Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.03.2014, Az.: 13 LA 118/13

Gerichtliche Beurteilung der Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
07.03.2014
Aktenzeichen
13 LA 118/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 11856
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2014:0307.13LA118.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 11.06.2013 - AZ: 2 A 1271/12

Amtlicher Leitsatz

Es ist die ureigene Aufgabe eines Gerichts, die Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels zu beurteilen.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 2. Kammer (Einzelrichter) - vom 11. Juni 2013 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf

Zulassung der Berufung

hat keinen Erfolg.

Nach § 78 Abs. 3 AsylVfG ist in asylrechtlichen Streitigkeiten die Berufung nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, das Urteil von einer Entscheidung der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG aufgeführten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 VwGO bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt. Nach § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG sind in dem Zulassungsantrag die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Darlegung erfordert qualifizierte, ins Einzelne gehende, fallbezogene und aus sich heraus verständliche, auf den jeweiligen Zulassungsgrund bezogene und geordnete Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen.

Der von der Klägerin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG) wird nicht in einer den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG genügenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor. Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich bislang noch nicht beantwortete Frage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die im Rechtsmittelverfahren entscheidungserheblich wäre und die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ist nur dann im Sinne des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum die Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.

Diese Anforderungen erfüllt die Zulassungsbegründung der Klägerin nicht. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, "wer und unter welchen Voraussetzungen die Ernsthaftigkeit eines Glaubenswechsels und die innere Überzeugung zum neuen, angenommenen Glauben festzustellen hat oder feststellen kann", ist nicht grundsätzlich klärungsbedürftig. "Wer" die innere Überzeugung eines Konvertiten zu beurteilen hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Es ist ureigene Aufgabe des Gerichts, aufgrund der mündlichen Verhandlung und der dort vorliegenden Unterlagen zu einer eigenen Einschätzung zu kommen. An die Ausstellung eines Taufscheins sowie an die Einschätzung der Glaubensüberzeugung eines Konvertiten durch eine Kirchengemeinde bzw. einen Pastor ist das Gericht nicht gebunden (Beschl. d. Sen. v. 18.10.2013 - 13 LA 106/13 -, u. v. 30.05.2012 - 13 LA 100/12 -; so auch OVG NRW, Beschl. v. 11.11.2013 - 13 A 2252/13.A -, AuAS 2013, 271; Bay. VGH, Beschl. v. 08.08.2013 - 14 ZB 13.30199 -, [...]). Soweit die Klägerin darüber hinaus sinngemäß eine obergerichtliche Klärung der Maßstäbe begehrt, nach denen zu beurteilen ist, ob die Hinwendung zu der angenommenen Religion auf einer festen Überzeugung und einem ernst gemeinten religiösen Einstellungswandel und nicht auf Opportunitätserwägungen beruht, ist die von ihr aufgeworfene Frage einer generellen Klärung nicht zugänglich. Es lässt sich nicht allgemein beschreiben, unter welchen Voraussetzungen von einem Glaubenswechsel in diesem Sinne auszugehen ist. Maßgeblich sind vielmehr die individuellen und konkreten Umstände des Einzelfalles. Die Herausbildung eines generellen Kriterienkatalogs, der - losgelöst vom konkreten Fall - abstrakt die Maßstäbe für eine solche Prüfung benennt, kann nicht Gegenstand eines Berufungsverfahrens sein.

Soweit die Klägerin die tatrichterliche Würdigung des Verwaltungsgerichts in der Sache als bloße "Vermutung" und "Gefühlsentscheidung" rügt, wendet sich sie - unter dem Deckmantel einer Grundsatzrüge - letztlich gegen die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung selbst, die der Überprüfung des Senats im Berufungszulassungsverfahren entzogen ist.

Der von der Klägerin mit Schriftsatz vom 25. Februar 2014 erstmals geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels nach § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG kann schon wegen Ablaufs der Monatsfrist des § 78 Abs. 4 AsylVfG - die Zustellung des Urteils erfolgte am 17. Juni 2013 - keine Berücksichtigung mehr finden. Davon abgesehen kann der (verspätete) Vortrag der Klägerin die Zulassung der Berufung auch in der Sache nicht rechtfertigen. Die Klägerin beruft sich auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart, nach der ein Gericht staatskirchenrechtlich an die Feststellung eines ernsthaften Glaubensübertritts durch eine Pfarrerin gebunden sei. Diese Entscheidung steht aber im Widerspruch zu der zitierten Rechtsprechung des Senats und anderer Obergerichte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO; Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylVfG nicht erhoben.