Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.03.2014, Az.: 10 LC 85/12

Rechtmäßigkeit eines Ratsbeschlusses über die Erneuerung einer Fahrbahndecke durch die Anlieger auf eigene Kosten

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.03.2014
Aktenzeichen
10 LC 85/12
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 11854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0304.10LC85.12.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Lüneburg - 13.06.2012 - AZ: 5 A 48/11

Fundstellen

  • GK 2014, 170-174
  • GK 2014, 225-235
  • Gemeindehaushalt 2014, 213
  • KommJur 2014, 7 (Pressemitteilung)
  • KommJur 2014, 265-270
  • NVwZ-RR 2014, 487
  • NdsVBl 2014, 166-169
  • NordÖR 2014, 300

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die vollständige Privatfinanzierung einer Straßenausbaumaßnahme durch die Anlieger der Straße ist zulässig.

  2. 2.

    Eine entsprechende Vereinbarung der Anlieger mit der Gemeinde stellt eine Umgehung der Bestimmungen des Nds. Kommunalabgabengesetz i.V.m. der Straßenausbaubeitragssatzung der Gemeinde dar.

  3. 3.

    Ein vollständig privatfinanzierterStraßenausbau ist mit dem öffentlichen Verständnis der Wahrnehmung der Aufgabe der Straßebaulast nicht vereinbar.

Tenor:

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 5. Kammer - vom 13. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen eine kommunalaufsichtliche Beanstandungsverfügung des Beklagten.

Die Klägerin ist eine kreisangehörige Gemeinde des Beklagten. Im Dezember 2002 beschloss der Rat der Klägerin, unter anderem die A. zu sanieren. Die Kosten sollten zu 50 % von den Anliegern durch freiwillige Zahlungen aufgebracht werden. Der Beklagte beanstandete den Ratsbeschluss mit Bescheid vom 14. März 2003. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren dagegen erhobene Klage der Klägerin wies das Verwaltungsgericht Lüneburg mit Urteil vom 21. April 2004 ab (Az.: 5 A 108/03). Die dagegen eingelegte Berufung nahm die Klägerin zurück.

Der Rat der Klägerin beschloss in seiner Sitzung am 14. Mai 2009, die Ausschreibung für die "Erneuerung" der Straßen B., C. und D. vorzubereiten. Nach der Protokollierung bestand "Einvernehmen (...) auch darüber, die Straßenerneuerung analog dem Modell Kapellenstraße durchzuführen. Dieses Modell hat sich trotz aller Skepsis der Verwaltung bewährt."

In seiner Sitzung am 17. November 2009 fasste der Rat der Klägerin folgenden Beschluss:

"Die Erneuerung der Fahrbahndecken B., E., C. und D. wird analog der Kapellenstraße mit der kostengünstigen Variante mit entsprechenden Einverständniserklärungen und Vorausleistungen aller Anlieger ausgeführt. Die Verwaltung wird beauftragt, die Planung durchzuführen und nach einer Anliegerversammlung die Ausschreibung vorzunehmen."

In der Einladung zur Informationsveranstaltung am 05. Mai 2010 teilte die Klägerin den Anliegern der Straßen B., E. und F. mit, dass die Straßen saniert werden sollten. Die Ausführung solle einfach gestaltet werden, damit die Kosten für die Anlieger überschaubar blieben. Ein "Vollausbau" würde ein Mehrfaches kosten und die Anlieger entsprechend höher belasten. Bei der vom Rat beschlossenen Maßnahme handele es sich um eine "Unterhaltungsmaßnahme", die nach der gültigen Satzung nicht umlagefähig sei. Die derzeitige Rechtslage verbiete es der Gemeinde, derartige "nicht DIN-gerechte Maßnahmen" aus dem öffentlichen Haushalt zu finanzieren. Weil die Maßnahme aber für die Anlieger erheblich günstiger wäre als der "Vollausbau", biete die Gemeinde den Anliegern an, dass die "Unterhaltungsmaßnahme" durchgeführt werde und die Anlieger dafür aufkommen. Jene könne aber nur durchgeführt werden, wenn sich alle Anlieger dafür entschieden und ihren "Kostenbeitrag" vor Beginn der Maßnahme auf ein Konto der Gemeinde einzahlten. Diese Finanzierungsform sei bisher in der Kapellenstraße erfolgreich durchgeführt worden.

In einem weiteren Informationsschreiben vom 23. Juni 2010 fasste die Klägerin das Ergebnis der Versammlung für die Anlieger zusammen. Der Rat habe den Anliegern angeboten, dass nur eine "Reparatur" durchgeführt werde, die aber nach derzeitiger Rechtslage in dieser Form nicht beitragsfähig sei und wegen "Nichteinhaltung der DIN-Vorschriften" auch nicht von der Gemeinde finanziert werden dürfe. Die vorgesehene Lösung sei aber aus Sicht der Anlieger wirtschaftlich und ausreichend technisch vertretbar. Sie solle daher zu 100 % von den Anliegern auf freiwilliger Basis gezahlt werden. Die Umsetzung sei aber nur möglich, wenn sich alle Eigentümer damit einverstanden erklärten. Dem Schreiben war eine vorgefertigte Einverständniserklärung der Anlieger mit folgendem Inhalt beigefügt:

"Hiermit erkläre ich als Grundstückseigentümer/in, dass ich mit der Reparatur der Gemeindestraßen B. /E. /F. (Teilstück), in der mit Schreiben vom 23.06.2010 erläuterten Form, einverstanden bin und den freiwilligen Reparaturbeitrag an die Samtgemeindekasse innerhalb eines Monats, nach Mitteilung der Gemeinde über die genaue Höhe, überweisen werde."

In der Folgezeit erhielt der Beklagte Kenntnis von den geplanten Baumaßnahmen. Mit Schreiben vom 11. August 2010 teilte er der Klägerin mit, dass die gefassten Beschlüsse des Rates aus seiner Sicht rechtswidrig seien. Die Rechtswidrigkeit habe auch bekannt sein müssen, denn es sei auf die bereits beanstandete Verfahrensweise bei der Kapellenstraße Bezug genommen worden. Er beabsichtige, gegen die Entscheidungen mit kommunalaufsichtlichen Maßnahmen vorzugehen. Die Klägerin erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme.

Am 16. September 2010 fand eine Besprechung zwischen der Klägerin und dem Beklagten statt. Die Klägerin erklärte, die Angelegenheit erneut dem Rat vorzulegen.

In seiner Sitzung am 31. März 2011 fasste der Rat der Klägerin folgenden Beschluss:

"Die Anlieger erneuern auf eigene Kosten die Fahrbahndecke durch fachgerechten Auftrag einer Deckschicht von 4 bis 5 cm und wenden damit das dorfhistorische Instrument der Hand- und Spanndienste in moderner Form an. Der Auftrag wird an eine Fachfirma vergeben. Die Abwicklung - Auftragsvergabe und Abrechnung - erfolgt nach Einzahlung der analog der Straßenausbaubeitragssatzung ermittelten Grundstücksanteile auf ein "Treuhandkonto" über einen Sprecher der Anlieger mit logistischer Unterstützung durch die Gemeinde. Die Gemeinde begleitet die Aktion auch fachtechnisch und stellt eine ordnungsgemäße technische Ausführung sicher."

Mit Schreiben vom 04. April 2011 wurden die Anlieger von der Klägerin unter der Betreffzeile "Ihr Beitragsanteil für die Reparatur bzw. den Ausbau des G." über die Höhe des für ihr Grundstück jeweils ermittelten "Beitrags" informiert und um Überweisung des Betrages gebeten. Nach Eingang aller Zahlungen werde der Auftrag zur Durchführung der Baumaßnahme erteilt.

