Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.09.2022, Az.: 5 LC 208/17

altersdiskriminierende Besoldung; Ausschlussfrist; Begründungspflichten; Berufserfahrung; empirische Untersuchungen; Erfahrungsstufen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
28.09.2022
Aktenzeichen
5 LC 208/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2022, 59686
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 27.07.2023 - AZ: BVerwG 2 B 47.22

Fundstellen

  • DÖV 2023, 180
  • NordÖR 2023, 63-64

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Frist zur Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen hinsichtlich des früheren altersdiskriminierenden Besoldungsgesetzes (§§ 27, 28 BBesG a. F.) hat mit der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (-C-501/12, Specht -) zu laufen begonnen.

2. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist zwar für Tarifvertragsparteien disponibel, diese Regelung ist jedoch nicht auf das Sonderverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten übertragbar.

3. Der Dienstherr kann auch nicht einseitig durch Personalrundschreiben Dauer und Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG abweichend festlegen. Darüber hinaus fehlte es im vorliegenden Fall an solchen Festlegungen in den Personalrundschreiben, denn diese beziehen sich ausschließlich auf Besoldungsansprüche.

4. Mit der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes hat das Land Niedersachsen den Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung beseitigt. Das rückwirkend zum 1. September 2011 eingeführte Erfahrungsstufensystem ist ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Honorierung von Berufserfahrung. Der Gesetzgeber darf pauschalierend bestimmte Zeiträume für den Stufenaufstieg festlegen. Er ist nicht dazu verpflichtet gewesen, vor der Einführung des Erfahrungsstufensystems eine auf empirische Untersuchungen basierende Begründung für die jeweilige Anzahl und den Abstand der einzelnen Erfahrungsstufen und der daraus resultierenden Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe der Besoldung zu geben.

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer - vom 7. Juli 2017 - Az. 13 A 4188/15 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt eine Entschädigung wegen altersdiskriminierender Besoldung.

Der am … 1977 geborene Kläger hat das Amt eines Hauptbrandmeisters (Besoldungsgruppe A 9) inne und ist bei der Beklagten tätig. Der Beginn seines Besoldungsdienstalters wurde auf den 1. März 1998 festgesetzt. Er wird die Endstufe seiner Besoldungsgruppe am 1. März 2026 erreichen.

Während beim Bundesverfassungsgericht aufgrund der Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 9. September 2008 (vgl. u. a. - 7 A 357/05 -, juris) Verfahren zur Überprüfung der Amtsangemessenheit der Alimentation der Beamten anhängig waren (vgl. u. a. - 2 BvL 17/08 -, juris), teilte der Leiter des Fachbereichs Steuerung, Personal und Zentrale Dienste der Beklagten dem Gesamtpersonalrat mit Schreiben vom 11. Juli 2011 mit, es bestünden keine Bedenken, im Bedarfsfall auf die seinerzeit getroffene Regelung zu verweisen, dass im Fall einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Besoldung diese auch auf die Beschäftigten angewendet werde, die keinen Individualwiderspruch eingelegt hätten. Dieser Fachbereichsleiter fertigte den undatierten Vermerk „Anwendung von BVerfG-Entscheidungen in Besoldungsfragen“, in dem es heißt, wie im Oktober 2009 verabredet, erkläre die Verwaltung, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Überprüfung der verfassungsgemäßen Alimentation von Beamten auf alle Beamten der Beklagten auch rückwirkend übertragen würden und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall entsprechende Ansprüche geltend gemacht worden seien.

Nachdem der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris) festgestellt hatte, das durch § 27 BAT in Verbindung mit dem Vergütungstarifvertrag Nr. 35 zum Bundesangestelltentarifvertrag geschaffene Vergütungssystem verstoße wegen Altersdiskriminierung gegen Unionsrecht, erließ das Niedersächsische Finanzministerium am 3. April 2012 Verfahrenshinweise und informierte mit Schreiben vom 16. April 2012 den niedersächsischen Landesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, dass die Besoldungsstellen der niedersächsischen Landesverwaltung Anträge und Widersprüche, mit denen Ansprüche auf Besoldung aus dem Endgrundgehalt geltend gemacht würden, unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung ruhend stellten.

Die Beklagte informierte ihre Beschäftigten mit Personalrundschreiben Nr. 11/12 vom 5. November 2012 über das vorgenannte Urteil. Es sei die Frage zu klären, ob diese Rechtsprechung auf die besoldungsrechtlichen Regelungen der Beamten zu übertragen sei. Sofern eine rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen dahin gehend getroffen werden sollte, dass die Besoldung aus dem Endgrundgehalt erfolgen müsse, werde sie die in diesem Fall durch das Land Niedersachsen zu treffenden Regelungen auf alle ihre Beamten anwenden. Dabei sei es nicht erforderlich, zur Fristwahrung einen Antrag zu stellen oder Widerspruch einzulegen.

Mit Personalrundschreiben Nr. 16/13 vom 23. Dezember 2013 nahm die Beklagte auf das vorgenannte Rundschreiben Bezug und stellte fest, dass sie bis zur abschließenden, für Niedersachsen geltenden Entscheidung auf die Einrede der Verjährung verzichte. Es sei nicht erforderlich, zur Fristwahrung einen Antrag zu stellen oder einen Widerspruch einzulegen.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 beantragte der Kläger die Neuberechnung seiner Besoldung wegen altersdiskriminierender Wirkung der landesrechtlichen Besoldungsvorschriften und eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz.

Nachdem zwischenzeitlich der Europäische Gerichtshof mit Urteil vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) und das Bundesverwaltungsgericht mit Urteilen vom 30. Oktober 2014 (vgl. u. a. - BVerwG 2 C 3.13 und 2 C 6.13 -, juris) festgestellt hatten, dass das den Entscheidungen zugrunde liegende Bundesbesoldungsgesetz mit seinen Besoldungsstufen altersdiskriminierend sei, informierte die Beklagte ihre Beschäftigten mit Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 über diese Rechtsprechung. Dort heißt es:

„Die Landeshauptstadt Hannover prüft, ob und in welcher Höhe ihren Beamtinnen und Beamten ein Entschädigungsanspruch zukommt, sobald die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts und das angekündigte Niedersächsische Besoldungsgesetz vorliegen. Es ist somit nicht erforderlich, dass jede Beamtin und jeder Beamter einen Antrag auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG stellt. Soweit in § 15 Abs. 4 AGG geregelt ist, dass ein Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, wird die Landeshauptstadt Hannover alle Beamtinnen und Beamten so behandeln, als hätten sie einen Antrag gestellt. Zur Sicherung möglicher Ansprüche ist es auch nicht erforderlich, beim Verwaltungsgericht Klage zu erheben. Eine Frist für die Klageerhebung innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung besteht für Beamte vor dem Verwaltungsgericht nach unserer Rechtsmeinung nicht. Soweit Beamtinnen und Beamte sich gleichwohl veranlasst sehen, einen Antrag auf Entschädigung zu stellen und auf einer entsprechenden Bescheidung bestehen, werden wir diese Anträge aus den oben genannten Gründen zunächst ablehnen. Dieser Bescheid wird allerdings keine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten, so dass die Frist zur Erhebung einer Klage vor dem Verwaltungsgericht ein Jahr beträgt.“

Mit dem als „Ablehnungsbescheid“ überschriebenen Schreiben vom 23. Januar 2015 bestätigte die Beklagte den Eingang des Antrags des Klägers auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG, verbunden mit den Hinweisen, es sei noch nicht möglich festzustellen, ob und in welcher Höhe ein Entschädigungsanspruch bestehe, und zur Sicherung der Ansprüche sei es nicht erforderlich, dass Klage beim Verwaltungsgericht erhoben werde.

Dagegen legte der Kläger am 9. April 2015 Widerspruch ein. Daraufhin teilte die Beklagte mit Schreiben vom 21. Juli 2015 mit, sie sehe sich gehindert, den Widerspruch bis zum Inkrafttreten eines neuen niedersächsischen Besoldungsgesetzes zu bescheiden.

Im Personalrundschreiben Nr. 13/15 vom 29. Dezember 2015 verwies die Beklagte auf das Personalrundschreiben Nr. 19/14 und merkte an: Die darin enthaltenen Erklärungen gälten weiter. Es sei nicht erforderlich, dass jeder Beamte einen Antrag auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG stelle. Sie werde alle Beamten so behandeln, als ob sie einen Antrag gestellt hätten. Zur Sicherung möglicher Ansprüche sei es auch nicht erforderlich, beim Verwaltungsgericht Klage zu erheben. Eine Klage müsse auch nicht zur Wahrung der Jahresfrist eingereicht werden.

Bereits zuvor hatte der Kläger am 21. August 2015 Klage beim Verwaltungsgericht Hannover erhoben, zunächst mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entschädigung, hilfsweise Schadensersatz in Höhe von 14.310,00 EUR nebst Prozesszinsen zu zahlen, sowie festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, eine Entschädigung in Höhe von 300,00 EUR monatlich zu zahlen, bis eine neue, nicht mehr das Lebensalter berücksichtigende gesetzliche Besoldungsregelung in Kraft getreten ist, nebst Zinsen.

Das neue Niedersächsische Besoldungsgesetz vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 307 ff.) trat am 1. Januar 2017 in Kraft. Der Niedersächsische Gesetzgeber ersetzte das bisherige Besoldungsdienst- bzw. Lebensalterssystem durch ein System der Erfahrungsstufen. Übergangsregelungen führen für Bestandsbeamte zu einer Rückwirkung bis zum 1. September 2011.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, erforderlich sei eine grundsätzliche Umstellung des Besoldungssystems wie im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes. Eine solche sei bisher nicht erfolgt, so dass das jetzige Besoldungsgesetz nach wie vor altersdiskriminierend sei. Was das Kriterium der Berufserfahrung betreffe, habe der Europäische Gerichtshof dem Gesetzgeber keinen grenzenlosen Gestaltungsspielraum eingeräumt. Berufserfahrung führe nicht zeitlich endlos zu besseren Arbeitsergebnissen. An einem bestimmten Punkt sei die Schnittmenge zwischen leistungsfördernder Erfahrung und leistungsminderndem Altersabbau erreicht. Die Unterstellung des Gesetzgebers, eine Erfahrungszeit von 28 bis 30 Jahren führe zu „besseren Arbeitsergebnissen“ als beispielsweise eine solche von 10 oder 15 Jahren, sei nicht haltbar und widerspreche wissenschaftlichen Forschungsergebnissen und der schlichten Erfahrung von Personen, die in Verwaltungen und Betrieben Personalentscheidungen träfen. Den Besoldungsgesetzgeber treffe, wenn er ein nach Erfahrungsstufen gestaffeltes Besoldungssystem einführe, ähnlich wie bei Regelungen, die in einem Spannungsverhältnis zum Alimentationsprinzip stehen könnten, eine Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht. Die Darlegungs- und Beweislast kehre sich zu Lasten des Dienstherrn um. Durch zunehmendes Lebensalter werde die Arbeitskraft des Beschäftigten beeinträchtigt. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG sei mit Unionsrecht nicht vereinbar. Darüber hinaus gebiete es der unionsrechtliche Effektivitätsgrundsatz, diese Frist erst mit der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (- C 501/12, Specht -, juris) beginnen zu lassen. Des Weiteren habe die Beklagte ihn mit ihren Personalrundschreiben vom 5. November 2012 und vom 23. Dezember 2013 davon abgehalten, Ansprüche zu einem früheren Zeitpunkt geltend zu machen. Zumindest wiederhole sich die beanstandete Diskriminierung jeden Monat, so dass die Ausschlussfrist jeden Monat neu zu laufen beginne.

