft in den Augen der Öffentlichkeit zu schützen. Dies nicht als Selbstzweck, sondern um das für jede Heilbehandlung unabdingbare Vertrauen der Patienten in die Integrität der Personen aufrecht zu erhalten, denen mit der Approbation die staatliche Erlaubnis zur selbständigen Ausübung der Heilkunde verliehen ist und in deren Behandlung sich die Patienten begeben. Dieses Vertrauen würde zerstört durch eine Berufstätigkeit von Ärzten, die ein Fehlverhalten gezeigt haben, das mit dem Berufsbild und den allgemeinen Vorstellungen von der Persönlichkeit eines Arztes schlechthin nicht zu vereinbaren ist (vgl. zum Widerruf der Approbation: BVerwG, Beschl. v. 27.1.2011 - 3 B 63/10 - NJW 2011, 1830, juris Rn. 4).
Nach dieser Maßgabe erweist sich ein Arzt in erster Linie als unwürdig, der schwere Straftaten begangen hat, die seitens der Strafgerichte mit einer Freiheitsstrafe belegt worden sind. Dies gilt insbesondere für vorsätzliche und fahrlässige Tötungsdelikte und umfangreiche und zahlreiche Körperverletzungen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.2.1969 - I B 26.68 -, BVerwGE 31, 307, juris Rn. 32; Senatsbeschl. v. 3.6.1999 - 8 L 1794/99 - m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.4.2006, - 9 S 2317/05 -, ESVGH 56, 210, juris Rn. 19 f.). Die vorsätzliche Zerstörung menschlichen Lebens und die vorsätzliche Verletzung der körperlichen Unversehrtheit sind mit dem ärztlichen Berufsbild nicht zu vereinbaren. Ein solches Verhalten ist in besonderem Maße vertrauensschädigend, denn die bewahrung von Leben und Gesundheit steht gerade im Zentrum des Arztberufes. Das Vertrauen in die Ärzteschaft wäre in hohem Maß beeinträchtigt, wenn ein Angehöriger dieser Berufsgruppe als Arzt tätig sein könnte, obwohl er eine schwerwiegende gegen das Leben gerichteten Straftat begangen hat und hierfür zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Die Bevölkerung erwartet von einem Arzt, dass er nicht vorsätzlich ein Leben vernichtet und einer anderen Person nicht willentlich erheblichen Schaden zufügt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 19.4.2006 - 9 S 2317/05 -, ESVGH 56, 210, juris Rn. 22).
Bei der Beurteilung sind alle Umstände der Verfehlung(en) zu berücksichtigen, wie etwa Art, Schwere und Dauer des Fehlverhaltens, verhängtes Strafmaß und zugrundeliegende Strafzumessungserwägungen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt Umstände vorliegen, die dazu führen, dass von einer Berufsunwürdigkeit nicht oder nicht mehr ausgegangen werden kann (BVerwG, Beschl. v. 31.7.2019 - 3 B 7/18 -, NVwZ-RR 2019, 1048, juris Rn. 13, m.w.N.).
(2) Der Kläger besitzt nicht das Ansehen und Vertrauen, das für die Ausübung des ärztlichen Berufes unabdingbar ist. Das ergibt die Gesamtwürdigung der ... und ... begangenen Straftaten unter Berücksichtigung der seither vergangenen Zeit und des weiteren Verhaltens des Klägers.
Dieser hat sich des vorsätzlichen Totschlags und der vorsätzlichen gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht und wurde deswegen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Jahren verurteilt. Das Landgericht hat weiter festgestellt, dass er bei der Tötung des neuen Freundes seiner ehemaligen Lebensgefährtin objektiv heimtückisch gehandelt hat, da dieser zur Tatzeit arg- und wehrlos war. Dieser schlief und rechnete nicht mit dem Angriff, sondern wurde erst durch die vom Kläger beim Betreten des Zimmers verursachten Geräusche geweckt. Er wurde unmittelbar danach erschossen und hatte keine Möglichkeit, dem Angriff auszuweichen. Dem Kläger konnte aber nicht mit der für die Verurteilung wegen Mordes erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass er subjektiv die Arg- und Wehrlosigkeit seines Opfers bewusst ausgenutzt hat.
