Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 21.12.2016, Az.: 5 ME 151/16

Ausschärfende Betrachtung; strukturiertes Auswahlgespräch; Binnendifferenzierung; weibliches Geschlecht; Gleichberechtigung; Hilfskriterien; leistungsbezogenes Kriterium; Leistungsentwicklung; Rangfolge; Regelbeurteilung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.12.2016
Aktenzeichen
5 ME 151/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43418
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 26.09.2016 - AZ: 6 B 3512/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Sofern Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, ist für die Auswahlentscheidung auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Insoweit hat die zuständige Behörde zunächst die aktuellen dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen (Anschluss an BVerwG, Urteil vom 30.6.2011 - BVerwG 2 C 19.10 -, juris Rn 17; Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn 26; Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn 35).

An seiner bisherigen Rechtsprechung, dass der zuständigen Behörde bei gleichem Gesamturteil hinsichtlich der Auswahl der weiteren unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien ein weiter Ermessensspielraum zustehe und sie insbesondere nicht gehalten sei, bei der Heranziehung der weiteren unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien eine bestimmte Rangfolge einzuhalten (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 18.8.2011 - 5 ME 212/11 -, juris Rn 9; Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn 19; Beschluss vom 28.11.2012 - 5 ME 240/12 -, juris Rn 24; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn 18; Beschluss vom 10.3.2014 - 5 ME 269/13 -), hält der Senat nicht mehr fest.

2. Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. Sie kann zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn 25 und Rn 37). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -).

Tenor:

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Oldenburg - 6. Kammer - vom 26. September 2016 geändert.

Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, den am 17. März 2016 ausgeschriebenen Dienstposten „Leiter/-in Einsatz“ bei der Polizeiinspektion G. mit der Beigeladenen zu besetzen, solange nicht über die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung vom 29. Juni 2016 bestandskräftig entschieden ist.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des gesamten Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 36.431,88 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners, den am 17. März 2016 ausgeschriebenen und nach der Besoldungsgruppe A 15 bewerteten Dienstposten „Leiter/-in Einsatz“ bei der Polizeiinspektion G. mit der Beigeladenen zu besetzen.

Der 49 Jahre alte Antragsteller und die 50 Jahre alte Beigeladene stehen im Statusamt des Polizeioberrats bzw. der Polizeioberrätin (Besoldungsgruppe A 14) im Dienst des Antragsgegners. Sie bewarben sich auf die oben genannte Stelle. Weitere Bewerbungen gingen nicht bei dem Antragsgegner ein.

Der Antragsteller und die Beigeladene erhielten in ihren zum Stichtag 1. September 2014 gefertigten Regelbeurteilungen (Beurteilungszeitraum 1.9.2010 - 31.8.2014) in ihrem jetzigen Statusamt in dem Gesamturteil jeweils die Wertungsstufe „C - entspricht voll den Anforderungen“ und die Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“. Der Antragsteller erhielt in der Leistungsbeurteilung (Nr. 5.2 der Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen - BRLPol -, RdErl. d. MI vom 11.7.2008, Nds. MBl. S. 782) bei drei Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe B und bei neun Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C. Die Beigeladene erhielt in der Leistungsbeurteilung bei zwei Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe B und bei zehn Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C. In der Befähigungseinschätzung (Nr. 5.3 BRLPol) erhielt der Antragsteller bei dem Befähigungsmerkmal „Kreativität“ den Ausprägungsgrad „stärker ausgeprägt“, bei dem Befähigungsmerkmal „Umgang mit Konfliktsituationen“ den Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“. Die Beigeladene erhielt bei beiden Befähigungsmerkmalen den Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“.

In ihren zum Stichtag 1. September 2010 gefertigten vorherigen Regelbeurteilungen (Beurteilungszeitraum 1.8.2007 - 31.8.2010) waren der Antragsteller und die Beigeladene in ihrem jetzigen Statusamt in dem Gesamturteil ebenfalls jeweils mit der Wertungsstufe „C - entspricht voll den Anforderungen“ und der Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ bewertet worden. Der Antragsteller hatte in der Leistungsbeurteilung (Nr. 5.2 BRLPol vom 11.7.2008) bei einem Leistungsmerkmal die Wertungsstufe B und bei elf Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C erhalten. Die Beigeladene hatte in der Leistungsbeurteilung bei elf Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C und bei einem Leistungsmerkmal die Wertungsstufe D erhalten. In der Befähigungseinschätzung hatten der Antragsteller und die Beigeladene bei beiden Befähigungsmerkmalen den Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“ erhalten.

