Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.03.2014, Az.: 2 NB 15/14

Festsetzung der Zulassungszahl für einen durch Kooperation mit einer ausländischen Hochschule geprägten Modellstudiengang durch Gesetz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.03.2014
Aktenzeichen
2 NB 15/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 12665
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0320.2NB15.14.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Oldenburg - 17.12.2013 - AZ: 12 C 5701/13

Amtlicher Leitsatz

Zur Auslegung von § 72 Abs. 15 NHG (Festsetzung der Zulassungszahl für einen durch Kooperation mit einer ausländischen Hochschule geprägten Modellstudiengang durch Gesetz).

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 12. Kammer - vom 17. Dezember 2013 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg vom 17. Dezember 2013 (- 12 C 5701/13 u.a. -, [...]) hat keinen Erfolg. Der Senat nimmt auf die zutreffenden, entscheidungstragenden Erwägungen unter B III. dieses Beschlusses Bezug und macht sie sich zu Eigen (1.); auch die sich auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts unter B II. beziehenden Rügen greifen nicht durch (2.).

1. Soweit die Beschwerde Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrages 2008 (vgl. dazu zuletzt Senatsbeschl. v. 21.10.2013 - 2 NB 47/13 -, [...] Rdnrn. 9 und 26 ff.) weiterhin für verfassungswidrig hält, ist dies nicht nachvollziehbar begründet.

Die genannte Bestimmung lautet (NdsGVBl. 2010, 49):

"Bei der Erprobung neuer Studiengänge und -methoden, bei der Neuordnung von Studiengängen und Fachbereichen und beim Aus- oder Aufbau der Hochschulen können Zulassungszahlen abweichend von Satz 1 festgesetzt werden."

Die Beschwerde meint, unter Berufung hierauf könne eine Kapazitätsberechnung insgesamt umgangen werden, wie der streitgegenständliche Sachverhalt verdeutliche. Eine Kapazitätsberechnung dürfe aber unter Berücksichtigung der betroffenen Grundrechte der Studienbewerber nicht ganz ausgeschlossen werden; zulässig sei allenfalls eine Pauschalierung oder Vereinfachung bzw. eine Abweichung von der KapVO. Die genannte Regelung stelle quasi einen Freibrief für die Hochschulen aus, sich über lange Zeiträume hinweg von normativen Kapazitätsvorgaben zu lösen.

Abgesehen davon, dass eine Kapazitätsregelung durch Gesetz gerade normativen Charakter besitzt, setzt sich diese Argumentation nicht damit auseinander, dass die Situation bei der Antragsgegnerin von atypischen Umständen geprägt und deshalb nicht geeignet ist, zu belegen, dass die angegebene Regelung in Wahrheit leerläuft. Der Vereinbarung mit der Universität D. kommt auch keine Vorbildwirkung dahin zu, dass andere Hochschulen Studiengänge von vornherein auf vorgeplante Kapazitätsengpässe hin modellieren könnten. Extern vorgegebene Kapazitätsgrenzen sind allenfalls für seltene Fälle denkbar, wohingegen sich "normale" Engpässe wie Raumnot, begrenzte Zahl von Laborplätzen u.ä. regelmäßig mit finanziellem Aufwand beheben lassen (vgl. auch BVerfG, Entsch. v. 18.7.1972 - 1 BvL 32/70, 1 BvL 25/71 -, BVerfGE 33, 303 = NJW 1972, 1561, [...] Rdnr. 74).