Mit dieser Straftat hat der Kläger ein Fehlverhalten gezeigt, das mit dem Berufsbild des Arztes unvereinbar ist. Er hat hierdurch gegen die Kernpflichten des ärztlichen Berufs verstoßen. Die Achtung und der Schutz menschlichen Lebens gehören zum Kernbereich des ärztlichen Berufsbildes und sind maßgebliche Bestandteile für das ärztliche Ethos. Die vorsätzliche Zerstörung menschlichen Lebens ist hiermit nicht zu vereinbaren.
Hieran ändert auch die von dem Landgericht Hannover in dem Urteil ... (Az. ...) angenommene verminderte Schuldfähigkeit des Klägers nichts. Der Kläger handelte bei dem Totschlag rechtswidrig und schuldhaft. Allein bei der Strafzumessung konnte das Landgericht Hannover aufgrund der akuten Lebenskrise des Klägers im Zusammenspiel mit einer alkoholbedingten Enthemmung eine Verminderung der Steuerungsfähigkeit nicht ausschließen. Aufgrund der Tatumstände ging das Gericht jedoch nicht von einem minder schweren Fall aus und setzte die Strafe im oberen Bereich des gemilderten Strafrahmens (2 Jahre bis 11 Jahre 3 Monate), nämlich eine Einzelstrafe von 9 Jahren an (vgl. Gründe zu V. des Strafurteils des LG Hannover v. ... - ... -). Diese Strafzumessungserwägungen lassen die Straftat des Klägers nicht in einem deutlich milderen Licht erscheinen mit der Folge, dass seine gegen das menschliche Leben gerichtete Straftat sich doch mit dem ärztlichen Berufsbild in Einklang bringen ließe.
Die von dem Kläger begangene Tat stellt sich auch im Übrigen nicht als weniger schwerwiegend dar, so dass sich das Fehlverhalten des Klägers ausnahmsweise doch noch mit dem ärztlichen Berufsbild in Einklang bringen ließe. Der von ihm verübte Totschlag weist im Gegenteil einen besonders gravierenden Unrechtsgehalt auf, denn das Landgericht Hannover hat in dem Urteil vom ..., wie bereits ausgeführt, festgestellt, dass der Kläger das objektive Tatbestandsmerkmal des Mordmerkmals "Heimtücke" verwirklicht hat. Auch unter Berücksichtigung der weiteren Tatumstände ergibt sich keine andere Wertung. Der Kläger befand sich im Zeitpunkt des Totschlags in einer persönlichen Lebenskrise. Er hatte aufgrund von erlittenen geschäftlichen Rückschlägen erhebliche Schulden (nach eigenen Angaben ca. 1,4 Millionen DM), war kurz vor der Tat durch die mündliche Abschlussprüfung des Medizinstudiums gefallen und seine Freundin hatte die Beziehung zu ihm endgültig beendet und mit dem späteren Opfer des Klägers eine neue Beziehung aufgenommen. Zudem war er im Tatzeitpunkt alkoholisiert. Diese Krisensituation sowie die Alkoholisierung lassen jedoch keine andere Würdigung seiner Tat oder der Bewertung seiner Unwürdigkeit zu. Gerade in einer persönlichen Krisensituation zeigt sich die persönliche Integrität und Charakterfestigkeit einer Person. Aus der Perspektive des Arzt-Patienten-Verhältnisses wird die Annahme, mit einem Arzt trete dem Patienten ein Berufsträger gegenüber, für den der Schutz des Lebens und der Gesundheit das höchstwertige Anliegen ist, durch das Verwirklichen des Tötungswunsches gerade auch unter den bezeichneten Umständen massiv erschüttert.