Der Antragsgegner führte am 29. April 2016 mit dem Antragsteller und der Beigeladenen strukturierte Auswahlgespräche durch. Im Anschluss an die Auswahlgespräche legte der Antragsgegner in seinem Auswahlvermerk vom 30. Mai 2016 dar, der Antragsteller und die Beigeladene seien aufgrund des Ergebnisses der aktuellen und der Vorbeurteilungen als im Wesentlichen leistungsgleich einzustufen. Ein Abgleich der bisherigen dienstlichen Verwendungen der Bewerber mit dem in der Ausschreibung formulierten Anforderungsprofil ergebe, dass beide Bewerber das konstitutive Anforderungsprofil erfüllten. Die wünschenswerten Voraussetzungen würden in unterschiedlichen Ausprägungen erfüllt, so dass sich insgesamt kein Eignungsvorsprung zu Gunsten eines Bewerbers ergebe. Es sei deshalb entschieden worden, Auswahlgespräche durchzuführen. Bei einer Gesamtwürdigung der beiden Auswahlgespräche hätten sich keine wesentlichen und deutlichen Leistungsunterschiede gezeigt. Die Auswahlentscheidung werde deshalb auf der Grundlage der Regelung des § 15 Abs. 4 des Niedersächsischen Gleichberechtigungsgesetzes (NGG) getroffen. Da die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt seien, sei die Beigeladene als Angehörige des unterrepräsentierten Geschlechts dem Antragsteller zu bevorzugen.

Der Antragsteller hat gegen die ihm mit Schreiben des Antragsgegners vom 29. Juni 2016 mitgeteilte Auswahlentscheidung am 14. Juli 2016 bei dem Verwaltungsgericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 26. September 2016 abgelehnt. Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.

Die von dem Antragsteller mit der Beschwerde dargelegten Gründe rechtfertigen die Änderung des angefochtenen Beschlusses. Der Senat ist anders als das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nach § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO glaubhaft gemacht hat. Denn die Auswahlentscheidung des Antragsgegners trägt nicht dem in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Leistungsprinzip (Grundsatz der Bestenauslese) Rechnung.

1. Dem Grundsatz der Bestenauslese entspricht es, zur Ermittlung des Leistungsstandes konkurrierender Bewerber auf unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen. Dies sind regelmäßig die aktuellen dienstlichen Beurteilungen (BVerwG, Urteil vom 27.2.2003 - BVerwG 2 C 16.02 -, juris Rn 12; Beschluss vom 20.6.2013 - BVerwG 2 VR 1.13 -, juris Rn 21; Nds. OVG, Beschluss vom 10.10.2012 - 5 ME 235/12 -, juris Rn 18; Beschluss vom 14.11.2013 - 5 ME 228/13 -, juris Rn 12; Beschluss vom 23.5.2014 - 5 ME 61/14 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -), weil für die zu treffende Entscheidung hinsichtlich Eignung, Befähigung und fachliche Leistung auf den aktuellen Stand abzustellen ist. Maßgebend für den Leistungsvergleich ist in erster Linie das abschließende Gesamturteil, das durch eine Würdigung, Gewichtung und Abwägung der einzelnen leistungsbezogenen Gesichtspunkte zu bilden ist (BVerwG, Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn 21; Beschluss vom 19.12.2014 - BVerwG 2 VR 1.14 -, juris Rn 35).

a) Der Antragsgegner war entgegen der Ansicht des Antragstellers berechtigt, seiner Auswahlentscheidung die über den Antragsteller zum Stichtag 1. September 2014 gefertigte Regelbeurteilung (Beurteilungszeitraum 1.9.2010 - 31.8.2014) zugrunde zu legen. Der Einwand des Antragstellers, die über ihn erstellte Regelbeurteilung sei nicht mehr hinreichend aktuell gewesen, greift nicht durch.

