Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 02.09.2020, Az.: 4 MN 53/19

Außervollzugsetzung; Begründung; Bestimmtheit; Folgenabwägung; Frist; Karte; Landschaftsschutz; Maßstab

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
02.09.2020
Aktenzeichen
4 MN 53/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2020, 72071
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine Versäumung der in § 6 Satz 1 UmwRG geregelten Frist führt nicht zur Unzulässigkeit der Anrufung des Gerichts.

Tenor:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert des Verfahrens wird auf 20.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers, die Verordnung zum Schutz des Landschaftsteiles „Schaumburger Wald“ in den Samtgemeinden Sachsenhagen, Niedernwöhren und Nienstädt sowie der Stadt Bückeburg, Landkreis Schaumburg vom 5. Dezember 2018 im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig außer Vollzug zu setzen, bleibt ohne Erfolg.

Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Oberverwaltungsgericht eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Da sich der Wortlaut des § 47 Abs. 6 VwGO an dem des § 32 Abs. 1 BVerfGG für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im verfassungsgerichtlichen Verfahren anlehnt, sind die vom Bundesverfassungsgericht zu § 32 Abs. 1 BVerfGG entwickelten Grundsätze auch bei der Anwendung des § 47 Abs. 6 VwGO heranzuziehen (Senatsbeschl. v. 30.5.2018 - 4 MN 6/18 -, v. 26.1.2017 - 4 MN 293/16 -, v. 6.7.2016 - 4 MN 79/16 -, v. 9.7.2013 - 4 MN 155/13 -, NVwZ-RR 2014, 178 u. v. 30.10.2009 - 4 MN 346/08 -, NordÖR 2009, 510; Nds. OVG, Beschl. v. 24.11.2003 - 2 MN 334/03 -, Nds. RPfl. 2004, 111; Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl. 2020, § 47 Rn. 148). Daher ist bei der Prüfung, ob eine einstweilige Anordnung auf Aussetzung einer bereits in Kraft gesetzten Norm dringend geboten ist, ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Außerdem haben bei der Entscheidung nach § 47 Abs. 6 VwGO die Gründe, die der Antragsteller für die Nichtigkeit der angegriffenen Norm im Hauptsacheverfahren angeführt hat, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben (Senatsbeschl. v. 30.5.2018 - 4 MN 6/18 -, v. 26.1.2017 - 4 MN 293/16 -, v. 6.7.2016 - 4 MN 79/16 -, v. 9.7.2013 - 4 MN 155/13 -, NVwZ-RR 2014, 178 u. v. 30.10.2009 - 4 MN 346/08 -, NordÖR 2009, 510; vgl. zu § 32 Abs. 1 BVerfGG: BVerfG, Beschl. v. 22.3.2005 - 1 BvR 2357/04, 1 BvQ 2/05 -, NJW 2005, 1179). Vielmehr sind grundsätzlich ausschließlich die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe (Senatsbeschl. v. 30.5.2018 - 4 MN 6/18 -, v. 26.1.2017 - 4 MN 293/16 -, v. 6.7.2016 - 4 MN 79/16 -, v. 9.7.2013 - 4 MN 155/13 -, NVwZ-RR 2014, 178 u. v. 30.10.2009 - 4 MN 346/08 -, NordÖR 2009, 510; Bay. VGH, Beschl. v. 7.5.2013 - 10 NE 13.226 -; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 18.12.2000 - I S 1763.00 -, NVwZ 2000, 827 [OVG Mecklenburg-Vorpommern 15.04.1999 - 3 K 36/97]; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; vgl. zu § 32 Abs. 1 BVerfGG: BVerfG, Beschl. v. 17.7.2002 - 2 BvR 1027/02 -, BVerfGE 105, 365, 370 f.). Etwas Anderes gilt nur dann, wenn der Normenkontrollantrag sich bereits im einstweiligen Rechtschutzverfahren als offensichtlich unzulässig, offensichtlich unbegründet oder offensichtlich begründet erweist. In den beiden erstgenannten Fällen ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen, weil eine einstweilige Anordnung bei einer offensichtlichen Unzulässigkeit oder offensichtlichen Unbegründetheit des Normenkontrollantrags nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist (Senatsbeschl. v. 30.5.2018 - 4 MN 6/18 -; Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395). Im Fall der offensichtlichen Begründetheit des Normenkontrollantrags ist dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hingegen stattzugeben, sofern bei einem Vollzug der Norm bis zur endgültigen Entscheidung in der Hauptsache irreversible Schäden drohen würden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 25.2.2015 - 4 VR 5/14 -, BauR 2015, 968; Senatsbeschl. v. 30.5.2018 - 4 MN 6/18 -, Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 47 Rn. 395; Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 47 Rn. 106).

