Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.03.2014, Az.: 13 LC 110/13
Verwendung eines nicht als Lebensmittelzusatzstoff zugelassenen Gemüsekonzentrats als Ersatz für Nitritpökelsalz bei der Herstellung von Bio Kochschinken bzw. Bio Fleischwurst
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 25.03.2014
- Aktenzeichen
- 13 LC 110/13
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 14569
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2014:0325.13LC110.13.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 10.12.2015 - AZ: BVerwG 3 C 7.14
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 LFBG
- § 39 Abs. 1 S. 1 LFBG
- § 39 Abs. 2 S. 1, 2 Nr. 3 LFBG
- Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO 1333/2008/EG
- Art. 4 Abs. 1 VO 1333/2008/EG
- Art. 5 VO 1333/2008/EG
- § 5 Abs. 1 S. 1 LMKV
Fundstellen
- DVBl 2014, 733-735
- DÖV 2014, 580
- LMuR 2014, 224
- NdsVBl 2014, 245-248
- NordÖR 2014, 368
- StoffR 2014, 164
- ZLR 2014, 595-609
Amtlicher Leitsatz
Die Verwendung eines nicht als Lebensmittelzusatzstoff zugelassenen Gemüsekonzentrats als Ersatz für Nitritpökelsalz bei der Herstellung von Bio Kochschinken bzw. Bio Fleischwurst verstößt gegen die Vorgaben der VO (EG) Nr. 1333/2008.
Tenor:
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 9. Kammer - vom 9. April 2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festgesetzten Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen eine lebensmittelrechtliche Anordnung des Beklagten.
Sie stellt Fleischwaren her und verwendet für die Herstellung von Kochschinken und Fleischwurst u. a. die seit 2005 im Handel erhältliche "Bio-Gemüsemischung" und das "Bio-Gemüsesaftkonzentrat" der Firma E.. Die Verwendung dieser Produkte beruht auf Herstellungsanleitungen des biologischen Anbauverbandes "Bioland". Die trockene Gemüsemischung (Pulver) und das Gemüsesaftkonzentrat sind nicht als Lebensmittelzusatzstoffe zugelassen. Sie werden durch den Entzug von Wasser aus nitrathaltigen Gewürzen und Gemüsen gewonnen. Indem die Gemüsemischung bzw. das Gemüsesaftkonzentrat jeweils nebst Starterkulturen aus Mikroorganismen der Lake für die Fleischzubereitung zugegeben werden, entsteht in den Fleischwaren ein Pökelaroma und sie erhalten eine stabile Färbung. Bei diesem Vorgang wird das in der Gemüsemischung bzw. dem Gemüsesaftkonzentrat enthaltene Nitrat mikrobiell u. a. in Nitrit umgewandelt. Der Gehalt an Nitrit im fertigen Fleischprodukt liegt teilweise niedriger als bei der Zugabe des als Lebensmittelzusatzstoff zugelassenen Nitrits.
Am 1. Juli 2010 nahm der Beklagte jeweils eine Probe des nach Herstellungsanleitung produzierten "Bioland-Kochschinken-Aufschnitt" sowie der "Bioland-Fleischwurst" und ließ die Proben beim Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz (LAVES) analysieren. Das LAVES beanstandete mit Vorabmitteilung vom 8. Juli 2010 beide Proben im Wesentlichen damit, dass beide Lebensmittel nicht verkehrsfähig seien. Sie enthielten nicht zugelassene Lebensmittelzusatzstoffe.
Unter dem 25. August 2010 nahm der Beklagte eine Probe des Bio-Gemüsesaftkonzentrats und der Bio-Gemüsemischung der Firma E.. Das LAVES berichtete jeweils unter dem 14. März 2011 über die Begutachtung der Proben.
Nach vorheriger Anhörung untersagte der Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 16. Mai 2011 unter Androhung eines Zwangsgeldes von 500 Euro je hergestelltem Produkt das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von Erzeugnissen mit nicht zugelassenen Zusatzstoffen. Dies gelte insbesondere für die Verwendung von "Bio-Gemüsesaftkonzentrat" und "Bio-Gemüsemischung". Er verwies darauf, die beanstandeten Erzeugnisse seien mit nicht zugelassenen Zusatzstoffen hergestellt worden. Nach einer Mitteilung des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vom 9. Juni 2010 an die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen obersten Landesbehörden vertrete die Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" die Auffassung, dass es sich bei derartigen Herstellungsverfahren um eine Zusatzstoffanwendung handele, die den zusatzstoffrechtlichen Vorschriften unterliege.
Am 8. Juni 2011 hat die Klägerin Klage erhoben.
Zur Begründung hat sie vorgetragen, die von ihr verwendeten und vom Beklagten beanstandeten Stoffe seien keine Zusatzstoffe im Sinne des LFGB. Sie seien vielmehr selbst Lebensmittel, nämlich Gemüse und Gewürze. Der Fermentierungsprozess von Nitrat zu Nitrit trete beim Verzehr von rohen Gemüse und Gewürzen immer auch natürlich auf. Starterkulturen seien ohnehin nach § 6 Abs. 2 LFGB keine Zusatzstoffe. Die eingesetzten Bakterien würden seit Jahrzehnten bei der Fleischwarenherstellung verwendet und seien typische Lebensmittelzutat. Der Beklagte versuche, die gesetzliche Freistellung von Lebensmitteln als Zutat dadurch zu umgehen, indem er allein auf den technologischen Effekt, das Herstellen von Nitrit, abstelle, aber den natürlichen Entstehungsprozess des Nitrits ausblende. Nach dieser Auffassung des Beklagten wären zahlreiche andere Lebensmittel wegen des Fermentierungsprozesses nicht verkehrsfähig.