Der Kläger hat beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2015 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG in Höhe von 300,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. Juli 2017 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf 300,00 EUR monatlich, frühestens seit Klagezustellung zu zahlen,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, Entschädigung in Höhe von 300,00 EUR monatlich bis zu demjenigen Zeitpunkt zu zahlen, zu dem eine neue, nicht mehr das Lebensalter berücksichtigende gesetzliche Besoldungsregelung in Kraft tritt, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz auf jeweils 300,00 EUR, jeweils ab Ende eines jeden Monats, beginnend mit dem 1. August 2017.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Rechtsstreit habe sich erledigt, weil die rückwirkende Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes nicht altersdiskriminierend sei. Die Stichtagsregelung sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung zulässig. Dem Gesetzgeber stehe bei der Ausgestaltung von Stichtags- und Übergangsregelungen ein weiter Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Das Erfahrungsstufensystem sei mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar, weil schon nach dem Wortlaut keine Ungleichbehandlung wegen des Alters vorliege. Eine unmittelbare Diskriminierung liege nicht vor, weil das Alter bei der Einstufung der Besoldung keine Rolle spiele. Es fehle auch an einer mittelbaren Diskriminierung, da für alle Beamten dieselben Voraussetzungen gälten. Der Faktor „Erfahrungszeit“ sei objektiv anhand der Dauer der geleisteten Berufsjahre zu messen und ermögliche eine höchstmögliche Objektivität und Nachprüfbarkeit. Weder im Sinne eines allgemein anerkannten Erfahrungssatzes noch nach speziellen Studien lasse sich mit hinreichender Sicherheit sagen, dass die Berufserfahrung eines jeden Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr steigerungsfähig sei. Der Abbau von kognitiven Leistungen belege nicht, dass Berufserfahrungen nur bis zu einem konkreten Alter hinzugewonnen werden könnten. Jedwede Form der Arbeit werde von sehr vielen Faktoren bestimmt. Routine, d. h., die Fähigkeit, eine häufig verrichtete Arbeit schneller und effektiver auszuüben, könne ständig optimiert werden, so dass sie unbegrenzt hinzuerworben werden könne. Je mehr Berufserfahrung ein Beschäftigter habe, umso gelassener und flexibler werde er mit Veränderungen umgehen. Im Übrigen wäre eine mittelbare Diskriminierung jedenfalls gerechtfertigt, weil die Festlegung von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung erforderlich wäre. Es gelte das Haftungsprivileg des § 15 Abs. 3 AGG. Dem geltend gemachten Anspruch stehe ferner entgegen, dass es an einem rechtzeitig gestellten Antrag fehle, weil die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG bereits mit Ablauf des 8. November 2011 geendet habe. Dem stünden die angeführten Personalrundschreiben nicht entgegen. Zum einen seien diese erst nach Fristablauf ergangen. Zum anderen sei sie nicht befugt gewesen, über eine gesetzliche Ausschlussfrist zu disponieren

Das Verwaltungsgericht Hannover hat mit Urteil vom 7. Juli 2017, zugestellt am 26. September 2017, die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für die Zeit ab dem 1. September 2011 zu. Es fehle bereits an einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot, denn durch die rückwirkend zum 1. September 2011 in Kraft gesetzten Regelungen im Niedersächsischen Besoldungsgesetz und die Einführung der Erfahrungsstufen liege eine Benachteiligung seitdem nicht mehr vor. An das Lebensalter werde weder unmittelbar noch mittelbar angeknüpft. Der Europäische Gerichtshof habe entschieden, dass das System der Erfahrungsstufen mit der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar sei. Soweit die mangelnde Sachgerechtigkeit der Neuregelung beanstandet werde, greife dieser Einwand nicht durch. Der Gesetzgeber habe eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit. Deshalb habe das Gericht nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung getroffen habe. Jede Regelung des Besoldungsrechts müsse zwangsläufig generalisieren und typisieren und werde in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen.

Die Neuregelung sei nicht deshalb nicht sachgerecht, weil die Zeitspannen bis zum Erreichen des Endgrundgehalts unrealistisch lang seien. Die zum Beleg der Annahme, dass mit zunehmender Berufserfahrung nicht mehr von einer Leistungssteigerung infolge eines Erfahrungszuwachses ausgegangen werden könne (was sich auch in der Ausgestaltung der Besoldungsstufen niederschlagen müsse), angeführten wissenschaftlichen Studien seien zu pauschal und unsubstantiiert und deshalb nicht geeignet, durchgreifende Zweifel daran entstehen zu lassen, dass der Besoldungsgesetzgeber mit der Ausgestaltung der Erfahrungsstufen seine weiten Entscheidungsspielräume überschritten habe. Die in Bezug genommenen wissenschaftlichen Studien konzentrierten sich - soweit erkennbar - auf biologische und medizinische Aspekte und enthielten keine Gesamtwürdigung der Leistungsfähigkeit und des Arbeitserfolgs von Menschen unterschiedlicher Altersstufen im Vergleich. Sie setzten sich nicht hinreichend mit der Frage auseinander, ob die Abnahme der physischen Leistungsfähigkeit eines Menschen im fortschreitenden Alter nicht auf der anderen Seite durch Fähigkeiten ausgeglichen werde, die sich erst mit zunehmendem Alter entwickelten und die nicht weniger wichtig seien, um gute Arbeitserfolge zu erzielen, als die physische Leistungsfähigkeit. Hierzu zählten - neben dem Aufbau von Spezialwissen - auch Erfahrung, Fähigkeit zur Teamarbeit und die Fähigkeit, in schwierigen Situationen richtig zu handeln. Im Übrigen ließe es sich nur mit äußerstem Aufwand ermitteln, ob wirklich im Einzelfall die Arbeitsqualität eines Beamten durch zunehmende Berufserfahrung und dem damit verbundenen Gewinn an Routine und Lebenserfahrung eher zunehme oder ob diese wegen nachlassender körperlicher Leistungsfähigkeit eher abnehme. Diese Frage dürfte auch nicht für alle Laufbahnen und Laufbahngruppen in gleicher Weise zu beantworten sein, weil die Beamten unterschiedlicher Laufbahnen und Laufbahngruppen ganz unterschiedlichen Anforderungen ausgesetzt seien.

Die Überleitung der Besoldung der Bestandsbeamten von den bisherigen Dienstaltersstufen in die Erfahrungsstufen, wobei die Erfahrungsstufe der schon erreichten Dienstaltersstufe entspreche, beinhalte keinen Verstoß gegen die Richtlinie 2000/78/EG. Es sei ebenfalls nicht zu beanstanden, dass der niedersächsische Gesetzgeber die Einführung der Erfahrungsstufen rückwirkend zum 1. September 2011 in Kraft gesetzt habe. Erst durch das rückwirkend in Kraft gesetzte Landesgesetz sei die für die Besoldung der Beamten der Besoldungsgruppe A erforderliche unionsrechtskonforme gesetzliche Grundlage geschaffen worden. Auch insoweit stehe dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu.

Dem Kläger stünden auch keine Entschädigungsansprüche für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 zu. Er habe für seinen Entschädigungsantrag die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt. Der Antrag hätte bis zum 8. November 2011 gestellt werden müssen. Er habe erstmals am 12. Dezember 2014 einen Antrag auf Entschädigung gestellt. Die Berufung der Beklagten auf die Ausschlussfrist sei nicht rechtsmissbräuchlich. Dem Kläger könne die Ausschlussfrist trotz der Personalrundschreiben der Beklagten entgegengehalten werden. Die Personalrundschreiben Nr. 11/12 und Nr. 16/13 beträfen Fragen der Besoldung und nicht Entschädigungsansprüche. Das Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 sei so zu verstehen, dass sich die entsprechende Zusage nur auf noch bestehende Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG beziehe und nicht etwa im Dezember 2014 bereits erloschene Entschädigungsansprüche wiederaufleben lasse. Zum Zeitpunkt des Ergehens dieses Personalrundschreibens sei die Antragsfrist abgelaufen gewesen. Soweit die Beklagte auf die Einrede der Verjährung verzichtet habe, habe sich das auf die besoldungsrechtlichen Ansprüche bezogen. Fragen der Verjährung stellten sich im Übrigen nicht, weil der Anspruch auf Entschädigung untergegangen sei.

Auch die Voraussetzungen eines Schadenersatzanspruchs nach § 15 Abs. 1 AGG und des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs lägen nicht vor, denn diese verschuldensabhängigen Ansprüche kämen erst für den Zeitraum ab dem 8. September 2011 in Betracht, weil erst mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) die Rechtslage hinreichend geklärt gewesen sei und dem Gesetzgeber erst seitdem der Vorwurf gemacht werden könne, er habe schuldhaft mit seinen besoldungsrechtlichen Regelungen gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoßen bzw. der Verstoß gegen Unionsrecht sei hinreichend qualifiziert. Zu dem maßgeblichen Zeitpunkt habe aber durch das rückwirkende Inkrafttreten des Niedersächsischen Besoldungsgesetz n. F. ein Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nicht mehr vorgelegen.

Der Kläger hat am 24. Oktober 2017 Berufung gegen das vorgenannte Urteil eingelegt.

Er ist der Ansicht, da die bisherige Regelung des stufenweisen Anstiegs der Grundge-hälter über „extrem lange Zeiträume ohne signifikante Änderungen“ beibehalten worden sei, bestünden auch nach Inkrafttreten der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes Entschädigungsansprüche. Der vom Bundesverfassungsgericht seiner Entscheidung vom 7. Oktober 2015 (- BvR 568/15 -, juris) zugrunde gelegte Maßstab der „weiten Entscheidungsspielräume“ sei nicht übertragbar, da die Sachverhalte nicht vergleichbar seien. Es sei auf den vom Europäischen Gerichtshof vorgegebenen Prüfungsmaßstab abzustellen. Danach müsse der Arbeitnehmer nur Anhaltspunkte dafür liefern, die ernstliche Zweifel daran aufkommen ließen, ob durch ein zeitlich gestaffeltes Vergütungssystem tatsächlich noch „bessere Arbeit“ honoriert werde.

Unter Bezugnahme auf näher bezeichnete wissenschaftliche Untersuchungen, Stellungnahmen und Statistiken stehe außer Frage, dass die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit mit zunehmendem Alter abnehme. Die Leistungsfähigkeit älterer Beschäftigter werde teilweise unangemessen hoch gewichtet. Die individuelle Arbeitsleistung sinke ungeachtet begünstigender Faktoren wie der kristallinen Intelligenz, der intrinsischen Motivation, der Zufriedenheit, des Sicherheitsverhaltens und des Qualitätsbewusstseins ab einem bestimmten Lebensalter. Eine wissenschaftliche Studie, die belege, dass mit einer Beschäftigungsdauer von 15, 20, 28 oder gar 30 Jahren und damit zusammenhängendem höheren Lebensalter „bessere Arbeit“ verbunden sei, gebe es nicht. Selbst unter der Annahme, dass der altersbedingte Abbau der physischen Leistungsfähigkeit vollständig, insbesondere durch Erfahrungswissen, kompensiert würde, bedeute dies nur, dass ältere Arbeitnehmer die gleichen Leistungen wie jüngere erbrächten. Wenn es richtig wäre, dass sehr lange Berufserfahrung typischerweise zu besseren Leistungen führte, wäre das bei den am Leistungsprinzip nach Art. 33 Abs. 2 GG orientierten Auswahlentscheidungen zu berücksichtigen. Dienst- und Lebensalter gehörten jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht zu den unmittelbar leistungsbezogenen Gesichtspunkten, die der Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle zugrunde zu legen seien. Ebenso sei dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. März 2015 (- BVerwG 2 C 12.14 -, juris) zu an das Dienstalter anknüpfenden Wartezeitregelungen zu entnehmen, dass langjährige Erfahrungszeiten nicht typischerweise zu besserer Leistung führten.

Das aus dem Senioritätsprinzip stammende Besoldungssystem sei unreflektiert übernommen worden. Den Besoldungsgesetzgeber treffe, wenn er ein nach Erfahrungsstufen gestaffeltes Besoldungssystem einführe, ähnlich wie bei Regelungen, die in einem Spannungsverhältnis zum Alimentationsprinzip stehen könnten, eine Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflicht.

Angesichts einer für alle Beamten der Besoldungsgruppe A geltenden Besoldungstabelle sei eine Differenzierung der Leistungsfähigkeit nach verschiedenen Laufbahnen und Laufbahngruppen zwar nicht geboten. Für Feuerwehrleute wie ihn habe der Gesetzgeber jedoch in § 115 NBG eine besondere Altersgrenze geschaffen, weil er davon ausgegangen sei, dass die Leistungsfähigkeit in dieser Berufsgruppe mit zunehmendem Alter abnehme.