Mit Bescheid vom 15. April 2011 beanstandete der Beklagte die Beschlüsse des Rates der Klägerin über die Sanierung der Innerortsstraßen B., E., F. (Teilstück) und Sackwinkel vom 17. November 2009 und vom 31. März 2011. Zur Begründung führte der Beklagte aus: Die Beschlüsse des Rates seien rechtswidrig. Die Klägerin als Trägerin der Straßenbaulast habe ihre Straßen für Anlieger und übrige Nutzer kostenfrei instand zu halten. Eine rechtliche Grundlage für die Übertragung von Sanierungsarbeiten an gemeindeeigenen Straßen bestehe nicht. Die Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise sei der Klägerin wegen der Bezugnahme auf die Verfahrensweise bei der Kapellenstraße auch bewusst. Trotzdem werde wiederholt das vermeintlich gute Beispiel der Reparatur der Kapellenstraße angeführt. Die dort durch das Verwaltungsgericht Lüneburg getroffenen Aussagen würden ebenso für die Beschlussfassung im Rat am 17. November 2009 und 31. März 2011 gelten. Daran ändere nichts, dass durch den Beschluss vom 31. Mai 2011 der Eindruck erweckt werde, es handele sich um eine eigene Aktion der Straßenanlieger, die damit einverstanden seien, dass sie die Kosten für die Reparatur selbst trügen. Die Anlieger würden von der Klägerin über die Rechtslage im Unklaren gelassen. Es werde der falsche Eindruck erweckt, die Anlieger seien damit von zukünftigen Beitragszahlungen befreit. Langfristig betrachtet werde die "erstmalige Herstellung" der Straße nicht mehr zu umgehen sein. Die Umsetzung der gefassten Beschlüsse könne letztlich auch noch zum Schaden für die Gemeinde werden, wenn im Falle der "erstmaligen Herstellung bzw. einer beitragspflichtigen Ausbaumaßnahme" die Anlieger sich auf eine Anrechnung der bereits gezahlten "Beiträge" berufen würden. Die vorgesehene Maßnahme sei zudem unwirtschaftlich. Auf Dauer gesehen würden die ständig wiederkehrenden Reparaturen den gemeindlichen Haushalt stärker belasten als eine Grunderneuerung der Straße. Der Hinweis auf "Hand- und Spanndienste" könne nicht als Grundlage für die Kostenbeteiligung herangezogen werden. Das Eingreifen der Kommunalaufsicht liege auch im öffentlichen Interesse. Es könne nicht hingenommen werden, dass der Klägerin durch unwirtschaftliches Handeln ein erheblicher finanzieller Schaden entstehe. Darüber hinaus würden die Anlieger ohne rechtliche Grundlage zur Übernahme der Kosten für die an sich der Klägerin obliegende Straßensanierung gedrängt. Schließlich gelte es zu vermeiden, eine Vorbildfunktion für weitere Reparaturen zu schaffen.

Die Klägerin hat am 18. Mai 2011 Klage erhoben. Zur Begründung ihrer Klage hat sie vorgetragen: § 9 Abs. 1 des Niedersächsischen Straßengesetzes (NStrG) beschreibe ihren Aufgabenkreis als Baulastträgerin. Das Gesetz treffe jedoch keine Aussage, wie sie diese Aufgabe zu erfüllen habe. Wie § 45 Abs. 2 NStrG zeige, seien bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen mit Dritten über die Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast zulässig. Sie könne daher auch Vereinbarungen mit den Anliegern über die streitigen Straßenbauarbeiten treffen. Die hier vorgesehene Reparatur sei eine für die Anlieger "grundsätzlich beitragsfreie Unterhaltungsmaßnahme". Auch werde niemand durch Hoheitsakt zu einer Kostenbeteiligung herangezogen. Es handele sich vielmehr um freiwillige Leistungen der Anlieger. Die Initiative zur Art der "Straßenerneuerung" sei - ausweislich des Schreibens des Sprechers der Anlieger vom 23. März 2012 - von den Anliegern ausgegangen. Die Fahrbahndeckschicht solle auf eigene Kosten der Anlieger "erneuert" werden, und zwar mit deren Einverständniserklärungen und Vorausleistungen. Sie wolle den Anliegern den beschlossenen "Straßenerneuerungsweg" eröffnen, weil der erforderliche "Ausbau" durch sie selbst zu einer erheblich höheren finanziellen Belastung führen würde, da sie zu "DIN-gerechtem Ausbau" verpflichtet sei. Es sei ihr aus Rechtsgründen auch nicht verwehrt, die von den Anliegern freiwillig angebotenen Mittel nach dem Verteilungsschlüssel der Ausbaubeitragssatzung zu errechnen und zu buchen. Für die Vereinnahmung der freiwillig von den Anliegern geleisteten Kosten-"beiträge" bedürfe es keiner Rechtsgrundlage. Vielmehr sei lediglich zu prüfen, ob die Annahme der Zuwendung durch Rechtsvorschriften ausgeschlossen sei. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Der Annahme der Gelder stünden die gemeinderechtlichen Vorschriften über die Haushaltswirtschaft nicht entgegen. Bei den freiwillig angebotenen Leistungen der Anlieger handele es sich um sonstige Einnahmen. Wie sie dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit im höheren Maße Rechnung tragen könne, habe der Beklagte nicht dargelegt. Zweckmäßigkeitserwägungen habe der Beklagte nicht anzustellen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beanstandungsverfügung des Beklagten vom 15. April 2011 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht: Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 des Niedersächsischen Kommunalabgabengesetzes (NKAG) dürften kommunale Abgaben nur auf Grund einer Satzung erhoben werden. Dass es sich bei der hier in Rede stehenden vorgesehenen Maßnahme gerade nicht um eine nach der Straßenausbaubeitragssatzung abrechnungsfähige handele, sei der Klägerin selbst bewusst. Da die von der Klägerin geplante Kostenbeteiligung der Anlieger ohne rechtliche Grundlage erfolge, sei die Frage des Verteilungsschlüssels nicht zu erörtern. Die behauptete Freiwilligkeit der Einzahlungen der Straßenanlieger lasse sich nicht belegen. Insbesondere wiesen die Informationsschriften der Klägerin die Anlieger darauf hin, dass die Gemeinde zur Finanzierung einer nach Straßenausbaubeitragsrecht nicht abrechnungsfähigen Maßnahme nicht berechtigt sei, was der Rechtslage nicht entspreche. Ob angesichts der Informationen der Gemeinde jeder einzelne Anlieger freiwillig seinen Anteil bezahle bei der Aussicht, dass, wenn nur einer nicht zahle, alle Anlieger "den höheren Ausbaubeitrag" tragen müssten, sei zumindest zweifelhaft. Es handele sich insbesondere nicht um die Annahme einer Spende.