Die Klägerin hat beantragt,
die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 16. Mai 2011 aufzuheben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Bewertung als Zusatzstoff sei nach den Gründen für seine Verwendung im konkreten Einzelfall zu beurteilen. Bei den von der Klägerin verwendeten Stoffen handele es sich nicht um Gemüse oder Gewürze üblicher Beschaffenheit, sondern um ein daraus hergestelltes Pulver bzw. Konzentrat, deren Herstellung bewusst darauf angelegt sei, den Nitratgehalt zu erhöhen. Das "Bio-Gemüsesaftkonzentrat" habe einen Nitratgehalt von 2.714 mg/kg und das als "Bio-Gemüsemischung" bezeichnete Pulver einen Nitratgehalt von 7.771 mg/kg. Für die Frage, ob es sich um einen Zusatzstoff handele oder nicht, sei entscheidend, ob der zugesetzte Stoff selbst als Lebensmittel verzehrt werden könne oder nicht. Gemüse werde nicht in Pulverform konsumiert. Gemüsesäfte würden in konzentrierter Form nicht aus besonders nitratreichen Gemüsen wie Kopfsalat oder Spinat hergestellt. Die verwendeten Bio-Produkte seien ferner nicht typische Zutaten von Fleischerzeugnissen. Nitrat sei als Zusatzstoff nur für nicht wärmebehandelte Fleischerzeugnisse zugelassen, Kochschinken und Fleischwurst würden aber hitzebehandelt. Außerdem werde die von der Klägerin erwünschte Wirkung nur dadurch erzielt, dass neben den nitrathaltigen Gemüse- und Gewürz-Stoffen nitratreduzierende Bakterien beigegeben würden. Die für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Landesbehörden seien sich in der Einschätzung der von der Klägerin verwendeten Stoffe einig. Ähnlich sei der Standpunkt der Europäischen Union.
Mit Urteil vom 9. April 2013, das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 7. Mai 2013 zugestellt wurde, hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Der Beklagte könne seine Verfügung auf § 39 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Nr. 3 LFGB stützen. Bei den von der Klägerin hergestellten Produkten, Kochschinken und Fleischwust, handele es sich um Lebensmittel, in denen Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne des Art. 5 VO (EG) 1333/2008 vorhanden seien. Die Verwendung von Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat stehe mit dieser Vorschrift nicht in Einklang, da beide nicht in der Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe nach Art. 4 Abs. 1 der genannten Verordnung aufgeführt seien. Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Verwendung als Zutat handele es sich um "Stoffe" im Sinne dieser Vorschrift. Die Gemüsemischung und das Gemüsesaftkonzentrat würden den Lebensmitteln aus technologischen Gründen zugesetzt, da in die behandelten Fleischwaren auf diese Weise Nitrat eingelagert werde, das anschließend in Nitrit umgewandelt werde und dadurch ein Pökelaroma entstehen lasse sowie eine stabile Färbung der Fleischware hervorrufe. Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat würden in der Regel nicht selbst als Lebensmittel verzehrt. In diesem Zusammenhang könne nicht auf den Zustand der Gewürze und des Gemüses vor ihrer Trocknung bzw. Konzentrierung abgestellt werden, da es auf die Eigenschaften bei ihrer Verwendung ankomme. Auch aus dem Erwägungsgrund Nr. 5 der VO (EG) 1333/2008 ergebe sich nichts Gegenteiliges. Art. 6 Abs. 4 B der Richtlinie 79/112/EWG des Rates kläre nicht den Begriff des Lebensmittelzusatzstoffes, sondern lediglich, welche Angaben für das Verzeichnis der Zutaten maßgeblich seien. Auch der Umstand, dass der Entwickler der Gemüsemischung und des Konzentrats seine Produkte täglich - mit Wasser verdünnt - zu sich nehme, betreffe bereits einen anderen "Stoff" und belege keinen regelmäßigen Verzehr durch eine breite Bevölkerungsgruppe. Die Gemüsemischung und das Gemüsesaftkonzentrat würden in der Regel auch nicht als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet. Die dafür geforderte prägende Wirkung der Zutaten ließen sich weder den Produktnamen noch den Zusätzen "Bioland" bzw. "Bio" entnehmen. Sie dienten lediglich als Ersatz für im Zubereitungsprozess erforderliche Stoffe und seien selbst weder für den Namen noch für den Inhalt der Lebensmittel charakteristisch. Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat seien auch nicht durch Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) 1333/2008 von der Einordnung als Lebensmittelzusatzstoff ausgenommen. Die beanstandeten Stoffe würden dem Kochschinken und der Fleischwurst gerade wegen der erwünschten Umrötung beigegeben und sie erzielten nicht bloß eine färbende Nebenwirkung. Für die Umrötung seien auch nicht die aromatisierenden, geschmacklichen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften der beanstandeten Stoffe maßgeblich. Diese Eigenschaften stellten nicht die Hauptfunktion der von der Beklagten beanstandeten Stoffe dar. Das Pökelaroma der Fleischwaren werde zudem nicht als Substanz (Aroma oder Geschmacksstoff) zugefügt, sondern sei Folge der vorherigen Fermentierung.
Das Verwaltungsgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.
Am 4. Juni 2013 hat die Klägerin Berufung eingelegt.
Zur Begründung verweist sie auf ihren erstinstanzlichen Vortrag und ergänzt ihr Vorbringen unter Hinweis auf ein beigefügtes Gutachten des F. vom 9. Juli 2013 sowie auf dessen weitere Stellungnahme vom 18. Februar 2014.
