Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.12.2021, Az.: 7 B 3310/21
Bibliographie
- Gericht
- VG Oldenburg
- Datum
- 06.12.2021
- Aktenzeichen
- 7 B 3310/21
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2021, 71091
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 2 PflBG
- § 3 PflBG
- § 64 PflBG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Ein umfassendes Geständnis im Strafverfahren führt jedenfalls dann nicht zu einer günstigen Prognose für die zukünftige Berufsausübung, wenn es ersichtlich unter dem Druck fortgeschrittener strafrechtlicher Ermittlungen und des drohenden Verwaltungsverfahrens erfolgt.
2. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist eine über das gefahrenabwehrrechtliche Grundinteresse am Widerruf hinausgehende besondere Begründung er-forderlich, die insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen zur Abwehr einer sog. Interimsgefahr genügen muss (Fortführung Beschluss vom 11. September 2019 – 7 B 2431/19 –, juris).
Tenor:
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.
Der Streitwert wird auf 7.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Der Antragstellerin wurde mit Urkunde des Antragsgegners zum 7. August 2012 die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ erteilt.
Mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Mai 2021 (18 Ds 732 Js 10103/21 (50/21)) verurteilte das Amtsgericht B-Stadt die geständige Antragstellerin wegen Diebstahls in 15 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
Das Amtsgericht sah es als erwiesen an, dass die Antragstellerin in der Zeit zwischen dem 5. Juni und dem 20. Dezember 2020 als Pflegekraft der Caritas Sozialstation A-Stadt in 15 Fällen einem von der Sozialstation betreuten, zum damaligen Zeitpunkt 89- bzw. 90-jährigen und inzwischen verstorbenen Geschädigten an dessen Wohnanschrift Bargeld in Höhe von insgesamt 1.060,00 Euro entwendete, um es für sich zu behalten. Das Amtsgericht stellte fest, dass die Antragstellerin die Taten nicht nur beging, wenn sie vor Ort in ihrer Funktion als Pflegerin eingesetzt war, sondern auch zu anderen Gelegenheiten, wobei sie sich dann mit einem Nachschlüssel bzw. mit einem bei der Sozialstation hinterlegten Schlüssel Zugang zum Haus verschaffte. Weiterhin führte das Amtsgericht aus, dass die Antragstellerin die starke Seh- und Hörbeeinträchtigung des Geschädigten ausnutzte, um unbemerkt in dessen Räumlichkeiten zu gelangen und die Geldbeträge zu entwenden.
Mit Schreiben vom 21. Juli 2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er ein Verfahren zum Widerruf ihrer Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ zu führen, eingeleitet hat. Im Hinblick auf die Diebstähle, die Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts B-Stadt vom 27. Mai 2021 gewesen sind, sei die berufsrechtliche Zuverlässigkeit der Antragstellerin möglicherweise nicht länger festzustellen. Der Antragsgegner gab der Antragstellerin Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. August 2021 führte die Antragstellerin aus, dass aus der strafrechtlichen Verurteilung durch das Amtsgericht nicht der Schluss auf ihre berufsrechtliche Unzuverlässigkeit gezogen werden könne. Bei der insoweit anzustellenden Prognose sei u. a. positiv zu berücksichtigen, dass sie zuvor in all ihren Dienstjahren durch kein berufliches oder gar strafrechtlich relevantes Fehlverhalten aufgefallen ist. Zudem sei zweifelhaft, ob die Diebstähle – insbesondere die außerhalb ihrer Dienstzeit begangenen – überhaupt Verstöße gegen berufsspezifische Vorschriften und Pflichten darstellten. Im Übrigen ist sie im Rahmen des Strafverfahrens vollumfänglich geständig gewesen und hat bereits vor Beginn der Hauptverhandlung zu dem Sohn des Geschädigten Kontakt aufgenommen, um diesem den entwendeten Geldbetrag zu überweisen. Das Strafverfahren und die Verurteilung hätten bei ihr einen Reifeprozess hervorgerufen, sodass es einer verwaltungsrechtlichen Sanktionierung nicht mehr bedürfe. Insoweit sei auch zu berücksichtigen, dass das Amtsgericht die Gesamtfreiheitsstrafe in der Erwartung zur Bewährung aussetzte, dass sich die Antragstellerin die Verurteilung zur Warnung gereichen lasse und künftig nicht nochmals strafrechtlich in Erscheinung treten werde. Eine Wiederholungsgefahr könne wegen des von der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung ausgehenden Drucks nicht angenommen werden.