Unter welchen Voraussetzungen zurückliegende Beurteilungen noch eine hinreichend verlässliche Grundlage für eine Auswahlentscheidung darstellen können, lässt sich nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten. Nach der Rechtsprechung des für das Recht des öffentlichen Dienstes zuständigen zweiten Senats des Bundesverwaltungsgerichts beurteilt sich die Frage der noch ausreichenden Aktualität einer dienstlichen Regelbeurteilung danach, ob der Bewerber nach dem letzten Beurteilungsstichtag (wesentlich) „andere Aufgaben“ wahrgenommen hat (BVerwG, Urteil vom 30.6.2011 - BVerwG 2 C 19.10 -, juris Rn 23; Beschluss vom 10.5.2016 - BVerwG 2 VR 2.15 -, juris Rn 23), wobei die Wahrnehmung „anderer Aufgaben“ rund eineinhalb Jahre nach dem Beurteilungsstichtag als zu lang angesehen wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.2.2009 - BVerwG 2 A 7.06 -, juris Rn 19 f.; Urteil vom 30.6.2011, a. a. O., Rn 23). Der erste Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass seit der letzten dienstlichen Beurteilung in Bezug auf die Verwendung des Bediensteten „einschneidende Änderungen“ eingetreten sein müssen, damit die Beurteilung nicht mehr als hinreichend aktuell angesehen werden kann (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.9.2005 - BVerwG 1 WB 4.05 -, juris Rn 25). Diesen Grundsätzen ist der beschließende Senat gefolgt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 18.12.2008 - 5 ME 353/08 -, juris Rn 15; Beschluss vom 21.9.2011 - 5 ME 241/11 -, juris Rn 9 ff.; Beschluss vom 14.2.2014 - 5 ME 267/13 -; Beschluss vom 1.3.2016 - 5 ME 10/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze war die über den Antragsteller zum Stichtag 1. September 2014 gefertigte Regelbeurteilung in dem für die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung maßgeblichen Zeitpunkt des Ergehens dieser Entscheidung noch hinreichend aktuell. Denn in Bezug auf die dienstliche Verwendung des Antragstellers sind seit dem Beurteilungsstichtag keine wesentlichen Änderungen eingetreten. Der Antragsteller hat vielmehr auch in der Zeit seit dem 1. September 2014 weiterhin die Aufgaben des Dienstpostens wahrgenommen, der ihm schon seit dem 22. Juli 2013 übertragen ist; die Wahrnehmung dieser (höherwertigen) Aufgaben hat unstreitig auch Eingang in seine zum Stichtag 1. September 2014 gefertigte Regelbeurteilung gefunden. Der Umstand, dass höherwertige Aufgaben, die im Rahmen einer Regelbeurteilung berücksichtigt worden sind, auch nach dem entsprechenden Beurteilungsstichtag fortgeführt werden, vermag die Annahme einer „einschneidenden Verwendungsänderung“ im Sinne der oben dargelegten Maßstäbe nicht zu begründen.

Die von dem Leiter der „Landesarbeitsgruppe Fachstrategie Neue Medien“ des Landeskriminalamtes H. über die Tätigkeit des Antragstellers in dieser Arbeitsgruppe erstellte Beurteilungsnotiz vom 25. Mai 2016 rechtfertigt ebenfalls nicht die Annahme, dass die über den Antragsteller zum Stichtag 1. September 2014 gefertigte Regelbeurteilung im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung nicht mehr hinreichend aktuell war. In der Beurteilungsnotiz ist dem Antragsteller zwar bescheinigt worden, dass er in der Zeit vom 4. Juni 2015 bis zum 30. April 2016 maßgeblich zu dem von der Arbeitsgruppe erzielten sehr positiven Ergebnis beigetragen habe. Mit der Beurteilungsnotiz ist jedoch - wie der Antragsgegner zutreffend klargestellt hat - lediglich ein relativ kleiner Aufgabenbereich bewertet worden, den der Antragsteller neben seinen originären dienstlichen Aufgaben, die er auf dem ihm zugewiesenen Dienstposten während der Tätigkeit in der Arbeitsgruppe unverändert ausgeübt hat, wahrgenommen hat. Bei der Tätigkeit in der Arbeitsgruppe hat es sich nicht um einschneidende Änderungen im Aufgabenbereich des Antragstellers gehandelt, die nach der oben angeführten Rechtsprechung eine Anlassbeurteilung erforderlich gemacht hätten.

b) Der Antragsteller und die Beigeladene haben - wie schon ausgeführt wurde - in ihren zum Stichtag 1. September 2014 gefertigten und in diesem Bewerbungsverfahren noch als hinreichend aktuell anzusehenden Regelbeurteilungen in dem Gesamturteil jeweils die Wertungsstufe „C - entspricht voll den Anforderungen“ erhalten. Sie haben darüber hinaus innerhalb der Wertungsstufe C jeweils die Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ erhalten. Nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats handelt es sich bei den Binnendifferenzierungen „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ und „unterer Bereich“ zwar nicht um Vollnoten, sondern um Zwischenstufen innerhalb der Wertungsstufe C; diese Binnendifferenzierungen sind jedoch ein aussagekräftiges Differenzierungskriterium, mit dem messbare und beachtliche Bewertungsunterschiede zum Ausdruck gebracht werden sollen, um einen Leistungsvergleich zu ermöglichen (Nds. OVG, Beschluss vom 18.8.2011 - 5 ME 209/11 -, juris Rn 6 f.; Beschluss vom 9.8.2012 - 5 ME 141/12 -, juris Rn 7; Beschluss vom 20.12.2013 - 5 ME 260/13 -; Beschluss vom 1.6.2015 - 5 ME 67/15 -).

