Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 26.03.2014, Az.: 13 ME 21/14

Forderung von Schadensersatz durch Leistungsbescheid als Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.03.2014
Aktenzeichen
13 ME 21/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 12659
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0326.13ME21.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 10.01.2014 - AZ: 5 B 6572/13

Fundstelle

  • NVwZ-RR 2014, 449

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Forderung von Schadensersatz durch Leistungsbescheid fällt nicht unter den Begriff der Anforderung öffentlicher Abgaben und Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO.

  2. 2.

    Eine Gemeinde besitzt nicht die Befugnis, einen Schadensersatzanspruch aus dem Kanalbenutzungsverhältnis durch Leistungsbescheid geltend zu machen.

Tenor:

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5. Kammer - vom 10. Januar 2014 geändert.

Es wird festgestellt, dass der Widerspruch der Antragstellerin vom 9. Oktober 2013 gegen den Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. September 2013 aufschiebende Wirkung hat.

Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens werden den Beteiligten je zur Hälfte auferlegt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 40.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde hat lediglich mit dem Hilfsantrag Erfolg.

Dem Hauptantrag,

den angegriffenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 5 B 6572/13 - vom 10. Januar 2014 zu ändern und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 9. Oktober 2013 gegen den Leistungsbescheid der Antragsgegnerin vom 16. September anzuordnen,

fehlt das erforderliche Rechtschutzinteresse, da der Widerspruch - entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin - bereits kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat und die sofortige Vollziehung des angefochtenen Leistungsbescheids vom 16. September 2013 nicht angeordnet worden ist. Der gestellte Antrag ist mithin zur Wahrung der Rechtsposition der Antragstellerin nicht erforderlich.

Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Diese Wirkung entfällt nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten. Um Abgaben oder Kosten in diesem Sinne handelt es sich bei dem mit dem angefochtenen Leistungsbescheid angeforderten Abschlag auf die bislang angefallenen "Mehrkosten" in Höhe von 40.000 Euro nicht.

Öffentliche Kosten sind grundsätzlich alle Gebühren und Auslagen, die dem Betroffenen wegen der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens auferlegt werden. Hierunter sind - nach Maßgabe der einschlägigen kostenrechtlichen Bestimmungen - die in einem Verwaltungsverfahren nach tariflichen Vorgaben oder doch leicht erkennbaren Merkmalen erhobenen (Verwaltungs-)Gebühren nebst den mit ihnen verbundenen Auslagen zu verstehen (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 21. Februar 2013, 1 ME 6/13, [...], Rdnr. 8; Funke-Kaiser in Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth/von Albedyll, VwGO, 5. Aufl. 2011, § 80, Rdnr. 30; Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl. 2013, § 80 Rdnr. 62,; jew. m.w.N.). Keine Kosten in diesem Sinne sind Geldforderungen der Behörde, die lediglich einen Ersatz solcher finanzieller Aufwendungen darstellen, für die sie in Vorlage getreten ist. Denn dabei handelt es sich um die Erstattung konkreter Ausgaben, und nicht um eine Einnahmequelle zur Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Verwaltung (vgl. Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 29; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 80, Rdnr. 58 f.).

Nach diesen Grundsätzen handelt es sich bei den mit dem angefochtenen Leistungsbescheid angeforderten "Mehrkosten" nicht um öffentliche Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. Diese Geldforderung soll dem Ersatz der der Antragsgegnerin für die Entsorgung des in ihrer Kläranlage angefallenen verunreinigten Klärschlamms sowie für die Reinigung dieser Kläranlage entstandenen zusätzlichen Kosten dienen, die die Antragsgegnerin auf eine satzungswidrige Nutzung der Abwasseranlage durch die Antragstellerin zurückführt. Für die dadurch entstandenen Schäden haftet nach Auffassung der Antragsgegnerin die Antragstellerin auf der Grundlage des § 18 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung. Es handelt sich mithin um eine der Erstattung von Aufwendungen vergleichbare Forderung von Schadensersatz und nicht um einen in einem Verwaltungsverfahren entstandenen Gebühren- oder Auslagenanspruch.