Mit Bescheid vom 20. September 2021 widerrief der Antragsgegner unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die der Antragstellerin erteilte Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“. Zur Begründung führt der Antragsgegner aus, dass sich die Antragstellerin durch die Diebstähle, die Gegenstand des Urteils des Amtsgerichts B-Stadt gewesen sind, eines Verhaltens schuldig gemacht habe, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergebe. Maßgeblich für die anzustellende Prognose seien nicht nur Pflichten, die bei der Behandlung der Patienten im engeren Sinne eine Rolle spielten, sondern jedes Verhalten, das berufsbezogen sei, also mit der eigentlichen beruflichen Tätigkeit im engen Zusammenhang stehe. Somit stellten die Diebstähle zulasten des Patienten schwerwiegende Verletzungen ihrer Berufspflicht dar. Besonders negativ fielen die Umstände der Tatbegehungen ins Gewicht. Die Antragstellerin habe die Diebstähle, die in regelmäßigen Abständen und über mehr als ein halbes Jahr stattfanden, nicht nur während, sondern auch außerhalb ihrer Dienstzeiten begangen und sich dabei mithilfe eines Nachschlüssels bzw. eines bei der Sozialstation hinterlegten Schlüssels eigenmächtig Zutritt zum Haus des Geschädigten verschafft. Sie habe zudem die schwere Seh- und Hörbeeinträchtigung des Geschädigten bewusst zur Begehung der Taten ausgenutzt und somit das ihr entgegengebrachte Vertrauen des Geschädigten wie auch der Sozialstation zum eigenen Vorteil missbraucht. Ihrem Geständnis vor dem Strafgericht dürfe demgegenüber keine übermäßige Bedeutung zugemessen werden, weil die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt nicht nur unter dem Druck des laufenden Strafverfahrens gestanden habe, sondern sich zugleich bereits über mögliche arbeitsrechtliche Konsequenzen bewusst sein musste. Dass die Antragstellerin zuvor ordentlich und vor allem strafrechtlich unauffällig gearbeitet habe, sei eine berufliche Selbstverständlichkeit. Im Übrigen stehe auch die Strafaussetzung zur Bewährung der negativen berufsrechtlichen Prognose nicht entgegen, denn die berufsrechtliche Zuverlässigkeit erfordere mehr als nur ein straffreies Verhalten. Zudem sei aufgrund der wiederholten erheblichen und vorsätzlichen Verletzungen der Pflichten der Antragstellerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung geboten. Neben dem Patientenschutz, mithin dem Schutzgut des Eigentums der Betreuten, sei auch der Vertrauensschutz der Bevölkerung in das Berufsbild betroffen. Dieses Vertrauen würde einen möglicherweise nicht wiedergutzumachenden Schaden nehmen, wenn die Antragstellerin weiterhin dem Beruf nachgehen dürfte. Hinter diesen schutzwürdigen öffentlichen Interessen habe die grundrechtlich verbürgte Berufsfreiheit der Antragstellerin an einer Weiterführung der Berufsbezeichnung zurückzustehen.
Die Antragstellerin hat gegen den Bescheid vom 20. September 2021 am 20. Oktober 2021 Klage im Hauptsacheverfahren 7 A 3309/21 erhoben und um Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nachgesucht. Sie wiederholt und vertieft ihre Begründung aus dem Verwaltungsverfahren. Insbesondere könne nicht von einem Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Geschädigten gesprochen werden, weil die Beziehung zu diesem überhaupt nicht von Vertrauen geprägt gewesen sei. Die Antragstellerin führt insoweit unter Rückgriff auf ihre bereits in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung getätigte Einlassung aus, dass der Geschädigte sie wiederholt beleidigt und insgesamt schlecht behandelt habe. Entsprechend seien die Diebstähle auch nur zulasten dieses Patienten verübt worden. Schließlich sei die Anordnung der sofortigen Vollziehung schon deshalb rechtswidrig und müsse die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt werden, weil der angegriffene Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung hinsichtlich des Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO enthalte.
Die Antragstellerin beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Er wiederholt und vertieft die Begründung aus dem Bescheid vom 20. September 2021. Insbesondere könne ein Vertrauensmissbrauch gegenüber dem Geschädigten nicht unter Verweis auf ein fehlendes Vertrauensverhältnis zwischen diesem und der Antragstellerin in Abrede gestellt werden. Selbst wenn Beleidigungen und Beschimpfungen erduldet werden mussten, so rechtfertige dies in keiner Weise die begangenen Straftaten. Soweit die Antragstellerin laut ihrer Einlassung im Strafverfahren den Geschädigten für sein unfreundliches Verhalten bestrafen wollte, weise dies vielmehr auf einen charakterlichen Mangel hin, der die Antragstellerin für den Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin disqualifiziere. Dieser erfordere im Umgang mit (stark) pflegebedürftigen Menschen Verständnis, Nachsicht und Respekt, sodass für Vergeltungsgedanken kein Platz sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten nimmt das Gericht auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Antragsgegners Bezug.
II.
Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bleibt ohne Erfolg. Er ist zwar zulässig, aber unbegründet.