Die hilfsweise vorgetragene Argumentation, bei unterstellter Geltung des Art. 6 Abs. 2 Satz 2 des Staatsvertrages sei jedenfalls das dann in ihn hineinzulesende Willkürverbot verletzt, greift ebenfalls nicht durch. Sie setzt als gegeben voraus, dass die Hochschulverwaltung die Beschränkung auf 40 Studienplätze selbst festgelegt und dann die Universität D. veranlasst habe, eine entsprechende Vereinbarung abzuschließen. Dafür ist aus den vorliegenden Unterlagen nichts ersichtlich. Insoweit kommt es auch nicht darauf an, ob die Vereinbarung mit der Universität D. vor oder nach dem Gesetzesbeschluss oder dem Regierungsentwurf abgeschlossen worden ist. Es liegt auf der Hand, dass die Einführung eines neuen Studienganges vielfältiger Vorbereitungen bedarf und sich dabei die Planungsabsichten über einen längeren Zeitraum hin verdichten. Hat sich schon frühzeitig als Geschäftsgrundlage herausgestellt, dass die Universität D. nur eine bestimmte Kapazität in das gemeinsame Projekt einbringen kann oder auch nur will, darf der niedersächsische Gesetzgeber dies seiner Gesetzgebungstätigkeit auch dann zugrunde legen, wenn eine förmliche Vereinbarung erst später getroffen wird.

Die weitere Rüge, entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei ein Schwundausgleich durchzuführen, greift nicht durch. Für einen neuen Studiengang sind Schwundberechnungen grundsätzlich nicht erforderlich, weil eine längerfristige empirische Basis für den Schwund fehlt. Darüber hinaus ist es auch nach dem Vorbringen zu anderen Modellstudiengängen nicht unrealistisch anzunehmen, dass Abgänge unmittelbar wieder aufgefüllt werden können; daran dürfte gerade auch bei einem Modellstudiengang besonderes Interesse bestehen.

2. Soweit die Beschwerde Rügen erhebt, welche abweichend von der Auffassung des Verwaltungsgerichts (B II. des angegriffenen Beschlusses) davon ausgehen, dass § 72 Abs. 15 NHG die Zulassungszahl unmittelbar regelt, greifen diese ebenfalls nicht durch.

a. Allerdings neigt der Senat weiterhin seiner bereits im Beschluss vom 21. Februar 2013 (- 2 NB 20/13 -, [...]) angedeuteten Auffassung zu, der Gesetzgeber habe die Zulassungszahl selbst durch Gesetz festlegen wollen.

§ 72 Abs. 15 NHG lautet in seiner Fassung vom 20. Juni 2012 (GVBl. 2012, 186):

"Für den Studiengang Humanmedizin an der Universität C. wird die jährliche Zulassungszahl ab dem Wintersemester 2012/2013 auf 40 festgesetzt. Forschung und Lehre der Medizinischen Fakultät der Universität C. werden auf Veranlassung des Fachministeriums zum 1. Oktober 2019 extern durch den Wissenschaftsrat evaluiert. Die Landesregierung legt das Ergebnis der Evaluation dem Landtag mit einer Stellungnahme zur weiteren Entwicklung des Studiengangs Humanmedizin an der Universität C. unter Berücksichtigung der Ausbildungskapazität bis zum 30. Juni 2020 vor."

Diese Regelung bleibt inhaltlich auch durch das Gesetz vom 11. Dezember 2013 (GVBl. 2013, 287) unberührt, das mit Wirkung zum 1. September 2014 u.a. die Absatzzählung in § 72 NHG verändert und den bisherigen Absatz 15 zu Absatz 13 macht.

Hinsichtlich des hier maßgeblichen Satzes 1 dieser Bestimmung weist der Wortlaut der Norm keine begrifflichen Unschärfen auf, die eine Auslegung erfordern. Davon geht auch das Verwaltungsgericht aus. Es entnimmt vielmehr den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber nicht den Willen gehabt habe, überhaupt eine konstitutive Regelung zu treffen.

Dem vermag der Senat auch nach nochmaliger Prüfung aller Voraussicht nach (weiterhin) nicht zu folgen.