Am 20. März 2012 hat der Rat der Klägerin die "Annahme der Zuwendungen" seitens der Anlieger "für die Reparatur der Straße B. im Sinne der Ratsbeschlüsse vom 17. November 2009 und 31. März 2011" beschlossen.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 13. Juni 2012 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die zulässige Klage sei unbegründet. Zu Recht habe der Beklagte die Ratsbeschlüsse vom 17. November 2009 und 31. März 2011 beanstandet. Für den Fall, dass es sich bei den geplanten Straßenbaumaßnahmen um eine beitragsfähige Maßnahme im Sinne der Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen handele, sei die Klägerin an die dort vorgesehenen Bestimmungen gebunden. Die Übernahme des vollen Aufwandes durch die Beitragspflichtigen sei danach nicht vorgesehen. Es könne auch nicht von dem Abschluss einer wirksamen Ablösungsvereinbarung ausgegangen werden. Die Ablösung könne sich nur auf die Beitragspflicht im Sinne der Satzung beziehen. Zudem dürfte es insoweit an der hinreichenden Bestimmtheit fehlen. Handele es sich hingegen um Reparaturarbeiten, die weder nach den Grundsätzen des Erschließungsbeitragsrechts noch des Straßenausbaubeitragsrechts beitragspflichtig seien, so sei die Klägerin nach § 9 Abs. 1 Satz 1 NStrG zu deren Durchführung verpflichtet. Eine Kostenbeteiligung der Straßenanlieger sei bei der Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgabe nicht vorgesehen. Die beanstandeten Ratsbeschlüsse seien darauf gerichtet, diese Bestimmungen zu umgehen und eine im Gesetz nicht vorgesehene Mitfinanzierung von Reparaturmaßnahmen an Straßen seitens der Straßenanlieger zu schaffen. Die von der Klägerin unterstellte "Freiwilligkeit" ändere daran nichts. Die Klägerin wolle die Erfüllung gesetzlicher Aufgaben von einer gesetzlich nicht vorgesehenen Kostenbeteiligung der Straßenanlieger abhängig machen. Im Übrigen bestünden auch Zweifel an der Freiwilligkeit der Beitragsleistungen der Anlieger; sie müssten mit einer möglicherweise erheblich kostenintensiveren Erneuerung der Straße im Sinne der Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin rechnen. Die Formulierung in dem Ratsbeschluss, wonach die Anlieger das "dorfhistorische Instrument der Hand- und Spanndienste in moderner Form" anwenden, weise auf die Begründung einer Verpflichtung der Anlieger gegenüber der Gemeinde hin. Das Anschreiben der Klägerin an die Anlieger, das unter anderem die Ermittlung der Höhe des als "Beitrag" bezeichneten Betrages enthalte, zeige ebenfalls auf, dass es nicht um einen rein freiwilligen Beitrag im Sinne einer Spende gehe, die auch ihrer Höhe nach ins Ermessen des Spenders gestellt sei. Letztlich gewährleiste die den Kommunen auferlegte Straßenbaulast die öffentliche Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe im Bereich der Daseinsvorsorge im Interesse der Allgemeinheit. Daher könne und dürfe der jeweilige Anlieger die Straßen nicht seinen individuellen Vorstellungen und finanziellen Möglichkeiten entsprechend ausbauen. Die Regelung des § 45 Abs. 2 NStrG bzgl. bürgerlich-rechtlicher Vereinbarungen, durch welche die Erfüllung der Straßenbaulast auf andere übertragen wird, rechtfertige hier ebenfalls keine andere Beurteilung. Eine solche Vereinbarung sei hier weder beabsichtigt gewesen noch tatsächlich getroffen worden. Die Übernahme der Kosten für die Reparatur der Straße durch die Anlieger beruhe auch unter Berücksichtigung der vorgelegten Einverständniserklärungen der Anlieger nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung. Durch den Beschluss vom 17. November 2009 sei einseitig eine abweichende Regelung zu Lasten der Anlieger getroffen worden. Nach dem Beschluss vom 31. März 2011 sei wegen des Hinweises auf die "Hand- und Spanndienste" die behauptete "freiwillige" Leistung der Anlieger zweifelhaft. Die Anlieger dürften sich nicht durch die Untätigkeit der Gemeinde dazu gezwungen sehen, Aufgaben der Daseinsvorsorge selbst "freiwillig" zu übernehmen. Zumindest fehle es dann an der Freiwilligkeit. Danach könne offen bleiben, ob die Ratsbeschlüsse auch gegen das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung verstießen. Der Beklagte habe das ihm eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Nach Zustellung des Urteils am 05. Juli 2012 hat die Klägerin am 25. Juli 2012 die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung ihrer Berufung wiederholt und vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend im Wesentlichen aus: Ihre Beschlüsse entsprächen den gesetzlichen Vorgaben aus § 45 Abs. 2 NStrG. Ihr Angebot auf Abschluss einer Vereinbarung sei den Anliegern in der Anliegerversammlung am 05. Mai 2010 erläutert und durch Abgabe entsprechender Einverständniserklärungen und Zahlung der Vorausleistungen auch angenommen worden. Damit sei ein Vertrag zustande gekommen, nach dem ihr die Verantwortung aus der Baulast verbleibe und den Anliegern die Durchführung der Maßnahme obliege. Sie, die Klägerin, solle lediglich Hilfe leisten für Organisation und Ausführung. Zwar sei eine Mitfinanzierung der "Reparaturmaßnahme" im Gesetz nicht vorgesehen, sie sei aber auch nicht verboten. Der Finanzierung aus Beiträgen komme kein abschließender Charakter zu. Die Durchführung von Eigenleistungen sei in kleinen Gemeinden immer Bestandteil einer wirtschaftlichen und allein möglichen Durchführung von Baumaßnahmen aller Art gewesen. Die Anlieger hätten freiwillig gehandelt; sie hätten die Abgabe der Einverständniserklärung unterlassen können. Mit dem Hinweis auf "Hand- und Spanndienste" in ihrem Beschluss vom 31. März 2011 habe sie keine Pflichten der Anlieger begründen wollen. Sie habe die Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben auch nicht von der Kostenbeteiligung der Anlieger abhängig gemacht. Die Argumentation des Beklagten, die Vorgehensweise sei nicht wirtschaftlich, sei nicht nachvollziehbar. Die Anlieger könnten die Beiträge, die bei einem "Vollausbau" anfielen, teilweise überhaupt nicht aufbringen. Die Möglichkeit einer Stundung würde im Ergebnis dazu führen, dass der Gemeinde auf Jahre weniger Geld zur Verfügung stünde. Den Bürgern werde zudem die Fähigkeit abgesprochen, selbst zu beurteilen, ob die Durchführung einer solchen Maßnahme wirtschaftlich sei. Schließlich habe der Beklagte nicht erkennen lassen, nach welchen Kriterien er sein Ermessen ausgeübt habe. Gegenüber anderen kreisangehörigen Gemeinden verhalte er sich bei vergleichbaren Sachverhalten zurückhaltender. Letzten Endes verstoße die Vorgehensweise des Beklagten gegen das verfassungsmäßig geschützte Recht der kommunalen Selbstverwaltung. Es müsse ihr zugestanden werden, die Umsetzung derartiger Lösungen vor Ort mit den Anliegern zu gestalten.