Obwohl das von ihr angewandte Verfahren bundesweit von einer Vielzahl von Fleischwarenherstellern praktiziert werde, sei der Beklagte bisher der einzige, der ein Untersagungsverfahren durchgeführt habe. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts verwende sie eine Zutat und keinen Zusatzstoff. Gemüsesaftkonzentrate und Gemüsemischung würden sehr wohl als Lebensmittel eingesetzt. Die aus dem Oktober 1981 stammenden Leitsätze für Gemüsesaft und Gemüsenektar sähen vor, dass Gemüsesaft auch aus konzentriertem Gemüsesaft oder konzentriertem Gemüsemark hergestellt werden könne. Gemüsesaftkonzentrate und Gemüsemischung seien selbstverständliche Zutaten einer Vielzahl von Lebensmitteln. Stoffe, die selbst als Lebensmittel verzehrt oder als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet würden, änderten ihren Charakter nicht dadurch, dass sie für lebensmitteltechnologische Zwecke eingesetzt würden. Eine Reihe von charakteristischen Lebensmittelzutaten hätten vielfältige technologische Wirkungen. Zu weit gehe die Argumentation des Verwaltungsgerichts, wenn es davon ausgehe, dass die Charakteristik einer Lebensmittelzutat eine entsprechende Erwähnung im Namen des Lebensmittels erfordere. So seien Sellerie und Petersilie charakteristische Zutat quasi jeder Wurstware, auch wenn diese nicht im Namen dieser Wurstwaren erschienen. Auch die Ablehnung der Anwendbarkeit des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) Nr. 1333/2008 sei verfehlt. Es könne nicht ernstlich bezweifelt werden, dass die Beigabe von Gemüsesaft bzw. -pulver auch aromatisierende, geschmackliche und ernährungsphysiologische Wirkungen habe. Die Annahme des Verwaltungsgerichts, die färbende Wirkung sei nicht Neben-, sondern Hauptwirkung des Einsatzes, gehe an dessen maßgeblichen Zweck vorbei. Dieser bestehe in der Erzeugung des typischen Pökelaromas und in der Vermeidung von Fettverderb (antioxidative Wirkung). Ziel der Beigabe sei es, für Verbraucher ökologischer Lebensmittel eine Alternative zur Verwendung von Natriumnitrit bzw. Natriumnitrat anzubieten. Die Herstellung gepökelter Wurst- und Fleischwaren setze die Verwendung von Nitrat bzw. Nitrit voraus. Ihr, der Klägerin, Ziel sei es, das Nitrat durch die Verwendung natürlicher Lebensmittel, also durch die Verwendung von Gemüse, zu ersetzen. Es sei auch unstrittig, dass der Gehalt an Nitrit in ihren fertigen Fleischprodukten niedriger sei als bei Zugabe des als Lebensmittelzusatzstoff zugelassenen künstlichen Nitrits. Damit komme sie den Forderungen der Verbraucher nach, den Einsatz von Zusatzstoffen in der Verarbeitung von biologischen Lebensmitteln zu reduzieren. Die Färbung trete als unvermeidbare Nebenwirkung auf, könne aber nicht als der verfolgte Hauptzweck charakterisiert werden. Im Übrigen würden färbende Gemüsesaftkonzentrate, z.B. aus Roten Beten oder Schwarzen Karotten, ungeachtet ihrer ausschließlich färbenden Eigenschaften, lebensmittelrechtlich als Zutat eingestuft. Bei der Auslegung des Art. 3 der VO (EG) Nr. 1333/2008 durch das Verwaltungsgericht seien der Erwägungsgrund 5 und das Ziel dieser Verordnung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Als Zubereitungen aus Lebensmitteln gälten Gemüsesaftkonzentrate und Gemüsemischung nur dann als Zusatzstoffe, wenn sie Gegenstand einer "selektiven Extraktion" seien. Dies sei aber nicht der Fall, da nicht die färbenden Inhaltsstoffe angereichert, sondern Gemüsesaftkonzentrat und Gemüsemischung in ihrer ernährungsphysiologischen Gesamtheit erhalten blieben und ihnen lediglich Wasser entzogen werde, um ein haltbares Konzentrat oder Pulver zu erhalten. Der europäische Gesetzgeber habe mit diesem Erwägungsgrund deutlich gemacht, dass der Einsatz natürlicher Zutaten dem Einsatz künstlicher Stoffe vorzuziehen sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 9. Kammer - vom 9. April 2013 zu ändern und die Untersagungsverfügung des Beklagten vom 16. Mai 2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Es sei nicht zutreffend, dass ausschließlich die Lebensmittelüberwachungsbehörde des Beklagten ein Untersagungsverfahren durchgeführt habe. In verschiedenen anderen Fällen hätten die betroffenen Unternehmen die Produktion bzw. das Inverkehrbringen ihrer Produkte jedoch aufgrund des drohenden Verfahrens eingestellt. Auch werde in Baden-Württemberg der Ausgang des vorliegenden Verfahrens bzw. eines Petitionsverfahrens im dortigen Landtag abgewartet, bevor weitere Maßnahmen ergriffen würden. Zudem entspreche das Vorgehen der Rechtsauffassung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit sowie der Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe". Im vorliegenden Fall gehe es nicht um die allgemeine Einordnung von Gemüsesäften oder Gemüsesaftkonzentraten als Lebensmittel und auch nicht darum, ob die von der Klägerin verwendeten nitratreichen "Stoffe" theoretisch in rekonstituierter Form zum menschlichen Verzehr geeignet seien. Vielmehr sei zu prüfen, ob die in Rede stehenden "Stoffe" in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt würden. Letzteres könne den Ausführungen der Klägerin nicht entnommen werden. Die Lebensmittel Rote Bete und Spinat würden häufig (in getrockneter Form) wegen ihrer färbenden Eigenschaften in anderen Lebensmitteln verarbeitet, bei Petersilie und Sellerie stünden die geschmackgebenden Eigenschaften im Vordergrund. Beides sei weder bei dem verwendeten Saftkonzentrat noch bei der zugegebenen Gemüsemischung der Fall. Beide Stoffe dienten offenkundig nicht der Erzielung einer spezifischen Geschmacksnote, was sich auch daraus ergebe, dass die üblichen Gewürze wie gewohnt zugegeben würden. Da auch keine sonstigen ernährungsphysiologisch relevanten Gründe für ihre Verarbeitung zu erkennen seien, dienten sie ausschließlich als Ersatz für das ansonsten bei umgeröteten Fleischerzeugnissen übliche und