Diese Wirkung der Tat wird durch das Körperverletzungsdelikt weiter verstärkt. Bei der mit dem Totschlag in Tatmehrheit begangenen gefährlichen Körperverletzung schlug der Kläger seiner ehemaligen Lebensgefährtin das Gewehr mit so erheblicher Wucht ins Gesicht, dass er diese so schwer verletzte, wodurch ein einwöchiger Krankenhausaufenthalt erforderlich war.
Die von dem Kläger im ... begangenen Straftaten und die ... begangene vorsätzliche Körperverletzung rechtfertigen auch weiterhin die Feststellung seiner Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass eine festgestellte Unwürdigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufes nicht auf ewig die Approbationserteilung verhindert oder ihre Wiedererteilung ausschließt (BVerwG, Beschl. v. 25.2.1969 - I B 26.68 -, BVerwGE 31, 307, juris Rn. 32; BVerwG, Beschl. v. 14.4.1998 - 3 B 95/97 -, NJW 1999, 3425, juris Rn.11; Senatsbeschl. v. 3.6.1999 - 8 L 1794/99 - m.w.N.). Ob das Verhalten, das zur Feststellung der Unwürdigkeit eines angehenden oder praktizierenden Arztes für seinen Beruf geführt hat, diese Feststellung weiterhin rechtfertigt, hängt von seiner Eigenart und darüber hinaus davon ab, ob sich die Aufnahme oder Wiederaufnahme der ärztlichen Tätigkeit mit Blick auf dieses Verhalten wieder oder überhaupt noch mit dem ärztlichen Berufsbild in Einklang bringen lassen (Senatsbeschl. v. 3.6.1999 - 8 L 1794/99 -m.w.N.). Die Wiederherstellung der Würdigkeit setzt voraus, dass sich die Sachlage "zum Guten geändert hat", nämlich dass der Arzt das erforderliche Ansehen und Vertrauen zurückerlangt hat. Das ist der Fall, wenn bei Würdigung aller Umstände nicht mehr zu besorgen ist, dass dessen selbstständige Berufstätigkeit das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand nachhaltig erschüttern könnte. Im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sind Art und Schwere des Fehlverhaltens sowie der zeitliche Abstand zu den die Unwürdigkeit begründenden Verfehlungen zu berücksichtigen, des Weiteren alle Umstände, die nach Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens eingetreten sind. Ein beanstandungsfreies Verhalten, insbesondere eine nachträgliche berufliche Bewährung, fällt hiernach positiv ins Gewicht, während umgekehrt etwaige neue Verfehlungen negativ zu Buche schlagen (vgl. zur Neuerteilung nach erfolgtem Widerruf der Approbation: BVerwG, Beschl. v. 15.11.2012 - 3 B 36/12 -, Buchholz 418.00 Ärzte Nr 113, juris Rn. 7, m.w.N.).
bb) Die von dem Kläger begangenen Straftaten können, wie geschehen, Berücksichtigung finden. Die strafgerichtlichen Feststellungen sind der berufsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen (aa.). Die Tilgung aus dem Bundeszentralregister steht nicht entgegen (bb.).
(1) Sowohl die Feststellungen des Strafurteils als auch des Strafbefehls sind zugrunde zu legen. Bei Entscheidungen über die Erlaubnis zur Ausübung eines Berufs dürfen die in einem rechtskräftigen Strafurteil oder auch Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, 916, juris Rn. 38; Beschl. v. 6.3.2003 - 3 B 10.03 -, juris Rn. 2; Urt. v. 28.04.2010 - 3 C 22.09 -, BVerwGE 137, 1 ff.; Beschl. v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 10; Senatsbeschl. v. 13.1.2009 - 8 LA 88/08 -, MedR 2009, 483 f.; v. 27.5.2009 - 8 ME 62/09 -, GesR 2009, 609 f.; v. 26.10.2010 - 8 ME 181/10 -, NdsVBl. 2011, 195 ff.; v. 4.5.2012 - 8 ME 218/11 -, juris Rn. 5 f.; v. 17.6.2013 - 8 LA 155/12 -, NJW 2013, 3462 ff.; v. 4.3.2014 - 8 LA 138/13 -, GewArch. 2014, 368, 370; v. 15.10.2021 - 8 LA 79/21 -, m.w.N.).
Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.9.2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913, 916, juris Rn. 38; Beschl. v. 6.3.2003 - 3 B 10.03 -, juris Rn. 2; v. 18.8.2011 - 3 B 6.11 -, juris Rn. 10; Senatsbeschl. v. 19.2.2015 - 8 LA 102/14 -, juris Rn. 23; v. 15.10.2021 - 8 LA 79/21 -, m.w.N.). Dies kann dann der Fall sein, wenn Wiederaufnahmegründe gegeben sind, die maßgeblichen tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts erkennbar auf einem Irrtum beruhen oder die Ordnungsbehörde ausnahmsweise in der Lage ist, eine für ihre Entscheidung erhebliche, aber strittige Tatsache besser als das Strafgericht aufzuklären (vgl. Senatsbeschl. v. 18.4.2012 - 8 LA 6/11 -, Rn. 21 m.w.N.; zum Ganzen Senatsbeschl. v. 17.2.2016 - 8 ME 213/15 -, GesR 2016, 292, juris Rn. 13 f.; v. 15.10.2021 - 8 LA 79/21 -, m.w.N.).
Derartige Gründe hat der Kläger nicht aufgezeigt. Vielmehr hat er lediglich behauptet, dass sich der dem Urteil bzw. dem Strafbefehl zugrunde gelegte Sachverhalt jeweils nicht so zugetragen habe und dass er gegen den Strafbefehl nicht rechtzeitig habe Einspruch einlegen können. Dieser Vortrag ist nicht geeignet, gewichtige Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Urteils oder des Strafbefehls zu liefern.
(2) Der Heranziehung der strafgerichtlichen Verurteilungen steht auch nicht das Verwertungsverbot gemäß § 51 Abs. 1 des Gesetzes über das Zentralregister und das Erziehungsregister (Bundeszentralregistergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. September 1984 (BGBl. I S. 1229, ber. 1985 I S. 195), zuletzt geändert durch Art. 1 G zur Änd. des BundeszentralregisterG und des Strafgesetzbuches vom 4.12.2022 (BGBl. I S. 2146)) (BZRG) entgegen. Nach dieser Vorschrift dürfen die Tat und die Verurteilung der betroffenen Person im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht zu ihrem Nachteil verwertet werden, wenn die Eintragung über eine Verurteilung im Register getilgt worden ist oder sie zu tilgen ist (vgl. § 51 Abs. 1 Satz 1 BZRG). Die Verurteilungen des Klägers sind nach dem 28. Dezember 2015 aus dem Register getilgt worden. Dies ergibt sich aus § 46 Abs. 1 Nr. 2 a) i.V.m. Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 BZRG i.V.m. § 47 Abs. 1, 3 BZRG i.V.m. § 36 Abs. 1 Satz 1 BZRG.
Hier ist das Verwertungsverbot jedoch ausnahmsweise durchbrochen mit der Folge, dass insbesondere der von dem Kläger verübte Totschlag, die gefährliche Körperverletzung und auch die im Jahr ... begangene vorsätzliche Körperverletzung sowie die im Jahr ... begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr für die Prüfung seiner Unwürdigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO verwertet werden dürfen. Nach § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG darf die frühere Tat abweichend von § 51 Abs. 1 nur berücksichtigt werden, wenn die betroffene Person (u.a.) die Zulassung zu einem Beruf beantragt, falls die Zulassung zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde. Dies ist hier der Fall.