Die Bestimmung des § 15 Abs. 2 AGG konstituiere ebenso wie Art. 17 Richtlinie 2000/78/EG einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch, so dass es nicht darauf ankomme, dass die Beklagte keinen Einfluss auf die Gesetzgebung gehabt habe.

Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG habe wegen des Fehlens einer höchstrichterlichen Entscheidung noch nicht zu laufen begonnen. Neben dieser finde das sonst geltende Gebot der zeitnahen Geltendmachung keine Anwendung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Hannover - 13. Kammer - vom 7. Juli 2017 - Az. 13 A 4188/15 - zu ändern und

1. den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2015 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 28. September 2022 eine angemessene Entschädigung zu zahlen, die 100,00 EUR monatlich nicht unterschreiten soll, zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, auf die jeweiligen monatlichen Beträge ab monatlicher Fälligkeit, frühestens seit Klagezustellung,

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an ihn ab dem 29. September 2022 eine angemessene Entschädigung, die 100,00 EUR monatlich nicht unterschreiten soll, bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem neue, nicht mehr das Lebensalter berücksichtigende gesetzliche Besoldungsregelung in Kraft tritt, längstens jedoch bis zum Erreichen der höchsten Erfahrungsstufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe, zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf die jeweiligen monatlichen Beträge, jeweils ab Ende eines Monats, beginnend ab dem 1. Oktober 2022.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Ansicht, der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Sache Cadman (Urteil vom 3.10.2006 - C-17/05 -, juris) könne nur der Grundsatz entnommen werden, dass es ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik sei, u. a. die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähige, seine Arbeit besser zu verrichten. Diesem Grundsatz trage § 25 NBesG n. F. (i. V. m. Anlage 5) Rechnung. Der Europäische Gerichtshof habe sich in seiner Entscheidung vom 19. Juni 2014 (- C 501/12, Specht -, juris) mit der Rechtmäßigkeit der nach bundesdeutschem Besoldungsrecht bis zu einer Tätigkeitsdauer von etwa 30 Jahren ansteigenden Vergütung befasst, diese Frage als geklärt behandelt und nochmals ausgeführt, dass der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters in der Regel zur Erreichung dieses Ziels angemessen sei, weil das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergehe. Der Kläger vermische unzulässig zwei Gesichtspunkte, wenn er geltend mache, dass dem Zuwachs an Berufserfahrung, der zwangsläufig ab einer gewissen Zahl von Dienstjahren nur in einem entsprechend höheren Lebensalter erreicht werden könne, ein biologisch vorgegebener gleichzeitiger Rückgang der Leistungsfähigkeit entgegenstehe. Es dürfe nicht der Aspekt der durch das Lebensalter vorgegebenen höchsten Leistungsfähigkeit eines Beamten herangezogen werden, weil darin selbst eine Diskriminierung wegen des Alters liege. Nur der Vergleich von Beamten gleichen Alters mit unterschiedlich langer Dienstzeit sei altersdiskriminierungsfrei. Für diese gelte die Erkenntnis, dass Dienstzeit und Berufserfahrung Hand in Hand gingen und regelmäßig den Beschäftigten stets zunehmend in die Lage versetzten, seine Arbeit besser zu verrichten. Im Übrigen ließen sich Umsicht und Weitblick, die regelmäßig wesentliche, die Arbeit verbessernde Folgen einer zunehmenden Erfahrungszeit seien, kaum in kurzfristigen Leistungsbetrachtungen angemessen berücksichtigen.

Selbst wenn die Berücksichtigung der altersbedingten biologischen Leistungsfähigkeit von Beamten ein zulässiges Kriterium zur Bestimmung der Besoldung wäre, läge es im Ermessen des Gesetzgebers, ob er dieses neben der Erfahrungszeit berücksichtigen wollte. In seinem Ermessen stehe auch, ob die dienstliche Erfahrung als Kriterium herangezogen werde und bis zu welcher Dauer des Dienstverhältnisses dies zunehmend geschehe.

Dass das Dienstalter nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht unmittelbares Primärkriterium bei Auswahlentscheidungen für eine Beförderungsstelle sei, liege darin begründet, dass sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung bereits häufig leistungsfördernd niederschlage.

Soweit bezweifelt werde, ob für den Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf den Zeitpunkt der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) abzustellen sei, wäre jedenfalls auf dessen Urteil vom 19. Juni 2014 in der Sache Specht (- C-501/12 -, juris) abzustellen. Hiernach wäre die Ausschlussfrist mit dem 19. August 2014 abgelaufen, so dass der Kläger auch dann zu spät eine Entschädigung geltend gemacht hätte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten dieses Verfahrens sowie jener der unter den Aktenzeichen 5 LC 202/17, 5 LC 206/17, 5 LC 207/17 und 5 LB 59/20 geführten Verfahren verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

A. Es bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klagen.

I. Die mit der Berufung des Klägers weiterverfolgten Klagen sind statthaft und zulässig.

Soweit der Kläger unter Aufhebung des angefochtenen Bescheids die Zahlung einer monatlichen Entschädigung für einen abgeschlossenen Zeitraum begehrt, ist die Klage als allgemeine Leistungsklage statthaft. Der Klageantrag ist im Sinne von § 82 Abs. 1 Satz 2 VwGO hinreichend bestimmt, denn der Kläger hat die für die Bemessung der Höhe des geltend gemachten Entschädigungsanspruchs erforderlichen Tatsachen benannt und mit der Aufnahme eines Mindestbetrags von monatlich 100,00 EUR in seinen Klageantrag eine Größenordnung angegeben (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 24.4.2020 - 5 LB 129/18 -, juris Rn. 38 m. w. N.).

Soweit der Kläger die Feststellung begehrt, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 29. September 2022 eine angemessene Entschädigung, die 100,00 EUR monatlich nicht unterschreiten soll, bis zu dem Zeitpunkt zu zahlen, zu dem eine neue, nicht mehr das Lebensalter berücksichtigende gesetzliche Besoldungsregelung in Kraft getreten ist, längstens jedoch bis zum Erreichen der höchsten Erfahrungsstufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe, ist dieses Begehren als allgemeine Feststellungsklage statthaft, weil dem Feststellungsbegehren das Bestehen eines feststellungsfähigen Rechtsverhältnisses zur Beklagten zugrunde liegt und der Kläger insoweit ein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung hat (§ 43 Abs. 1 VwGO). Der Zulässigkeit der Feststellungsklage steht nicht deren Subsidiarität gegenüber Gestaltungs- und Leistungsklagen entgegen (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO), weil der Kläger sein auf eine zukünftige Entschädigung gerichtetes Begehren nicht mittels dieser Klagearten erreichen kann.

II. Es bedurfte nicht der Durchführung eines Vorverfahrens vor Klageerhebung.

Zwar sieht § 54 Abs. 2 Satz 1 BeamtStG vor, dass vor allen Klagen eines Beamten - mithin auch vor Erhebung einer Allgemeinen Leistungsklage oder einer Feststellungsklage - ein Vorverfahren nach den Vorschriften des 8. Abschnitts der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 68 ff. VwGO) durchzuführen ist. Ein Vorverfahren ist jedoch nicht erforderlich, wenn dieses durch Landesgesetz ausdrücklich bestimmt ist (§ 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG). In § 105 Abs. 1 Satz 1 NBG ist entsprechend geregelt, dass es vor Erhebung einer Klage aus dem Beamtenverhältnis keiner Nachprüfung in einem Vorverfahren bedarf. Eine der von diesem Grundsatz normierten Ausnahmen liegt nicht vor. Denn gemäß § 105 Abs. 1 Satz 2 NBG gilt Satz 1 nur nicht für Maßnahmen, denen die Bewertung einer Leistung im Rahmen einer berufsbezogenen Prüfung zugrunde liegt, für dienstliche Beurteilungen und für Maßnahmen in besoldungs-, versorgungs-, altersgeld-, beihilfe-, heilfürsorge-, reisekosten-, trennungsgeld- und umzugskostenrechtlichen Angelegenheiten (§ 105 Abs. 1 Satz 2 NBG). Insbesondere ist nicht eine Maßnahme in besoldungsrechtlichen Angelegenheiten streitgegenständlich, sondern Ansprüche auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch wegen altersdiskriminierender Besoldung des Klägers.

B. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung in dem Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011, d. h. vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) - NBesG n. F. -.

I. Der Kläger hatte zwar für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG. Diesen hat er jedoch nicht rechtzeitig innerhalb der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG geltend gemacht.

1. Der Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes ist eröffnet.

Die Beteiligten unterfallen dem persönlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes. Als Beamter der Beklagten gelten für den Kläger gemäß § 24 Nr. 1 AGG die Vorschriften dieses Gesetzes unter Berücksichtigung seiner besonderen Rechtsstellung entsprechend. Die Beklagte als Dienstherrin ist Arbeitgeberin im Sinne dieses Gesetzes (vgl. §§ 6 Abs. 2 Satz 1, 24 Nr. 1 AGG). Sind wie im vorliegenden Fall Dienstherr und Besoldungsgesetzgeber nicht identisch, kann der Beamte - hier der Kläger - gegen beide getrennt vorgehen, wobei er allerdings keinen zweifachen Ausgleich beanspruchen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 11.16 -, juris Rn. 21).

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG werden die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts vom sachlichen Anwendungsbereich des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes erfasst.

2. Die Anspruchsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG liegen für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 vor.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AGG ist der Arbeitgeber bzw. Dienstherr bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nach Satz 2 der Vorschrift nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der Beschäftigte nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Zwar wird der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot nur in § 15 Abs. 1 AGG als Tatbestandsvoraussetzung für den Ersatz materieller Schäden ausdrücklich genannt. Dem Charakter des § 15 AGG als umfassender Regelung der finanziellen Einstandspflicht des Arbeitgebers bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot (vgl. BT-Drs. 16/1780 S. 25 und 38) entspricht es aber, auch die Entschädigung immaterieller Schäden nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG an einen derartigen Verstoß zu binden (vgl. BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - BVerwG 5 C 16.10 -, juris Rn. 14). Zu den Gründen, aus denen nach § 7 Abs. 1 AGG in Verbindung mit § 1 AGG eine Benachteiligung verboten ist, gehört das Alter eines Beschäftigten bzw. Beamten.

Der Kläger erhielt im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 eine altersdiskriminierende Besoldung.

Grundlage seiner Besoldung im vorgenannten Zeitraum war § 1 Abs. 3 NBesG in der Fassung vom 7. November 2008 (Nds. GVBl. S. 334) - NBesG a. F. - in Verbindung mit §§ 27 und 28 BBesG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung vom 6. August 2002 (BGBl. I S. 3020), zuletzt geändert durch Artikel 3 Abs. 4 des Gesetzes vom 12. Juli 2006 (BGBl. I S. 1466) - BBesG a. F. -.