Sind Bewerber - wie hier - in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden, ist aufgrund dieser aktuellen Beurteilungen von einer im Wesentlichen gleichen Beurteilung auszugehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2011, a. a. O., Rn 16; Beschluss vom 22.11.2012 - BVerwG 2 VR 5.12 -, juris Rn 25; Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn 35; Nds. OVG, Beschluss vom 10.12.2015 - 5 ME 199/15 -, juris Rn 14).

Sofern Bewerber in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, ist für die Auswahlentscheidung (zunächst) auf weitere unmittelbar leistungsbezogene Kriterien zurückzugreifen (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.8.2003 - BVerwG 2 C 14.02 -, juris Rn 22 f.; Nds. OVG, Beschluss vom 27.5.2005 - 5 ME 57/05 -, juris Rn 20), ehe die Heranziehung nicht leistungsbezogener Hilfskriterien in Betracht kommt (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10.12.2015, a. a. O., Rn 14; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -). Insoweit hat der beschließende Senat bislang die Auffassung vertreten, dass der zuständigen Behörde bei gleichem Gesamturteil hinsichtlich der Auswahl der weiteren unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien ein weiter Ermessensspielraum zustehe und sie insbesondere nicht gehalten sei, bei der Heranziehung der weiteren unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien eine bestimmte Rangfolge einzuhalten (vgl. etwa Nds. OVG, Beschluss vom 18.8.2011 - 5 ME 212/11 -, juris Rn 9; Beschluss vom 10.10.2012, a. a. O., Rn 19; Beschluss vom 28.11.2012 - 5 ME 240/12 -, juris Rn 24; Beschluss vom 14.11.2013, a. a. O., Rn 18; Beschluss vom 10.3.2014 - 5 ME 269/13 -).

Das Bundesverwaltungsgericht geht dagegen in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die zuständige Behörde bei gleichem Gesamturteil zunächst die aktuellen dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis zu nehmen hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2011, a. a. O., Rn 17; Beschluss vom 22.11.2012, a. a. O., Rn 26; Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn 35).

Der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben sich zahlreiche Obergerichte angeschlossen (vgl. VGH Ba.-Wü., Beschluss vom 17.6.2014 - 4 S 494/14 -, juris Rn 13; OVG NRW, Beschluss vom 2.7.2014 - 1 A 386/14 -, juris Rn 3; Hess. VGH, Beschluss vom 6.5.2015 - 1 B 2043/14 -, juris Rn 12; Sächs. OVG, Beschluss vom 11.6.2015 - 2 B 277/14 -, juris Rn 41; Brem. OVG, Urteil vom 14.10.2015 - 2 B 158/15 -, juris Rn 43; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 23.10.2015 - OVG 7 S 34.15 -, juris Rn 11; Bay. VGH, Urteil vom 15.4.2016 - 3 BV 14.2101 -, juris Rn 24).

Der beschließende Senat schließt sich aus Gründen der Rechtssicherheit und der Einheitlichkeit der obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr ebenfalls der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 30.6.2011, a. a. O.,Rn 17; Beschluss vom 22.11.2012, a. a. O., Rn 26; Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn 35) an und hält deshalb nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung, dass der zuständigen Behörde bei der Auswahl der unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien ein weiter Ermessensspielraum zustehe und sie insbesondere nicht gehalten sei, bei der Heranziehung der weiteren unmittelbar leistungsbezogenen Kriterien eine bestimmte Rangfolge einzuhalten, fest. Der Senat geht deshalb ebenfalls davon aus, dass die zuständige Behörde, sofern Bewerber mit dem gleichen Gesamturteil bewertet worden sind, zunächst die Beurteilungen umfassend inhaltlich auswerten und Differenzierungen in der Bewertung einzelner Leistungskriterien oder in der verbalen Gesamtwürdigung zur Kenntnis nehmen muss.

Ergibt der Vergleich der Gesamturteile der aktuellen dienstlichen Beurteilungen, dass mehrere Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, kann die zuständige Behörde bei der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen auf einzelne Gesichtspunkte abstellen, wobei sie deren besondere Bedeutung begründen muss. Die Entscheidung der zuständigen Behörde, welches Gewicht sie den einzelnen Gesichtspunkten für das abschließende Gesamturteil und für die Auswahl zwischen im Wesentlichen gleich geeigneten Bewerbern beimisst, unterliegt nur einer eingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung. Jedoch muss sie die aktuellen dienstlichen Beurteilungen heranziehen, um festzustellen, ob und inwieweit die einzelnen Bewerber mit gleichem Gesamturteil diese Anforderungen erfüllen. Weitere Erkenntnisquellen können nur ergänzend herangezogen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.12.2014, a. a. O., Rn. 36 f.; Beschluss vom 20.6.2013, a. a. O., Rn 48 f.; Brem. OVG, Urteil vom 14.10.2015, a. a. O., Rn 43; OVG Berl.-Bbg., Beschluss vom 23.10.2015, a. a. O., Rn 11; Bay. VGH, Urteil vom 15.4.2016, a. a. O., Rn 27).