Unter dem Begriff der öffentlichen Abgaben im Sinne des § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind hoheitlich geltend gemachte öffentlich-rechtliche Geldforderungen zu verstehen, die den Zweck haben, den Finanzbedarf des Hoheitsträgers für die Erfüllung seiner öffentlichen Aufgaben zu decken. Die Abgabe muss jedoch nicht allein oder primär der Finanzierung dienen, sondern kann daneben - mit gleichem Stellenwert - auch eine Lenkungs-, Antriebs-, Zwangs- oder Straffunktion besitzen, solange die Finanzierungsfunktion gegenüber den übrigen Zwecken der Abgabe nicht in den Hintergrund tritt und nur noch als Nebeneffekt erscheint (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 1992 - 4 C 30.90 -, [...], Rdnr. 14 ff.; Nds. OVG, Beschl. v. 20. Januar 2009 - 4 ME 3/09 -, [...], Rdnr. 5; Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 26; Kopp/Schenke, a.a.O., § 80, Rdnr. 57; Puttler a.a.O., Rdnr. 58 f.; jew. m.w.N.). Für die geforderte Finanzierungsfunktion reicht allerdings die schlichte Absicht der Erzielung von Einnahmen nicht aus, die jeder Geldforderung der öffentlichen Hand in Zeiten angespannter Haushalte immanent ist. Die Finanzierungfunktion muss vielmehr der einer Steuer, einer Gebühr oder eines Beitrags vergleichbar sein (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Dezember 1992 a.a.O.). Das ist dann der Fall, wenn mit der betreffenden "Abgabe" eine stetig fortlaufende und vorhersehbare Dekkung des öffentlichen Finanzbedarfs im Sinne einer geordneten Haushaltsführung erreicht wird und beabsichtigt ist. Der am fortlaufenden Eingang finanzieller Mittel interessierten öffentlichen Hand sollen nach dem Zweck der Ausnahmevorschrift des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO durch die Einlegung von Rechtsbehelfen lediglich solche Gelder nicht vorenthalten werden, auf deren Eingang sie fest rechnen durfte, und die sie daher für ihre Aufgabenerfüllung eingeplant hat (vgl. Nds. OVG, Beschl v. 24. Juni 1996 - 10 M 944/96 -, [...], Rdnr. 4; Funke-Kaiser, a.a.O.; Puttler a.a.O., Rdnr. 55; Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 80, Rdnr. 132, Loseblatt, Stand September 2011; jew. m.w.N.). Nur dann ist das Entfallen der gesetzlich grundsätzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung gerechtfertigt.

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt. Der Forderung von Schadensersatz kommt die gerade beschriebene Finanzierungsfunktion für die Aufgabenerfüllung der Antragsgegnerin nicht zu. Wie die Antragstellerin zutreffend ausführt, ist ausschließlicher Zweck des angeforderten Abschlags auf den geltend gemachten Schadensersatz, einen entstandenen Schaden nachträglich zu decken, nicht aber der Antragsgegnerin durch Bereitstellung der erforderlichen Mittel die generelle Aufgabenerfüllung im Bereich der Abwasserbeseitigung zu ermöglichen. Diese Mittel werden vielmehr durch die Erhebung entsprechender Abwasserbeiträge und -gebühren aufgebracht. Die Leistung von Schadensersatz dient demgegenüber der Kompensation von Aufwendungen in einem Einzelfall und ist nicht Bestandteil eines eingeplanten stetigen Mittelzuflusses.

Die unter dem 17. Februar 2014 erfolgte Anordnung des Sofortvollzugs betrifft nicht den angefochtenen Leistungsbescheid vom 16. September 2013, sondern die ihm vorangegangene Verfügung vom 30. April 2013, mit der lediglich dem Grunde nach festgestellt worden ist, dass die Antragstellerin die angefallenen Mehrkosten zu tragen hat. Auswirkungen auf die Vollziehbarkeit des Leistungsbescheides vom 16. September 2013 hat dies nicht.

Hat der eingelegte Widerspruch der Antragstellerin mithin aufschiebende Wirkung, ist für den gestellten Hauptantrag kein Raum. Da die Antragsgegnerin jedoch weiterhin die Auffassung vertritt, die aufschiebende Wirkung dieses Rechtsbehelfs sei nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO ausgeschlossen, und auf dieser Grundlage die Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen beabsichtigt, liegt ein Fall einer drohenden sogenannten "faktischen Vollziehung" (vgl. dazu: Kopp/Schenke, a.a.O., Rdnr. 181) vor, die dem als Hilfsantrag gestellten Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung in entsprechender Anwendung des § 80 Abs. 5 VwGO zum Erfolg verhilft (für einen Antrag nach § 123 VwGO hingegen: Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 119). Die Antragstellerin muss nicht abwarten, bis die Vollstreckung eingeleitet worden ist.