Nach §§ 27 und 28 BBesG a. F. bildete das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Anschließend stieg das Grundgehalt des Beamten nach der Dienstzeit im Beamtenverhältnis und seiner dort erbrachten Leistung an. Dabei stieg das Grundgehalt grundsätzlich bis zur fünften Stufe im Abstand von zwei Jahren, bis zur neunten Stufe im Abstand von drei Jahren und darüber hinaus im Abstand von vier Jahren. Bei dauerhaft herausragenden Leistungen konnte für Beamte die nächsthöhere Stufe als Grundgehalt vorweg festgesetzt werden.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris Rn. 42 ff.) führte das durch die §§ 27 und 28 BBesG a. F. geschaffene Besoldungssystem zu einer unmittelbar auf dem Kriterium des Alters beruhenden Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG, weil sich danach das Grundgehalt, das zwei gleichzeitig ernannte Beamte mit der gleichen oder einer vergleichbaren Berufserfahrung, aber unterschiedlichem Lebensalter erhielten, allein aufgrund ihres Lebensalters zum Zeitpunkt ihrer Ernennung unterschied. Diese Ungleichbehandlung war nicht gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 /EG gerechtfertigt. Nach Unterabschnitt 1 dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung darstellt, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die zur Erreichung dieses Ziels bestimmten Mittel angemessen und erforderlich sind. Die Mitgliedstaaten können danach Maßnahmen vorsehen, die Ungleichbehandlungen wegen des Alters einschließen. Sie verfügen nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen. Das Ziel der Honorierung der von einem Arbeitnehmer erworbenen Berufserfahrung, die es diesem ermöglicht, seine Arbeit besser zu verrichten, stellt - wie schon im Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris) ausgeführt - in der Regel ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik dar. Allerdings ist, wie schon aus dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG hervorgeht, zu prüfen, ob im Rahmen des den Mitgliedstaaten zuerkannten weiten Ermessens die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Die bei der Einstellung des Beamten stattfindende Einstufung in eine Grundgehaltsstufe allein anhand des Lebensalters geht aber über das hinaus, was zur Erreichung des legitimen Ziels der Berücksichtigung der Berufserfahrung des Beamten erforderlich ist. Denn die angesprochene Besoldungsregelung führte dazu, dass ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wurde.

Entsprechend der vorgenannten Rechtsprechung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts in seinen Urteilen vom 30. Oktober 2014 (u. a. - BVerwG 2 C 3.13 und BVerwG 2 C 6.13 -, juris) Rechtsfolge eines Verstoßes einer gesetzlichen Regelung gegen das Benachteiligungsverbot - hier die Benachteiligung der Beamten unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters durch das Besoldungssystem nach §§ 27 und 28 BBesG a. F. - grundsätzlich die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie zur Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG, nicht aber die Eingruppierung in eine höhere Dienstaltersstufe (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 17 f.). Der Heranziehung des § 15 AGG als Grundlage für einen Zahlungsanspruch des Klägers wegen der Diskriminierung aufgrund seines Lebensalters steht nicht entgegen, dass diese Benachteiligung durch den korrekten Vollzug einer gesetzlichen Regelung (§ 1 Abs. 3 NBesG a. F. und §§ 27 und 28 BBesG a. F.) eingetreten ist. Die Regelung der §§ 7 und 15 AGG, die Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 sowie Art. 17 der Richtlinie 2000/78/EG in nationales Recht umsetzen, stellen nicht auf die Form der diskriminierenden Maßnahme des Mitgliedstaates ab. Die Vorgaben der Richtlinie, insbesondere das Verbot der Benachteiligung, gelten umfassend. Sie erfassen die Tätigkeit des privaten Arbeitgebers ebenso wie die Maßnahmen des staatlichen Normgebers. Auch dessen Unterlassen, die für Beschäftigung und Beruf geltenden gesetzlichen Vorschriften an das Benachteiligungsverbot der Richtlinie anzupassen, muss zur Durchsetzung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion zur Folge haben. Aufgrund von § 15 Abs. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG hat der Kläger Anspruch auf Entschädigung (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 36 ff.). § 15 Abs. 2 AGG erfasst demnach insbesondere diejenigen Fälle, in denen der Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG Folge des korrekten Vollzugs eines Besoldungsgesetzes ist, also allein auf normativem Unrecht beruht (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 11.16 -, juris Rn. 30 ff.).

Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerde gegen die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2014 nicht angenommen (vgl. Beschlüsse vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15, 2 BvR 459/15 bis 461/15 -, juris).

Unter Zugrundelegung der vorgenannten höchstrichterlichen Rechtsprechung hat der erkennende Senat entschieden, dass die Regelungen in §§ 27 und 28 BBesG a. F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligten und deshalb nicht mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar waren (vgl. u. a. Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 9). Daran hält der Senat weiter fest.

Aufgrund dieser Benachteiligung hat der Kläger grundsätzlich für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011, d. h. bis zur rückwirkenden Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes, einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist grundsätzlich ein Pauschalbetrag in Höhe von 100,00 EUR/Monat als angemessen anzusehen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 60 f.).

3. Der Kläger kann diesen Anspruch jedoch nicht mehr durchsetzen, weil er die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nicht gewahrt hat.

Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im - hier nicht vorliegenden - Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt (§ 15 Abs. 4 Satz 2 AGG).

a. Die Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 55; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 149/17 -, juris Rn. 5; Däubler/Beck, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2022, § 15 AGG Rn. 114). Ausschlussfristen dienen dem Rechtsfrieden, der Rechtssicherheit und der Rechtsklarheit. Angesichts der aus der Beweislastverteilung in § 22 AGG resultierenden Dokumentationsobliegenheiten des Arbeitsgebers soll dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden, Dokumentationen über Einstellungsverfahren etc. bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen (vgl. Begründung eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, BT-Drs. 16/1780 S. 38). Die Nichteinhaltung der vom materiellen Recht für Anträge auf Entschädigung gesetzten Frist hat von Gesetzes wegen den Verlust des Anspruchs auf Entschädigung zur Folge (vgl. Adomeit/Mohr, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, 2. Auflage 2011, § 15 AGG Rn. 193; Däubler/Beck, a. a. O., § 15 AGG Rn. 114; Schleusener/Suckow/Plum, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2019, § 15 AGG Rn. 121, 123). Materiellrechtliche Ausschlussfristen sind für Behörden und Beteiligte gleichermaßen verbindlich. Sie stehen nicht zur Disposition der Verwaltung oder der Gerichte. Der Ablauf einer materiellen Ausschlussfrist ist deshalb von Amts wegen zu beachten. Nach Ablauf der Frist kann der Anspruch - ohne dass es auf die Ursache der Fristversäumnis ankommt - nicht mehr geltend gemacht werden, sofern und soweit das einschlägige Recht keine Wiedereinsetzung, Nachsichtgewährung oder sonstige Ausnahme gestattet (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.4.1982 - BVerwG 6 C 34.79 -, juris Rn. 19; Urteil vom 18.4.1997 - BVerwG 8 C 38.95 -, juris Rn. 11). Die Regelung in § 15 Abs. 4 AGG ist in diesem Sinne abschließend (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 55; Nds. OVG, Beschluss vom 5.3.2018 - 5 LA 100/17 -; Schleusener/Suckow/Plum, a. a. O., § 15 AGG Rn. 124).

Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist mit Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG vereinbar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.4.2013 - BVerwG 2 B 145.11 -, juris Rn. 9 f. unter ausdrücklichem Beitritt der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts). Nach Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus dieser Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg sowie, wenn die Mitgliedstaaten es für angezeigt halten, in Schlichtungsverfahren geltend machen können, selbst wenn das Verhältnis, während dessen die Diskriminierung vorgekommen sein soll, bereits beendet ist. Art. 9 Abs. 3 der genannten Richtlinie regelt, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie nationale Regelungen über Fristen für die Rechtsverfolgung in Fällen, in denen es um den Grundsatz der Gleichbehandlung geht, unberührt lässt. Hieraus ergibt sich, dass die Frage der Fristen für die Einleitung von Verfahren zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der Richtlinie vom Unionsrecht nicht geregelt wird (vgl. EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09, Bulicke -, juris Rn. 24; Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 59 f.). Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09, Bulicke -, juris Rn. 25 m. w. N.; Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 61) ist es mangels einer einschlägigen Gemeinschaftsregelung Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die zuständigen Gerichte und die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen, wobei diese Verfahren nicht weniger günstig gestaltet sein dürfen als bei entsprechenden Klagen, die allein innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Grundsatz der Effektivität).

Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 8. Juli 2010 (- C-246/09, Bulicke -, juris) keine grundsätzlichen Bedenken gegen die in § 15 Abs. 4 AGG normierte Frist von zwei Monaten geäußert. Es heißt dort (juris Rn. 34 ff.):

„Es ist nicht ersichtlich, dass eine Vorschrift wie § 15 Abs. 4 AGG, wonach derjenige, der bei der Einstellung wegen des Alters diskriminiert worden ist, einen Anspruch auf Entschädigung für Vermögens- und Nichtvermögensschäden innerhalb von zwei Monaten gegenüber demjenigen, von dem diese Diskriminierung ausgeht, geltend machen muss, weniger günstiger ist als Vorschriften für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe im Bereich des Arbeitsrechts. Gleichwohl muss das nationale Gericht prüfen, ob es sich bei den vom Arbeitsgericht Hamburg in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2008 genannten Verfahrensfristen um vergleichbare Fristen handelt. Sollte sich herausstellen, dass eine oder mehrere der in der Vorlageentscheidung genannten Klagearten oder auch andere Klagearten, die im Verfahren vor dem Gerichtshof nicht erwähnt worden sind, einer Entschädigungsklage, die infolge einer Diskriminierung erhoben wird, vergleichbar sind, wird das vorlegende Gericht ferner zu prüfen haben, ob die erstgenannten Klagearten günstigere Verfahrensmodalitäten aufweisen (vgl. entsprechend Urteil Pontin, Randnr. 56). Das nationale Gericht muss ferner prüfen, ob die von der deutschen Regierung vorgeschlagene Auslegung der Verknüpfung der Frist des § 15 Abs. 4 AGG mit der des § 61b ArbGG zutreffend ist.

Hinsichtlich der Anwendung des Effektivitätsgrundsatzes hat der Gerichtshof entschieden, dass jeder Fall, in dem sich die Frage stellt, ob eine nationale Verfahrensvorschrift die Anwendung des Unionsrechts unmöglich macht oder übermäßig erschwert, unter Berücksichtigung der Stellung dieser Vorschrift im gesamten Verfahren, des Verfahrensablaufs und der Besonderheiten des Verfahrens vor den verschiedenen nationalen Stellen zu prüfen ist. Dabei sind gegebenenfalls die Grundsätze zu berücksichtigen, die dem nationalen Rechtsschutzsystem zugrunde liegen, wie z. B. der Schutz der Verteidigungsrechte, der Grundsatz der Rechtssicherheit und der ordnungsgemäße Ablauf des Verfahrens (vgl. Urteile vom 14. Dezember 1995, Peterbroeck, C-312/93, Slg. 1995, I-4599, Randnr. 14, Unibet, Randnr. 54, vom 6. Oktober 2009, Asturcom Telecomunicaciones, C-40/08, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 39, und Pontin, Randnr. 47).

Nach ständiger Rechtsprechung ist die Festsetzung angemessener Ausschlussfristen grundsätzlich mit dem Erfordernis der Effektivität vereinbar, weil eine solche Festsetzung ein Anwendungsfall des grundlegenden Prinzips der Rechtssicherheit ist (vgl. Urteile vom 10. Juli 1997, Palmisani, C-261/95, Slg. 1997, I-4025, Randnr. 28, Preston u. a., Randnr. 33, vom 24. September 2002, Grundig Italiana, C-255/00, Slg. 2002, I-8003, Randnr. 34, sowie Kempter, Randnr. 58). Denn derartige Fristen sind nicht geeignet, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (vgl. Urteile Grundig Italiana, Randnr. 34, Kempter, Randnr. 58, und Pontin, Randnr. 48). Mit diesem Vorbehalt ist es den Mitgliedstaaten unbenommen, mehr oder weniger lange Fristen vorzusehen (vgl. Urteil vom 17. Juni 2004, Recheio – Cash & Carry, C-30/02, Slg. 2004, I-6051, Randnr. 20). Der Gerichtshof hat zu Ausschlussfristen außerdem entschieden, dass es Sache der Mitgliedstaaten ist, für nationale Regelungen, die in den Anwendungsbereich des Unionsrechts fallen, Fristen festzulegen, die insbesondere der Bedeutung der zu treffenden Entscheidungen für die Betroffenen, der Komplexität der Verfahren und der anzuwendenden Rechtsvorschriften, der Zahl der potenziell Betroffenen und den anderen zu berücksichtigenden öffentlichen oder privaten Belangen entsprechen (vgl. Urteil Pontin, Randnr. 48).