Die Klägerin beantragt,

das am 13. Juni 2012 verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg sowie die Beanstandungsverfügung des Beklagten vom 15. April 2011 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er trägt unter Bezugnahme auf sein bisheriges Vorbringen ergänzend im Wesentlichen Folgendes vor: Die gesetzlichen Regelungen für die Verteilung von Kosten für straßenbauliche Maßnahmen seien abschließend. Für Unterhaltungsmaßnahmen, die - wie hier - weder nach den Grundsätzen des Erschließungsbeitragsrechts noch des Straßenausbaubeitragsrechts beitragspflichtig für die Anlieger seien, sei die Klägerin nach § 9 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 47 Satz 1 Nr. 1 NStrG allein verantwortlich. Eine Vereinbarung im Sinne des § 45 Abs. 2 NStrG sei nicht zustande gekommen. Eine Vereinbarung setze die Möglichkeit der Einflussnahme auf diese Vereinbarung voraus. Vorliegend befreiten die Anlieger die Klägerin ohne jegliche Gegenleistung von ihrer gesetzlich vorgesehenen Leistungspflicht. Eine Zusage darüber, eine beitragspflichtige Erneuerung oder Verbesserung der Straßen zu unterlassen, habe die Klägerin ausdrücklich nicht erteilt. Im Übrigen sei § 45 Abs. 2 NStrG keine taugliche Rechtsgrundlage für eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Anliegern. Die Vorschrift sei nicht in § 9 NStrG des Teils I oder § 47 NStrG des Teils III des NStrG einbezogen worden, sondern erfolge im Rahmen der Regelung der Straßenbaulast Dritter des Teils II des NStrG. Hinsichtlich der für seine Ermessensausübung maßgeblichen Gesichtspunkte verweise er auf seine angegriffene Verfügung. Erst mit Verfügung vom 21. Dezember 2011 habe er den seiner Aufsicht unterliegenden Gemeinden die rechtlichen Rahmenbedingungen bei straßenbaulichen Maßnahmen in Erinnerung gerufen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid des Beklagten vom 15. April 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§§ 125 Abs. 1 Satz 1, 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Beklagte hat die Beschlüsse des Rates der Klägerin über die Sanierung der Straßen B., E., F. (Teilstück) und Sackwinkel vom 17. November 2009 und 31. März 2011 zu Recht beanstandet.

Die Rechtsgrundlage für den Bescheid des Beklagten ist § 127 Abs. 1 i.V.m. § 130 Abs. 1 Satz 1 der Niedersächsischen Gemeindeordnung (NGO) in der hier noch geltenden Fassung vom 28. Oktober 2006. Nach der erstgenannten Bestimmung schützt die Aufsicht die Gemeinden in ihren Rechten, sichert aber auch die Erfüllung der Pflichten der Gemeinden. Die Kommunalaufsicht stellt sicher, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachten. Die Aufsicht soll so gehandhabt werden, dass die Entschlusskraft und die Verantwortungsfreude nicht beeinträchtigt werden. Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 NGO kann die Kommunalaufsichtsbehörde Beschlüsse und andere Maßnahmen einer Gemeinde sowie Bürgerentscheide beanstanden, wenn sie das Gesetz verletzen. Ob und inwieweit die Kommunalaufsichtsbehörde von den Mitteln der §§ 129 bis 132 NGO Gebrauch macht, liegt in ihrem Ermessen; sie ist nicht zwingend zum Einschreiten verpflichtet (vgl. Beschlüsse des Senats vom 08.02.2011 - 10 ME 43/10 -, NdsVBl. 2011, 139 = NordÖR 2011, 241 [OVG Niedersachsen 08.02.2011 - 10 ME 43/10]; und vom 15.08.2007 - 10 LA 271/05 -, NdsVBl. 2007, 308 = NVwZ-RR 2008, 127 = NordÖR 2008, 136 [OVG Niedersachsen 15.08.2007 - 10 LA 271/05]).

1.

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Beanstandung nach § 130 Abs. 1 Satz 1 NGO sind erfüllt. Die in den Sitzungen des Gemeinderats der Klägerin vom 17. November 2009 und 31. März 2011 gefassten Beschlüsse verletzen das Gesetz.

Verletzung eines Gesetzes ist begrifflich mit einem Rechtsverstoß gleichzusetzen, so dass eine Beanstandung nicht nur dann zulässig ist, wenn die beanstandete Maßnahme der Gemeinde gegen gesetzliche Bestimmungen verstößt, sondern auch dann, wenn Beschlüsse der Kommune mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen, wie etwa dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, dem Gleichheitssatz oder dem Bestimmtheitsgrundsatz nicht vereinbar sind (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 17.07.2012 - 1 B 3594/12 -, [...]). In § 127 Abs. 1 Satz 2 NGO finden sich keine inhaltliche Beschränkungen der Gesetze, deren Einhaltung von der Kommunalaufsicht zu überwachen ist (vgl. zu § 170 Abs. 1 Satz 2 NKomVG: Beschluss des Senats vom 11.09.2013 - 10 ME 87/12 -, Gemeindehaushalt 2013, 262 [red. Leitsatz] = [...]).

Die Ratsbeschlüsse der Klägerin, wonach die Anlieger auf eigene Kosten die Fahrbahndecke durch fachgerechten Auftrag einer Deckschicht von 4 bis 5 cm erneuern, verletzen aufgrund von Verstößen gegen abgabenrechtliche Grundsätze das Gesetz. Es kann dahinstehen, ob die Ratsbeschlüsse auch gegen das Gebot der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung nach § 82 Abs. 2 NGO verstoßen.

a)

Die rechtlichen Rahmenbedingungen bilden vorliegend das Niedersächsische Kommunalabgabengesetzes (NKAG) und die Satzung über die Erhebung von Beiträgen nach § 6 NKAG für straßenbauliche Maßnahmen in der Gemeinde Ahnsbeck vom 09. Dezember 2002 (Straßenausbaubeitragssatzung - SABS -). Denn bei der geplanten Straßenbaumaßnahme handelt es sich um eine beitragsfähige Maßnahme, auf die die Regelungen des Straßenausbaubeitragsrechts anwendbar sind.

aa)

Bei der geplanten Straßenbaumaßnahme - Auftrag einer Asphaltdeckschicht von 4 bis 5 cm auf die Fahrbahndecke - handelt es sich um eine beitragsfähige Verbesserung der Teileinrichtung Fahrbahn der Straße.

Der Beitragstatbestand der Verbesserung einer öffentlichen (Teil-)Einrichtung ist erfüllt, wenn sich der Zustand der Anlage nach dem Ausbau in irgendeiner Hinsicht von ihrem ursprünglichen Zustand im Zeitpunkt der erstmaligen oder nachmaligen Herstellung in einer Weise unterscheidet, die positiven Einfluss auf die Benutzbarkeit hat (vgl. Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 32 Rn. 38). Eine solche Verbesserung kann sich auf den Straßenkörper insgesamt oder auf einzelne Teileinrichtungen der Straße erstrecken. Dabei kann die Verbesserung der Straße oder der Teileinrichtung darin bestehen, dass diese von Grund auf höherwertig hergestellt wird oder nur einzelne Bestandteile (Unterbau, Deckenbefestigung) - soweit ihnen nach herkömmlicher Betrachtungsweise eine gewisse Selbständigkeit zukommt - verbessert werden. Diese Selbständigkeit ist für die Fahrbahndecke als Bestandteil der Teileinrichtung Fahrbahn zu bejahen (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.06.2008 - 9 LA 407/06 -, n. v., m. w. N.). Als Verbesserung der Fahrbahn ist eine in den Ausmaßen beachtliche Deckenverstärkung zu qualifizieren. Das Aufbringen einer neuen Deckschicht auf die alte Befestigung führt zu einer wesentlichen Verstärkung des vertikalen Aufbaus der Fahrbahn (vgl. Driehaus, a. a. O., § 32 Rn. 61 f.).