Danach ist die vom Antragsteller angegriffene Verordnung, die in ihrem Titel unspezifisch vom Schutz eines „Landschaftsteiles“ spricht, die aber, wie sich aus § 1 Abs. 1 VO, der Überschrift dieser Norm und aus weiteren Vorschriften der Verordnung unzweifelhaft ergibt, die Errichtung eines Landschaftsschutzgebiets (§ 26 BNatSchG) regelt, nicht einstweilig außer Vollzug zu setzen.

Der gemäß § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO i. V. m. § 75 NJG statthafte Normenkontrollantrag des Antragstellers ist nicht offensichtlich unzulässig. Insbesondere führt es entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht zur Unzulässigkeit des Normenkontrollantrags, dass er vom Antragsteller erst deutlich mehr als zehn Wochen nach Einlegung des Antrags begründet worden ist.

Es ist bereits in zweifacher Hinsicht fraglich, ob der vom Antragsgegner angeführte § 6 Satz 1 UmwRG, wonach innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung der Klage gegen eine Entscheidung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG oder gegen deren Unterlassen dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben sind, auf den vorliegenden Fall überhaupt anzuwenden ist. Denn zum einen ist es noch nicht grundsätzlich geklärt, ob die Vorschrift über den Wortlaut („Klageerhebung“) hinaus auch auf Normenkontrollanträge gem. § 47 VwGO Anwendung findet (vgl. hierzu die Revisionszulassung durch das BVerwG, Beschl. v. 12.12.2019, - 4 BN 34.19 -). Zum anderen ist die Anwendbarkeit von § 6 Satz 1 UmwRG deshalb fraglich, weil von den Entscheidungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, auf die sich § 6 Satz 1 UmwRG ausdrücklich bezieht, hier höchstens eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 4 UmwRG vorliegenden könnte. Jedenfalls nach bisherigem Verständnis werden naturschutzrechtliche Schutzgebietsverordnungen aber nicht als Entscheidungen im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UmwRG angesehen, für die eine Pflicht zur Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung bestehen kann (vgl. Bay. VGH, Urt. v. 25.4.2018 - 14 N 14.878 -, NuR 2018, 710 = ZUR 2018, 561; siehe dazu jetzt aber den Vorlagebeschl. d. BVerwG v. 4.5.2020 - 4 CN 4.18 -).

Außerdem würde eine Versäumung der in § 6 Satz 1 UmwRG geregelten Frist auch nicht zur Unzulässigkeit der Anrufung des Gerichts führen (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 6 UmwRG Rn. 2). Die Fristversäumung hat gemäß Satz 2 der Regelung lediglich zur Folge, dass Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Fristablauf vorgebracht werden, nur zuzulassen sind, wenn die Voraussetzungen nach § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO erfüllt sind (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 16.4.2020 - 9 B 66.19 -). Die Bedeutung von § 6 UmwRG beschränkt sich somit auf eine Reduzierung des vom Gericht zu prüfenden Streitstoffs („formelle Präklusion“) und eine damit einhergehende Entlastung des Gerichts (vgl. Fellenberg/Schiller in: Landmann/Rohmer, UmwR, Stand: 92. EL 2020, § 6 UmwRG Rn. 7, 8 m. w. Nachw.).

Ferner ist der Normenkontrollantrag auch nicht offensichtlich unbegründet.

Umgekehrt ist der Normenkontrollantrag aber auch nicht offensichtlich begründet.

Die Verordnung leidet nicht an einem zur Unwirksamkeit führenden Bekanntmachungsfehler. Entgegen der Behauptung des Antragstellers sind die beiden in § 1 Abs. 2 Satz 1 VO genannten und der optischen Grobbeschreibung des Landschaftsschutzgebiets dienenden Übersichtskarten (Anlagen 1a und 1b) bei der Bekanntmachung der Verordnung im Amtsblatt des Antragsgegners nicht verkleinert, sondern im Originalmaßstab von 1 : 30.000 abgedruckt worden (Beiakte 6, Bl. 889 f.). Dieser Maßstab genügt auch den rechtlichen Anforderungen, da § 14 Abs. 4 Satz 6 NAGBNatSchG für Übersichtskarten einen Mindestmaßstab von 1 : 50.000 vorgibt.