Die Antragsgegnerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass die Frage des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO von der Antragstellerin erstinstanzlich nicht problematisiert worden ist.

Vielmehr sind im vorliegenden Falle auch diejenigen innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO mit der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe bei der Überprüfung des angefochtenen Beschlusses in Betracht zu ziehen, die die Antragstellerin auf ihres Erachtens gegebene Mängel des Verwaltungshandelns stützt, welche bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens vorlagen, in diesem aber nicht beanstandet worden sind, obwohl das objektiv möglich gewesen wäre. Der 5. Senat des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts (Beschl. v. 10. November 2008 - 5 ME 260/08 -, [...], Rdnr. 6 f.) hat dazu ausgeführt:

"In der Rechtsprechung (VGH BW, Beschl. v. 8.11. 2004, - 9 S 1536/04 -, NVwZ-RR 2006, 74; Nds. OVG, Beschl. v. 14. 4. 2007 - 7 ME 37/07 -, NVwZ-RR 2007, 521 und Beschl. v. 18. 6. 2007 - 5 ME 117/07 - IÖD 2007, 194) ist allerdings teilweise die Auffassung vertreten worden, dass ein Rechtsmittelführer in den Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO solche Rügen, die er bereits im ersten Rechtszug hätte erheben können, aber nicht erhoben hat, als Gründe für eine Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung nicht geltend machen könne. Diese Rechtsmeinung knüpft zwar im Grundsatz zutreffend an die Subsidiarität einer gleichsam originären Rechtsschutzgewährung in dem Verfahren über Darlegungsbeschwerden an, mit dessen gestraffter Ausgestaltung gesetzgeberisch nicht zuletzt eine unerwünschte "Flucht" in die Beschwerde vermieden werden sollte (vgl. VGH BW, Beschl. v. 8. 6. 2007, 11 S 2135/05, NVwZ-RR 2006, 849 [850]). Sie bedarf aber nach nunmehriger Einschätzung des Senats einer stärkeren Eingrenzung auf Fälle, in denen der zweite Rechtszug in missbräuchlicher Weise funktionswidrig in Anspruch genommen wird (so auch: Kopp/Schenke, VwGO, 15. Aufl. 2007, § 146 Rn. 42). Aus dem Darlegungs- und Auseinandersetzungsgebot des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO lässt sich nämlich keine generelle Präklusion des Beschwerdeführers mit solchem über den Prozessstoff erster Instanz hinausgehenden Vorbringen herleiten, das bereits in das Verfahren des ersten Rechtszugs hätte eingeführt werden können (vgl.: Nds. OVG, Beschl. v. 30. 11. 2004 - 2 NB 430/03 - NVwZ-RR 2005, 409 [410]; Bay. VGH, Beschl. v. 31. 7. 2008 - 7 CE 08.1120 -, [...], Langtext Rn. 13; Bader, in: Bader u. a. VwGO, 4. Aufl. 2007, § 146 Rn. 29 - unter teilweiser Aufgabe der in der Vorauflage vertretenen Auffassung; Happ, in: Eyermann, VwGO, 12. Aufl. 2006, § 146 Rn. 22; Meyer-Ladewig/Rudisile, in: Schoch u. a., VwGO, Stand: März 2008, § 146 Rn. 13c; Martin Redeker, in: Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. Aufl. 2004, § 146 Rn. 22). Vielmehr ist in den Beschwerdeverfahren des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO lediglich eine Änderung des Streitgegenstandes grundsätzlich ausgeschlossen. Eine darüber hinausgehende, generelle Beschränkung zulässiger Beschwerdegründe auf den Prozessstoff erster Instanz zöge dagegen eine von dem Gesetzgeber nicht beabsichtigte Einschränkung der Effektivität des Rechtsschutzes nach sich. Sie ginge vor allem zu Lasten solcher Beteiligten, die im ersten Rechtszug nicht rechtskundig vertreten sind und daher selbst nur unvollkommen darauf hinzuwirken vermögen, dass die rechtliche und tatsächliche Problematik eines Falles von vorneherein so erschöpfend in das gerichtliche Verfahren eingeführt wird, wie es ihren Interessen entspricht. Aber auch Verwaltungsbehörden, die als Rechtsmittelführer ihre Ermessenserwägungen erst innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist ergänzt haben (§ 114 Satz 2 VwGO), könnten auf diese Erwägungen Beschwerdegründe wohl regelmäßig nicht stützen. Angesichts des nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO eingeschränkten gesetzlichen Prüfungsauftrags des Beschwerdegerichts kann es zudem nicht die regelmäßige Aufgabe des Oberverwaltungsgerichts sein, im Wege einer Durchsicht des erstinstanzlichen Vorbringens oder gar der Verwaltungsvorgänge festzustellen, ob ein Vorbringen, das das Verwaltungsgericht in seinem Beschluss nicht erwähnt, "neu" ist und bereits im ersten Rechtszug in das Verfahren hätte eingeführt werden können. Eine generell an diese Kriterien anknüpfende Differenzierung in Bezug auf die Beachtlichkeit der Beschwerdegründe ließe sich deshalb nur dann mit dem beschwerdegerichtlichen Prüfungsumfang vereinbaren, wenn man den Beschwerdeführer damit belastet sähe, auch insoweit mit der Beschwerdebegründung vorzutragen. Das legt der Wortlaut des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO aber nicht nahe. Denn Ausführungen dazu, dass ein Vorbringen nicht neu sei oder erstinstanzlich nicht hätte geltend gemacht werden können, stellen sich weder unmittelbar als Darlegung eines Grundes für die Aufhebung oder Änderung der angefochtenen Entscheidung dar noch überzeugt es, sie gerade dann als eine Form der Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung für erforderlich zu halten, wenn der angegriffene Beschluss des Verwaltungsgerichts das in Rede stehende Vorbringen nicht einmal erwähnt.