Gemessen an diesen Kriterien handelt es sich bei der geplanten Straßenbaumaßnahme um eine Verbesserung. Ausweislich des Ratsbeschlusses vom 31. März 2011 soll die Fahrbahndecke durch fachgerechten Auftrag einer Deckschicht von 4 - 5 cm "erneuert" werden. Das an die Anlieger gerichtete Informationsschreiben vom 23. Juni 2010 erläutert hierzu, dass der bestehende Unterbau vorhanden bleibt. Geplant ist eine neue Fahrbahndecke verbunden mit einem Fräsen des Asphalts, Profilausgleich sowie Aufsprühen eines Bindemittels (vgl. E-Mails der Samtgemeinde Lachendorf vom 07.07.2010 und der Klägerin vom 07.10.2010). Bislang verfügte die Straße über eine Asphaltdecke, die zwischen 1 bis 18 cm stark war (vgl. Gutachten der H. vom 04.09.2002 "Untersuchung Baugrund und Oberbau und Vorschlag für den Ausbau"). Die nunmehr geplante Maßnahme stellt eine beachtliche Deckenverstärkung der Straße auf voller Länge dar und ist damit als Verbesserung zu qualifizieren (vgl. für eine Deckenverstärkung um 4,1 cm: Bayerischer VGH, Beschluss vom 21.12.2006 - 6 ZB 05.2425 -, [...]; für eine Deckenverstärkung um 5 cm: Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11.06.2010 - 9 LB 157/08 -, n. v.; für eine Deckenverstärkung um 6 cm: Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 11.06.2008, a. a. O.; für eine Deckenverstärkung um 7 cm: VG Regensburg, Urteil vom 28.05.2008 - RO 3 K 07.02123 -, [...]; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.01.1999 - 15 A 4680/97 -, Rechtsprechungsdatenbank NRW). Die geplante Verstärkung der Fahrbahndecke führt zu einer wesentlichen Verstärkung des vertikalen Aufbaus der Straße. Sie wird dadurch belastbarer und haltbarer, ist also weniger reparaturanfällig. In verkehrstechnischer Hinsicht ist sie besser nutzbar (vgl. Niedersächsisches OVG, Urteil vom 11.06.2010, a. a. O.).

bb)

Auf diese beitragsfähige Maßnahme - Verbesserung - sind die Regelungen des Straßenausbaubeitragsrechts anwendbar. Der Anwendungsbereich der erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften gemäß §§ 127 ff. BauGB ist nicht eröffnet.

Nach dem begrenzten Anwendungsbereich der erschließungsbeitragsrechtlichen Vorschriften werden von diesen nur zur erstmaligen endgültigen Herstellung einer Anlage führende Baumaßnahmen erfasst. Die "Merkmale der endgültigen Herstellung" definiert die jeweilige Erschließungsbeitragssatzung. Die Abrechnung der Kosten für Baumaßnahmen, die nach der endgültigen erstmaligen Herstellung entweder der Erschließungsanlage insgesamt oder einzelner Teilanlagen durchgeführt werden, richtet sich ausschließlich nach den ausbaubeitragsrechtlichen Bestimmungen. Das gilt selbst dann, wenn die Gemeinde es versäumt hat, Erschließungsbeiträge für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage oder - im Wege der Kostenspaltung - der Teilanlage zu erheben (vgl. Driehaus, a. a. O., § 2 Rn. 22 f.).

Vorliegend wurde die Teileinrichtung "Fahrbahn" bereits in der Vergangenheit erstmalig endgültig hergestellt. Nach § 9 c) der Satzung über die Erhebung von Erschließungsbeiträgen in der Gemeinde Ahnsbeck vom 18. April 1988 (Erschließungsbeitragssatzung - EBS -) kann der Erschließungsbeitrag u. a. erhoben werden für die Herstellung der Straßen und Wege ohne Moped-, Rad- und Gehwege sowie ohne Entwässerungs- und Beleuchtungseinrichtungen (Kostenspaltung). Nach § 10 Abs. 1 EBS sind Straßen endgültig hergestellt, wenn sie an eine dem öffentlichen Verkehr gewidmete Straße angeschlossen sind, die Gemeinde Eigentümerin ihrer Flächen ist und die Beleuchtungs- und Entwässerungseinrichtungen vorhanden sind. Nach § 10 Abs. 2 a) EBS ist dabei hergestellt die Fahrbahn, wenn sie einen Unterbau und eine Decke aus Asphalt, Teer, Beton oder einem ähnlichen Material neuzeitlicher Bauweise aufweist. Ausweislich des Gutachtens der Ingenieure I. aus dem Jahr 2002 "Untersuchung Baugrund und Oberbau und Vorschlag für den Ausbau" verfügten die Straßen E., B. und F. vor der geplanten Straßenbaumaßnahme schon in der Vergangenheit über eine Asphaltdecke (zwischen 1 bis 18 cm), eine Packlage (zwischen 8 bis 24 cm) sowie eine nichtbindige Auffüllung bzw. Tragschicht aus Mittelsand und Sand (zwischen 20 bis 90 cm). Darunter befinden sich Schmelzwassersande und -kiese sowie Geschiebelehm. Damit erfüllten die Fahrbahnen schon zu einem früheren Zeitpunkt die Merkmale der endgültigen Herstellung im Sinne von § 10 Abs. 2 a) EBS, so dass auf die nunmehr geplante Maßnahme die Regelungen des Straßenausbaubeitragsrechts anwendbar sind.

b)

Das von der Klägerin und den Anliegern praktizierte - und in den beanstandeten Ratsbeschlüssen dargelegte - Modell der vollständigen Privatfinanzierung der Straßenbaumaßnahme durch die Anlieger verstößt gegen die Regelungen des NKAG und der Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin.

aa)

Eine von den Bestimmungen des NKAG und der Straßenausbaubeitragssatzung abweichende Vereinbarung ist - grundsätzlich - unzulässig.

Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 NKAG können die Gemeinden und Landkreise zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Anschaffung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Einrichtungen Beiträge von den Grundstückseigentümern erheben, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtung besondere wirtschaftliche Vorteile bietet, soweit nicht privatrechtliche Entgelte erhoben werden.

Basierend auf dieser Rechtsgrundlage erhebt die Gemeinde Ahnsbeck nach § 1 Abs. 1 SABS zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung, Erweiterung, Verbesserung und Erneuerung ihrer öffentlichen Straßen, Wege und Plätze - insgesamt, in Abschnitten oder Teilen - nach Maßgabe dieser Satzung Beiträge von den Grundstückseigentümern, denen die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieser öffentlichen Einrichtungen besondere wirtschaftliche Vorteile bietet. Die Gemeinde trägt nach § 4 Abs. 1 SABS zur Abgeltung des öffentlichen Interesses von dem beitragsfähigen Aufwand den Teil, der auf die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtungen durch die Allgemeinheit oder die Gemeinde entfällt. Den übrigen Teil haben die Beitragspflichtigen zu tragen. Der Anteil der Beitragspflichtigen am Aufwand beträgt nach § 4 Abs. 2 SABS bei öffentlichen Einrichtungen, die überwiegend dem Anliegerverkehr dienen, sowie bei verkehrsberuhigten Wohnstraßen 75 v. H., bei öffentlichen Einrichtungen mit starkem innerörtlichen Verkehr für Fahrbahnen 40 v. H. und bei öffentlichen Einrichtungen, die überwiegend dem Durchgangsverkehr dienen, für Fahrbahnen 30 v. H..