Außerdem wird der Schutzgegenstand der Verordnung durch § 1 Abs. 2 VO in Verbindung mit den zur Verordnung gehörenden maßgeblichen Karten hinreichend bestimmt bezeichnet. Entgegen der Ansicht des Antragstellers ist der Grenzverlauf des Landschaftsschutzgebiets eindeutig feststellbar.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 NAGBNatSchG werden der geschützte Teil von Natur und Landschaft und der Geltungsbereich von Vorschriften zeichnerisch in Karten bestimmt. Dementsprechend regelt § 1 Abs. 2 Satz 2 VO, dass sich die Grenze des Landschaftsschutzgebiets aus den maßgeblichen Karten im Maßstab 1 : 10.000 (Anlagen 2a und 2b) ergibt, die nach Satz 4 der Regelung Bestandteil der Verordnung sind. In § 1 Abs. 2 Satz 3 VO ist bestimmt, dass die Grenze auf der Innenseite des auf den beiden Karten dargestellten grauen Rasterbandes verläuft. Daraus ergibt sich ohne Weiteres, dass die Grenze des Landschaftsschutzgebiets entlang der Innenseite des grauen Rasterbandes, die mit einer dunkleren Begrenzungslinie markiert ist, verläuft und dass die Flächen jenseits der Innenseite des grauen Rasterbandes nicht unter Landschaftsschutz gestellt worden sind. Dass die dunklere Begrenzungslinie ihrerseits eine gewisse Breite aufweist, hindert eine metergenaue Bestimmung der Grenze nicht. Die Grenze verläuft nämlich nicht auf der Begrenzungslinie des grauen Rasterbandes, sondern entlang der Außenkante dieser Begrenzungslinie, die Bestandteil des grauen Rasterbandes ist.

Der Antragsgegner war auch nicht verpflichtet, die zeichnerische Bestimmung des geschützten Teils von Natur und Landschaft zur Wahrung des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes in einem noch genaueren als dem gewählten Maßstab von 1 : 10.000 vorzunehmen.

§ 14 Abs. 4 Satz 6 NAGBNatSchG lässt sich entnehmen, dass eine Übersichtskarte einen Mindestmaßstab von 1 : 50.000 aufweisen muss. Im Gegenschluss ergibt sich daraus, dass die für die Grenzziehung des geschützten Teils von Natur und Landschaft maßgebliche Karte nach § 14 Abs. 4 Satz 1 NAGBNatSchG einen genaueren Maßstab aufweisen muss, der eine zeichnerische Darstellung ermöglicht, anhand derer sich das Schutzgebiet klar und nachprüfbar bestimmen lässt. Die Wahl des Kartenmaßstabs hat sich dabei an den Erfordernissen der jeweiligen tatsächlichen Gegebenheiten auszurichten, insbesondere an der Größe des Gebiets und der Übersichtlichkeit des Grenzverlaufs (vgl. Blum/Agena, Niedersächsisches Naturschutzrecht, § 14 NAGBNatSchG Rn. 37). Für kleinere Schutzgebiete – i.d.R. Naturschutzgebiete – werden Maßstäbe von 1 : 2.500 bis 1 : 5.000 als ausreichend angesehen, während größere Schutzgebiete – i.d.R. Landschaftsschutzgebiete – auch durch Karten mit größeren Maßstäben noch hinreichend genau bezeichnet werden können (vgl. Senatsurt. v. 15.10.2019 - 4 KN 185/17 -).

Daran gemessen bestehen an der Wahl des Maßstabes von 1 : 10.000 für die beiden Detailkarten, die für die Bestimmung des Geltungsbereichs der Verordnung maßgeblich sind, keine Bedenken. Denn es handelt sich bei dem Landschaftsschutzgebiet mit einer Größe von 5.323 ha (§ 1 Abs. 4 Satz 1 VO) um ein größeres Schutzgebiet. Es ist mehr als elfmal größer als das 475 ha große Schutzgebiet, für das der Senat in seinen Urteilen vom 15. Oktober 2019 (- 4 KN 185/17 - u. a.) einen Kartenmaßstab von 1 : 8.000 als ausreichend angesehen hat. Zudem weist das Schutzgebiet auch keine außergewöhnlich unübersichtlichen Grenzen auf, die einen besonders genauen Maßstab erforderlich machen würden. Daher ist der vom Antragsgegner verwendete Maßstab von 1 : 10.000 als ausreichend anzusehen.