Richtiger Antragsgegner ist das Niedersächsische Landesamt für Soziales, Jugend und Familie, denn die erhobene Anfechtungsklage sowie der entsprechende Eilantrag sind gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i. V. m. § 79 Abs. 2 Niedersächsisches Justizgesetz (NJG) gegen die den angegriffenen Bescheid erlassene Landesbehörde zu richten. Den ursprünglich gegen das Land Niedersachsen gerichteten Antrag durfte das Gericht im Wege der Rubrumsberichtigung nach Anhörung der Beteiligten richtigstellen. Die Bezeichnung der Beteiligten ist einer Klarstellung oder Auslegung zugänglich, eine bloße Berichtigung stellt keine Klage- bzw. Antragsänderung dar. Bei der Klarstellung bzw. Auslegung ist zu berücksichtigen, dass eine Klage bzw. ein Antrag nicht gegen den falschen, sondern den richtigen Beklagten/Antragsgegner gerichtet sein soll. Ist der Beklagte/Antragsgegner falsch bezeichnet, aber – wie hier (vgl. auch den Schriftsatz der Aktivseite vom 11. November 2021, Bl. 25 der Gerichtsakte) – erkennbar, gegen wen sich die Klage/der Antrag richten soll, ist das Passivrubrum von Amts wegen zu berichtigen (vgl. zum Vorstehenden OVG Lüneburg, Beschl. v. 11. Dezember 2020 – 4 LC 291/17 –, juris, Rn. 33 m. w. N.).
Das Gericht kann gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage gegen den gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 1 VwGO mit der gesondert begründeten Anordnung der sofortigen Vollziehung versehenen Widerruf der ihr erteilten Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ wiederherstellen, wenn das private Interesse der Antragstellerin an dem vorläufigen Behalt der Erlaubnis das gesondert begründete öffentliche Interesse an deren sofortigen Wegfall überwiegt.
Das ist vorliegend nicht der Fall, weil sich der Widerruf der der Antragstellerin erteilten Erlaubnis bei summarischer Überprüfung als rechtmäßig erweist (1.) und zudem – wie in Fällen vorliegender Art gesondert erforderlich – die Anordnung der sofortigen Vollziehung des Widerrufs selbst rechtmäßig ist, weil sie insbesondere den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht (2.).
1.
Der mit der Klage angegriffene Bescheid des Antragsgegners vom 20. September 2021 ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Die Klage wird folglich nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand aller Voraussicht nach unbegründet sein, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Bei einer solchen Konstellation aber kommt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO regelmäßig nicht in Betracht, weil die insoweit gebotene Interessenabwägung zu Ungunsten des Betroffenen ausfällt, wenn sein im Hauptsacheverfahren erhobener Rechtsbehelf voraussichtlich unbegründet ist. Es ist dem Rechtsschutzsuchenden insoweit zuzumuten, zunächst dem Bescheid Folge zu leisten, während dabei sein Interesse daran, bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens vom Vollzug verschont zu bleiben, hinter dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung regelmäßig zurückstehen muss.
Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) bedarf der Erlaubnis, wer die Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ oder „Pflegefachmann“ führen will. Nach § 2 PflBG ist die Erlaubnis auf Antrag zu erteilen, wenn die antragstellende Person u. a. (Nr. 2) sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit des Berufs ergibt.
Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 PflBG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Nr. 2 PflBG weggefallen ist.
Nach § 64 PflBG gilt das Voranstehende entsprechend für die der Antragstellerin erteilte frühere Berufsbezeichnung als „Gesundheits- und Krankenpflegerin“.
Der Widerruf der Berufserlaubnis der Antragstellerin, hinsichtlich dessen formelle Mängel nicht geltend gemacht werden und auch nicht ersichtlich sind, dürfte auch materiell rechtmäßig sein. Die Antragstellerin hat sich aller Voraussicht nach eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ ergibt.
Unzuverlässigkeit i. S. d. § 2 Nr. 2 PflBG – wie auch i. S. d. gleichlautenden Vorgängerregelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes über die Berufe in der Krankenpflege (Krankenpflegegesetz – KrPflG) – liegt vor, wenn der Berufsausübende aufgrund bestimmter Tatsachen für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bietet. Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen insbesondere gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Erlaubnisinhabers und seiner Lebensumstände zu würdigen, so dass auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen können. Angesichts der strikten Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 Satz 1 PflBG muss dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit bereits bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden, um das Übermaßverbot zu wahren. Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) nur dann gerechtfertigt, wenn der mit der Maßnahme bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Das setzt voraus, dass die Betroffene wesentliche Berufspflichten missachtet hat und die anzustellende Prognose eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass sie auch künftig ihre Berufspflichten nicht beachten wird. Liegen diese Voraussetzungen für die Bejahung der Unzuverlässigkeit vor, so ergibt sich die Verhältnismäßigkeit des Widerrufs aus der vom Gesetzgeber selbst mit § 3 Abs. 2 Satz 1 PflBG getroffenen Wertung, dass in einem solchen Fall der Widerruf der unteilbaren Erlaubnis das erforderliche und angemessene Mittel ist, um die damit verbundenen Gefahren von der Bevölkerung abzuwenden (vgl. zum Vorstehenden: OVG Lüneburg, Beschl. v. 28. Oktober 2019 – 8 ME 82/19 –, V. n. b.; Beschl. v. 3. Januar 2018 – 8 ME 143/17 –, V. n. b.; jeweils m. w. N.).