Bei - wie hier - klarem und einer etwaigen Auslegung damit nicht weiter zugänglichem Wortlaut (Festsetzung von "40" Studienplätzen) bedarf es grundsätzlich keiner zusätzlichen Anhaltspunkte dafür, dass der gesetzlichen Bestimmung Regelungscharakter zukommt. Es besteht mithin in der Regel kein Anlass, zusätzlich auf andere Interpretationsmethoden (vgl. dazu grundsätzlich Stober/Kluth, Verwaltungsrecht I, 12. Aufl. 2007, § 28 Rdnr. 32 ff.; Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2012, Einleitung Rdnrn. 135 ff.) wie die Gesetzesmaterialien zurückzugreifen, unabhängig davon, ob diese - wovon das Verwaltungsgericht ausgeht - überhaupt das Fehlen des gesetzgeberischen Regelungswillens zu belegen vermögen (vgl. hierzu allg. BVerfG, Beschl. v. 26.9.2011 - 2 BvR 2216/06 u.a. -, NJW 2012, 669 [BVerfG 26.09.2011 - 2 BvR 2216/06; 2 BvR 469/07]; enger Beschl. v. 17.12.2013 - 1 BvL 5/08 - , [...] Rnr. 47). Etwas anderes kann allerdings unter besonders atypischen Umständen angenommen werden. Infolgedessen wird in der Praxis das Fehlen eines gesetzgeberischen Regelungswillens z.B. im Zusammenhang mit Rechtsänderungen und Übergangsregelungen erörtert, d.h. unter dem Gesichtspunkt, ob sich ein grundsätzlich vorhandener Regelungswille möglicherweise auf Teilzeiträume beschränkt. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier nicht vor.

Der Umstand, dass grundsätzlich eine "jährliche" Kapazitätsermittlung vorgeschrieben wird, dürfte ebenfalls nicht gegen einen Regelungswillen des Gesetzgebers sprechen. Soweit § 30 Abs. 2 HRG die Festsetzung von Zulassungszahlen höchstens für ein Jahr vorschreibt, handelt es sich um eine Rahmenvorgabe, die zumindest bei Modellvorhaben (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 2 Staatsvertrag 2008) nicht zwingend einzuhalten ist, zumal bei dem Modellstudiengang ohnehin zur Evaluation eine fortlaufende Erfassung und Beurteilung kapazitätsrelevanter Fakten geboten und, wie sich aus den Materialien ergibt, auch beabsichtigt ist (vgl. dazu unten).

Allerdings erfolgt die Berücksichtigung von Engpässen ansonsten nach § 14 Abs. 1 KapVO für die dort in Absatz 2 genannten Fälle nur im Wege der "Überprüfung", setzt also ein nach den Vorschriften des Zweiten Abschnitts der Kapazitätsverordnung berechnetes Ergebnis voraus. Es kann offen bleiben, ob das hier inmitten stehende Grundrecht des Art. 12 Abs. 1 GG in Ansehung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Oktober 1991 - 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 -, BVerfGE 85, 36 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85] <54>= NVwZ 1992, 361 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85]) grundsätzlich eine solche prozedurale Ausgestaltung des Kapazitätsverfahren erfordert, soweit es darin heißt:

"Absolute Zulassungsbeschränkungen sind nur unter strengen formellen und materiellen Voraussetzungen statthaft. Sie bedürfen einer gesetzlichen Grundlage und sind nur dann verfassungsgemäß, wenn sie zum Schutz eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes - Funktionsfähigkeit der Universitäten in Wahrnehmung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Studium - und nur in den Grenzen des unbedingt Erforderlichen unter erschöpfender Nutzung der vorhandenen, mit öffentlichen Mitteln geschaffenen Ausbildungskapazitäten angeordnet werden."