Der vom Antragsteller in der Hauptsache eingelegte Normenkontrollantrag ist auch nicht aus anderen Gründen offensichtlich begründet. Die umfangreichen rechtlichen Angriffe des Antragstellers gegen die materielle Rechtmäßigkeit der Verordnung bedürfen einer näheren Prüfung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens.

Lässt sich somit nicht anhand des strengen Maßstabs der Offensichtlichkeit bestimmen, ob der Normenkontrollantrag in der Hauptsache Erfolg haben wird oder nicht, so ist – wie oben ausgeführt – über den Antrag auf einstweilige Außervollzugsetzung der Verordnung im Rahmen einer Folgenabwägung zu entscheiden. Diese Abwägung ergibt, dass die vom Antragsteller beantragte einstweilige Anordnung nicht zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Denn die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Normenkontrollantrag aber erfolglos bliebe, sind schwerwiegender als die Nachteile, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber später Erfolg hätte.

Würde die o. a. Landschaftsschutzgebietsverordnung – wie vom Antragsteller beantragt – einstweilen außer Vollzug gesetzt, der Normenkontrollantrag aber später abgelehnt, könnten die Maßnahmen, die durch die §§ 3 bis 5 der Verordnung verboten oder unter Erlaubnisvorbehalt gestellt werden, bis zum rechtskräftigen Abschluss des Normenkontrollverfahrens durchgeführt werden, sofern diesen Maßnahmen nicht andere rechtliche Bestimmungen entgegenstehen. Unter anderem könnte die ordnungsgemäße Forstwirtschaft ohne die in § 5 Abs. 3 VO geregelten Vorgaben ausgeübt werden. Damit bestünde bis zum rechtskräftigen Abschluss des Normenkontrollverfahrens u. a. die Gefahr einer erheblichen Störung des Mittelspechts (Dendrocopos medius). Diese Vogelart gehört gemäß Anlage 4 Nr. 1 VO zu den wertbestimmenden Arten, deren Populationen durch die Verordnung innerhalb des große Teile des Landschaftsschutzgebiets ausmachenden Vogelschutzgebiets V67 „Schaumburger Wald“ gesichert werden sollen. Gemäß der Begründung der Verordnung handelt es sich aufgrund der herausragenden Siedlungsdichte und Bestandsgröße um das bedeutendste Brutgebiet des Mittelspechts in Niedersachsen und eines der bedeutendsten in Deutschland; die Vogelart erreicht aufgrund des Angebots an alten Eichenbeständen außerordentlich hohe Siedlungsdichten bei relativ gleichmäßiger Besiedlung des gesamten Waldgebiets (Beiakte 6, Bl. 749 f.). Im Rahmen der im Jahr 2012 erfolgten Brutvogelerfassung wurde festgestellt, dass sich die Population im Gebiet mit einer Steigerung von 452 auf 470 Brutreviere insgesamt zwar weiter positiv entwickelt hat. Innerhalb der Teilgebiete ergab sich jedoch ein differenziertes Bild. So stieg die Zahl der Reviere im Nordosten, wo der Staatsforst liegt, teils deutlich an, während im Südwesten, wo sich die Forstflächen des Antragstellers befinden, teils starke Bestandseinbußen zu verzeichnen waren (Beiakte 1, Abt. 6, S. 12, 15). In Ermangelung anderer bekannter Störquellen ist davon auszugehen, dass die bisherige Art und Intensität, mit der im Betrieb des Antragstellers die Forstwirtschaft betrieben worden ist, hierfür ursächlich gewesen ist, wobei insbesondere die Lichtung von als Habitat- und Brutstätten geeigneten Waldflächen sowie Motorsägenlärm durch Holzfällarbeiten während der im Februar beginnenden Balz- und Paarungszeit in Frage kommen. Mit der Fortsetzung derartiger Störungen, denen durch die in § 5 Abs. 3 Nr. 2 VO geregelten Verbote vorgebeugt werden soll, würde die Verwirklichung der Schutzziele der Landschaftsschutzgebietsverordnung jedenfalls in großen Teilgebieten erheblich erschwert und bis zum Abschluss der Hauptsache verzögert. Die Naturschutzbelange, deren Schutz der Antragsteller verfolgt, wären somit erheblich beeinträchtigt.