zugelassene Nitrit (Nitritpökelsalz). Entgegen der Auffassung der Klägerin könne die Art und Weise der Verwendung eines Stoffes sehr wohl dazu führen, dass sich sein rechtlicher Charakter ändere. Die Zuordnung eines Stoffes zu den Lebensmittelzusatzstoffen sei nach dem aktuell geltenden Zusatzstoffrecht nicht mehr abstrakt nach seiner allgemeinen Zweckbestimmung, sondern nach den Gründen seiner Verwendung im konkreten Einzelfall vorzunehmen. Aus den Leitsätzen für Fleisch- und Fleischerzeugnisse aus dem Jahre 1974, die ausdrücklich keine Rechtsnormen seien, könne für diese Abgrenzung nichts hergeleitet werden. Dass die von der Klägerin verwendeten Stoffe nur als Nitratquelle fungierten, ergebe sich auch daraus, dass der Zweck ihres Zusatzes (Umrötung, Farbstabilisierung) nur dann erreicht werde, wenn sie zusammen mit Nitrat reduzierenden Bakterien eingesetzt würden, die das erforderliche Nitrit bildeten. Wäre hingegen die Würzung der Fleischprodukte der eigentliche Verwendungszweck, so bedürfte es zudem nicht der vorgesehenen Reifungsphase. Bei den verwendeten Stoffen handele es sich auch nicht um charakteristische Zutaten. Gewürze, die aufgrund ihrer spezifischen geschmacklichen und geruchlichen Eigenschaften verarbeitet würden, seien unstrittig Stoffe, die in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt würden und schon deshalb keine Zusatzstoffe. Als Beispiele für charakteristische Zutaten seien Sellerie und Petersilie daher ungeeignet. Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) Nr. 1333/2008 sei nicht anwendbar, da es sich bei der Umrötung nicht um eine - in der Regel durch Farbpigmente hervorgerufene - färbende Nebenwirkung der verwendeten Stoffe, sondern um einen chemischen Prozess handele, der die vorhandene Fleischfarbe stabilisiere. Nitrit habe keine färbende, sondern neben seiner konservierenden Haupt- auch eine farbstabilisierende Nebenwirkung. Dabei sei unerheblich, ob das Nitrit direkt als Nitritpökelsalz zugesetzt werde oder mittelbar durch Nitrat reduzierende Bakterien aus nitrathaltigen Stoffen während der Verarbeitung gebildet werde. Anders als in § 2 LMBG werde in Art. 3 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a der VO (EG) Nr. 1333/2008 nicht zwischen natürlichen und künstlichen Stoffen unterschieden, entscheidend sei vielmehr der konkrete Verwendungszweck. Die mit dem technologischen Einsatzzweck einhergehende Einordnung als Lebensmittelzusatzstoff entspreche auch dem Willen des europäischen Verordnungsgebers.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Klägerin ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid des Beklagten vom 16. Mai 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Der Beklagte hat seine Verfügung zutreffend auf § 39 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 3 des Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuchs - LFGB - gestützt. Nach dieser Bestimmung ist es Aufgabe der zuständigen Behörden, die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich des LFGB zu überwachen. Sie treffen die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Dazu können sie insbesondere das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten.
Zu den in diesem Sinne zu vollziehenden Vorschriften gehört die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 vom 16. Dezember 2008 (ABl. L 354/16 vom 31. Dezember 2008). Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 bestimmt, dass nur die in der Gemeinschaftsliste in Anhang II aufgeführten Lebensmittelzusatzstoffe unter den darin festgelegten Bedingungen in Lebensmitteln verwendet werden dürfen. Nach Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008 darf niemand einen Lebensmittelzusatzstoff oder ein Lebensmittel, in dem ein Lebensmittelzusatzstoff vorhanden ist, in Verkehr bringen, wenn die Verwendung des Lebensmittelzusatzstoffs nicht mit der Verordnung in Einklang steht.
Die VO (EG) Nr. 1333/2008 gilt auch zu dem für die Entscheidung über diesen Dauerverwaltungsakt maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat. Nach Art. 35 Satz 2 der Verordnung beanspruchen die vorgenannten Vorschriften der Verordnung Geltung ab dem 20. Januar 2010. Anhang II, auf den Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Bezug nimmt, gilt nach Art. 2 der ändernden VO (EU) Nr. 1129/2011 (ABl. L 295/1 vom 12. November 2011) ab dem 1. Juni 2013. Die im Übergangszeitraum durch die Regelung des Art. 34 der VO Nr. 1333/2008 hervorgerufene Problematik einer parallelen Geltung zweier Verbotsordnungen (vgl. dazu Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Vorbem. 3 ff., Art. 4, Rdnr. 4 f., Loseblatt, Stand März 2010) besteht mithin nicht mehr.
Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich bei den von ihr hergestellten Produkten - Kochschinken und Fleischwurst - um Lebensmittel, in denen Lebensmittelzusatzstoffe im Sinne von Art. 5 VO (EG) Nr. 1333/2008 vorhanden sind. Die Verwendung von Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat steht mit dieser Vorschrift nicht im Einklang, da sie nicht in der Liste der zugelassenen Lebensmittelzusatzstoffe nach Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1333/2008 aufgeführt sind.
Nach Art. 3 Abs. 2 Buchst a) VO (EG) Nr. 1333/2008 ist ein Lebensmittelzusatzstoff ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.
Die Gemüsemischung und das Gemüsesaftkonzentrat sind Stoffe im Sinne dieser Regelung. Ebenso wie im Rahmen der Begriffsbestimmung für Lebensmittel in Art. 2 der VO (EG) 178/2002 ist der Begriff Stoff im weitesten Umfang zu verstehen. Erfasst werden neben chemischen Verbindungen auch Stoffgemische, gleich ob fest, flüssig oder gasförmig (vgl. Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, Art. 2 Basis-VO, Rdnr. 5; Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 14, Loseblatt, Stand März 2012).