Im Hinblick auf die Fertigung von dienstlichen Beurteilungen ist zwar in der Regel die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage unzulässig; sie verbietet sich grundsätzlich bei den dienstlichen Beurteilungen der Beamten, wenn die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelwertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2015 - BVerwG 2 C 13.14 -, juris Rn 27 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Es begegnet aber keinen gewichtigen Bedenken, wenn die zuständige Behörde im Rahmen einer ausschärfenden Betrachtung gleichgewichteter Einzelmerkmale der aktuellen dienstlichen Beurteilungen bei gleichem Gesamturteil dem Bewerber den Vorzug gibt, der in einem Einzelmerkmal eine um eine Stufe bessere Note erhalten hat. Denn der Bewertung der Einzelnoten, die jeweils aufgrund wertender Einschätzung der Beurteiler zustande gekommen sind, kommt für die Differenzierung nach dem Leistungsgrundsatz im Rahmen der ausschärfenden Betrachtung gerade Aussagekraft zu (Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -).

Die zuständige Behörde ist auch nicht gehalten, die Einzelmerkmale zu gewichten. Wie die einzelnen Auswahlkriterien zu gewichten sind, gibt Art. 33 Abs. 2 GG nicht unmittelbar vor. Im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens ist es daher Sache der zuständigen Behörde, festzulegen, welches Gewicht sie den einzelnen Merkmalen beimessen will (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2015, a. a. O., Rn 26; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Das der zuständigen Behörde zustehende Organisations- und Auswahlermessen bei dem Rückgriff auf Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung ist nur daraufhin überprüfbar, ob die Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2004 - 1 B 1387/04 -, juris Rn 28; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Es liegt im Auswahlermessen der zuständigen Behörde, welche Einzelmerkmale einer dienstlichen Beurteilung sie überhaupt oder in besonderem Maße zur Bewertung der Eignung der Bewerber für das Beförderungsamt heranzieht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2004, a. a. O., Rn. 26; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Eine Pflicht, alle Einzelmerkmale gleich zu gewichten und sie dann im Wege des Notenstufenvergleichs gegeneinander aufzusummieren, besteht für die zuständige Behörde ebenso wenig wie die Verpflichtung zu einer bestimmten Gewichtung einzelner Merkmale, wenn dies die gleichmäßig anzuwendenden Beurteilungsrichtlinien nicht vorsehen (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 8.11.2004, a. a. O., Rn. 28; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Hieraus folgt aber auch, dass die zuständige Behörde nicht gehindert ist, alle Einzelmerkmale gleich zu gewichten (Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -).

Sind die Bewerber auch nach der umfassenden inhaltlichen Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte abstellen. So kann sie zum Beispiel der dienstlichen Erfahrung, der Verwendungsbreite oder der Leistungsentwicklung, wie sie sich aus dem Vergleich der aktuellen mit früheren dienstlichen Beurteilungen ergibt, Vorrang einräumen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22.11.2012, a. a. O., Rn 25 und Rn 37). Es ist aber auch nicht zu beanstanden, auf das leistungsbezogene Erkenntnismittel eines so genannten strukturierten Auswahlgesprächs zurückzugreifen (BVerwG, Beschluss vom 27.4.2010 - BVerwG 1 WB 39.09 -, juris Rn 39; Nds. OVG, Beschluss vom 16.12.2014 - 5 ME 177/14 -, juris Rn 29; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -; Beschluss vom 11.7.2016 - 5 ME 76/16 -; Beschluss vom 1.12.2016 - 5 ME 153/16 -, juris Rn 23).