Die Antragstellerin hat wiederholt in gravierender Weise gegen wesentliche Berufspflichten einer Gesundheits- und Krankenpflegerin verstoßen.
Eine normativ verbindliche Regelung der berufsspezifischen Pflichten von Gesundheits- und Krankenpflegern besteht zwar nicht. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts können diese Pflichten aber für Gesundheits- und Krankenpfleger mittelbar aus den Regelungen über ihre Ausbildung entnommen werden. Dazu hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht wörtlich ausgeführt:
„Die Pflichtenstellung von Gesundheits- und Krankenpflegern – und ebenso Krankenschwestern – wird maßgeblich durch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu den zu pflegenden alten Menschen bestimmt. Dies ist insbesondere den Regelungen zu ihrer Ausbildung zu entnehmen (vgl. Senatsbeschl. v. 17. März 2013 – 8 LA 155/12 – NJW 2013, 3462, juris, Rn. 10 ff.). Es verletzt die Berufspflichten des Krankenpflegers, wenn er dieses Vertrauensverhältnis zum Nachteil des zu pflegenden Menschen ausnutzt. Gemäß § 3 Abs. 1 KrPflG soll die Ausbildung entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse fachliche, personale, soziale und methodische Kompetenzen zur verantwortlichen Mitwirkung insbesondere bei der Heilung, Erkennung und Verhütung von Krankheiten ermitteln. Die Pflege ist dabei unter Einbeziehung präventiver, rehabilitativer und palliativer Maßnahmen auf die Wiedererlangung, Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden Menschen auszurichten. Dabei sind die unterschiedlichen Pflege- und Lebenssituationen sowie Lebensphasen und die Selbständigkeit und Selbstbestimmung der Menschen zu berücksichtigen. Die Ausbildung soll insbesondere auch dazu befähigen, die zu pflegenden Menschen und ihre Bezugspersonen in der individuellen Auseinandersetzung mit Gesundheit und Krankheit zu beraten, anzuleiten und zu unterstützen (§ 3 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c KrPflG). Diese Ausbildungsziele konkretisierend bestimmen §§ 13 ff. Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege – KrPflAPrV – vom 10. November 2003 (BGBl. I S. 2263), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. April 2016 (BGBl. I S. 886), dass ein Krankenpfleger Pflegesituationen bei Menschen aller Altersgruppen erkennen, erfassen und bewerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflAPrV), Pflegemaßnahmen auswählen, durchführen und auswerten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KrPflAPrV), Pflegehandeln an pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen, Qualitätskriterien, rechtlichen Rahmenbestimmungen sowie wirtschaftlichen und ökologischen Prinzipien ausrichten (§ 13 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KrPflAPrV), Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KrPflAPrV), berufliches Selbstverständnis entwickeln und lernen, berufliche Anforderungen bewältigen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KrPflAPrV), alle anfallenden Aufgaben einer prozessorientierten Pflege einschließlich der Dokumentation und Übergabe erfüllen, sein Pflegehandeln erläutern und begründen und auch sonst die Aufgaben der Gesundheits- und Krankenpflege nach § 3 Abs. 1 KrPflG eigenverantwortlich ausführen (§ 15 Abs. 1 KrPflAPrV) können muss. Nach diesem Aufgabenkanon wird von dem Krankenpfleger bei Ausübung seines Berufs offensichtlich mehr erwartet als die bloße eigenverantwortliche und fachkundige Erbringung gesundheits- und krankenpflegerischer Leistungen. Der zu pflegende Mensch soll von dem Krankenpfleger nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen behandelt werden. Gefordert ist vielmehr ein individueller, die subjektive Pflege- und Lebenssituation, die Lebensphase und die konkreten Möglichkeiten der Selbständigkeit und Selbstbestimmung des Patienten berücksichtigender Umgang. Der Krankenpfleger soll den Patienten bei der individuellen Auseinandersetzung mit der Krankheit beraten und in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen anleiten und unterstützen. Die Erfüllung dieser Aufgaben durch den Krankenpfleger setzt nahezu zwingend ein Vertrauensverhältnis zum Patienten voraus. Krankenpflegekräfte haben mit den engsten Kontakt zum Patienten; diese Beziehung bestimmt maßgeblich das Pflegeergebnis mit (vgl. Stache, Beitrag von Verträgen zur Steuerung von Pflegequalität – empirische Untersuchung am Beispiel der vollstationären Pflege, 2008, S. 32, 94 und 105 m. w. N.). Die Berufe in der Krankenpflege genießen daher sowohl bei den zu pflegenden Menschen als auch in der Bevölkerung allgemein ein sehr großes