Solche prozeduralen Anforderungen (vgl. insoweit auch VerfGH Berlin, Beschl. v. 15.1.2014 - 109/13 -, DVBl. 2014, 375, [...] Rdnr. 37; ferner VerfGH Sachsen, Urt. v. 15.11.2013 - Vf. 25-II-12 -, [...]; BVerwG, Urt. v. 21.12.2011 - 6 C 18.10 -, Buchholz 421 Kultur- und Schulwesen Nr. 138, [...] Rdnr. 26) dürften sich jedenfalls dann nicht stellen, wenn die limitierenden Faktoren - wie hier - nicht zur Disposition der Hochschulverwaltung stehen und es deshalb auf die in Frage stehenden Teile der Kapazitätsermittlung aus faktischen Gründen nicht entscheidungserheblich ankommt.

Zur Vermeidung von Missverständnissen weist der Senat darauf hin, dass die Antragsgegnerin trotz (ausnahmsweiser) Entbehrlichkeit einer "rechtsförmlichen" Kapazitätsermittlung kaum darauf verzichten kann, die maßgeblichen Daten zu erheben und zu bewerten. Dies ist nicht nur unerlässliche Grundlage für eine rationale Kapazitätsplanung (vgl. Winter, WissR 2013, 241 <260>), sondern auch für die gesetzlich vorgesehene Evaluierung.

Es ist jedenfalls weiterhin nicht davon auszugehen, dass ein der Disposition der Hochschulverwaltung enthobener Engpass nur vorgeschoben ist, tatsächlich aber nicht vorliegt. Die Gesetzesmaterialien geben keinen Hinweis darauf, dass der Gesetzgeber dies anders gesehen hat. Er hat die Kooperation mit der Universität D. als limitierenden Faktor angesehen und hatte vor diesem Hintergrund keinen Anlass dafür, (derzeit) eine "rechtsförmliche" Kapazitätsberechnung für zusätzlich erforderlich zu halten. Zwar können sich die Vereinbarungen und Inhalte der Kooperationsverträge je nach Entwicklung des Studiengangs und der Ausstattung bei der Antragsgegnerin ändern bzw. fortentwickeln. Indes dürfte davon auszugehen sein, dass es dem Anliegen eines auf beiderseitige Planungssicherheit angelegten Kooperationsvertrages nicht entspricht, den Umfang der "Hauptleistung" hier der Universität D. für die Zukunft stets jährlich zur Disposition zu stellen.

Sollten allerdings Anhaltspunkte für eine wesentliche Veränderung der derzeitigen Vertragsgrundlagen und einer daraus folgenden Kapazitätserhöhung vorliegen, wäre eine Verfassungswidrigkeit des gesetzlichen Regelung wegen eines Verstoßes gegen das aus Art. 12 Abs. 1 GG abzuleitenden Kapazitätserschöpfungsgebotes ernsthaft in Betracht zu ziehen. Allein die Möglichkeit einer etwaigen späteren Verfassungswidrigkeit von § 72 Abs. 15 Satz 1 NHG ist indes nicht geeignet, den - nach dem Wortlaut eindeutigen - Regelungscharakter der Bestimmung in Frage zu stellen.

b. Auch hinsichtlich der von der Beschwerde erneut aufgegriffenen Fragen zur Rechtsgültigkeit der fraglichen Norm hält der Senat auf dieser Grundlage an seiner bisherigen Auffassung fest:

Welche Anforderungen sich aus dem im bundesverfassungsrechtlichen Rechtsstaatsprinzip wurzelnden Gebot der hinreichenden gesetzlichen Bestimmtheit ergeben, hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 31. Juli 2013 (- 6 C 9.12 -, NVwZ 2013, 1614) zusammengefasst:

"Das Bestimmtheitsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, den Tatbestand einer Norm mit genau erfassbaren Maßstäben zu umschreiben. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normklarheit und Justitiabilität. Das Gesetz muss nur so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann von Verfassungs wegen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings stets, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge vorliegen."

Derartige Auslegungsschwierigkeiten sind hier nicht ersichtlich.