Gemüsemischung bzw. Gemüsesaftkonzentrat werden einem Lebensmittel - hier Kochschinken-Aufschnitt und Fleischwurst - bei dessen Herstellung absichtlich zugesetzt (vgl. zur Abgrenzung zu den Verarbeitungshilfsstoffen: Senatsbeschl. v. 5. August 2010 - 13 ME 85/10 -, [...]; VG Bremen, Urt. v. 12. Juli 2012 - 5 K 2030/09 -, [...]). Dies geschieht auch "aus technologischen Gründen". Durch die Zugabe von Gemüsemischung bzw. Gemüsesaftkonzentrat wird in den behandelten Fleischwaren Nitrat eingelagert, das anschließend mit Hilfe ebenfalls zugesetzter Bakterien in Nitrit umgewandelt wird. Auf diesem Wege entsteht ein Pökelaroma und die Fleischware erhält eine stabile Färbung (Umrötung). Damit ist die für Lebensmittelzusatzstoffe definierte Funktionsklasse 24 (Stabilisatoren) des Anhangs I der VO (EG) 1333/2008 erfüllt. Des Weiteren wirkt die Nitritbildung dem Fettverderb entgegen und stellt damit ein Antioxidationsmittel dar (Funktionsklasse 4). Die Funktionsklasse 3 (Konservierungsstoffe) wird wegen einer zu geringen Nitritkonzentration hingegen nicht erfüllt. Wie ausgeführt, wird auch das Pökelaroma durch den beschriebenen chemischen Umwandlungsprozess hervorgerufen und beruht damit auf einer technologischen Wirkung der zugegebenen Stoffe. Der Anhang I der Verordnung ist nicht abschließend. Die genannten technologischen Wirkungen sind Zweck der Zusetzung der Gemüsemischung und des Gemüsesaftkonzentrats. So hat die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausdrücklich ausgeführt, Ziel der Beigabe sei es, für Verbraucher ökologischer Lebensmittel eine Alternative zur Verwendung der Zusatzstoffe E 250 und E 252 (Natriumnitrit bzw. -nitrat) anzubieten. Die Herstellung von gepökelten Wurst- und Fleischwaren setze aber die Verwendung von Nitrat bzw. Nitrit voraus. Ziel des Einsatzes der Gemüsesaftkonzentrate durch die Klägerin sei es, das Nitrat durch Verwendung natürlicher Lebensmittel, also durch die Verwendung von Gemüse, zu ersetzen (Bl. 186 d. GA). Die beschriebenen technologischen Wirkungen der Umwandlung von Nitrat in Nitrit (Pökelaroma, Farbstabilisierung, Antioxidationsmittel), die den Charakter gepökelter Wurst- und Fleischwaren gerade ausmachen und üblicherweise durch die direkte Zugabe von Nitrat bzw. Nitrit hervorgerufen werden, sind mithin erklärtes Ziel des Einsatzes von Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat. Dies wird darüber hinaus durch die ergänzende Zugabe von Bakterien belegt, die die Umwandlung von Nitrat in Nitrit bewirken.
Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat scheiden auch nicht deshalb als Lebensmittelzusatzstoffe aus, weil sie in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt werden.
Maßgebend für diese Ausnahme ist nicht der Verzehr im Einzelfall. Abzustellen ist vielmehr auf eine generelle Betrachtungsweise. Ob der Stoff häufig oder nur selten selbst verzehrt wird, hat keine Bedeutung. Der Begriff "in der Regel" setzt ebenso wie die Begriffe "normally" und "habituellement" in der englischen bzw. französischen Fassung eine Kontinuität in zeitlicher Hinsicht voraus, nicht jedoch eine bestimmte Menge. Nicht vom Begriff des Lebensmittelzusatzstoffes ausgenommen sind indes Stoffe, die kurzfristig oder lediglich zu dem Zweck, einer Zuordnung zu den Lebensmittelzusatzstoffen zu entgehen, als selbständige Lebensmittel angeboten und auch verzehrt werden (vgl. Wehlau, a.a.O., § 2, Rdnr. 149; Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 20, Loseblatt, Stand November 2011).
Es kommt in diesem Zusammenhang auch nach Auffassung des Senats nicht darauf an, ob Gemüse vor seiner Trocknung (Gemüsemischung) oder Konzentrierung (Gemüsesaftkonzentrat) selbst in der Regel als Lebensmittel verzehrt werden. Der Beurteilung unterliegt vielmehr der konkret verwendete Stoff auf der Verarbeitungsstufe, in der er dem Lebensmittel zugesetzt wird (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 19, Loseblatt, Stand November 2011). Den von der Klägerin hergestellten Fleischwaren wird nicht Gemüse oder Gemüsesaft, sondern Gemüsepulver (Gemüsemischung) und Gemüsesaftkonzentrat zugesetzt. Dafür, dass diese Stoffe in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt werden, fehlt jeder Anhaltspunkt. Gemüse und Erzeugnisse aus Gemüse einschließlich Gemüsesäfte werden in der Regel aufgrund ihrer geschmacklichen, geruchlichen, ernährungsphysiologischen und optischen Eigenschaften verzehrt. Aufgrund gesundheitlicher Erwägungen gilt es, dabei die Nitrataufnahme über Gemüse so gering wie möglich zu halten. Vor diesem Hintergrund kann ausgeschlossen werden, dass die hier in Rede stehende Gemüsemischung bzw. das Gemüsesaftkonzentrat, für dessen Verzehr weder geschmackliche, geruchliche noch optische Gesichtspunkte sprechen und deren Nitratgehalt aufgrund des Konzentrationsprozesses stark erhöht ist, in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt werden. Entsprechende Nachweise ist die Klägerin auch schuldig geblieben. Das von ihr vorgelegte Gutachten des F. betont mehrfach, dass ein entsprechender Verzehr unüblich ist. Auch der Verweis auf Ziffer I. A. Nr. 3 der Leitsätze für Gemüsesaft und Gemüsenektar vom 28./29. Oktober 1981 (GMBl. Nr. 21 v. 15. Juli 1982, S. 366, zuletzt geändert am 17. April 1997, GMBl. Nr. 45 v. 19. Dezember 1997, S. 871), der zufolge konzentrierter Gemüsesaft und konzentriertes Gemüsemark Ausgangsstoffe für Gemüsesaft sein können, belegt, dass es sich insoweit um einen anderen Stoff - eben einen Ausgangsstoff - handelt.