Mit dem Begriff der erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit verwendet § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG ein Tatbestandsmerkmal, das auf das Recht der jeweiligen Berufszulassung verweist und auf das Ineinandergreifen von Zentralregister- und Berufsrecht angelegt ist. Das Berufsrecht konkretisiert, inwiefern, nämlich in Bezug auf welche Rechtsgüter, die Allgemeinheit geschützt sein kann. Aufgrund der Zwecksetzung des Zentralregisterrechts wird das Verwertungsverbot jedoch nicht immer schon dann durchbrochen, wenn nach der Wertung des Berufsrechts eine Erlaubnis nicht zu erteilen wäre. Die Durchbrechung ist vielmehr auf Fälle erheblicher Gefährdung beschränkt, in denen das durch das Berufsrecht geschützte Rechtsgut in qualifizierter Weise, was das Ausmaß der Gefährdung und den Stellenwert des Rechtsguts betrifft, berührt ist. Im Fall der ärztlichen Approbation liegt eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit u.a. vor, wenn die Erteilung der Approbation eine besonders schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Integrität der Ärzteschaft zur Folge hätte, so dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Versagung auch unter Berücksichtigung des Gewichts der Berufsfreiheit und des Resozialisierungsinteresses zwingend gebietet. Der abweichenden Auffassung des Verwaltungsgerichts folgt der Senat aus den nachstehenden Gründen nicht.
Die in § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG aufgestellte Ausnahme vom Verwertungsverbot des § 51 beschränkt sich nicht auf Fälle, in denen die Staatssicherheit im engeren Sinne gefährdet ist. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG greift vielmehr auch dann ein, wenn sonstige Interessen der Öffentlichkeit auf dem Spiel stehen. Dazu gehört beispielsweise das Interesse der Allgemeinheit, insbesondere der Rechtsuchenden an der Reinhaltung des Anwaltsstandes als eines Gliedes der Rechtspflege (vgl. BGH, Beschl. v. 20. März 1972 - AnwZ (B) 24/71 -, EGE XII, 25, juris Rn. 13 f.).
Dass das in § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG geschützte Rechtsgut nicht nur die Sicherheit des Staates im engeren Sinne, sondern vielmehr auch sonstige Interessen der Öffentlichkeit und der Allgemeinheit umfasst, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Die Bundesregierung sah bei der ursprünglichen Vorlage des Entwurfs des Bundeszentralregistergesetzes eine Ausnahme von dem Verbot, Tat und Verurteilung dem Betroffenen entgegenzuhalten, nur vor, wenn die Sicherheit des Staates selbst gefährdet sei (vgl. BT-Drs. VI/477, S. 10, § 45 Abs. 1 Satz 1, 2. Hs.). Bei den Beratungen des Sonderausschusses des Deutschen Bundestages für die Strafrechtsreform ist der Inhalt der Vorschrift allerdings wesentlich erweitert worden. In dem Bericht dieses Ausschusses, der die §§ 49 und 50 (heute §§ 51 und 52) bereits so formuliert hat, wie sie schließlich Gesetz geworden sind (BT-Drs. VI 1550), wurde dazu u. a. ausgeführt:
"Einem Bewerber, der sich um die Zulassung bzw. Wiederzulassung zu einem Beruf oder die Einstellung in den öffentlichen Dienst bemüht, soll grundsätzlich die frühere Tat nicht mehr entgegengehalten werden können. Dieser für die Resozialisierung wichtige Grundsatz wird bei der Prüfung der in einzelnen Berufsordnungen (z.B. Bundesärzteordnung, Bundesnotarordnung) festgelegten Zulassungsvoraussetzungen künftig von erheblicher Bedeutung sein ... [Die Vorschrift] sieht eine Ausnahme für die Fälle vor, in denen ,die Zulassung oder Einstellung sonst zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen würde'. Hiervon sind nur Berufe und Amtsstellungen betroffen, bei denen wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Bewerbers zu stellen sind (z. B. Arzt, Apotheker, Rechtsanwalt, Richter, Lehrer). Die Entscheidung darüber, wann im Einzelfall eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit zu befürchten ist, muß der Verwaltungspraxis bzw. der Rechtsprechung überlassen bleiben." (BT-Drs. VI/1550, S. 23; vgl. zum Vorstehenden auch BGH, Beschl. v. 20.3.1972 - AnwZ (B) 24/71 -, EGE XII, 25, juris Rn. 10 f.).