Falls die zuständige Behörde die Vorbeurteilungen der Bewerber als leistungsbezogenes Erkenntnismittel heranzieht, darf sie sich nicht auf einen Vergleich der Vollnoten beschränken, sondern hat - sofern die Wertungsstufe "C - Entspricht voll den Anforderungen" vergeben worden ist - auch die Binnendifferenzierungen "oberer Bereich", "mittlerer Bereich" und "unterer Bereich" innerhalb dieser Wertungsstufe (vgl. Nr. 6.2 BRLPol) zu berücksichtigen (Nds. OVG, Beschluss vom 9.8.2012, a. a. O., Rn 4 und Rn 7; Beschluss vom 1.4.2016 - 5 ME 23/16 -). Ergibt sich danach kein Leistungsunterschied, können die Vorbeurteilungen ebenso wie die aktuellen dienstlichen Beurteilungen inhaltlich ausgewertet werden.

c) Nach Maßgabe der vorstehend dargestellten Grundsätze ist die Auswahlentscheidung des Antragsgegners rechtswidrig. Denn der Antragsgegner wäre verpflichtet gewesen, im Anschluss an die Feststellung, dass der Antragsteller und die Beigeladene in ihren aktuellen dienstlichen Beurteilungen mit der gleichen Wertungsstufe C und der gleichen Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ innerhalb der Wertungsstufe C bewertet worden sind, die aktuellen dienstlichen Beurteilungen umfassend inhaltlich auszuwerten. Er hat stattdessen sogleich auf weitere, aber nachrangige leistungsbezogene Erkenntnismittel (Vorbeurteilungen, Anforderungsprofil, strukturierte Auswahlgespräche) zurückgegriffen, danach festgestellt, dass sich nach der Würdigung dieser Erkenntnismittel keine wesentlichen und deutlichen Leistungsunterschiede gezeigt hätten und die Auswahlentscheidung deshalb auf der Grundlage der Regelung des § 13 Abs. 5 NGG getroffen werde, wobei die Beigeladene als Angehörige des unterrepräsentierten Geschlechts dem Antragsteller zu bevorzugen sei.

Durch den - vorschnellen - Rückgriff auf das Hilfskriterium „weibliches Geschlecht“ (§ 13 Abs. 5 NGG) hat der Antragsgegner die Beigeladene unter Verstoß gegen Art. 33 Abs. 2 GG bevorzugt. Diesem Hilfskriterium hätte der Antragsgegner erst dann Bedeutung beimessen dürfen, wenn sich bei einem Vergleich anhand leistungsbezogener Kriterien zwischen dem Antragsteller und der Beigeladenen kein Leistungsunterschied gezeigt hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.6.2011, a. a. O., Rn 20; Brem. OVG, Urteil vom 14.10.2015, a. a. O., Rn 45; vgl. ebenso zur Berücksichtigung der Schwerbehinderteneigenschaft Nds. OVG, Beschluss vom 23.5.2014 - 5 ME 61/14 - m. w. N.).

Der Antragsgegner macht demgegenüber unter Berufung auf den Beschluss des Senats vom 9. August 2012 (a. a. O., Rn 7) geltend, die in den aktuellen dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und der Beigeladenen bei der Wertungsstufe C vorgenommene Binnendifferenzierung sei das Ergebnis der von den zuständigen Beurteilern vorgenommenen ausschärfenden Betrachtung und deren Würdigung der einzelnen Leistungsmerkmale. Sofern im Rahmen eines Auswahlverfahrens bei Bewerbern, die die Wertungsstufe C und eine Binnendifferenzierung erhalten hätten, eine - nochmalige - ausschärfende Betrachtung der einzelnen Leistungsmerkmale vorgenommen würde, hätte dies unter Umständen zur Folge, dass „man die Richtigkeit von rechtskräftigen Beurteilungen in Frage stellen müsste“. Allein hieraus werde deutlich, dass im vorliegenden Fall eine ausschärfende Betrachtung der einzelnen Leistungsmerkmale weder geboten noch zulässig gewesen sei. Eine ausschärfende Betrachtung der einzelnen Leistungsmerkmale sei nur bei einem Leistungsvergleich von Bewerbern mit Wertungsstufen, die keine Binnendifferenzierung vorsähen, zulässig.

Mit diesen Einwänden, die mit den in Nr. 5.1 der Rahmenrichtlinien für Beförderungsentscheidungen für die Polizei des Landes Niedersachsen (Beförderungsrichtlinien - BefRiLiPol -, RdErl. d. MI vom 11.5.2009, Nds. MBl. S. 501, geändert durch RdErl. d. MI vom 8.10.2014, Nds. MBl. S. 631) und Nr. 4.1 der Rahmenrichtlinien für die Beförderungsauswahl in der Polizei des Landes Niedersachsen (Beförderungsrahmenrichtlinien - BefRiLiPol -, RdErl. d. MI vom 14.11.2016, Nds. MBl. S. 1144) getroffenen Regelungen korrespondieren, vermag der Antragsgegner nicht durchzudringen. Er kann seine Rechtsauffassung, es sei nicht zulässig gewesen, in dem streitigen Auswahlverfahren eine ausschärfende Betrachtung, also eine umfassende inhaltliche Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen vorzunehmen, insbesondere nicht auf den Beschluss des Senats vom 9. August 2012 (a. a. O., Rn 7) stützen. Der Antragsgegner muss sich entgegenhalten lassen, dass sehr sorgfältig zwischen den Vorgaben, die bei der Fertigung einer dienstlichen Beurteilung zu beachten sind - insoweit waren hier die Beurteilungsrichtlinien für die Polizei des Landes Niedersachsen (- BRLPol -, a. a. O.) maßgeblich -, und den Kriterien, die bei einer (späteren) behördlichen Auswahlentscheidung über die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens zu berücksichtigen sind, zu differenzieren ist.