Es ist nicht ersichtlich, dass die Festlegung dieser Frist auf zwei Monate die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte.“

Diese Entscheidung betraf allerdings den Fall einer 41-Jährigen Frau, deren Bewerbung auf die Stellenanzeige eines Unternehmens, welches den Bewerberkreis auf 18 bis 35 Jahre alte Bewerber begrenzt hatte, abgelehnt wurde und nicht - wie hier - einen Fall altersdiskriminierender Besoldung. Insofern ist die Frage aufgeworfen worden, ob es anders als im Fall der Einstellung keine unverhältnismäßige Belastung des Dienstherrn darstelle, die für die Besoldung relevanten Unterlagen bis zum Ablauf der Verjährungsfrist aufzubewahren. Gleichwohl ist die zuvor zitierte Rechtsprechung auf die Fälle altersdiskriminierender Besoldung übertragbar. Der Europäische Gerichtshof hat in seinen Urteilen vom 27. Februar 2020 (C-773/18 bis C-775/18, juris), welche die altersdiskriminierende Besoldung betreffen, Bezug auf sein Urteil in der Sache Bulicke genommen und wiederum ausgeführt, dass Art. 9 der Richtlinie 2000/78/EG einer Frist wie der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen grundsätzlich nicht entgegenstehe, sofern der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz nicht verletzt seien (EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 62). Er hat ausdrücklich entschieden, dass der Effektivitätsgrundsatz nicht durch die Regelung in § 15 Abs. 4 AGG verletzt wird. Es ist nach wie vor nicht ersichtlich, dass die Länge dieser Ausschlussfrist die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte unmöglich machen oder übermäßig erschweren könnte (EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 70), wobei in diesem Zusammenhang der Bestimmung des Fristbeginns wesentliche Bedeutung zukommt (siehe dazu unter B.I.3.b.). Zum Äquivalenzgrundsatz hat der Europäische Gerichtshof zusammenfassend ausgeführt, dass es Sache der nationalen Gerichte sei, festzustellen, ob es vergleichbare nationale Ansprüche mit günstigeren Modalitäten gebe (EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 63 ff.).

Die Zwei-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG verstößt nach Überzeugung des Senats nicht gegen den Äquivalenzgrundsatz. Die Forderung, dass die Frist nicht weniger günstig sein darf als diejenige für vergleichbare innerstaatliche Rechtsbehelfe, wird erfüllt. Denn beim Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG handelte es sich bei Umsetzung der betreffenden Richtlinie um einen neuartigen, im nationalen Recht bislang nicht ausgestalteten Anspruch. Im Bereich des Beamtenrechts gibt es keinen vergleichbaren Anspruch, der auf Entschädigung zum Ausgleich eines immateriellen Schadens gerichtet ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.4.2013 - BVerwG 2 B 145.11 -, juris Rn. 10; Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 48 m. w. N.). Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG gilt zudem gleichermaßen für Ansprüche, die sich aus dem Unionsrecht ergeben, und für solche, die sich aus dem nationalen deutschen Recht ergeben. Entsprechend hat auch der Europäische Gerichtshof in Bezug auf die Vereinbarkeit von § 15 Abs. 4 AGG mit dem Äquivalenzgrundsatz entschieden, dass die Möglichkeit, für Vermögens- und Nichtvermögensschäden, die infolge eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität entstanden sind, entschädigt zu werden, mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz geschaffen worden ist und dass es daher vor dem Erlass dieses Gesetzes keine im eigentlichen Sinne entsprechenden Verfahren gegeben hat (EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 63).

b. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 hat (erst) mit der Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (C-501/12, juris) vom 19. Juni 2014 zu laufen begonnen, in welcher erstmalig festgestellt wurde, dass das Besoldungssystem nach §§ 27, 28 BBesG a. F. gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt.

Der Fristbeginn ist in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG geregelt. Danach beginnt die Frist in sonstigen Fällen einer Benachteiligung - wenn, wie hier, kein Fall einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs vorliegt - zu dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Betroffene von seiner Benachteiligung Kenntnis erlangt.

Der Beamte hat grundsätzlich Kenntnis von seiner Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d. h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 52 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 149/17 -, juris Rn. 6). Dies setzt nicht voraus, dass sämtliche denkbaren Zweifelsfragen restlos höchstrichterlich geklärt sind. Es reicht aus, wenn infolge einer höchstrichterlichen Entscheidung die Erhebung der Klage für den Betroffenen zumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 20.15 -, juris Rn. 13). Nicht entscheidend ist, wann der einzelne Berechtigte von dieser (objektiv die Rechtslage klärenden) Gerichtsentscheidung tatsächlich Kenntnis erlangt. Maßgeblicher Zeitpunkt ist die in der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs vorgeschriebene Verkündung seines jeweiligen Urteils ungeachtet der Frage, wann der Betroffene vom Umstand der altersdiskriminierenden Besoldung überhaupt Kenntnis erlangt hat und wann ihm entsprechende Gerichtsurteile bekannt geworden sind (BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 - BVerwG 2 C 15.17 -, juris Rn. 14 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 149/17 -, juris Rn. 6). Eine solche Urteilsverkündung erfolgt entsprechend der Verfahrensordnung des Europäischen Gerichtshofs und wird durch Pressemitteilungen begleitet. Der erkennende Senat ist weiterhin der Überzeugung, dass die objektive Klärung der Rechtslage durch die (allgemeine) Verkündung des jeweiligen Urteils des Europäischen Gerichtshofs erfolgt und nicht erst durch die von Zufällen abhängige individuelle Kenntnisnahme des Urteils durch den einzelnen Beamten beispielsweise aufgrund von Information durch Gewerkschaften oder einschlägige Fachzeitschriften.

Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ist - vor dem Hintergrund des § 15 Abs. 4 AGG - die entscheidungserhebliche Rechtslage (bereits) durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) geklärt worden mit der Folge, dass die Ausschlussfrist mit Ablauf des 8. November 2011 geendet hat (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 53). Es hat seine Rechtsprechung mit der Begründung fortgeführt, in diesem Urteil des Europäischen Gerichtshofs sei den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG in Bezug auf ein mit §§ 27, 28 BBesG a. F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden. Davon sei der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) selbst ausgegangen. Dass auch nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 einzelne Verwaltungsgerichte nach wie vor eine diskriminierende Wirkung des geltenden Besoldungssystems verneint bzw. deswegen den Europäischen Gerichtshof um eine Vorabentscheidung ersucht hätten und eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts noch nicht vorgelegen habe, ändere daran nichts. Entscheidend sei, dass mit dem Urteil in Sachen Hennigs und Mai die erforderliche höchstrichterliche Klärung („Verdeutlichung“) durch den Europäischen Gerichtshof selbst vorgelegen habe, nämlich, dass ein mit §§ 27, 28 BBesG a. F. vergleichbares Besoldungssystem unionsrechtswidrig sei. Damit sei es den Betroffenen zumutbar gewesen, ihre daraus folgenden Ansprüche im Klagewege geltend zu machen. Dass seinerzeit in der besagten Entscheidung vom 8. September 2011 die maßgebliche (hinreichende) Klärung der Rechtslage gesehen worden sei, werde auch dadurch augenfällig belegt, dass - wie dem Senat aus zahlreichen Verfahren bekannt sei - im Nachgang zu dieser Entscheidung mehrere Berufsverbände und Interessenvertretungen ihre Mitglieder durch vorformulierte „Musteranträge“ unterstützt und sie aufgefordert hätten, unter ausdrücklichem Hinweis auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union ihre Ansprüche geltend zu machen (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.5.2015 - BVerwG 2 A 9.13 -, juris Rn. 13; Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 20.15 -, juris Rn. 12 ff.; BVerwG, Urteil vom 14.12.2017 - BVerwG 2 C 15.17 -, juris Rn. 14).

Dem ist der erkennende Senat (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 4.7.2017 - 5 LA 194/15 -, juris Rn. 21; Beschluss vom 5.3.2018 - 5 LA 100/17 -; Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 149/17 -, juris Rn. 6) ebenso wie andere Obergerichte (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 11.5.2016 - 1 A 1926/15 -, juris Rn. 43; Sächs. OVG, Beschluss vom 8.5.2018 - 2 A 350/16 -, juris Rn. 7; Schl.-H. OVG, Beschluss vom 20.2.2017 - 2 LA 86/16 -, juris Rn. 14) gefolgt.

Unter Berücksichtigung der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Frage des Beginns der Zwei-Monatsfrist des § 15 Abs. 4 AGG folgt der erkennende Senat nicht mehr der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, soweit dieses angenommen hat, die entscheidungserhebliche Rechtslage sei bereits durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) hinreichend geklärt worden. Nunmehr ist der Senat der Überzeugung, dass die entscheidungserhebliche Rechtslage betreffend das altersdiskriminierende Besoldungssystem in §§ 27, 28 BBesG a. F. erst durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht am 19. Juni 2014 (- C-501/12 -, juris) hinreichend geklärt worden ist mit der Folge, dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG erst mit Ablauf des 19. August 2014 geendet hat.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteile vom 27.2.2020, u. a. - C-773/18 -, juris Rn. 71 ff.) darf der Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht in der Weise festgesetzt werden, dass ein Arbeitnehmer möglicherweise nicht innerhalb dieser Frist erkennen kann, dass und in welchem Umfang er diskriminiert worden ist, so dass ihm die Geltendmachung seiner Ansprüche unmöglich ist. Beginnt diese Frist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Arbeitnehmer von der behaupteten Diskriminierung Kenntnis erlangt, wird ihm die Ausübung der vom Unionsrecht verliehenen Rechte nicht unmöglich gemacht und auch nicht übermäßig erschwert. Eine Person ist aber nur dann in der Lage, das Vorliegen oder den Umfang einer ihr widerfahrenen Diskriminierung zu erkennen, wenn sie sowohl die Ungleichbehandlung, der sie ausgesetzt ist, als auch den Grund dieser Ungleichbehandlung und den diskriminierenden Charakter der aus diesem Grund resultierenden Ungleichbehandlung erkennen kann. Der Europäische Gerichtshof hat zu dem seiner Entscheidung zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend das Land Sachsen-Anhalt ausgeführt: Da §§ 27, 28 BBesG a. F. vorgesehen hätten, dass die Grundgehaltsstufe eines Beamten innerhalb der jeweiligen Besoldungsgruppe bei seiner Einstellung nach dessen Lebensalter zu bestimmen gewesen sei, hätten die Kläger der Ausgangsverfahren ab dem Zeitpunkt ihrer Einstellung sowohl ihre Ungleichbehandlung als auch deren Grund erkennen können. Dagegen erscheine in den Ausgangsverfahren unstreitig, dass die Kläger zum Zeitpunkt ihrer Einstellung weder erkannt hätten noch hätten erkennen können, dass die Ungleichbehandlung, der sie aus diesem Grund ausgesetzt gewesen seien, diskriminierend gewesen sei. Aus den Vorlageentscheidungen gehe hervor, dass sie davon erst kurz vor Erhebung ihrer Widersprüche Kenntnis erlangt hätten. Zwar gehe aus dem Umstand, dass mehrere Tausend Beamte ihre Anträge innerhalb der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist eingereicht hätten, klar hervor, dass der auf den 8. September 2011 festgesetzte Fristbeginn die Ausübung der durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich gemacht habe. Andere Anhaltspunkte sprächen aber dafür, dass die Ausübung dieser Rechte durch die Beamten übermäßig erschwert worden sei, da der Fristbeginn so festgesetzt worden sei, dass die Gefahr bestanden habe, dass sie nicht innerhalb der Zwei-Monatsfrist hätten erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden seien. Das Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris) habe nicht die für die Kläger des Ausgangsverfahrens geltende nationale Regelung betroffen. Das zuständige Land Sachsen-Anhalt und die zuständigen Bundesbehörden hätten im Anschluss an die Verkündung dieses Urteils die Auffassung vertreten, dass dieses nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei. Diese Auffassung sei bis zur Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) „von der Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte“ geteilt worden. Demnach habe das Urteil vom 8. September 2011 die Rechtslage im Hinblick auf §§ 27, 28 BBesG a. F. weder für die zuständigen Behörden des Landes Sachsen-Anhalt noch für die zuständigen Bundesbehörden oder für die Mehrheit der deutschen Verwaltungsgerichte hinreichend geklärt. Unter diesen Umständen habe die Gefahr bestanden, dass die Beamten des Landes Sachsen-Anhalt nicht innerhalb von zwei Monaten nach Verkündung dieses Urteils hätten erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden seien. Diese Gefahr scheine sowohl dadurch bestätigt, dass die Kläger der Ausgangsverfahren nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts die Bedeutung dieses Urteils für ihre eigene Besoldung nicht sofort erkannt hätten, als auch dadurch, dass über 60 % der Widersprüche von Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt wegen Verspätung zurückgewiesen worden seien. Nach alledem sei der Effektivitätsgrundsatz dahin auszulegen, dass er es einem Mitgliedstaat verbiete, den Beginn einer Ausschlussfrist von zwei Monaten für die Stellung eines Antrags auf Ersatz des Schadens, der aus einer Maßnahme entstanden sei, die eine Diskriminierung wegen des Alters darstelle, auf den Tag der Verkündung eines Urteils des Gerichtshofs festzusetzen, mit dem der diskriminierende Charakter einer ähnlichen Regelung festgestellt worden sei, wenn die Gefahr bestehe, dass die Betroffenen nicht innerhalb der Frist hätten erkennen können, dass oder in welchem Umfang sie diskriminiert worden seien. Dies könne insbesondere dann der Fall sein, wenn in dem betreffenden Mitgliedstaat Uneinigkeit über die Frage bestehe, ob dieses Urteil auf die betreffende Maßnahme übertragbar sei. Es obliege jedoch den nationalen Gerichten, anhand sämtlicher einschlägigen tatsächlichen und rechtlichen Umstände die erforderlichen Überprüfungen vorzunehmen, um festzustellen, ob der Beginn der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist so festgelegt worden sei, dass die Ausübung der ihnen durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte durch die Beamten übermäßig erschwert worden sei.