Soweit die Beschwerde darauf verweist, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschl. v. 22.10.1991 - 1 BvR 393/85, 1 BvR 610/85 -, BVerfGE 85, 36 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85] <54>= NVwZ 1992, 361 [BVerfG 22.10.1991 - 1 BvR 393/85]) müsse auch die Art und Weise der Kapazitätsermittlung, insbesondere die Feststellung vorhandener Ausbildungskapazitäten und die darauf basierende Festsetzung von Zulassungszahlen bestimmten Anforderungen genügen, da sie zum Kern des Zulassungswesens gehörten und Grundlage für die Zurückweisung von verfassungsrechtlich gewährleisteten Zulassungsansprüchen sei (siehe dazu im einzelnen oben), hat das Bundesverfassungsgericht dies jedenfalls nicht aus dem Bestimmtheitserfordernis hergeleitet. Die genannte Passage folgt vielmehr auf die bereits oben wiedergegebene Aussage des Bundesverfassungsgerichts, welche die inhaltlichen Voraussetzungen für eine absolute Zulassungsbeschränkung beschreibt; die sich daran anknüpfenden Aussagen betreffen demgegenüber die Frage, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber wichtige Entscheidungen an den Verordnungsgeber delegieren darf:

"Die Festlegung objektivierter, nachvollziehbarer Kriterien für die Kapazitätsermittlung fällt dabei grundsätzlich in den Verantwortungsbereich des Gesetzgebers (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 <340>). Eine Delegation an den Verordnungs- und/oder Satzungsgeber kann wegen der herausragenden Bedeutung des Hochschulzugangsrechts nur dann verfassungskonform erfolgen, wenn im Vorhinein festgelegt ist, wer in welcher Art von Verfahren zu entscheiden hat, und wenn das so formalisierte Verfahren einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich gemacht wird (vgl. zum Bundesrecht: BVerfG, a. a. O., 340 f.). Insbesondere dann, wenn sich - wie hier - verschiedene Grundrechtspositionen in einem Spannungsverhältnis gegenüberstehen, ist am ehesten der Gesetzgeber, gegebenenfalls auf einer geeigneten gesetzlichen Grundlage der Verordnungsgeber, dazu berufen, für alle Beteiligten die Grenzen des Zumutbaren festzulegen und die damit verbundenen Wertungen und Abwägungsentscheidungen zu treffen (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 54, 173 <192 f.>). Jedenfalls dann, wenn der Gesetzgeber seine Regelungsbefugnis delegiert hat, ist inhaltlich zudem erforderlich, dass die Festsetzung der Zulassungskriterien in kritischem Zusammenwirken von Hochschulen und staatlichen Behörden stattfindet und die Überprüfung durch die staatlichen Behörden sich nicht in einem formalen Akt erschöpft, sondern eine eigene, substantielle Prüfung einschließt (vgl. zum Bundesrecht: BVerfGE 33, 303 <341 ff. und 344 f.>)."

Im vorliegenden Fall hat der Gesetzgeber indes nicht delegiert, sondern selbst entschieden. Infolgedessen brauchte er für den Verordnungsgeber auch kein Prüfprogramm vorzugeben und erst recht nicht für sich selbst.

c. Bei der fraglichen Gesetzesbestimmung handelt es sich entgegen der Auffassung der Beschwerde (und des Verwaltungsgerichts) nicht um ein Einzelfallgesetz, wie der Senat bereits in seinem vorangegangenen Beschluss ausgeführt hat. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 11. Juli 2013 (- 2 BvR 2302/11 u.a. -, NJW 2013, 3151) zur Thematik des Einzelfallgesetzes präzisiert:

"1. Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG verbietet innerhalb seines hier eröffneten Anwendungsbereichs (vgl. zum Anwendungsbereich, BVerfGE 24, 367 <396>; 83, 130 <154>; 95, 1 <17>) grundrechtseinschränkende Gesetze, die nicht allgemein sind, sondern nur für den Einzelfall gelten. Die Anforderung, dass das Gesetz allgemein zu sein hat, ist erfüllt, wenn sich wegen der abstrakten Fassung des gesetzlichen Tatbestandes nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet (BVerfGE 121, 30 [BVerfG 12.03.2008 - 2 BvF 4/03] <49>, m.w.N.).