Dementsprechend ist der Begriff der "Allgemeinheit" über seine Kernbedeutung "Öffentlichkeit, Gesamtheit" hinaus als "Interesse der Allgemeinheit" oder "Interesse der Bevölkerung" zu verstehen.
Welche öffentlichen Interessen in Betracht kommen, ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte und der Bezogenheit des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG auf Entscheidungen über die Zulassung zu einem Beruf. Die Vorschrift bezweckt, die Allgemeinheit vor einer erheblichen Gefährdung schützen, die im Fall der Zulassung einer Person zu einem Beruf einträte, bei dem wegen seiner Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung zu stellen sind. Nach der Gesetzessystematik ist ein differenzierter Ausgleich zwischen dem im Vordergrund stehenden Resozialisierungsgedanken nach § 51 Abs. 1 BZRG und den diesem entgegenstehenden öffentlichen Interessen, die § 52 Nr. 4 BZRG schützen soll, zu suchen (vgl. Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. VI/1550 S. 1, 21 ff.; vgl. auch BVerwG, Urt. v. 3.6.1977 - VII C 19.73 -, BVerwGE 54, 81, juris Rn. 15). Danach ist der Begriff der "Allgemeinheit" im Zusammenhang mit den Zulassungsregelungen in den einzelnen Berufsordnungen zu verstehen, weil § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG gerade eine Durchbrechung des Verwertungsverbotes bei der Frage des Antrags auf Zulassung zu einem Beruf vorsieht. § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG schützt deswegen diejenigen Rechtsgüter, deren Wahrung das jeweils anzuwendende Berufsrecht bezweckt, wenn dieses ein öffentliches Interesse verfolgt und damit der "Allgemeinheit" dient. Zentralregister- und Berufsrecht greifen folglich bei der Bestimmung des geschützten Rechtsguts ineinander.
Geht es um die Erteilung der ärztlichen Approbation, stellt sich die Frage der Durchbrechung des Verwertungsverbotes nur im Zusammenhang mit der Zulassungsvoraussetzung des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO, denn nur hier kann sich ein Verhalten oder eine Straftat eines angehenden Arztes auf dessen Zulassung zum Arztberuf auswirken. Geschütze Rechtsgüter des § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO sind dabei insbesondere das Vertrauen der Öffentlichkeit in den ärztlichen Berufsstand und das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes. Dabei handelt es sich um ein Interesse der Allgemeinheit, weil der Schutz dieses Vertrauens, wie bereits ausgeführt, dem Interesse an der Aufrechterhaltung der Gesundheitsversorgung und des Gesundheitsschutzes der Bevölkerung dient (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 8.9.2017 - 1 BvR 1657/17 -, ZMGR 2017, 348, juris Rn. 13, m.w.N.).
Das Ineinandergreifen von Zentralregister- und Berufsrecht prägt auch den Begriff der "erheblichen Gefährdung".
Nach der Rechtsprechung des BGH bedeutet eine erhebliche Gefährdung nicht eine konkrete Gefahr (vgl. BGH, Beschl. v. 25.4.1988 - AnwZ (B) 59/87 -, juris Rn. 7). Um die frühere Tat berücksichtigen zu dürfen, genügt es, wenn eine erhebliche Gefährdung nach der Sachlage nicht ausgeschlossen werden kann, wobei aber für die Bejahung der Gefährdung gewisse Anhaltspunkte gegeben sein müssen. Hierfür kann im Einzelfall unter Umständen auch einmal Art und Schwere der Tat genügen. Im allgemeinen wird es aber auf die Verhaltensweise des Bewerbers nach der Tat und deren Aburteilung ankommen. Daneben kann von Bedeutung die Bewertung der Persönlichkeit des Bewerbers sein. Vor allem aber wird zu prüfen sein, in welche Lage der Bewerber im Falle der Zulassung kommen wird. Findet etwa die frühere Tat in einer besonderen Situation, in der sich der Bewerber damals befand, ihre Erklärung, und wird eine derartige Lage nach der Zulassung zu dem Beruf voraussichtlich nicht (wieder) eintreten, so wird es im allgemeinen an hinreichenden Anhaltspunkten für eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit fehlen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.3.1972 - AnwZ (B) 24/71 -, EGE XII, 25, Rn. 20, juris).