Unter Berufung auf diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht mit Stattgebendem Kammerbeschluss vom 18. März 2022 (- 2 BvR 1232/20 -, juris) festgestellt, der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 11. Juni 2020 (- 1 L 67/20 -), mit dem dieses ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils verneint hatte, obwohl der Kläger im Zulassungsverfahren geltend gemacht hatte, dass das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil rechtsirrig davon ausgegangen sei, der Fristbeginn des § 15 Abs. 4 AGG ab Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 verstoße nicht gegen den unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz, verletze den Kläger in seinem Grundrecht aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG.

Diese Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die zu der Rechtslage des Landes Sachsen-Anhalt ergangen ist, ist auf die Rechtslage in Niedersachsen übertragbar. Die danach erforderliche Prüfung der Umstände ergibt, dass den Beamten des Landes Niedersachsen die Ausübung der ihnen durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte im Falle einer Festlegung des Beginns der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist auf die Verkündung des Urteils in Sachen Hennigs und Mai (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) am 8. September 2011 übermäßig erschwert würde. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass das Bundesministerium des Innern die Bundesbehörden in zwei Rundschreiben vom 27. Januar und 23. März 2012 (- D 3-221 280/17 [GMBl. 2012 S. 442 ff.]) sowie das Bundesministerium der Verteidigung die Behörden seines Geschäftsbereichs mit Schreiben vom 30. Januar 2012 angewiesen haben, Widersprüche von Beamten oder Richtern gegen die Festsetzung ihrer Besoldung nach §§ 27, 28 BBesG a. F. zurückzuweisen, weil sich das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai auf Tarifbeschäftigte beziehe und deshalb nicht auf Beamte und Richter übertragbar sei (vgl. dazu auch VG Halle, Vorlagebeschluss vom 15.8.2018 - 5 A 183/16 -, juris Rn. 4; VG Osnabrück, Urteil vom 22.7.2015 - 3 A 78/12 -, juris Rn. 45). Das Niedersächsische Finanzministerium hat mit Erlassen vom 3. April 2012 betreffend „Anträge/Widersprüche wegen Altersdiskriminierung infolge der fortgeltenden Vorschriften der §§ 27, 28 Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 31.08.2006 geltenden Fassung“ Verfahrenshinweise unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai an die für das Besoldungsrecht zuständigen Dienststellen des Landes Niedersachsen gegeben. Es hat empfohlen, diese Verfahren ruhend zu stellen und auf die Einrede der Verjährung zu verzichten bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen. Dort heißt es weiter:

„3. Sollten Besoldungsempfängerinnen oder Besoldungsempfänger mit der Aussetzung der Entscheidung nicht einverstanden sein und auf einer Entscheidung bestehen, sind die geltend gemachten Ansprüche zurückzuweisen.

Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

In Niedersachsen ist durch beigefügtes Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 15.02.2012 - 1 A 106/10 - die entsprechende Klage einer Beamtin zurückgewiesen worden. Diese Entscheidung ist allerdings noch nicht rechtskräftig; die Berufung ist zugelassen. Verwaltungsgerichte anderer Bundesländer (VG Berlin, VG Chemnitz, VG Schleswig-Holstein, VG Weimar) haben eine Altersdiskriminierung durch das Besoldungsdienstalter bisher ebenfalls verneint.“


Mit Schreiben vom 23. April 2012 hat das Niedersächsische Finanzministerium den Deutschen Gewerkschaftsbund entsprechend informiert, dass in diesen Fällen die Verfahren ruhend gestellt und auf die Einrede der Verjährung verzichtet werde bis zum Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen. Demnach hat das Niedersächsische Finanzministerium aufgrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai eine altersdiskriminierende Besoldung der Beamten nicht angenommen, sondern stattdessen eine Klärung durch rechtskräftige Entscheidung für Niedersachsen abgewartet. Dementsprechend hat auch die Beklagte ihre Beamten mit dem Personalrundschreiben Nr. 11/12 vom 5. November 2012 über das vorgenannte Urteil informiert, dann aber ausdrücklich festgestellt, es sei die Frage zu klären, ob diese Rechtsprechung auf die besoldungsrechtlichen Regelungen der Beamten zu übertragen sei und zugleich auf eine (noch ausstehende) rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen abgestellt. Ein Bekenntnis zur Übertragbarkeit der zum Tarifrecht ergangenen Entscheidung auf das Beamtenrecht ist ebenso wenig dem über ein Jahr später verteilten Personalrundschreiben Nr. 16/13 vom 23. Dezember 2013 zu entnehmen.

Außerdem wurde die Übertragbarkeit der Grundsätze des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai auf das Besoldungsrecht der Beamten und Richter in den seither ergangenen und veröffentlichten Entscheidungen von Verwaltungsgerichten überwiegend abgelehnt. Während das Verwaltungsgericht Halle mit Urteilen vom 28. September 2011 (u. a. - 5 A 63/10 HAL -, juris) ebenso wie das Verwaltungsgericht Frankfurt (Urteil vom 6.1.2012 - 9 K 4282/11.F -, juris) und das Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urteil vom 19.4.2013 - 13 K 5357/12 -, juris) eine Altersdiskriminierung in §§ 27, 28 BBesG a. F. für Beamte bejaht hatten, hatten das Verwaltungsgericht Berlin (Urteil vom 24.6.2010 - 5 K 17.09 -, juris), das Verwaltungsgericht Chemnitz (Urteil vom 3.2.2011 - 3 K 613/10 -, juris), das Verwaltungsgericht Lüneburg (Urteil vom 15.2.2012 - 1 A 106/10 -, juris), das Verwaltungsgericht Trier (Urteil vom 25.9.2012 - 1 K 858/12.TR -, juris) und das Verwaltungsgericht Weimar (Urteil vom 15.11.2011 - 4 K 1163/10 WE -, juris) eine Altersdiskriminierung des Besoldungssystems verneint. Angesichts dessen konnte von den betroffenen Beamten nicht erwartet werden, dass sie über bessere Rechtskenntnisse als die angeführten Bundes- und Landesministerien und die Mehrzahl der Verwaltungsgerichte verfügten und von der Übertragbarkeit der Rechtsprechung zu den Entgelttarifverträgen für Tarifbeschäftigte auf das Besoldungsrecht für Beamten ausgehen mussten.

Dafür, dass den Beamten die Ausübung ihrer insoweit bestehenden Rechte dadurch übermäßig erschwert würde, wenn als Beginn der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 abgestellt würde, spricht ferner, dass - worauf der Europäische Gerichtshof unter Bezugnahme auf die Feststellungen des vorlegenden Verwaltungsgerichts Halle abgestellt hat - über 60 % der von Beamten und Richtern des Landes Sachsen-Anhalt gestellten Entschädigungsanträge wegen altersdiskriminierender Besoldung wegen Verfristung zurückgewiesen wurden, und selbst Juristen die Bedeutung des Urteils in den Sachen Hennigs und Mai für die eigene Besoldung nicht sofort erkannten (vgl. EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 91).

Es bestehen keine Anhaltspunkte für eine abweichende Beurteilung mit Blick auf die niedersächsischen Beamten und Richter.

Allgemeine weitere einschlägige tatsächliche und rechtliche Umstände, die entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs bei der Prüfung der Frage, ob der Beginn der in § 15 Abs. 4 AGG vorgesehenen Frist so festgelegt wurde, dass den Beamten die Ausübung der ihnen durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte übermäßig erschwert wurde (vgl. EuGH, Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 93), sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass Kommunen und/oder Verwaltungen abweichend von den o. a. Erlassen des Niedersächsischen Finanzministeriums vor Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) in einer Vielzahl von Fällen Entschädigungszahlungen wegen altersdiskriminierender Besoldung an Beamte geleistet hätten.

Angesichts dessen hat erst die Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) vom 19. Juni 2014, in welcher erstmalig festgestellt wurde, dass das Besoldungssystem nach §§ 27, 28 BBesG a. F. gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, zu einer hinreichenden Klärung der Rechtslage geführt mit der Folge, dass mit der Verkündung dieser Entscheidung die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG zu laufen begonnen hat.

c. Auch unter Berücksichtigung der (Personalrund-)Schreiben der Beklagten gilt weiterhin die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG, die im vorliegenden Einzelfall gleichfalls mit der Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) am 19. Juni 2014 zu laufen begonnen hat.

aa. Eine von den Regelungen in § 15 Abs. 4 AGG abweichende Vereinbarung der Tarifvertragsparteien liegt nicht vor.

Die Ausschlussfrist gilt dann nicht, wenn die Tarifvertragsparteien gemäß § 15 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz AGG etwas anderes vereinbart haben. Diese Norm eröffnet Tarifvertragsparteien eine Regelungsbefugnis in Bezug auf die Dauer der Frist sowie die Art und Weise der Geltendmachung (vgl. Adomeit/Mohr, a. a. O., § 15 AGG Rn. 126). Nach dem Wortlaut der Norm besteht die Möglichkeit, sowohl zugunsten als auch zulasten des Antragstellers eine abweichende Regelung zu treffen. Voraussetzung ist dabei, dass Arbeitgeber und Beschäftigte beiderseits tarifgebunden sind, sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen und eine abweichende tarifliche Regelung zum Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG getroffen worden ist (vgl. Schleusener/Suckow/Plum, a. a. O., § 15 AGG Rn. 117 ff.).

Für die Beteiligten dieses Verfahrens ist die Ausschlussfrist nicht nach § 15 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz AGG disponibel, denn sie sind nicht Tarifvertragsparteien. Eine erweiternde Auslegung dieser Regelung scheidet aus. Es handelt sich um eine Vorschrift, nach der die grundsätzlich einzuhaltende zweimonatige Ausschlussfrist nur ausnahmsweise tarifdisponibel ist. Da § 15 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz AGG allein die Tarifvertragsparteien erwähnt, die eine abweichende Regelung zur Ausschlussfrist vereinbaren können, kann eine solche Regelung allein in Tarifverträgen, nicht aber in Betriebs- oder Dienstvereinbarungen getroffen werden (vgl. Adomeit/Mohr, a. a. O., § 15 AGG Rn. 126). Dementsprechend ist - schon dem Wortlaut nach - weder den Kirchen noch den öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften eine solche Regelungsbefugnis eingeräumt (siehe dazu Schleusener/Suckow/Plum, a. a. O., § 15 AGG Rn. 117; zum kirchlichen „Dritten Weg“: Adomeit/Mohr, a. a. O., § 15 AGG Rn. 126).