Vertrauen (vgl. Reader’s Digest, European Trusted Brands, 2013, S. 26). Der Patient muss gerade in einer mit gesundheitlich bedingten Beeinträchtigungen seiner Selbständigkeit und Selbstbestimmung verbundenen Situation darauf vertrauen können, dass eine ihn pflegende und zur Führung der Berufsbezeichnung „Krankenpfleger“ berechtigte Person zuverlässig ist und diese Situation nicht zu seinem Nachteil verletzt oder gar ausnutzt. Handelt ein Krankenpfleger dem zuwider und nutzt er das bestehende Vertrauensverhältnis zum Nachteil des zu pflegenden Menschen aus oder verletzt dieses in erheblicher Weise, liegt hierin regelmäßig ein schwerer Verstoß gegen eine wesentliche Berufspflicht. Hierfür ist es unerheblich, ob das Verhalten des Krankenpflegers auch strafrechtlich relevant oder gar strafrechtlich geahndet worden ist (vgl. Senatsbeschl. v. 17. Juni 2013 – 8 LA 155/12 –, NJW 2013, 3462, juris, Rn. 12).“
(OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. Januar 2018 – 8 ME 143/17 –, V. n. b.)
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bietet die Antragstellerin nicht mehr die Gewähr dafür, dass sie zukünftig die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten beachten wird. Dem Antragsgegner ist darin zu folgen, dass die Antragstellerin als unzuverlässig zur weiteren Ausübung ihres Berufs als Gesundheits- und Krankenpflegerin anzusehen ist.
Das Gericht legt zugrunde, dass die Antragstellerin die Straftaten so begangen hat, wie das Amtsgericht B-Stadt dies mit Urteil vom 27. Mai 2021 festgestellt hat. Die in einem rechtskräftigen Strafurteil enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen dürfen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung der betroffenen Persönlichkeit gemacht werden, soweit sich nicht gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Feststellungen ergeben (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 11. September 2019 – 7 B 2431/19 – n. v., m. w. N. zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Letzteres ist hier erkennbar nicht der Fall, denn auch die Antragstellerin hat die diesbezüglichen Feststellungen des Amtsgerichts nicht in Zweifel gezogen.
Die von der Antragstellerin verwirklichten Straftaten wiegen im Rahmen der Prognose zu ihrem zukünftigen Verhalten besonders schwer. Die Antragstellerin hat durch die Diebstähle zulasten des ihr anvertrauten Pflegebedürftigen einen massiven Vertrauensbruch gegenüber diesem begangen und damit nach den zuvor zitierten Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts schwerwiegend gegen eine wesentliche Berufspflicht verstoßen.
Dass es sich um einen massiven Vertrauensbruch handelt, ergibt sich zum einen daraus, dass die Diebstähle in den Privaträumen des Geschädigten erfolgten, zu denen dieser den Mitarbeiten der Sozialstation und damit auch der Antragstellerin Zutritt gewährt hatte, um von ihnen bzw. ihr gepflegt zu werden. Zum anderen befand sich der Geschädigte in einem fortgeschrittenen Lebensalter, in dem es ihm insbesondere aufgrund seiner starken Seh- und Hörbeeinträchtigung schwerfiel, sich selbst gegen Straftaten zu schützen.
Prägend für den vorliegenden Fall sind dabei die Regelmäßigkeit und der erhebliche Umfang der Straftaten: über einen Zeitraum von mehr als einem halben Jahr beging die Antragstellerin insgesamt 15 Diebstähle zulasten des Pflegebedürftigen und entwendete diesem einen hohen Gesamtbetrag von mehr als 1.000,00 Euro. Darüber hinaus zeigt sich in dem Umstand, dass die Antragstellerin die Diebstähle nicht nur bei Gelegenheit ihres Pflegedienstes, sondern auch außerhalb ihrer Dienstzeiten beging, die besondere Skrupellosigkeit ihres Vorgehens. Gerade bei den Taten außerhalb ihres Dienstes mithilfe eines Nachschlüssels bzw. eines bei der Sozialstation hinterlegten Schlüssels wird das gezielte Vorgehen und Ausnutzen der körperlichen Beeinträchtigungen des Geschädigten durch die Antragstellerin deutlich. Soweit die Antragstellerin insoweit vorträgt, jedenfalls die Diebstähle außerhalb ihres Dienstes stellten keine Berufspflichtverletzungen dar, kann dem in keiner Weise gefolgt werden. Ihre berufliche Tätigkeit als Pflegerin bei der Sozialstation hat der Antragstellerin (auch) diese Straftaten außerhalb ihres Dienstes überhaupt erst ermöglicht. Nur so konnte sie an den entsprechenden Haustürschlüssel gelangen, um sich selbständig Zutritt zum Haus des Geschädigten zu verschaffen, und wusste von dem Ablageort des Bargeldes. Die Antragstellerin hat auch außerhalb ihres Dienstes nicht irgendeine Person bestohlen, sondern den ihr im Rahmen ihres Berufes anvertrauten Pflegebedürftigen.