Soweit der Antragsteller meint, der drohenden Beeinträchtigung von Naturschutzbelangen werde dadurch ausreichend vorgebeugt, dass bei einer vorläufigen Außervollzugsetzung der Verordnung die frühere Landschaftsschutzgebietsverordnung vom 7. Mai 2008, die durch § 10 Abs. 2 VO aufgehoben worden ist, vorläufig wiederaufleben würde und durch die Verbote der alten Verordnung vorläufig ein ausreichender Landschaftsschutz gewährleistet werde, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Dabei kann dahinstehen, ob die alte Verordnung bei vorläufiger Außervollzugsetzung der neuen Verordnung vorläufig weiter gelten würde oder dies jedenfalls durch eine ausdrückliche Anordnung des Senats bewerkstelligt werden könnte. Denn die alte Verordnung enthält keine mit § 5 Abs. 3 Nr. 2 VO vergleichbaren Verbote zum Schutz der Fortpflanzungs- oder Ruhestätten u. a. des Mittelspechts innerhalb des EU-Vogelschutzgebiets. Die vorläufige Weitergeltung der alten Verordnung wäre daher zur vorläufigen Abwehr der dem Mittelspecht drohenden erheblichen Beeinträchtigungen nicht in ausreichender Weise geeignet.

Würde die Landschaftsschutzgebietsverordnung hingegen nicht einstweilen außer Vollzug gesetzt, dem Normenkontrollantrag aber später stattgegeben, dürften die von der Verordnung verbotenen sowie die unter Erlaubnisvorbehalt gestellten, aber nicht erlaubnisfähigen Maßnahmen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Normenkontrollverfahrens nicht genehmigt bzw. nicht durchgeführt werden. Damit könnte auch die vom Antragsteller ausgeübte forstwirtschaftliche Nutzung bis zu einem endgültigen Erfolg des Normenkontrollantrags insbesondere nur noch unter den in § 5 Abs. 3 VO geregelten Einschränkungen ausgeübt werden.

Die (wirtschaftlichen) Nachteile, die dadurch u.a. für den Antragsteller entstünden, hätten aber geringeres Gewicht als die für den Landschaftsschutz zu befürchtenden Nachteile im Falle einer einstweiligen Außervollzugsetzung der Landschaftsschutzgebietsverordnung und einer späteren Ablehnung des Normenkontrollantrags. Denn diese würden zum einen anders als die für den Landschaftsschutz zu befürchtenden Nachteile voraussichtlich in erster Linie nur zu Lasten privater Belange Einzelner gehen. Zum anderen wären diese Nachteile nicht dauerhaft, sondern nur vorübergehender Art, weil sich die von der Landschaftsschutzgebietsverordnung verbotenen Maßnahmen und Vorhaben lediglich verzögern würden. Überdies wäre der Zeitraum, in dem die o. a. Maßnahmen und Vorhaben nicht durchgeführt werden könnten, nicht unzumutbar lang, sondern angesichts der voraussichtlichen Dauer des Normenkontrollverfahrens durchaus überschaubar. Der Antragsteller hat auch nicht geltend gemacht, dass seinem forstwirtschaftlichen Betrieb innerhalb dieses Zeitraums aufgrund der Verbote der Verordnung eine wirtschaftliche Existenzgefährdung droht. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass § 6 Abs. 1 VO i. V. m. § 67 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BNatSchG die Möglichkeit einer Befreiung von den Verboten der Verordnung vorsieht, wenn diese im Einzelfall zu einer unzumutbaren Belastung führen und eine Abweichung mit den Belangen von Naturschutz und Landschaftspflege vereinbar ist, so dass nicht ausgeschlossen ist, dass eine etwaige unzumutbare Belastung im Einzelfall auch schon während des Normenkontrollverfahrens durch die Erteilung einer Befreiung beseitigt wird. Ergänzend sieht § 68 Abs. 1 BNatSchG ferner die Leistung einer Entschädigung in Geld vor, wenn einer unzumutbaren Beschränkung des Eigentums nicht durch andere Maßnahmen, insbesondere die Gewährung einer Ausnahme oder Befreiung, abgeholfen werden kann. Auch dies spricht gegen die dringende Notwendigkeit der beantragten einstweiligen Anordnung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.