Nach alledem ist ein Vorbringen, das bereits in das Verfahren erster Instanz hätte eingeführt werden können, als Beschwerdegrund nur dann nicht beachtlich, wenn das Beschwerdeverfahren nach § 146 Abs. 4 VwGO in erkennbar missbräuchlicher Weise funktionswidrig für eine gleichsam originäre Rechtsschutzgewährung in Anspruch genommen wird. Von einer derart missbräuchlichen Inanspruchnahme ist auszugehen, wenn ein als Beschwerdegrund geltend gemachtes Vorbringen unter vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Missachtung der eigenen Prozessförderungspflicht in das Verfahren erster Instanz nicht eingeführt worden ist. Eine solche Fallgestaltung kommt insbesondere dann in Betracht, wenn ein den Beschwerdeführer bereits im ersten Rechtszug vertretender Anwalt, oder eine die Beschwerde einlegende Fachbehörde den Rechtsstreit erstmalig in zweiter Instanz auf neue zusätzliche Felder tragen."

Dieser Rechtsauffassung schließt sich der beschließende Senat jedenfalls insoweit an, als - wie hier - Rechtsfragen betroffen sind. Eine über die Fälle erkennbaren Missbrauchs hinausgehende Präklusionswirkung findet im Gesetz insoweit keine Stütze. Die mit ihr einhergehende Verpflichtung des Beschwerdegerichts, neuen von bereits erstinstanzlich angebrachtem Vortrag zu unterscheiden, verkehrte in der überwiegenden Zahl dieser Fälle den mit einer Präklusion bezweckten Beschleunigungseffekt zudem in sein Gegenteil. Ein Fall offensichtlichen Missbrauchs ist vorliegend nicht erkennbar. Vielmehr haben erstinstanzlich sowohl die Beteiligten als auch das Verwaltungsgericht die Problematik der Auslegung des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO schlechterdings übersehen. Gerade dieser Umstand zeigt auf, dass die Annahme einer Präklusion auch in derartigen Fällen zu einer unvertretbaren Verkürzung des Rechtsschutzes und der Hinnahme erkennbar unrichtiger Entscheidungen führte.