Das schließt die Regelung eines Einzelfalls nicht aus, wenn der Sachverhalt so beschaffen ist, dass es nur einen Fall dieser Art gibt und die Regelung dieses singulären Sachverhalts von sachlichen Gründen getragen wird (vgl. BVerfGE 25, 371 [BVerfG 07.05.1969 - 2 BvL 15/67] <399>; 85, 360 <374>). Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG enthält letztlich eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes (vgl. BVerfGE 25, 371 [BVerfG 07.05.1969 - 2 BvL 15/67] <399>; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 12. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 2; vgl. auch Dreier, in: Dreier, Grundgesetz, 2. Aufl. 2004, Band I, Art. 19 I Rn. 16 ("Verschärfung oder Konkretisierung"); Hufeld, in: Bonner Kommentar, Art. 19 Abs. 1 Satz 1 Rn. 8 (156. Lfg 2012) ("Verschärfung")), der es dem Gesetzgeber verbietet, aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Sonderregel zu machen (vgl. BVerfGE 25, 371 [BVerfG 07.05.1969 - 2 BvL 15/67] <399>; 85, 360 <374>). Der gleichheitssichernden Funktion des Verbots des Einzelfallgesetzes entspricht es auch, wenn diesem Verbot die Funktion zugeschrieben wird, den Grundsatz der Gewaltenteilung zu gewährleisten, indem konkret-individuelle Regelungen im Regelfall der Exekutive und generell-abstrakte Regelungen der Legislative vorbehalten bleiben (vgl. Sachs, in: Sachs, Grundgesetz, 6. Aufl. 2011, Art. 19 Rn. 20), denn der Gewaltenteilungsgrundsatz ist insoweit gerade in seiner gleichheitssichernden Funktion angesprochen.

Ohne die am Normzweck orientierte Begrenzung des Verbotsausspruchs, der zufolge bei entsprechender sachlicher Rechtfertigung auch die Regelung eines singulären Sachverhalts zulässig ist, geriete Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG in ein Spannungsverhältnis zu anderen Grundsätzen der Verfassung. Das gilt namentlich mit Blick auf den aus dem Demokratieprinzip des Art. 20 Abs. 1 und 2 GG sowie aus dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG abgeleiteten Vorbehalt des Gesetzes in Form des Parlamentsvorbehalts (vgl. Remmert, in: Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 19 Abs. 1 Rn. 15 (66. Lfg. 2012); Krebs, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, 6. Aufl. 2012, Art. 19 Rn. 8 ff.), wenn der Normgeber nur in der Gestalt des förmlichen Gesetzes zur Rechtssetzung befugt ist. Dieses Spannungsverhältnis aufzulösen, ist Sache des Gesetzgebers. So kann vermieden werden, dass die Staatsgewalt auch in Konstellationen zur Untätigkeit gezwungen wäre, in denen ein (zwingendes) Regelungsbedürfnis für den singulären Sachverhalt besteht.

2. Nach diesen Maßstäben verstößt das Therapieunterbringungsgesetz nicht gegen Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG.