Es mildert den Vertrauensbruch nicht, dass die Antragstellerin möglicherweise von dem Geschädigten beleidigt bzw. allgemein schlecht behandelt worden war (vgl. zu dem dahingehenden Vorbringen der Antragstellerin insbesondere das Protokoll der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, Bl. 73 Rückseite der Beiakte 1). Das Gericht verkennt nicht, dass Pflegekräfte in ihrem beruflichen Alltag hohen Belastungen ausgesetzt sind. Selbst wenn man aber das Vorbringen der Antragstellerin (vgl. im Gegensatz dazu die Ausführungen der Pflegedienstleiterin sowie der stellvertretenen Pflegedienstleiterin der Sozialstation, Bl. 44 und 49 der Beiakte 1) als wahr unterstellt, so relativiert oder gar rechtfertigt es doch keineswegs die massiven Diebstähle zulasten des Pflegebedürftigen. Vielmehr ist gewiss anzunehmen, dass der Geschädigte trotz etwaiger persönlicher Differenzen darauf vertraute, dass die Antragstellerin seine körperlichen Beeinträchtigungen nicht ausnutzte, um ihn zu bestehlen. Es ist dem Antragsgegner zudem darin zuzustimmen, dass die Antragstellerin, die nach eigener Einlassung den Geschädigten mit den Diebstählen für dessen Verhalten bestrafen bzw. ärgern wollte (vgl. Bl. 44 und 73 Rückseite der Beiakte 1), einen Charakterzug gezeigt hat, der mit dem Beruf der Gesundheits- und Krankenpflegerin, welcher Nachsicht und Respekt für stark pflegebedürftige Menschen erfordert, nicht zu vereinbaren ist. Daher vermag auch der Umstand, dass die Diebstähle nur zulasten eines Geschädigten erfolgten, nichts an den besonders krassen Pflichtverletzungen zu ändern.
Vor dem Hintergrund der Schwere und Zahl der Verstöße muss – bezogen auf den maßgeblichen Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung – damit gerechnet werden, dass die Antragstellerin auch zukünftig ihre Berufspflichten verletzen wird. Soweit sie demgegenüber vorträgt, das Strafverfahren und die Verurteilung hätten bei ihr einen Reifeprozess hervorgerufen, fehlt es hierfür an – über den bloßen Zeitablauf hinausgehenden – hinreichenden tatsächlichen Umständen. Zwar hat die Antragstellerin die Diebstähle im Rahmen des Strafverfahrens vollumfänglich gestanden (vgl. zu ihrer Einlassung in der strafgerichtlichen Hauptverhandlung Bl. 73 Rückseite der Beiakte 1 sowie zu den entsprechenden Feststellungen des Amtsgerichts im Rahmen der Strafzumessung Bl. 79 der Beiakte 1). Sie hatte bereits im Zuge der strafrechtlichen Ermittlungen im Gespräch mit ihren Vorgesetzten eingeräumt, dass die Tatvorwürfe stimmten (vgl. Bl. 44 der Beiakte 1), und zudem noch am Tag der Eröffnung des strafgerichtlichen Hauptverfahrens über ihren Verteidiger mitteilen lassen, dass sie die ihr zur Last gelegten Diebstähle in der Hauptverhandlung vollumfänglich einräumen wird (vgl. Bl. 68 der Beiakte 1).
Dies lässt jedoch im Hinblick auf das zuvor dargestellte erhebliche Fehlverhalten eine günstige Prognose in Bezug auf die künftige Berufsausübung noch nicht zu, sondern ist ersichtlich unter dem Druck des Strafverfahrens und des drohenden Verwaltungsverfahrens erfolgt. Insoweit kann insbesondere nicht übersehen werden, dass schon vor der ersten geständigen Einlassung der Antragstellerin im Rahmen des Gesprächs mit ihren Vorgesetzten zwei Personen, nämlich die Pflegedienstleiterin der Sozialstation sowie deren Stellvertreterin, erklärt hatten, unabhängig voneinander die Antragstellerin auf den ihnen vorgelegten Lichtbildern sowie Videoaufzeichnungen zu den Taten eindeutig erkannt zu haben (vgl. Bl. 31 ff. der Beiakte 1). Das Geständnis ist daher nicht geeignet, den im Begehen der Straftaten liegenden Vorwurf massiven Fehlverhaltens zu entkräften.