Zur Vermeidung eines weiteren Eilverfahrens weist der Senat darauf hin, dass aus seiner Sicht gegen die Anforderung des geltend gemachten Schadensersatzes durch Leistungsbescheid durchgreifende Bedenken bestehen. Der Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes setzt nicht nur voraus, dass für die getroffene Maßnahme in materieller Hinsicht eine gesetzliche Grundlage besteht, sondern auch, dass die Behörde in der Form eines Verwaltungsaktes handeln darf. Dies ist besonders für die Geltendmachung von öffentlich-rechtlichen Leistungsansprüchen gegenüber dem Bürger von Bedeutung. Hier ist nicht nur das Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Anspruchs der Behörde (z.B. auf Zahlung eines Geldbetrages) Voraussetzung, sondern auch eine Ermächtigung der Behörde, diesen Anspruch gerade durch Verwaltungsakt festzusetzen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG 13. Aufl. 2012, § 35, Rdnr. 23, m.w.N.). Dies ergibt sich schon daraus, dass die Behörde sich durch Erlass eines Verwaltungsaktes einen Vollstreckungstitel selber schaffen und den Adressaten auf diese Weise zwingen kann, seine Rechte durch aktives Handeln zu wahren. Nicht die Behörde ist veranlasst, ihre durch Leistungsbescheid titulierte Forderung auf gerichtlichem Wege durchzusetzen; vielmehr obliegt es dem Adressaten, um Rechtsschutz gegen den Verwaltungsakt nachzusuchen.

Dem steht nicht entgegen, dass ausnahmsweise eine ausdrückliche gesetzliche Grundlage für den Erlass eines Leistungsbescheides nicht verlangt wird, wie dies im Bereich des Beamtenverhältnisses sowie vergleichbarer Verhältnisse und bei der Rückforderung einer durch Verwaltungsakt gewährten Leistung (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rdnr. 23a m.w.N.) der Fall ist. Eine derartige Fallkonstellation liegt hier nicht vor. Insbesondere rechtfertigt das "Kanalbenutzungsverhältnis" nicht den Erlass des angefochtenen Leistungsbescheides. Nicht jedes subordinationsrechtlich geprägte Verhältnis führt zwangsläufig zu dem Schluss, dass die Über- und Unterordnung sämtliche Einzelansprüche umfasst, die daraus erwachsen. Diese muss vielmehr gerade auch im Hinblick auf den Anspruch bestehen, der durch den Verwaltungsakt geregelt werden soll. Eine Regel des Inhalts, dass ein dem öffentlichen Recht zuzuordnendes Rechtsverhältnis im Zweifel auf ein umfassendes und für alle Beziehungen geltendes Über- und Unterordnungsverhältnis angelegt ist, existiert nicht. Das Kanalbenutzungsverhältnis unterscheidet sich wesentlich von den durch eine umfassende Über- und Unterordnung geprägten Dienstverhältnissen. Zwischen den Beteiligten besteht ein vertragsähnliches öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis, dessen Verletzung Schadensersatzansprüche nach den im Zivilrecht entwickelten Grundsätzen der positiven Forderungsverletzung nach sich ziehen kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. März 1995 - 8 C 36.92 -, [...], Rdnr. 10). Lediglich Teilbereiche des Kanalbenutzungsverhältnisses sind subordinationsrechtlich geprägt. So können die Gemeinden nach § 5 NKAG für die Benutzungen öffentlicher Abwasseranlagen Gebühren und zur Deckung des Aufwandes für deren Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung Beiträge nach Maßgabe des § 6 NKAG erheben. Allerdings können sie das Benutzungsverhältnis auch privatwirtschaftlich ausgestalten. Daran sind sie durch die Möglichkeit der Anordnung des Anordnungs- und Benutzungszwangs (§ 13 NKomVG) nicht gehindert. Soweit es im Interesse einer ordnungsgemäßen Abwasserbeseitigung erforderlich ist, können die Gemeinden nach § 96 Abs. 2 Satz 1 NWG durch Satzung bestimmen, dass das Abwasser nur in bestimmter Zusammensetzung, insbesondere frei von bestimmten Stoffen, erst nach Vorbehandlung, nur zu bestimmten Zeiten oder in bestimmten Höchstmengen innerhalb eines Zeitraums in öffentliche Abwasseranalgen einzuleiten ist. Zulässig sind insoweit alle Bestimmungen, die im Interesse einer ordnungsgemäßen und störungsfreien Erfüllung der Abwasserbeseitigungspflicht, insbesondere einer schadlosen Ableitung und Behandlung des Abwassers, erforderlich sind (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 10. Januar 2012 - 9 KN 162/10 -, [...], Rdnr. 71). Damit einher geht auch die Befugnis, entsprechende Regelungen durch Verwaltungsakt durchzusetzen. Dazu gehört die Leistung von Schadensersatz jedoch nicht. Die Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs dient nicht der schadlosen Ableitung und Behandlung des Abwassers, sondern kommt erst dann in Betracht, wenn diese im Einzelfall durch eine unsachgemäße Einleitung bereits gescheitert ist. Zu diesem Zeitpunkt besteht kein Bedürfnis mehr für die schnelle und einfache Schaffung eines von der Behörde ggf. zu vollstreckenden Titels. Es ist kein sachlicher Gesichtspunkt erkennbar, die geschädigte öffentliche Hand gegenüber dem Bürger zu privilegieren, der auf die gerichtliche Durchsetzung seines Schadensersatzanspruchs im Wege der Leistungsklage angewiesen ist. Insoweit unterscheidet sich die Erfüllung eines Schadensersatzanspruchs deutlich von der im öffentlichen Interesse stehenden Erfüllung der primären Pflichten des Abwassereinleiters. Aus der allgemeinen Satzungskompetenz der Gemeinde aus § 10 Abs. 1 NKomVG ergibt sich nichts anderes. So enthält § 10 Abs. 5 NKomVG eine spezielle Ermächtigung zur Schaffung von Bußgeldtatbeständen und zum Erlass von Bußgeldbescheiden. Eine Ermächtigung zur Forderung von Schadensersatz durch Verwaltungsakt fehlt hingegen.