Dem Wortlaut nach ist § 1 Abs. 1 ThUG abstrakt gefasst und wird insoweit dem Allgemeinheitsgebot des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG gerecht. Der Anwendungsbereich des Gesetzes betrifft zwar einen eng begrenzten Personenkreis, da von vornherein nur bereits Sicherungsverwahrte betroffen sind, die infolge des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17. Dezember 2009 aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen waren oder bereits entlassen worden waren (vgl. BTDrucks 17/3403, S. 19). Eine Individualisierung der Betroffenen liegt in dieser abstrakten Begrenzung jedoch nicht. Dem Gesetzgeber war zum Zeitpunkt des Gesetzgebungsverfahrens die genaue Anzahl der vom Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1 ThUG Betroffenen nicht bekannt. Erst recht konnte der Gesetzgeber keine Kenntnis davon haben, welche individuellen Personen betroffen sein würden. Aufgrund der seinerzeit in der fachgerichtlichen Rechtsprechung noch nicht geklärten Frage, wie das Urteil des Gerichtshofs (EGMR, Urteil vom 17. Dezember 2009 - Beschwerde-Nr. 19359/04 - Mücke ./. Deutschland) im nationalen Kontext zu berücksichtigen sei (vgl. einerseits BGH, Beschluss vom 12. Mai 2010 - 4 StR 577/09 -, [...]; andererseits BGH, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 5 StR 60/10 -, BGHSt 55, 234), stand nicht fest, für welchen Kreis der Sicherungsverwahrten der zu berücksichtigende Vertrauensschutz zu einer Erledigung der Sicherungsverwahrung führen und die Anwendbarkeit des Therapieunterbringungsgesetzes eröffnen würde. Darüber hinaus begründet § 1 Abs. 1 ThUG keinen Automatismus dahingehend, dass alle Sicherungsverwahrten, die weiterhin als gefährlich eingestuft werden, aber aufgrund des Urteils des Gerichtshofs vom 17. Dezember 2009 entlassen wurden oder werden, in die Therapieunterbringung überführt werden."

Nach diesen Maßstäben kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht darauf an, dass jedenfalls eine bestimmte Personengruppe - die Studienbewerber der jeweiligen Semester - "individualisiert" werden kann. Der Blickwinkel des Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG ist nicht derjenige des Betroffenen, der sich von der Regelung erfasst sieht, sondern derjenige des Gesetzgebers, die im Vorhinein die betroffenen Personen nicht benennen kann, zumal dann, wenn der geregelte Zeitraum eine größere Zahl von Eingangssemestern umfasst.

d. Ein gesetzgeberischer Verstoß gegen höherrangiges Recht in Gestalt des Kapazitätserschöpfungsgebots liegt entgegen der Auffassung der Beschwerde nicht darin, dass der Gesetzgeber eine Evaluierung erst nach Ablauf von acht Jahren vorgesehen hat. Es sind zunächst keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür dargetan, dass die Universität Groningen bereit sein könnte, vor Ablauf der Evaluierungsphase oder überhaupt mehr Kapazität bereitzustellen als bisher vereinbart, oder dass eine grundlegende Konzeptänderung in Betracht käme. Wie bereits oben angesprochen, bedeutet die zeitliche Vorgabe des Gesetzgebers für die Evaluierung auch keineswegs, dass die Antragsgegnerin bis dahin jeglicher Erfassung und Beurteilung kapazitätsrelevanter Fakten enthoben wäre. Im Gegenteil setzt eine Evaluierung der vorgesehenen Art gerade voraus, dass über den gesamten Zeitraum hin deutlich mehr Daten erfasst und gewichtet werden als bei einer Hochschule, die keiner derartigen Evaluierung unterliegt. Ergibt sich daraus, dass sich die kapazitätsrechtliche Vorabbeurteilung des Vorhabens im Nachhinein als mängelbehaftet erweist, ist der Gesetzgeber nicht gehindert, auch schon vor Ablauf des genannten Zeitraums Konsequenzen daraus zu ziehen.

3. In der Sache verbleibt es unter diesen Umständen dabei, dass Eilrechtsschutz zwar ohne Vorlage nach Art. 100 Abs. GG möglich wäre - diese vom Senat im Beschluss vom 21. Februar 2013 (- 2 NB 20/13 -, [...]) dargelegte Auffassung entspricht weiterhin der Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. Beschl. der 1. K. d. 2. Senats v. 4.3.2014 - 2 BvL 2/13 -, [...]) -, aber im Einzelfall hier nicht geboten ist.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).