Die oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien verweisen auch für die nähere Bestimmung der "erheblichen Gefährdung" auf das jeweilige Berufszulassungsrecht, indem sie auf die einzelnen Berufsordnungen verweisen, soweit sie Berufe betreffen, bei denen wegen ihrer Bedeutung für die Allgemeinheit ganz besondere Anforderungen an die persönliche Eignung des Bewerbers zu stellen sind. Daraus folgt, dass das in § 51 BZRG vorgesehene Verwertungsverbot, die in § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG vorgesehene Ausnahme vom Verwertungsverbot und damit auch der Begriff der "Gefährdung der Allgemeinheit" im Zusammenhang mit den Berufszulassungsregelungen stehen und konkret im Zusammenhang mit den Regelungen hinsichtlich der persönlichen Eignung zu verstehen sind. Im Gesetzgebungsverfahren sind die gegenläufigen Interessen in den Blick genommen worden. Das sind die Berufsfreiheit des Bewerbers und der Resozialisierungsgedanke (vgl. auch BVerwG, Urt. v. 3.6.1977 - VII C 19.73 -, BVerwGE 54, 81, juris Rn. 13) einerseits und die durch das jeweilige Berufsrecht geschützten Rechtsgüter andererseits. Durch die Verwendung des Worts "erheblich" verdeutlicht § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG, dass die für das Verwertungsverbot sprechenden Interessen nur dann zurückzutreten haben, wenn das gegenläufige Interesse deutlich überwiegt. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass dies bei berufsrechtlichen Regelungen nicht stets der Fall ist, sondern nur im Falle ganz besonderer Anforderungen an die persönliche Eignung des Bewerbers.
Der Begriff der "Erheblichkeit" knüpft folglich die Feststellung der Gefährdung im Hinblick auf Art. 12 Grundgesetz und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ebenso wie im Hinblick auf den im Rahmen des § 51 BZRG verfolgten Resozialisierungsgedanken an hohe Voraussetzungen. Das ist dahin zu konkretisieren, dass die Durchbrechung des Verwertungsverbots auf Fälle beschränkt ist, in denen das durch das Berufsrecht geschützte Rechtsgut in qualifizierter Weise, was das Ausmaß der Gefährdung und den Stellenwert des Rechtsguts betrifft, berührt ist.
Das kommt angesichts der Hochrangigkeit des Schutzes der Gesundheit der Bevölkerung auch dann in Betracht, wenn die Ablehnung der Erteilung der ärztlichen Approbation wegen Unwürdigkeit in Betracht zu ziehen ist. Eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit liegt dann vor, wenn die Erteilung der Approbation eine besonders schwerwiegende Erschütterung des Vertrauens in die Integrität der Ärzteschaft zur Folge hätte, so dass der Schutz der Gesundheit der Bevölkerung die Versagung auch unter Berücksichtigung des Gewichts der Berufsfreiheit und des Resozialisierungsinteresses zwingend gebietet. Hierbei ist insbesondere der Zusammenhang zwischen der früheren Tat und dem späteren Verhalten des Betroffenen zu berücksichtigen (vgl. BT-Drs. VI/1550, S. 23).