Den Beteiligten kommt hier eine Regelungsbefugnis nach § 15 Abs. 4 Satz 1, 2. Halbsatz AGG auch nicht über die Rechtsgrundverweisung in § 24 Satz 1 AGG zu (vgl. Meinel/ Heyn/Herms, AGG, 2. Auflage 2010, § 24 AGG Rn. 20 m. w. N.). Denn danach sind die Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes nur unter Berücksichtigung der besonderen Rechtsstellung der Beamten anwendbar. Das Sonderverhältnis zwischen Dienstherrn und Beamten unterscheidet sich jedoch maßgeblich von dem Verhältnis zwischen Tarifvertragsparteien. Die Besoldung der Beamten und Richter wird abschließend durch Gesetz geregelt (vgl. § 2 Abs. 1 BBesG, § 3 Abs. 1 NBesG). Allein der jeweilige Bundes- oder Landesgesetzgeber regelt (einseitig) die Grundlagen der Besoldung und deren Höhe, so dass abweichende (tarif-)vertragliche Regelungen über die Besoldung wie zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberverbänden einerseits und den Interessenvertretungen der Beschäftigten andererseits wie im Tarifbereich nicht möglich sind. Insoweit fehlt es im Verhältnis Dienstherr und Beamte an Tarifvertragsparteien im Sinne des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Dies gilt erst Recht für die Bereiche der Kommunalverwaltung sowie anderer Verwaltungsträger der mittelbaren Staatsverwaltung.

bb. Es ist auch nicht ausnahmsweise wegen der (Personalrund-)Schreiben der Beklagten von einem von der Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) am 19. Juni 2014 abweichenden Fristbeginn auszugehen. Die Wahrung des Effektivitätsgrundsatzes in Bezug auf die Ausübung der den Beamten durch § 15 Abs. 2 AGG verliehenen Rechte erfordert nicht, von diesem Fristbeginn abzusehen und die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG später beginnen zu lassen.

Es ist nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09, Bulicke -, juris Rn. 25 m. w. N.; Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 61) Sache der innerstaatlichen Rechtsordnung der einzelnen Mitgliedstaaten, die Ausgestaltung von Verfahren, die den Schutz der dem Bürger aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen, zu bestimmen, wobei diese Verfahren die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen (Grundsatz der Effektivität). Der deutsche Gesetzgeber hat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf erlassen und dabei eine Verfahrensregelung in § 15 Abs. 4 AGG getroffen, wonach ein Anspruch nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden muss, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Er hat weiter geregelt, dass diese Frist im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt beginnt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Diese Regelungen sind abschließend (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 55; Nds. OVG, Beschluss vom 5.3.2018 - 5 LA 100/17 -). Der Dienstherr kann deshalb nicht - wie Tarifvertragsparteien - von der Ausschlussfrist absehen. Er kann ferner nicht den gesetzlich vorgegebenen Fristbeginn - in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung den Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Benachteiligung - abändern, sei es durch einseitige Erklärungen eines Mitarbeiters oder sei es durch Personalrundschreiben. Grundsätzliche Bedenken an der Zulässigkeit der Regelung in § 15 Abs. 4 AGG bestehen nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht (vgl. EuGH, Urteil vom 8.7.2010 - C-246/09, Bulicke -, juris; BVerwG, Beschluss vom 16.4.2013 - BVerwG 2 B 145.11 -, juris Rn. 9 f.).

Auch im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass die nationale Verfahrensvorschrift in § 15 Abs. 4 AGG, insbesondere der dort geregelte Fristbeginn mit dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von der Benachteiligung, die Ausübung der durch das Unionsrecht (hier der Gleichbehandlungsrichtlinie) gewährleisteten Rechte unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert hätte. Nach dem Vorstehenden (siehe unter B. I. 3. b) ist darauf abzustellen, dass der Kläger mit der Verkündung der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) am 19. Juni 2014 Kenntnis von seiner Benachteiligung erlangt hat. Denn in dieser Entscheidung wurde ausdrücklich festgestellt, dass das Besoldungssystem nach §§ 27, 28 BBesG a. F. gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstößt, so dass eine hinreichende Klärung der Rechtslage vorgelegen hat mit der Folge, dass spätestens zu diesem Zeitpunkt den betroffenen Beamten und damit dem Kläger eine auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz gerichtete Antragstellung zumutbar gewesen ist. Dieses Urteil stellt hinsichtlich der Problematik der Altersdiskriminierung der Beamtenbesoldung eine Zäsur dar. Den davor ergangenen (Personalrund-)Schreiben der Beklagten kommt insoweit eine entscheidende Bedeutung nicht zu. Der Kläger hat nach Verkündung dieses Urteils, nämlich mit Schreiben vom 15. Dezember 2014, eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz beantragt. Erst nach Eingang dieses Schreibens hat die Beklagte das vorgenannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs und die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2014 (vgl. u. a. - BVerwG 2 C 3.13 und 2 C 6.13 -, juris), die die Altersdiskriminierung des Besoldungssystems nach §§ 27, 28 BBesG a. F. ausdrücklich feststellten und sich mit daraus resultierenden Entschädigungsansprüchen nach dem AGG befassten, zum Gegenstand ihres Personalrundschreibens Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 gemacht. Da der Kläger bereits am 15. Dezember 2014 seine Ansprüche auf Entschädigung nach dem AGG schriftlich gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, kann ein nach Antragstellung ergangenes Personalrundschreiben offensichtlich nicht eine rechtzeitige Antragstellung nach § 15 Abs. 4 AGG und damit die Ausübung seiner Rechte aus § 15 Abs. 2 AGG unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert haben.

Selbst wenn die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) am 19. Juni 2014 nicht als eine solche Zäsur angesehen werden sollte und folglich auch zeitlich davor ergangene (Personalrund-)Schreiben der Beklagten zu berücksichtigen wären, könnte nicht angenommen werden, dass diese deren Beamte und damit den Kläger von der Ausübung der Rechte nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz abgehalten oder die Ausübung übermäßig erschwert hätten. Denn die (Personalrund-)Schreiben hatten allein etwaige Ansprüche auf eine höhere Besoldung, nicht aber Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gelichbehandlungsgesetz zum Gegenstand. Insbesondere durch die angeführten Personalrundschreiben von 2012 und 2013 ist in Bezug auf etwaige Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz kein schützenswertes Vertrauen begründet worden.

Hinsichtlich des Inhalts der (Personalrund-)Schreiben ist auf den objektiven Empfängerhorizont abzustellen. Danach ist maßgeblich, wie der Empfänger den in der jeweiligen Erklärung zum Ausdruck gekommenen Willen des Erklärenden unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen konnte. Hiernach kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte durch die angeführten Personalrundschreiben ihren Beamten habe zusichern wollen, etwaige Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz auch dann zu erfüllen, wenn diese nicht rechtzeitig schriftlich geltend gemacht worden sind.

Der Leiter des Fachbereichs Steuerung, Personal und Zentrale Dienste der Beklagten hat dem Gesamtpersonalrat der Beklagten mit Schreiben vom 11. Juli 2011 mitgeteilt, es bestünden keine Bedenken, im Bedarfsfall auf die seinerzeit getroffene Regelung zu verweisen, dass im Fall einer höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Besoldung diese auch auf die Beschäftigten angewendet werde, die keinen Individualwiderspruch eingelegt hätten. Er hat zudem den undatierten Vermerk „Anwendung von BVerfG-Entscheidungen in Besoldungsfragen“ gefertigt, in dem es heißt, wie im Oktober 2009 verabredet, erkläre die Verwaltung, dass Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Überprüfung der verfassungsgemäßen Alimentation von Beamten auf alle Beamten der Beklagten auch rückwirkend übertragen würden und zwar unabhängig davon, ob im Einzelfall entsprechende Ansprüche geltend gemacht worden seien. Diese Zusicherung gelte insbesondere in Bezug auf die beim Bundesverfassungsgericht anhängigen Verfahren mit den Aktenzeichen 2 BvL 17/08, 2 BvL 19/09 und 2 BvL 20/09. Entsprechend hat die Leiterin des Fachbereichs Finanzen der Beklagten in ihrer E-Mail vom 17. Dezember 2014 mitgeteilt, das Dezernat I habe recht unwirsch darauf hingewiesen, dass es vor ca. fünf Jahren - also im Jahr 2009 - ein Personalrundschreiben gegeben hätte, in dem genau dies mitgeteilt worden sei. Das Schreiben vom 11. Juli 2011 und der Vermerk des Leiters des Fachbereichs Steuerung, Personal und Zentrale Dienste haben sich indes erkennbar auf Verfahren bezogen, die dem Bundesverfassungsgericht aufgrund der Vorlagebeschlüsse des Verwaltungsgerichts Braunschweig vom 9. September 2008 (u. a. - 7 A 357/05 -, juris) mit dem Ziel der Überprüfung der Amtsangemessenheit der Besoldung vorgelegen haben. Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte bei verständiger Würdigung zum Ausdruck gebracht, dass sie ihre Beamten in Streitigkeiten wegen der Besoldung gleichbehandeln wolle. Eine Aussage zu Entschädigungsansprüchen nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und zur Anwendung der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ist den vorgenannten Schreiben dagegen nicht zu entnehmen.

Die Personalrundschreiben Nr. 11/12 und 16/13 betreffen gleichfalls keine Entschädigungsansprüche nach § 15 Abs. 2 AGG. Mit Personalrundschreiben Nr. 11/12 vom 5. November 2012 hat die Beklagte allein über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris) informiert und mitgeteilt, es sei zu klären, ob diese Rechtsprechung auf die besoldungsrechtlichen Regelungen der Beamten zu übertragen sei. Sofern eine rechtskräftige höchstrichterliche Entscheidung mit Wirkung für Niedersachsen dahingehend getroffen werden sollte, dass die Besoldung aus dem Endgrundgehalt erfolgen müsse, werde sie die in diesem Fall durch das Land Niedersachsen zu treffenden Regelungen auf alle ihre Beamten anwenden. Dieses Schreiben bezieht sich nur auf die Besoldung ihrer Beamten. Mit Personalrundschreiben Nr. 16/13 vom 23. Dezember 2013 hat die Beklagte nur insoweit auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Soweit gerügt worden ist, ohne die vorgenannten Personalrundschreiben der Beklagten hätte deren Beamten und damit der Kläger zeitnah einen Antrag auf Zahlung einer höheren Besoldung gestellt, der nach der (späteren) Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugleich als Antrag auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz anzusehen und wegen der zeitnahen Antragstellung rechtzeitig gewesen wäre, folgt daraus nichts anderes. Zutreffend ist zwar, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinen Urteilen vom 30. Oktober 2014 (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - u. a. BVerwG 2 C 11.13 -, juris Rn. 33) in Verfahren, in denen die dortigen Kläger die Zahlung einer Besoldung nach der Endstufe ihrer jeweiligen Besoldungsgruppe beantragt bzw. Widerspruch gegen die Höhe ihrer Besoldung eingelegt hatten, diese Anträge bzw. Widersprüche zugleich als Anträge auf Zahlung einer Entschädigung verstanden hat. Zur Begründung hat es ausgeführt, es sei ohne Bedeutung, dass sich die Kläger im behördlichen wie im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich auf § 15 AGG als Anspruchsgrundlage berufen hätten. Das Gericht sei nicht an die von den Klägern bezeichneten Rechtsnormen gebunden, sondern habe den geltend gemachten Anspruch im Rahmen des Streitgegenstandes aus jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (jura novit curia). Diese Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2014 war jedoch zum Zeitpunkt des Erlasses der vorgenannten (Personalrund-)Schreiben der Beklagten aus den Jahren 2011 bis 2013 nicht absehbar und kann schon deshalb keine Rückschlüsse auf die Auslegung des Inhalts dieser Schreiben geben. Vor dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war vielmehr zwischen Anträgen auf Zahlung einer höheren Besoldung/Widersprüchen gegen die Besoldung und Anträgen auf Zahlung einer Entschädigung wegen Diskriminierung unterschieden worden. Hiernach musste der verständige Empfänger davon ausgehen, dass sich die vorgenannten Schreiben der Beklagten lediglich mit Besoldungsansprüchen befassen und sie etwaige Entschädigungsansprüche der Beamten nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz nicht berühren. Sind aber die letztgenannten Ansprüche nicht Gegenstand dieser (Personalrund-)Schreiben der Beklagten, machen sie die Ausübung der Rechte nach § 15 Abs. 2 AGG für die Beamten weder praktisch unmöglich noch erschweren sie deren Ausübung übermäßig.