Unabhängig von der insoweit fehlenden Satzungskompetenz ist § 18 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde Bunde vom 26. Juni 1991 i.d.F. v. 12. Dezember 2001 (nunmehr § 19 Abs. 1 der Abwasserbeseitigungssatzung der Gemeinde Bunde vom 25. Juni 2013) aber auch keine Ermächtigung zur Geltendmachung von Schadensersatz durch Leistungsbescheid zu entnehmen. Der maßgebende Satz 1 der Vorschrift lautet: "Für Schäden, die durch satzungswidrige Benutzung oder satzungswidriges Handeln entstehen, haftet der Verursacher". Abgesehen von der Frage der Reichweite dieser Regelung (vgl. dazu VGH BW, Beschl. v. 29. Dezember 1989 - 10 S 2252/89 -, [...], Rdnr. 11) fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, dass die Bestimmung die Gemeinde ermächtigen soll, die Haftung mittels Verwaltungsakt durchzusetzen.

Es handelt sich bei der Forderung von Schadensersatz entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch nicht um eine Maßnahme der Gefahrenabwehr, die gegen die nach §§ 6, 7 NSOG verantwortliche Person gerichtet werden könnte. Ziel der Leistung von Schadensersatz ist nicht die Abwehr einer Gefahr, sondern der Ausgleich eines bereits entstandenen Schadens. Das kann nicht Gegenstand einer Ordnungsverfügung sein.

Aus den vorstehenden Gründen ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung seit langem anerkannt, dass in Fällen eines Anschluss- und Benutzungsverhältnisses Schadensersatzforderungen der öffentlichen Hand nicht durch Verwaltungsakt geltend gemacht werden können (vgl. grundlegend: VGH BW, a.a.O., Rdnrn. 6 ff.; OVG NRW, Urt. v. 26 März 1996 - 5 A 3812)2 -, [...], Rdnr. 51; Bay. VGH, Urt. v. 4. August 2005 - 4 B 01.622 -, [...], Rdnr. 39; OVG MV, Beschl. v. 19 Juli 2007 - 1 L 68/06 -, [...], Rdnrn 5 ff.). Ist der Antragsgegnerin der Weg des Erlasses eines Leistungsbescheides verschlossen, so ist sie gehalten, ihren Schadensersatzanspruch auf dem Klagewege durch Erhebung einer Leistungsklage geltend zu machen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus den §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG. Es entspricht dabei der ständigen Rechtsprechung des Senats, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nicht in Anlehnung an Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkataloges eine Halbierung des Streitwerts für das Hauptsacheverfahren vorzunehmen. Nach Auffassung des Senats ist dem Umstand, dass es sich nicht um eine Hauptsacheentscheidung handelt, bereits dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes die Gebührensätze des Gerichtskostengesetzes geringer sind, als in Hauptsacheverfahren. Einer zusätzlichen Herabsetzung des Streitwerts bedarf es nicht.