Selbst wenn man mit der Klägerin auf den Verzehr der konkret in Rede stehenden Stoffe in durch Wasserzugabe rekonstituierter Weise abstellt, spricht nichts für einen selbständigen Verzehr der konkreten Gemüsemischung bzw. des Gemüsesaftkonzentrats als Lebensmittel. Dem Vortrag der Klägerin lässt sich nicht entnehmen, dass diese Produkte überhaupt für einen Verzehr durch den Endverbraucher vermarktet werden. Vielmehr belegen die auf den untersuchten Packungen aufgefundenen Etikette (BeiA, Bl. 57 f.), dass sowohl das Bio-Gemüsesaftkonzentrat als auch die Bio-Gemüsemischung ausschließlich für Fleischwaren bestimmt sind, die ohne Nitritpökelsalz hergestellt werden und nach Herstellanleitung zusammen mit den entsprechenden Starterkulturen zu verwenden sind. Angaben dazu, auf welche Weise das Pulver bzw. Konzentrat in den verzehrfähigen Zustand zurückversetzt werden können, enthalten weder die aufgefundenen Etiketten, noch hat die Klägerin oder der von ihr beauftragte Gutachter F. dazu konkrete Angaben gemacht. Für einen Verzehr durch einen breiteren Personenkreis bestehen mithin keinerlei Anhaltspunkte. Der generelle Verweis auf den gängigen Konsum von Gemüsesäften und - nach entsprechender Zugabe von Wasser - zum Verzehr hergestellter Konzentrate reicht insoweit nicht aus. Wenn - wie erstinstanzlich vorgetragen - der Entwickler der Gemüsemischung und des Konzentrats seine Produkte täglich mit Wasser verdünnt zu sich nimmt, belegt dies nicht ein auch quantitativ erforderliches gewohnheitsmäßiges Verhalten. Die Verzehrgewohnheiten nur eines beschränkten Personenkreises oder gar einer Einzelperson reichen insoweit nicht aus. Allein der Umstand, dass ein Stoff möglicherweise selbständig verzehrfähig ist, nimmt ihm nicht seine Eigenschaft als Zusatzstoff.
Der Einordnung der beanstandeten Stoffe als Lebensmittelzusatzstoffe steht auch nicht deren bestimmungsgemäßer Gebrauch entgegen. Sofern die Klägerin damit auf die bei Anwendung des bis zum 6. September 2005 geltenden § 2 Abs. 1 LMBG 1974 herrschende abstrakte Betrachtungsweise ("einmal Zusatzstoff, immer Zusatzstoff / einmal Nicht-Zusatzstoff, immer Nicht-Zusatzstoff") abstellt, führt dies nicht zum Erfolg der Berufung. Nach § 2 Abs. 1 LMBG 1974 waren Zusatzstoffe im Sinne dieses Gesetzes Stoffe, die dazu bestimmt sind, Lebensmitteln zur Beeinflussung ihrer Beschaffenheit oder zur Erzielung bestimmter Eigenschaften oder Wirkungen zugesetzt zu werden. Die daran anknüpfende abstrakte Betrachtungsweise, die auf die Zweckbestimmung nach allgemeiner Verkehrsauffassung der betreffenden Stoffe abstellte, ist einer konkreten Betrachtungsweise nach Maßgabe der Voraussetzungen des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) VO (EG) Nr. 1333/2008 gewichen (vgl. dazu eingehend: Wehlau, a.a.O., § 2, Rdnr. 138 ff.; Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 28 f., Loseblatt, Stand November 2011; a.A.: Meyer/Streinz, a.a.O., § 2 LFGB, Rdnr. 19 ff.; jew. m.w.N.). Dafür sprechen sowohl der Wortlaut der Regelung des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 1333/2008 als auch Art. 2 Abs. 2 Buchst. c) dieser Verordnung, der auch Stoffe, die Lebensmitteln zu Ernährungszwecken zugefügt werden, zu den Lebensmittelzusatzstoffen rechnet, wenn sie als solche verwendet werden. Das schließt eine abstrakte Zuordnung eines Stoffs als Lebensmittelzusatzstoff ebenso aus, wie eine abstrakte Verneinung dieser Eigenschaft (vgl. Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 2, Rdnr. 8 f., Loseblatt, Stand Juli 2012). Entscheidend für die Einordnung ist vielmehr die konkrete Verwendung des betreffenden Stoffes aus technologischen oder aus anderen Gründen im Einzelfall. Lediglich bei der Frage, ob ein Stoff in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird, kommen wiederum abstrakte Gesichtspunkte zum Tragen.
Selbst bei Anwendung einer insgesamt abstrakten Betrachtungsweise ist aber keine allgemeine Verkehrsauffassung erkennbar, die die konkret verwendete Gemüsemischung und das konkret verwendete Gemüsesaftkonzentrat einem anderen als den beschriebenen technologischen Hauptzwecken zuordnete, wie sich bereits aus der beschriebenen Beschriftung der untersuchten Packungen ergibt. Die zugesetzten Stoffe werden ersichtlich zum Zweck der Verwendung bei Fleischwaren hergestellt, die ohne die Zugabe von Nitritpökelsalz produziert werden.
Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat sind auch keine Stoffe, die in der Regel als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet werden. Dabei ist zunächst darauf hinzuweisen, dass - anders als der Vortrag der Klägerin dies andeutet - der Begriff der Zutat nicht im Gegensatz zum Begriff des Zusatzstoffes steht. Nach § 5 Abs. 1 S. 1 LMKV ist Zutat jeder Stoff, einschließlich der Zusatzstoffe und Enzyme [...], der bei der Herstellung oder Zubereitung eines Lebensmittels verwendet wird und - wenn auch möglicherweise in veränderter Form - im Enderzeugnis vorhanden bleibt. Dem entspricht es, wenn in Ziffer I. 2.2 der Leitsätze für Fleisch- und Fleischerzeugnisse vom 27./28. November 1974 (GMBl. Nr. 23 vom 25. Juli 1975, S. 489, zuletzt geändert am 8. Januar 2010, GMBl. Nr. 5/6 vom 4. Februar 2010, S. 120) von technologisch begründeten Zutaten die Rede ist.