Ebenso wenig werden die Taten durch eine etwaige Wiedergutmachung des Schadens relativiert. Ein solcher Milderungsgrund greift grundsätzlich nur dann ein, wenn der Schädiger noch vor Entdeckung der Tat den angerichteten Schaden aufgrund eigenen Antriebs ohne Furcht vor Entdeckung insgesamt wiedergutgemacht hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 5. Februar 1991 – 1 D 34/90 –, juris, Rn. 13). Hiervon kann vorliegend aber keine Rede sein.
Die Antragstellerin hat auch im Übrigen keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die der negativen Prognose zu ihrer beruflichen Unzuverlässigkeit entgegenstehen. Solche ergeben sich auch sonst nicht. Insbesondere steht der negativen Prognose nicht entgegen, dass die Antragstellerin zuvor nicht mit einem beruflichen Fehlverhalten aufgefallen ist. Die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten als geschuldete Verhaltensweise einer Gesundheits- und Krankenpflegerin ist nicht geeignet, die ausweislich der nachfolgenden Pflichtverstöße eingetretene Unzuverlässigkeit zu relativieren. Vielmehr begründet gerade eine zu konstatierende gravierende Verhaltensänderung die Annahme des Eintritts der Unzuverlässigkeit. Schließlich hat auch die langjährige korrekte Berufsausübung die Antragstellerin nicht stabilisiert und von dem Fehlverhalten abgehalten. Sie mindert die Wiederholungsgefahr deswegen nicht (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 28. Oktober 2019 – 8 ME 82/19 –, V. n. b.).
Der Prognose steht auch die Strafaussetzung zur Bewährung durch das Amtsgericht B-Stadt nicht entgegen. Der Strafaussetzung zur Bewährung liegt nach § 56 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) (nur) die strafgerichtliche Erwartung zugrunde, dass die Verurteilte sich schon die Verurteilung zur Warnung dienen lassen und künftig auch ohne die Einwirkung des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird. Die hier zu beurteilende berufsrechtliche Prognose erfordert mehr als die bloße Erwartung straffreien Verhaltens. Der Erlaubnisinhaber muss die Gewähr dafür bieten, in Zukunft alle in Betracht kommenden, insbesondere die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Hierauf kann allein aus der Strafaussetzung zur Bewährung nicht geschlossen werden. Die zur Annahme der Unzuverlässigkeit führende Gefährdung kann vielmehr bereits dann zu bejahen sein, wenn sie nicht so fernliegt, dass sie ohne Bedenken außer Betracht gelassen werden kann (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 4. März 2014 – 8 LA 138/13 –, V. n. b., m. w. N.).
Rechtsfolge des § 3 Abs. 2 Satz 1 PflBG ist eine gebundene Entscheidung. Diese ist – wie oben ausgeführt – aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit der Antragstellerin auch im Hinblick auf das Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verhältnismäßig. Die persönlichen Härten, die mit dem Widerruf der Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung „Gesundheits- und Krankenpflegerin“ für die Antragstellerin entstehen können, sind vor diesem Hintergrund hinzunehmen. Zudem ist der Antragstellerin durch den Widerruf zwar die Tätigkeit als Fachkraft, nicht aber der gesamte Arbeitsmarkt und auch nicht der gesamte Arbeitsmarkt in der Pflegebranche verschlossen (vgl. VG Oldenburg, Beschl. v. 11. September 2019 – 7 B 2431/19 –, n. v.; OVG Lüneburg, Beschl. v. 28. Dezember 2019 – 8 ME 82/19 –, V. n. b.). Außerdem kann sie die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung zu einem späteren Zeitpunkt erneut beantragen (vgl. VG Braunschweig, Urt. v. 11. Februar 2015 – 1 A 159/14 –, juris, Rn. 30).
2.
Das Gericht kann die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 2 VwGO auch nicht deshalb wiederherstellen, weil die Anordnung der sofortigen Vollziehung für sich genommen rechtswidrig wäre. Sie ist vielmehr rechtmäßig.
In Fällen des Widerrufs vorliegender Art muss die Anordnung der sofortigen Vollziehung besonderen Anforderungen, die über das Grundinteresse am Erlass des Verwaltungsaktes hinausgehen und nicht nur allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Erwägungen Rechnung tragen, genügen, insbesondere verfassungsgemäß sein. Dem entspricht hier die Anordnung, indem sie zur Abwehr einer sog. Interimsgefahr notwendig ist.
In formeller Hinsicht genügt die zu Recht auf § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO als Rechtsgrundlage gestützte Anordnung der sofortigen Vollziehung den Anforderungen aus § 80 Abs. 3 VwGO. Insbesondere ist sie hinreichend schriftlich auf Seite 3 des angegriffenen Bescheides begründet.