Nach den gesetzlichen bzw. satzungsrechtlichen Bestimmungen ist eine Übernahme des vollen Aufwands - d.h. eine Mitfinanzierung des Gemeindeanteils - durch die Beitragspflichtigen nicht vorgesehen. An diese Bestimmungen ist die Klägerin - grundsätzlich - gebunden. Die in den beanstandeten Ratsbeschlüssen enthaltene Regelung, wonach die Anlieger "freiwillig" 100 Prozent der Kosten übernehmen, stellt eine Umgehung dieser Bestimmungen dar.

Hat ein Ortsgesetzgeber eine wirksame Straßenausbaubeitragssatzung erlassen und damit zum Ausdruck gebracht, dass für die von ihm geregelten Sachverhalte Ausbaubeiträge erhoben werden müssen, ist die betreffende Gemeindeverwaltung auch kraft dieser ortsgesetzlichen Anordnung zur Erhebung dieser Beiträge verpflichtet (vgl. Driehaus, a. a. O., § 28 Rn. 19). Die Bindung an die Regelungen der Straßenausbaubeitragssatzung gilt jedoch nicht nur einseitig zulasten des Bürgers, indem er sich einer Beitragserhebungspflicht gegenübersieht, sondern auch zu seinen Gunsten, indem eine Bindung der Gemeinde an die in der Satzung getroffenen Bestimmungen zum Anteil der Beitragspflichtigen am Aufwand besteht.

Öffentliche Abgaben dürfen grundsätzlich nur nach Maßgabe der Gesetze erhoben werden. Dies schließt es aus, dass Abgabengläubiger und Abgabenschuldner von den gesetzlichen Regelungen abweichende Vereinbarungen treffen, sofern nicht das Gesetz dies ausnahmsweise gestattet. Der Grundsatz, dass die Abgabenerhebung nur nach Maßgabe der Gesetze und nicht abweichend von den gesetzlichen Regelungen aufgrund von Vereinbarungen zwischen Abgabengläubiger und Abgabenschuldner erfolgen kann, ist für einen Rechtsstaat so fundamental, dass seine Verletzung als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot zu betrachten ist, das Nichtigkeit zur Folge hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 24/81 -, BVerwGE 64, 361 = DVBl 1982, 550 = DÖV 1982, 641).

Vorliegend ist keine Rechtsgrundlage ersichtlich, die abweichend von den Regelungen des NKAG und der Straßenausbaubeitragssatzung eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Straßenanliegern zuließe. Aus dem Umstand, dass es durchaus entsprechende gesetzliche Regelungen gibt, die jedoch hier nicht einschlägig sind, folgt zugleich im Umkehrschluss, dass eine vertragliche Vereinbarung zur 100-prozentigen Privatfinanzierung ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage nicht möglich ist.

Eine Ausnahme von dem Verbot, Kosten für eine Straßenbaumaßnahme durch vertragliche Vereinbarungen den Anliegern aufzuerlegen, stellt der Ablösungsvertrag dar. Eine Ablösungsvereinbarung ist dadurch gekennzeichnet, das die Vertragsparteien vor Entstehen der sachlichen Beitragspflichten einen im Wege der Prognose geschätzten Betrag vereinbaren, den der Schuldner "zur Ablösung" der Beitragsschuld zu zahlen hat und der später nicht mehr in Frage gestellt werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.08.2011 - 9 C 6/10 -, BVerwGE 140, 209 = DVBl. 2011, 1358 = NVwZ 2012, 108, m. w. N.). Diese Möglichkeit ist in § 6 Abs. 7 Satz 5 NKAG i.V.m. § 14 SABS vorgesehen. Die vorliegende "Vereinbarung" zwischen der Klägerin und den Anliegern stellt keinen Ablösungsvertrag dar. Denn die "Ablösung" bezieht sich nicht nur auf die - prognostizierte - Beitragspflicht der Anlieger, sondern umfasst den von der Gemeinde zu tragenden Anteil mit. Ein Ablösungsvertrag war auch erkennbar nicht gewollt; an keiner Stelle findet sich das Wort "Ablösung" oder ein Hinweis auf § 14 SABS.

Im Erschließungsbeitragsrecht konnte die Gemeinde nach § 124 Abs. 1 BauGB in der bis zum 20. Juni 2013 geltenden Fassung die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen. Insoweit gestattete Absatz 2 der Vorschrift eine Vertragsgestaltung, in der die "Erschließungskosten" - weitergehend als der "Erschließungsaufwand" - von dem Unternehmer bis hin zur vollständigen Kostentragung übernommen werden konnten. Das Gesetz erlaubte dort gerade auch die Übertragung solcher Kosten, die eine Gemeinde im Beitragswege nicht hätte abrechnen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10.08.2011, a. a. O.). Eine vergleichbare Regelung enthält das NKAG nicht.

Der Gesetzgeber des Landes Brandenburg hat im Hinblick auf eine 100-prozentige Privatfinanzierung von Straßen durch Anlieger in sein Kommunalabgabengesetz eine Regelung aufgenommen, wonach die grundsätzliche Beitragserhebungspflicht nicht gilt für den Fall, dass der Beitragspflichtige mindestens den rechnerisch auf das Grundstück entfallenden Anteil an dem (...) ermittelten Aufwand auf der Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung trägt. Ausweislich der Begründung des Gesetzesentwurfs der dortigen Landesregierung (Drs. 3/6324) müsse das Kommunalabgabengesetz geändert werden, um das Engagement der Bürger im Straßenbau auf eine sichere rechtliche Grundlage zu stellen. Die Ergänzung des KAG sei als Ausnahmeregelung anzusehen, die künftig einen teilweisen oder vollständigen Beitragsverzicht im Falle einer vertraglichen Regelung über die entsprechende Abwälzung der Straßenbaukosten auf den jeweiligen Beitragspflichtigen zulasse. Die Gemeinden erhielten durch die Gesetzesänderung die Möglichkeit, durch vertragliche Vereinbarungen auf eine Beitragserhebung im Einzelfall zu verzichten und sich von dem für die Allgemeinheit zu übernehmenden Anteil an den Straßenbaukosten zu entlasten, wenn die Bürger zur Kostenübernahme über ihren eigenen Anteil hinaus bereit seien.

Eine entsprechende Regelung ist im NKAG hingegen nicht vorgesehen. Daraus folgt zugleich, dass in Niedersachsen das Modell einer 100-prozentigen Privatfinanzierung von Straßen jedenfalls nach derzeitiger Rechtslage nicht möglich ist.

Das Gesetz über den Bau und die Finanzierung von Bundesfernstraßen durch Private (Fernstraßenbauprivatfinanzierungsgesetz - FStrPrivFinG -) sieht auf Bundesebene vor, dass zur Verstärkung von Investitionen in das Bundesfernstraßennetz Private Aufgaben des Neu- und Ausbaus von Bundesfernstraßen auf der Grundlage einer Mautgebührenfinanzierung wahrnehmen können. Hierzu kann der Bau, die Erhaltung, der Betrieb und - insbesondere auch - die Finanzierung von Bundesfernstraßen Privaten zur Ausführung übertragen werden. Der Private hat die Rechte und Pflichten des Trägers der Straßenbaulast, vgl. § 1 Abs. 1 bis 3 FStrPrivFinG. Eine entsprechende Rechtsgrundlage fehlt im Niedersächsischen Straßengesetz (NStrG).

Insbesondere ist § 45 Abs. 2 NStrG, wonach bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen über die Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast diese unberührt lassen, im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Zwar ist diese Vorschrift gemäß § 48 Satz 2 NStrG sinngemäß auf die Straßenbaulast für Gemeindestraßen anwendbar. Jedoch haben die Anlieger vorliegend nicht durch eine bürgerlich-rechtliche Vereinbarung die Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast der Klägerin für eine Gemeindestraße übernommen. Vielmehr wollen sie punktuell nur eine einzelne, konkrete Maßnahme finanzieren. Die Klägerin soll gegenüber den Anliegern keinen - generellen - Anspruch auf Erfüllung der Aufgaben aus der Straßenbaulast haben.