Eine Lebensmittelzutat ist für ein Lebensmittel dann charakteristisch, wenn das Lebensmittel durch ihren Zusatz besondere, typische Eigenschaften erhält, die Zutat den Charakter des Lebensmittels mithin prägt (vgl. BVerwG, Urt. v. 25. Juli 2007 - 3 C 21.06 -, [...], Rdnr. 44, zu der fast wortgleichen Regelung des § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Ob ein Stoff prägend für ein Lebensmittel ist, lässt sich häufig bereits am Produktnamen festmachen, unter dem das Lebensmittel in Verkehr gebracht wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. März 2012 - 3 C 15.11 -, [...], Rdnr. 16 zu § 2 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 LFGB). Wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat, lässt sich die prägende Wirkung der Zutaten Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat den Produktnamen "Kochschinken-Aufschnitt" bzw. "Fleischwurst" nicht entnehmen. Auch die Zusätze "Bioland" bzw. "Bio-" deuten nicht auf die erforderliche Prägung hin. Etwas anderes könnte allenfalls dann gelten, wenn der Ersatz des Nitritsalzes durch die Gemüsemischung oder das Gemüsesaftkonzentrat ein Charakteristikum aller "Bio-Wurstwaren" wäre. Dies ist nach den Aussagen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht der Fall, da die verschiedenen Hersteller der "Bio-Branche" die Verwendung von künstlichem Nitritsalz unterschiedlich handhaben. Dessen Verwendung ist bei ökologisch/biologischer Produktion nach Abschnitt A des Anhangs VIII zur Verordnung (EG) Nr. 889/2008 ungeachtet des Ablaufs der Überprüfungsfrist des Art. 27 Abs. 3 Buchst. a) dieser Verordnung auch weiterhin zulässig. Der Verzicht auf Nitritsalz kann mithin lediglich als charakteristisch für Produkte des biologischen Anbauverbandes "Bioland" angesehen werden, was für die Annahme einer charakteristischen Zutat indes nicht ausreicht.
Andere Umstände (vgl. dazu: Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 23, Loseblatt, Stand November 2011) sprechen ebenfalls nicht für das Charakteristische der verwendeten Stoffe. Insbesondere wird ein Gemüsegeschmack der Fleischwaren weder hervorgerufen noch ist er beabsichtigt. Allerdings sind die charakteristische Färbung und das kennzeichnende Aroma von Pökelwaren mittelbare Folge der Zugabe der Gemüsemischung bzw. des Gemüsesaftkonzentrats. Diese auf technologischem Wege unter zusätzlicher Zugabe von Bakterien eintretenden Wirkungen sind jedoch Folge der Umwandlung von Nitrat in Nitrit und werden üblicherweise durch die direkte Zugabe von Nitritsalz hervorgerufen. Sie stellen mithin kein Charakteristikum der zugesetzten Stoffe dar.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat auch nicht gemäß Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) Nr. 1333/2008 von dieser Einordnung als Lebensmittelzusatzstoff ausgenommen. Nach dieser Bestimmung gelten "Lebensmittel, getrocknet oder in konzentrierter Form, einschließlich Aromen, die bei der Herstellung von zusammengesetzten Lebensmitteln wegen ihrer aromatisierenden, geschmacklichen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften beigegeben werden und eine färbende Nebenwirkung haben", nicht als Lebensmittelzusatzstoffe. Der Regelungsbereich dieser Ausnahmevorschrift greift mithin nur, wenn die Stoffe sowohl technologische als auch die Eigenschaften nach Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) Nr. 1333/2008 haben (Zipfel, Lebensmittelrecht, C 121, Art. 3, Rdnr. 45).
Für die Zugabe sind nicht die aromatisierenden, geschmacklichen oder ernährungsphysiologischen Eigenschaften der beanstandeten Stoffe maßgeblich, wie sie von Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) ii) der VO (EG) Nr. 1333/2008 vorausgesetzt werden. Allerdings wird mit der Beigabe der Gemüsemischung bzw. des Gemüsesaftkonzentrats auch die Erzielung des charakteristischen Pökelaromas bezweckt. Dieses Pökelaroma wird jedoch nicht als Substanz (Aroma oder Geschmacksstoff) zugefügt, sondern ist ebenfalls Folge des beschriebenen Umwandlungsprozesses. Es ist gerade nicht beabsichtigt, den betroffenen Fleischprodukten der Klägerin den Eigengeschmack der zugefügten Stoffe und damit deren aromatisierende oder geschmackliche Eigenschaften zu verleihen. Die Gemüsemischung hatte ausweislich des Befundes des Niedersächsischen Landesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 27. August 2010 (BeiA., Bl. 80 ff.) einen nur leicht würzigen Geschmack mit unbestimmter Kräuternote, während das Gemüsesaftkonzentrat im Geschmack leicht süßlich und sirupartig war (BeiA., Bl. 72 ff.). Dieser Geschmack findet sich in den Endprodukten nicht wieder. Ernährungsphysiologische Gründe liegen der Zugabe von Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat ebenfalls nicht zugrunde. Dass die beanstandeten Stoffe der Optimierung der Ernährung dienen, hat die Klägerin nicht darzulegen vermocht.