Diese im angegriffenen Bescheid niedergelegte Begründung trägt im vorliegenden Einzelfall auch inhaltlich die Anordnung der sofortigen Vollziehung.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehung des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsakts bewirkt ein selbständiges vorläufiges Verbot zur Ausübung des Berufs der „Gesundheits- und Krankenpflegerin“, das in seinen Wirkungen über diejenigen des in der Hauptsache angefochtenen Verwaltungsakts hinausgeht und damit schwerwiegend in das Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Ein solcher Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn der Sofortvollzug schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter erforderlich ist und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erfolgt. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls und insbesondere davon ab, ob eine weitere Berufstätigkeit konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter befürchten lässt. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bedarf es somit noch einmal einer gesonderten, über die Beurteilung der zugrundeliegenden Verfügung hinausgehenden Prüfung der Verhältnismäßigkeit bei für sofort vollziehbar erklärten Eingriffen in grundrechtlich gewährleistete Freiheitsrechte (vgl. zum Vorstehenden unter Mitteilung der wesentlichen bundesverfassungsrechtlichen Rechtsprechung: OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. Januar 2018 – 8 ME 143/17 –, V. n. b.).
Diese Prüfung ergibt, dass die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den angefochtenen Bescheid nicht wiederherzustellen ist. Verwirklicht sich die Wiederholungsgefahr, so ist nicht nur das Eigentum zu pflegender Menschen betroffen, sondern wird auch das für die Pflege unerlässliche Vertrauensverhältnis erheblich beeinträchtigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin nach den obigen Ausführungen keine konkreten Anhaltspunkte für einen durchgreifenden Reifeprozess dargetan hat. Wegen der in den Taten zum Ausdruck kommenden Skrupellosigkeit sowie der eigenen Einlassung der Antragstellerin, wonach sie den Geschädigten für dessen Verhalten bestrafen bzw. ärgern wollte (vgl. Bl. 44 und 73 Rückseite der Beiakte 1) ist stattdessen zu befürchten, dass die Antragstellerin einer entsprechenden, auch spontan aufgrund vorteilhafter Umstände gebildeten Tatmotivation jederzeit wieder nachgeben könnte.
Überdies ist aufgrund der besonderen Schwere der Taten zu besorgen, dass zu pflegende Menschen auf die Inanspruchnahme von Pflegeleistungen verzichten, weil sie Pflegepersonen nicht mehr trauen können, wenn nicht die sofortige Vollziehung des Widerrufs angeordnet wird. Betroffen ist insoweit die Integrität des gesundheits- und krankenpflegerischen Berufsstandes und dessen Wertschätzung in der Gesellschaft. Hierin liegt eine Gefahr für die Volksgesundheit als wichtigem Gemeinschaftsgut (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 3. Januar 2018 – 8 ME 143/17 –, V. n. b.), deren Verwirklichung bereits vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens droht.
Dies wiegt schwerer als das Interesse der Antragstellerin, ihren erlernten Beruf vorläufig weiter ausüben und daraus ein Arbeitseinkommen erzielen zu können.
Schließlich führt auch der Umstand, dass der angegriffene Bescheid keine Rechtsbehelfsbelehrung über den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes enthält, nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung bzw. zur Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage. Der Vollziehbarkeitsanordnung muss bereits keine gesonderte Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt werden (vgl. nur Schoch in: ders./Schneider, VwGO, 41. EL Juli 2021, § 80 Rn. 262, m. w. N.). Im Übrigen führt auch eine unterbliebene Rechtsbehelfsbelehrung nach § 58 Abs. 2 VwGO nicht zur Rechtswidrigkeit des betroffenen Verwaltungsaktes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3.
Der Antrag auf Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die von der Antragstellerin betriebene Rechtsverfolgung aus den zuvor dargelegten Gründen auch aus einer ex-ante-Sicht keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne der § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) bietet. Dabei hat die Kammer nicht verkannt, dass bei der Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und bei der Entscheidung über das Begehren in der Sache unterschiedliche Maßstäbe anzuwenden sind, die im Einzelfall eine separate Begründung der Ablehnung der Prozesskostenhilfe erforderlich machen können (vgl. BVerfG, Beschl. v. 5. Dezember 2018 – 2 BvR 1122/18 –, juris, Rn. 16). Vorliegend stellen sich jedoch keine schwierigen und ungeklärten Rechtsfragen, die die Erfolgsaussichten im einstweiligen Rechtsschutz aus einer ex-ante-Perspektive zumindest als offen erscheinen lassen würden.
4.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) und berücksichtigt die Nrn. 1.5 Satz 1 und 14.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NordÖR 2014, 11). Danach war der mit 15.000,00 Euro für das Hauptsacheverfahren anzunehmende Streitwert für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes auf 7.500,00 Euro zu halbieren.