In einigen Bundesländern - jedoch nicht in Niedersachsen - gibt es des Weiteren unter dem Schlagwort "Business Improvement Districts" spezielle Gesetze, wonach die Gemeinde auf Antrag einer privaten Initiative durch Satzung Gebiete festlegen kann, in denen durch die private Initiative in privater Verantwortung und in Ergänzung zu den Aufgaben der Gemeinde standortbezogene Maßnahmen durchgeführt werden, die insbesondere der Stärkung oder Entwicklung von Bereichen der Innenstadt oder der Stadtteilzentren dienen (vgl. etwa in Nordrhein-Westfalen: Gesetz über Immobilien- und Standortgemeinschaften [ISGG NRW]; im Saarland: Gesetz zur Schaffung von Bündnissen für Investitionen und Dienstleistungen [BIDG]; in Sachsen: Gesetz zur Belebung innerstädtischer Einzelhandels- und Dienstleistungszentren [SächsBIDG]). Auch aus der Existenz dieser Gesetze wird deutlich, dass solche Maßnahmen privater Initiativen einer besonderen Rechtsgrundlage bedürfen.

Die in der Literatur vertretene Annahme, für eine Beitragserhebung sei kein Raum, wenn eine Straßenbaumaßnahme nicht auf Kosten der Gemeinde, sondern zu 100 Prozent auf Kosten der Anlieger durchgeführt werde (vgl. Driehaus, a. a. O., § 28 Rn. 22), trifft für sich genommen nur eine Aussage zur Zulässigkeit eines Beitragsverzichts seitens der Gemeinde, begründet aber nicht positiv, dass und warum eine vollständige Privatfinanzierung abweichend von den oben genannten Grundsätzen zulässig sein sollte. Soweit man die getroffene Annahme dahingehend verstehen wollte, dass in einem Fall der 100-prozentigen Privatfinanzierung der Maßnahme durch die Anlieger keine Aufwendungen der Gemeinde entstünden, weil es sich um eine eigene Maßnahme der Anlieger handele und daher der Anwendungsbereich der Straßenausbaubeitragssatzung nicht eröffnet sei, stellt dies letztlich eine Umgehung der kommunalabgabenrechtlichen Vorschriften und einen "Zirkelschluss" dar. Hinzu kommt, dass es sich im vorliegenden Fall nach der Konstruktion tatsächlich nicht um eine Maßnahme der Anlieger, sondern um eine Maßnahme der Gemeinde handelt, die lediglich von den Anliegern finanziert werden soll. Dafür spricht insbesondere der Beschluss des Rates der Klägerin vom 20. März 2012. Danach sind die "Zuwendungen" seitens der Anlieger für die Reparatur der Straßen vom Rat der Klägerin angenommen worden. Würde es sich tatsächlich um eine eigene Maßnahme der Anlieger handeln, hätte es lediglich einer Weiterleitung an die Baufirmen, aber keiner Annahme der Zuwendungen bedurft.

bb)

Hinzu kommt, dass ein - entgegen den Vorschriften des NKAG und der Straßenausbaubeitragssatzung - privatfinanzierter Straßenbau mit dem öffentlich-rechtlichen Verständnis der Wahrnehmung der Aufgaben aus der Straßenbaulast nicht vereinbar ist.

Nach § 9 Abs. 1 NStrG umfasst die Straßenbaulast alle mit dem Bau und der Unterhaltung der Straßen zusammenhängenden Aufgaben. Die Träger der Straßenbaulast haben nach ihrer Leistungsfähigkeit die Straßen so zu bauen, zu unterhalten, zu erweitern oder sonst zu verbessern, dass sie dem regelmäßigen Verkehrsbedürfnis genügen. Nach § 10 Abs. 1 NStrG obliegen der Bau und die Unterhaltung der öffentlichen Straßen sowie die Überwachung der Verkehrssicherheit den Organen und Bediensteten der damit befassten Körperschaften als Amtspflichten in Ausübung öffentlicher Gewalt. Die Träger der Straßenbaulast haben nach § 10 Abs. 2 NStrG dafür einzustehen, dass ihre Bauten technisch allen Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen. Träger der Straßenbaulast für die Gemeindestraßen sind nach § 48 NStrG die Gemeinden.

Die Straßenbaulast ist eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge (vgl. Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage 2010, Rn. 939; Wendrich, Niedersächsisches Straßengesetz, 4. Auflage 2000, § 9 Rn. 1). Sie gehört zur schlichten Hoheitsverwaltung und wird im Interesse der Allgemeinheit erfüllt (vgl. Wendrich, a. a. O., § 9 Rn. 1). Der Staat sowie Landkreise und Gemeinden werden bei der Planung, Anordnung und Durchführung von Straßenbaumaßnahmen im Rahmen hoheitlicher Gewalt tätig (vgl. Wendrich, a. a. O., § 10 Rn. 1). Für den Zustand von Bestandteilen einer öffentlichen Straße ist allein der Träger der Straßenbaulast verantwortlich (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 941). Teil dieser Straßenbaulast ist auch die Finanzierung. Lediglich für Teilbereiche der Straßenbaulast bestehen besondere Finanzierungsinstrumente, etwa Erschließungs- und Ausbaubeiträge sowie Finanzierungsverträge mit Privaten in Form von Vorausleistungs- oder Ablösungsverträgen (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 978).

Aus der Prämisse, dass es sich bei der Straßenbaulast um eine öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge im Interesse der Allgemeinheit - und nicht des Einzelnen - handelt, folgt, dass dem Einzelnen weder ein Anspruch auf Erfüllung der Straßenbaulast zusteht, noch er aus der Nichterfüllung Ansprüche ableiten kann (vgl. Wendrich, a. a. O., § 9 Rn. 1). Diese Zielrichtung darf mit Blick auf die Interessen der Allgemeinheit nicht dadurch umgangen werden, indem auf Wunsch der Anlieger ein sog. anliegerfinanzierter Straßenbau durchgeführt wird. Denn die Interessen der Allgemeinheit werden nicht mehr gewahrt, wenn einzelne Anlieger allein aufgrund vorhandener finanzieller Möglichkeiten die Straße nach ihren individuellen Vorstellungen ausbauen. Dies würde auf lange Sicht zu einem unerträglichen Missverhältnis der Straßenverhältnisse in einkommensschwachen und einkommensstarken Regionen führen. Die Wahrnehmung der Aufgaben aus der Straßenbaulast ist eine öffentliche Aufgabe im Interesse der Allgemeinheit, die einer Wahrnehmung durch Private grundsätzlich entgegensteht.