Gemüsemischung und Gemüsesaftkonzentrat haben zudem keine färbende Nebenwirkung. Allerdings gibt die Klägerin die beanstandeten Stoffe dem Kochschinken und der Fleischwurst im Wesentlichen wegen der erwünschten Umrötung bei. Die Umrötung vollzieht sich aber durch einen chemischen Prozess und damit gerade nicht als eine färbende Nebenwirkung, wie dies etwa bei der unmittelbaren Einlagerung eines Farbstoffs durch die Zugabe von Rote-Beete-Saft oder beim Würzen mit Paprikapulver der Fall ist. Eine färbende Nebenwirkung setzt färbende Eigenschaften des zugesetzten Stoffs in der Regel in der Form von Farbpigmenten voraus. Die in Rede stehende Gemüsemischung war ausweislich des Befundes des LAVES hell-oliv-grünlich, das Gemüsesaftkonzentrat grau-schwarz. Schon aufgrund dieser Eigenfarben kann den beiden Stoffen keine färbende Wirkung zugeschrieben werden, die zu rosafarbenen Fleischerzeugnissen führt. Die beabsichtigte Umrötung ist vielmehr ein chemischer Prozess, bei dem der im Fleisch vorhandene hitzelabile rote Muskelfarbstoff Myoglobin durch Nitrit in das hitzestabile, aber nach Erhitzung blassere, rosafarbene Nitrosomyoglobin umgewandelt wird. Der technologische Vorgang der Umrötung ist mithin kein färbender, wie bei einem Farbstoff, sondern ein stabilisierender, der die vorhandene Fleischfarbe stabilisiert. Er ist Haupt-, nicht Nebenwirkung der Zugabe der Gemüsemischung bzw. des Gemüsesaftkonzentrats.
Auch die Erwägungsgründe der VO (EG) Nr. 1333/2008 führen zu keinem anderen Ergebnis. Dies gilt insbesondere für den von der Klägerin herangezogenen Erwägungsgrund Nr. 5. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Erwägungsgründe keine Bestimmungen normativen Inhalts enthalten. Sie dienen der Begründung des Regelungsteils der Verordnung und können daher lediglich bei der Auslegung herangezogen werden. Nach Satz 4 des Erwägungsgrundes Nr. 5 soll die Verordnung nicht auf Stoffe Anwendung finden, die als Lebensmittel gelten und für einen technologischen Zweck verwendet werden, wie etwa Natriumchlorid oder Safran zum Färben, sowie Lebensmittelenzyme. Nach Satz 5 des Erwägungsgrundes Nr. 5 gelten dagegen Zubereitungen aus Lebensmitteln und anderen natürlichen Ausgangsstoffen, die in dem Enderzeugnis eine technologische Funktion erfüllen und die durch selektive Extraktion von Bestandteilen (z. B. Pigmenten) im Vergleich zu ihren ernährungsphysiologischen oder aromatisierenden Bestandteilen gewonnen werden, als Zusatzstoffe im Sinne dieser Verordnung. Satz 5 kann aber nicht so verstanden werden, dass die Zuordnung zu den Zusatzstoffen eine selektive Extraktion voraussetzt und andere aus Lebensmitteln gewonnene Konzentrate generell von der Behandlung als Lebensmittelzusatzstoff ausnimmt (so aber unter Verweis auf eine Stellungnahme der Natural Food Colours Association - NatCol - : Wehlau, a.a.O., § 2, Rdnr. 151). Anderenfalls würde das die Definition des Art. 3 Abs. 2 Buchst. a) der Verordnung prägende Unterscheidungskriterium des selbständigen Verzehrs als Lebensmittel überspielt, auf das auch Satz 1 des Erwägungsgrundes Nr. 5 hinweist. In Satz 5 des Erwägungsgrundes sind Zubereitungen aus Lebensmitteln nicht im Hinblick darauf bewertet, ob sie in der Regel selbst als Lebensmittel verzehrt werden. Nur wenn dies der Fall ist, werden nach dem maßgeblichen Regelungsteil der Verordnung die genannten Zubereitungen aus Lebensmitteln und anderen natürlichen Ausgangsstoffen nicht von den Regelungen über Lebensmittelzusatzstoffe erfasst. Eine generelle Bevorzugung natürlicher Zusatzstoffe gegenüber künstlichen Zusatzstoffen lässt sich dem Erwägungsgrund und dem Regelungsteil der Verordnung nicht entnehmen. Eine Unterscheidung zwischen natürlichen und künstlichen Zusatzstoffen nimmt die Verordnung nicht vor. Ob die Produkte der Klägerin einen geringeren Nitritgehalt aufweisen, als vergleichbare Produkte, denen Nitritsalz künstlich zugesetzt worden ist, ist für die Anwendung des Art. 3 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1333/2008 ohne Belang.
Die Einordnung der beanstandeten Stoffe als Lebensmittelzusatzstoffe und das Erfordernis der Einhaltung der für diese geltenden Regelungen entspricht auch der Auslegung des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit sowie der Kommissionsarbeitsgruppe "Lebensmittelzusatzstoffe" (vgl. SANCO/E3/WD/km D (2010) und SANCO-D1(06)D413447, GA, Bl. 40, 43; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz v. 9. Juni 2010, GA, Bl. 38). Aus dem von F. angeführten Urteil des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 20. November 2011 - 11 LB 689/01 - lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen, da sich diese Entscheidung lediglich mit der ordnungsgemäßen Kennzeichnung von zugesetztem jodiertem Nitritpökelsalz auf Grundlage der damaligen Rechtslage befasst. Auf die von F. ebenfalls thematisierte Handhabung der vorliegenden Problematik in den USA kommt es schon deshalb nicht an, weil sich die europäischen und US-amerikanischen Regelungen zur Lebensmittelsicherheit bekanntermaßen teilweise deutlich unterscheiden, die Klägerin ihre Produkte aber in der Europäischen Union herstellen und in den Verkehr bringen will. Damit ist sie dem europäischen Rechtsregime unterworfen. Ob dessen Regelungen im Hinblick auf die Zulassung alternativer Ersatzstoffe für Nitritpökelsalz für ökologisch/biologisch orientierte Herstellmethoden einer Änderung bedürfen, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Gerichtsverfahrens. Gleiches gilt für die Frage der Risiken der Verwendung von Nitritpökelsalz als Zusatzstoff.
Gegen die in der Untersagungsverfügung des Beklagten enthaltene Zwangsgeldandrohung sind Bedenken weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 und 2 ZPO.
Der Senat lässt die Revision nach § 132 Abs. 1 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zu. Grundsätzliche Bedeutung hat die Rechtssache, da zu der Rechtsfrage, ob und wann aus Lebensmitteln gewonnene Konzentrate Lebensmittelzusatzstoffe sind, in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bislang keine Entscheidung getroffen worden ist.