Nach dieser Maßgabe würde die Zulassung des Klägers zum Arztberuf zu einer erheblichen Gefährdung der Allgemeinheit führen. Das Ansehen des ärztlichen Berufsstandes und das Vertrauen in die Ärzteschaft würden bei einer Erteilung der ärztlichen Approbation an den Kläger so schwerwiegend erschüttert, dass die Versagung auch unter Berücksichtigung des Gewichts der Berufsfreiheit und des Resozialisierungsinteresses zwingend geboten ist.
Dabei sind neben der Tat und ihrer Aburteilung selbst im allgemeinen die Verhaltensweise des Betroffenen nach der früheren Tat und ihrer - getilgten - Aburteilung sowie vor allem die Lage zu berücksichtigen, in die die erstrebte Rechtsposition den Betroffenen bringt (vgl. BVerwG, Urt. v. 3.6.1977 - VII C 19.73 -, BVerwGE 54, 81, juris Rn. 26). Die im Fall des Klägers bestehende, oben im einzelnen begründete Unwürdigkeit erfüllt die erhöhten Anforderungen, die § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG an eine erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit stellt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts lassen die Begehungsweise und die jeweiligen Tatumstände auf eine Persönlichkeit und Charakterzüge des Klägers schließen, die bei der Zulassung zum Arztberuf über die "einfache Unwürdigkeit" hinausgehend eine erhebliche Gefährdung begründen würde. Der Kläger hat sowohl den Totschlag und die gefährliche Körperverletzung im Jahr ... als auch die vorsätzliche Körperverletzung im Jahr ... grundlos und im Affekt begangen. In beiden Fällen hat sein Opfer ihn nach den rechtskräftigen Feststellungen im Urteil bzw. im Strafbefehl vor der Tat nicht provoziert oder ihm irgendeinen Anlass für die Tat gegeben. In beiden Fällen war der Kläger nach den Feststellungen im Urteil bzw. nach eigenen Angaben (Bl. 547 BA II 001) alkoholisiert. Daraus folgt für den Senat, dass der Kläger insbesondere in alkoholisiertem Zustand nicht in der Lage ist, sich und seine Impulse zu kontrollieren oder zu steuern. Die Begehungsweise der Taten und die Tatumstände zeigen, dass derartige Affekthandlungen mit Fremdschädigung einen Zusammenhang bilden und als Teil seiner Persönlichkeit betrachtet werden müssen. Das Bild eines persönlichkeitsprägenden Zusammenhangs bei der mangelnden Selbstkontrolle im alkoholisierten Zustand wird ergänzend verstärkt durch die Verurteilung wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr im Jahr .... Das oben ebenfalls bereits betrachtete Verhalten des Klägers nach der Aburteilung ist nicht gewichtig genug, um zu einer deutlich anderen Sichtweise zu gelangen. Müssten Patienten befürchten, auf einen Arzt mit einer solchen, in Gewalttaten manifestierten Persönlichkeit zu treffen, wäre das für das Arzt-Patienten-Verhältnis erforderliche Vertrauen weit gravierender als in zahlreichen anderen Fällen der mangelnden Würdigkeit beeinträchtigt. Die Bereitschaft des Klägers, Leben und körperliche Unversehrtheit uneingeschränkt zu achten und zu schützen, ist grundlegend in Frage gestellt. Angesichts des Ausmaßes der Vertrauensbeeinträchtigung kommt dem Interesse am Gesundheitsschutz der Bevölkerung Vorrang gegenüber den Interessen der Berufsfreiheit und der Resozialisierung zu.
Der Umfang der Durchbrechung des Verwertungsverbots richtet sich nach den Straftaten, die die aktuell bestehende Unwürdigkeit begründen, denn diese ergeben auch die erhebliche Gefährdung der Allgemeinheit im Sinne des § 52 Abs. 1 Nr. 4 BZRG. Im vorliegenden Fall ist das Verwertungsverbot nicht nur hinsichtlich des im Jahr ... begangenen Totschlags und der gefährlichen Körperverletzung, sondern auch hinsichtlich der im Jahr ... begangenen fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr und der im Jahr... begangenen Körperverletzung durchbrochen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 2 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.