Die Beurteiler hatten gemäß Nr. 6.1 BRLPol eine der Wertungsstufen A bis E zu vergeben. Da sie sich für die Vergabe der Wertungsstufe C entschieden hatten, hatten sie gemäß Nr. 6.2 BRLPol zusätzlich zu dieser Wertungsstufe im Rahmen einer Binnendifferenzierung die Zwischenstufe „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ oder „unterer Bereich“ zu vergeben.

Diese von den zuständigen Beurteilern durchgeführte Binnendifferenzierung ist streng von einer ausschärfenden Betrachtung, also einer umfassenden inhaltlichen Auswertung fertiggestellter dienstlicher Beurteilungen, zu unterscheiden, die die zuständige Behörde nach Maßgabe der Umstände des jeweiligen Einzelfalls im Rahmen eines Auswahlverfahrens um die Besetzung eines Beförderungsdienstpostens vorzunehmen hat. Die ausschärfende Betrachtung der einzelnen Leistungsmerkmale einer dienstlichen Beurteilung hat entgegen der von dem Antragsgegner zum Ausdruck gebrachten Befürchtung in Fällen, in denen die zuständigen Beurteiler zusätzlich zu der Wertungsstufe C im Rahmen einer Binnendifferenzierung die Zwischenstufe „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ oder „unterer Bereich“ vergeben haben, nicht zur Folge, dass die für die Auswahlentscheidung zuständige Behörde die Richtigkeit der der Auswahlentscheidung zugrunde liegenden dienstlichen Beurteilungen in Frage stellen kann. Denn die ausschärfende Betrachtung von Einzelmerkmalen der dienstlichen Beurteilungen miteinander konkurrierender Bewerber hat ausschließlich den Zweck, zu ermitteln, ob sich bei gleichen Gesamturteilen der Beurteilungen der Bewerber aufgrund eines Vergleichs der Einzelmerkmale der Beurteilungen ein Leistungsunterschied feststellen lässt. Die in den dienstlichen Beurteilungen der Bewerber enthaltenen Gesamturteile sowie die für die einzelnen Leistungsmerkmale vergebenen Bewertungen werden im Rahmen einer ausschärfenden Betrachtung nicht in Zweifel gezogen.

Die Feststellungen des Senats in dem von dem Antragsgegner angeführten Beschluss vom 9. August 2012 (a. a. O., Rn 7) beziehen sich lediglich auf die Frage, ob sich aus unterschiedlichen Binnendifferenzierungen innerhalb der Wertungsstufe C Leistungsunterschiede ergeben können. Der Senat hat - wie schon ausgeführt wurde (siehe oben unter 1. b) - in dem vorgenannten Beschluss deutlich gemacht, dass es sich bei den Binnendifferenzierungen „oberer Bereich“, „mittlerer Bereich“ und „unterer Bereich“ zwar nicht um Vollnoten, sondern um Zwischenstufen innerhalb der Wertungsstufe C handelt, dass diese Binnendifferenzierungen jedoch ein aussagekräftiges Differenzierungskriterium sind, mit dem messbare und beachtliche Bewertungsunterschiede zum Ausdruck gebracht werden sollen (Nds. OVG, Beschluss vom 9.8.2012, a. a. O., Rn 7; vgl. auch Nds. OVG, Beschluss vom 18.8.2011 - 5 ME 209/11 -, a. a. O., Rn 6 f.; Beschluss vom 20.12.2013 - 5 ME 260/13 -; Beschluss vom 1.6.2015 - 5 ME 67/15 -). Die Feststellungen des Senats in seinem Beschluss vom 9. August 2012 (a. a. O., Rn 7) besagen dagegen nicht, dass in Fällen, in denen die Bewerber - wie hier - in ihren dienstlichen Beurteilungen die gleiche Wertungsstufe C und die gleiche Binnendifferenzierung „mittlerer Bereich“ innerhalb der Wertungsstufe C erhalten haben, die dienstlichen Beurteilungen in einem nachfolgenden Auswahlverfahren um einen Beförderungsdienstposten nicht umfassend inhaltlich auszuwerten sind. Dies hat vielmehr - wie im Einzelnen dargestellt wurde - zu geschehen.