Diese Erwägungen finden im Erschließungsbeitragsrecht in § 129 Abs. 1 Satz 3 BauGB Anklang, wonach die Gemeinde mindestens 10 % des beitragsfähigen Erschließungsaufwands zu tragen hat. Die gemeindliche Eigenbeteiligung verdeutlicht dort die Verantwortung für eine sachgerechte Erschließung und ist Ausdruck der gemeindlichen Planungshoheit. Durch sie wird gewährleistet, dass der Einfluss der Gemeinde auf die städtebauliche Entwicklung erhalten bleibt. Zum anderen wird hiermit ausgedrückt, dass Erschließungsanlagen auch dem Vorteil der Allgemeinheit und nicht nur dem Vorteil der erschlossenen Grundstücke dienen (vgl. Löhr in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB Kommentar, 10. Auflage 2007, § 129 Rn. 29). Dieselben Erwägungen gelten für das Straßenausbaubeitragsrecht. Gemäß § 6 Abs. 5 NKAG sind die Beiträge nach den Vorteilen zu bemessen, wobei Gruppen von Beitragspflichtigen mit annähernd gleichen Vorteilen zusammengefasst werden können. Dementsprechend sieht die Straßenausbaubeitragssatzung der Klägerin in § 4 eine Staffelung bei der Vorteilsbemessung vor und regelt, dass die Gemeinde zur Abgeltung des öffentlichen Interesses von dem beitragsfähigen Aufwand den Teil trägt, der auf die Inanspruchnahme der öffentlichen Einrichtung durch die Allgemeinheit oder die Gemeinde entfällt.

Dieser elementare Gedanke der Daseinsvorsorge im Interesse der Allgemeinheit kommt zudem in der NGO zum Ausdruck. Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 NGO verwaltet die Gemeinde in eigener Verantwortung ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze mit dem Ziel, das Wohl ihrer Einwohnerinnen und Einwohner zu fördern. Das Recht auf Selbstverwaltung ist somit nicht Selbstzweck, sondern hat das Ziel, das Wohl der Einwohner - in ihrer Gesamtheit - zu fördern.

Zu beachten ist schließlich auch, dass die Gemeinden bei der Planung, Anordnung und Durchführung von Straßenbaumaßnahmen im Rahmen hoheitlicher Gewalt tätig werden und für den Zustand von Bestandteilen einer öffentlichen Straße verantwortlich sind. Dieser hoheitlichen Tätigkeit und Verantwortung kann sich die Gemeinde nicht ohne gesetzliche Grundlage entledigen. Nach den Regelungen in einigen Straßengesetzen ist die Unterhaltungslast explizit den Anliegern als Nutzer übertragen (vgl. Sauthoff, a. a. O., Rn. 942). Dies ist in Niedersachsen jedoch nicht der Fall.

cc)

Im Übrigen liegt hier im konkreten Fall - unabhängig von der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen - auch keine wirksame vertragliche Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Anliegern über die Übernahme der gesamten Kosten der Straßenbaumaßnahme vor. Denn es ist jedenfalls die Freiwilligkeit der Anlieger zum Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung zu verneinen.

Die Anlieger sind von der Klägerin nicht vollumfänglich und richtig über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die finanziellen Folgen aufgeklärt worden. Vielmehr hat die Klägerin den Anliegern in der Einladung zur Informationsveranstaltung am 05. Mai 2010 mitgeteilt, dass es sich bei der vom Rat beschlossenen Maßnahme um eine "Unterhaltungsmaßnahme" handele, die nach der gültigen Satzung nicht umlagefähig sei. Die derzeitige Rechtslage verbiete es der Gemeinde, derartige "nicht DIN-gerechte Maßnahmen" aus dem öffentlichen Haushalt zu finanzieren. In dem Informationsschreiben vom 23. Juni 2010 hat die Klägerin den Anliegern erneut mitgeteilt, dass die - nach unzutreffender Rechtsauffassung der Klägerin - "Reparatur" nach derzeitiger Rechtslage in dieser Form nicht beitragsfähig sei und wegen "Nichteinhaltung der DIN-Vorschriften" auch nicht von der Gemeinde finanziert werden dürfe. Diese Informationen entsprechen jedoch nicht der Rechtslage. Unabhängig davon, dass es sich hier tatsächlich um eine beitragsfähige Maßnahme handelt, für die nach der Straßenausbaubeitragssatzung zwingend ein Gemeindeanteil vorgesehen ist, wäre es der Klägerin auch nicht verwehrt gewesen, eine bloße beitragsfreie Reparatur bzw. Instandsetzung der Straßen auf Kosten des Gemeindehaushalts vorzunehmen. Aufgrund dieser falschen Informationen, die für die Anwohner eine wesentliche Entscheidungsgrundlage dargestellt haben, kann von einer freiwilligen Entscheidung der Anlieger für eine 100-prozentige Privatfinanzierung nicht mehr ausgegangen werden. Denn eine freiwillige und selbstbestimmte Entscheidung setzt eine zutreffende Entscheidungsgrundlage voraus, die hier nicht gegeben war.

Hinzu kommt, dass an der Freiwilligkeit der einzelnen Anlieger auch deshalb starke Bedenken bestehen, weil durch den Umstand, dass die Durchführung der Maßnahme von dem Einverständnis aller Anlieger abhängig gemacht wird, ein psychologischer Druck auf denjenigen - und ggf. einzigen - Anlieger ausgeübt wird, der der Durchführung der Maßnahme nicht zustimmt.

2.

Der Beklagte hat das ihm nach § 130 NGO eingeräumte Ermessen in nicht zu beanstandender Weise ausgeübt.

Der Beklagte führt in dem angegriffenen Bescheid vom 15. April 2011 aus, dass das Eingreifen der Kommunalaufsicht im öffentlichen Interesse liege. Anlieger würden ohne rechtliche Grundlage zur Übernahme der Kosten für die an sich der Gemeinde obliegende Straßensanierung gedrängt. Es gelte zu vermeiden, eine Vorbildfunktion für weitere Reparaturen zu schaffen. Von den zur Verfügung stehenden kommunalaufsichtlichen Mitteln sei die Beanstandung der Ratsbeschlüsse ausreichend.

Diese - wenn auch knappe - Begründung der Ermessensentscheidung unterliegt keinen rechtlichen Bedenken. Auf Grund der festgestellten materiellen Rechtswidrigkeit der Beschlüsse der Klägerin bedurfte die angefochtene Beanstandungsverfügung keiner weitergehenden Begründung. Im vorliegenden Fall ist das Ermessen auf ein Einschreiten gerichtet (sog. intendiertes Ermessen). Ist eine Ermessensvorschrift dahin auszulegen, dass sie für den Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne ausgeht, so müssen besondere Gründe vorliegen, um eine gegenteilige Entscheidung zu rechtfertigen. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis der Abwägung von selbst; in diesem Fall bedarf es auch keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung. Die das Ermessen des Beklagten lenkenden Vorgaben im dargestellten Sinne sind im vorliegenden Fall den Art. 20 Abs. 3 GG, 2 Abs. 2, 57 Abs. 5 Nds. Verfassung zu entnehmen. Hiernach hat die Kommunalaufsicht des Landes sicherzustellen, dass die Gemeinden die geltenden Gesetze beachten. Dieses Verfassungsgebot erfordert bei eindeutigen Rechtsverstößen ein Einschreiten der Kommunalaufsicht; die Sollvorschrift des § 127 Abs. 1 Satz 3 NGO muss deshalb bei materiellen Gesetzesverletzungen zurücktreten. Dies steht auch im Einklang mit der verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, 57 Abs. 1 Nds. Verfassung), da diese nur "im Rahmen der Gesetze" gewährleistet ist (vgl. Beschluss des Senats vom 08.02.2011, a. a. O., m. w. N.). Hinzu kommt vorliegend, dass der Beklagte die - vergleichbare - Vorgehensweise der Klägerin bei der "Kapellenstraße" bereits in der Vergangenheit beanstandet hatte und diese Beanstandung rechtskräftig gerichtlich bestätigt wurde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.