2. Die Rechtswidrigkeit der Auswahlentscheidung des Antragsgegners hat zur Folge, dass der Bewerbungsverfahrensanspruch des Antragstellers verletzt ist. Es lässt sich nicht ausschließen, dass der Antragsteller bei einer erneuten und fehlerfreien Auswahlentscheidung, in der eine umfassende inhaltliche Auswertung der über den Antragsteller und die Beigeladene zum Stichtag 1. September 2014 erstellten dienstlichen Beurteilungen vorgenommen wird, zum Zuge kommt.

Der Antragsteller hat in der Leistungsbeurteilung (Nr. 5.2 BRLPol) bei drei Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe B („Berufliches Selbstverständnis/Bürgerorientierung“, „Fachkompetenz“ sowie „Organisation und Steuerung der Arbeitsprozesse“) und bei neun Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C erhalten. Die Beigeladene hat in der Leistungsbeurteilung bei lediglich zwei Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe B („Entscheidungs- und Durchsetzungsfähigkeit“ sowie „Sozialverhalten/Teamfähigkeit“) und bei zehn Leistungsmerkmalen die Wertungsstufe C erhalten.

In der Befähigungseinschätzung (Nr. 5.3 BRLPol) hat der Antragsteller bei dem Befähigungsmerkmal „Kreativität“ den Ausprägungsgrad „stärker ausgeprägt“, bei dem Befähigungsmerkmal „Umgang mit Konfliktsituationen“ den Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“ erhalten. Die Beigeladene hat dagegen bei beiden Befähigungsmerkmalen lediglich den Ausprägungsgrad „normal ausgeprägt“ erhalten.

Wie schon ausgeführt wurde (siehe oben 1. b), ist im Hinblick auf die Fertigung von Beurteilungen zwar in der Regel die rein rechnerische Ermittlung des Gesamturteils ohne eine entsprechende Rechtsgrundlage unzulässig; sie verbietet sich grundsätzlich bei den dienstlichen Beurteilungen der Beamten, wenn die Bildung eines Gesamturteils vorgesehen ist, mit dem die Einzelwertungen in einer nochmaligen eigenständigen Wertung zusammengefasst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.9.2015, a. a. O., Rn 27 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -). Es begegnet aber keinen gewichtigen Bedenken, wenn die zuständige Behörde im Rahmen einer ausschärfenden Betrachtung gleichgewichteter Einzelmerkmale der aktuellen dienstlichen Beurteilungen bei gleichem Gesamturteil dem Bewerber den Vorzug gibt, der in einem Einzelmerkmal eine um eine Stufe bessere Note erhalten hat. Denn der Bewertung der Einzelnoten, die jeweils aufgrund wertender Einschätzung der Beurteiler zustande gekommen sind, kommt für die Differenzierung nach dem Leistungsgrundsatz im Rahmen der ausschärfenden Betrachtung gerade Aussagekraft zu (Nds. OVG, Beschluss vom 25.2.2016 - 5 ME 217/15 -).

Gemessen an diesen Maßstäben ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Antragsgegner bei einer ausschärfenden Betrachtung der Bewertungen der Einzelmerkmale in den über den Antragsteller und die Beigeladene zum Stichtag 1. September 2014 erstellten dienstlichen Beurteilungen zu der Einschätzung gelangt, dass die Beurteilungen einen zu Gunsten des Antragstellers zu berücksichtigenden messbaren und beachtlichen Bewertungsunterschied erkennen lassen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 5 Satz 4 i. V. m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Der Streitwert beträgt danach die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltfähiger Zulagen. Dieser im „klassischen Beförderungsrechtsstreit“ - also in der Fallkonstellation, in denen der betreffende Antragsteller die Verleihung eines höheren Statusamtes begehrt - zugrunde zu legende Streitwert ist auch maßgeblich, wenn ein Beamter im Auswahlverfahren um einen höherwertigen bzw. Beförderungsdienstposten unterliegt und davon auszugehen ist, dass nach der Übertragung dieses höherwertigen Dienstpostens und im Anschluss an die Bewährungsfeststellung bei Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen die Beförderung des ausgewählten Bewerbers ansteht, das heißt eine erneute Auswahlentscheidung anhand des Leistungsgrundsatzes nicht mehr vorgenommen wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 17.4.2015 - 5 ME 44/15 -; Beschluss vom 24.7.2015 - 5 ME 131/15 -). Um einen solchen Fall handelt es sich hier, weil ausweislich des Ausschreibungstextes nach dem Vorliegen der haushaltsrechtlichen Voraussetzungen eine Beförderung in ein Amt der Besoldungsgruppe A 15 erfolgen soll.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).