Gegenteiliges ergibt sich nicht aus den Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 und Nr. 13/15 vom 29. Dezember 2015. Darin hat die Beklagte nicht verbindlich zugesagt, hinsichtlich bereits eingegangener Anträge auf Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz unabhängig von der Einhaltung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG eine Entschädigung zu gewähren. Sie hat insoweit keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den der Kläger sich berufen könnte. In dem Personalrundschreiben Nr. 19/14 hat sie nur mitgeteilt, sie werde prüfen, ob und in welcher Höhe ihren Beamten ein Entschädigungsanspruch zukomme, sobald die schriftliche Urteilsbegründung des Bundesverwaltungsgerichts und das angekündigte Niedersächsische Besoldungsgesetz vorlägen. Es sei somit nicht erforderlich, dass jeder Beamter einen Antrag auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG stelle. Soweit in § 15 Abs. 4 AGG geregelt sei, dass ein Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden müsse, werde sie alle Beamte so behandeln, als hätten sie einen Antrag gestellt. In ihrem Personalrundschreiben Nr. 13/15 vom 29. Dezember 2015 hat sie auf das vorgenannte Personalrundschreiben Bezug genommen und diese Mitteilungen wiederholt.

Das Personalrundschreiben vom 19. Dezember 2014 ist bei verständiger Würdigung dahin zu verstehen, dass die Beklagte darauf verzichtet hat, dass ihre Beamten ab diesem Zeitpunkt Anträge wegen Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG stellen. Sie hat keine abweichende Frist zur schriftlichen Geltendmachung eines Entschädigungsanspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG bestimmt, sondern stattdessen zugesagt, sie werde mit Blick auf die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG alle Beamten unabhängig davon, ob sie noch einen Antrag auf Entschädigung stellen, so behandeln, als hätten sie nunmehr einen solchen Antrag gestellt. Diese Aussage hat sie am 19. Dezember 2014 getroffen mit der Folge, dass ihre Zusage auch erst ab diesem Zeitpunkt gilt. Dem liegt zugrunde, dass kurz vor dem Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Urteilen vom 30. Oktober 2014 (u. a. - BVerwG 2 C 3.13 und BVerwG 2 C 6.13 -, juris) einen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen der altersdiskriminierenden Besoldungsregelungen in §§ 27, 28 BBesG a. F. zuerkannt hatte. Die Beklagte hat aufgrund dieser Entscheidung offenbar eine „Antragsflut“ befürchtet und versucht, mit dem Personalrundschreiben zu verhindern, dass eine Vielzahl betroffener Beamter, die bislang noch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend gemacht hatten, einen entsprechenden Antrag nun doch noch stellten. Folglich hat die Beklagte allein eine Beeinflussung ihrer Beamten im Hinblick auf das Stellen weiterer Entschädigungsansprüche vorgenommen. Vor diesem Hintergrund ist bei verständiger Würdigung ihr Personalrundschreiben vom 19. Dezember 2014 nicht dahin zu verstehen, dass sie Entschädigungsansprüche selbst dann erfüllen werde, wenn diese zu diesem Zeitpunkt wegen nicht rechtzeitiger Antragstellung bereits erloschen waren. Es liegt fern, annehmen zu wollen, dass die Beklagte bereits in der Vergangenheit liegende Fristversäumnisse ihrer Beschäftigten hätte heilen und rückwirkend erloschene Ansprüche wiederaufleben lassen wollen. Ein solches Vorgehen der Beklagten wäre im Übrigen nach Ablauf der Ausschlussfrist - wie bereits dargelegt - rechtlich nicht zulässig gewesen.

Aus den denselben Gründen scheidet auch ein Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen einer Zusage der Beklagten aus, denn eine solche Zusage enthalten die vorgenannten (Personalrund-)Schreiben nicht.

d. Bezogen auf die geltend gemachten Ansprüche auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG wegen altersdiskriminierender Besoldung für den Zeitraum bis zum 31. August 2011 hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nicht gewahrt.

Sein erstmalig mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 gestellter Antrag auf Zahlung einer solchen Entschädigung ist verspätet. Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG hat - wie bereits dargelegt - am 19. Juni 2014 zu laufen begonnen. Für die Berechnung dieser Frist gelten die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB (vgl. BVerwG, Urteil vom 6.4.2017 - BVerwG 2 C 11.16 -, juris Rn. 42). Die Frist hat gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 19. August 2014 geendet. Sein Antrag ist nach dem 19. August 2014 und damit verspätet bei der Beklagten eingegangen.

II. Auch nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs kann der Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011 keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte herleiten.

Die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs haben im maßgeblichen Zeitraum nicht vorgelegen.

Der unionsrechtliche Haftungsanspruch ist nicht normativ geregelt. Er setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an die Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C 501/12, Specht -, juris Rn. 99; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 25). Ein Verstoß gegen das Unionsrecht ist hinreichend qualifiziert, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs offenkundig verkannt wird (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 29 m. w. N.). Daran fehlt es für den maßgeblichen Zeitraum.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht - hier: Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot in Bezug auf das Lebensalter durch das Besoldungssystem nach §§ 27, 28 BBesG a. F. - erst für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) angenommen werden. Denn in diesem Urteil sei den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 Richtlinie 2000/78/ EG in Bezug auf ein mit §§ 27 und 28 BBesG a. F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 29 f.). Dem hat sich der Senat bislang angeschlossen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 4.7.2017 - 5 LA 194/15 -, juris Rn. 52). Wie unter B.I.3. dargelegt, geht der Senat nunmehr davon aus, dass die Rechtslage erst mit der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs am 19. Juni 2014 in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) hinreichend geklärt worden ist mit der Folge, dass erst seit diesem Zeitpunkt ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht gegeben ist. Nach beiden Auffassungen fehlt es an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht durch die Beklagte im Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. August 2011.

C. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den Zeitraum ab dem 1. September 2011. Das ab diesem Zeitpunkt für die Besoldung des Klägers maßgebliche Recht des Landes Niedersachsen, soweit es streitgegenständlich ist, steht mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG im Einklang. Mangels eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG ist ein Anspruch auf angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG und nach Grundsätzen des europäischen Haftungsanspruches ausgeschlossen.

I. Der niedersächsische Gesetzgeber hat durch das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) u. a. das Recht der Besoldung der Beamten und Richter des Landes neu geregelt. Art. 1 dieses Gesetzes fasst das Niedersächsische Besoldungsgesetz neu - NBesG n. F. -. Teile des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes n. F., insbesondere § 7 (Höhe des Grundgehaltes), § 25 (Erfahrungsstufen der Besoldungsordnung A, Erfahrungszeit), § 33 (Erfahrungsstufen der Besoldungsgruppe R, Erfahrungszeit und nicht anerkennungsfähige Zeiten), § 71 (Grundgehaltssätze für Beamte der Besoldungsordnungen A und C sowie für Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppen R 1 und R 2), § 72 (Zuordnung der vorhandenen Beamten der Besoldungsordnungen A und C sowie der vorhandenen Richter und Staatsanwälte der Besoldungsgruppe R 1 und R 2 zu den Erfahrungsstufen und Ableistung der Erfahrungszeit) und § 73 (Anpassung der Erfahrungsstufen zum 1. Januar 2017) sind mit Wirkung vom 1. September 2011 in Kraft getreten (Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des o. a. Gesetzes vom 20. Dezember 2016).

1. Gemäß § 7 Abs. 1 NBesG n. F. bestimmt sich das Grundgehalt des Beamten nach der Besoldungsgruppe, der das ihm verliehene Amt zugeordnet ist, soweit sich aus § 8 NBesG nichts anderes ergibt, und bei Beamten der Besoldungsordnung A nach der Erfahrungsstufe, der er zugeordnet ist. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NBesG n. F. richtet sich die Zuordnung eines Beamten der Besoldungsordnung A zu einer Erfahrungsstufe nach der Dauer seiner dienstlichen Erfahrung (Erfahrungszeit). Der Beamte ist zu Beginn des Beamtenverhältnisses mit einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren der ersten Erfahrungsstufe zugeordnet, in der für seine Besoldungsgruppe in Anlage 5 ein Grundgehaltssatz ausgewiesen ist, soweit sich aus den Absätzen 2 und 3 nichts anderes ergibt (§ 25 Abs. 1 Satz 2 NBesG n. F.). Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 3 NBesG n. F. beginnt die Ableistung der Erfahrungszeit mit dem ersten Tag des Monats, in dem das Beamtenverhältnis des Beamten mit einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren beginnt. Die Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit sind in Anlage 5 geregelt (§ 25 Abs. 1 Satz 4 NBesG n. F.) ebenso wie der Grundgehaltssatz (§ 7 Abs. 2 NBesG n. F.). Danach beträgt die Erfahrungszeit der Erfahrungsstufen 1 bis 4 je Stufe zwei Jahre, der Erfahrungsstufen 5 bis 8 je Stufe drei Jahre und der Erfahrungsstufen 9 bis 12 je Stufe vier Jahre. Da je nach Besoldungsgruppe die Erfahrungszeit in unterschiedlichen Erfahrungsstufen beginnt, differiert die Zeitspanne bis zum Erreichen des Endgrundgehalts von 14 Jahren (Besoldungsgruppe A 2 bis A 4) bis 28 Jahren (Besoldungsgruppe A 11). In § 25 Abs. 2 NBesG n. F. sind die vor Beginn des Beamtenverhältnisses zu einem der in § 1 NBesG genannten Dienstherren verbrachten und (ausnahmsweise) als Erfahrungszeit anzuerkennenden Zeiten geregelt. § 25 Abs. 3 NBesG n. F. trifft eine Regelung zur Erfahrungszeit im Beförderungsamt.

Die Überleitung der vor Inkrafttreten des neuen Niedersächsischen Besoldungsgesetzes vorhandenen Beamten in das neue System ist in §§ 65 ff. NBesG n. F. geregelt. Beamte, die am 31. Dezember 2016 ein Amt der Besoldungsordnung A innehatten, werden in das ihrem bisherigen Amt entsprechende Amt der Besoldungsordnung A übergeleitet (§ 70 Abs. 1 NBesG n. F.). Für die Bestimmung der Grundgehaltssätze der Beamten der Besoldungsordnung A ist für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 die Anlage 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes in der Fassung vom 7. November 2008 (GVBl. 2008 S. 334) in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe anzuwenden, dass es statt „2-Jahres-Rhythmus“ nunmehr „Erfahrungszeit je Stufe 2 Jahre“ usw. heißt (vgl. § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F.). Gemäß § 72 Abs. 1 NBesG n. F. sind Beamte der Besoldungsordnung A, die am 31. August 2011 und darüber hinaus in einem Beamtenverhältnis standen, mit Wirkung vom 1. September 2011 der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Stufe entspricht, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht am 1. September 2011 zugeordnet waren. Gemäß § 72 Abs. 2 NBesG n. F. werden Beamte der Besoldungsordnung A, für die im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 ein Beamtenverhältnis zu einem der in § 1 NBesG n. F. genannten Dienstherren begann, mit Wirkung von dem Tag des Beginns dieses Beamtenverhältnisses der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Stufe entspricht, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht zugeordnet waren, wenn dies für den Betroffenen günstiger ist als eine Zuordnung nach den Vorschriften dieses Gesetzes. Mit der Zuordnung zu einer Erfahrungsstufe nach § 72 Abs. 1 oder 2 NBesG n. F. beginnt gemäß § 72 Abs. 3 NBesG n. F. die in dieser Erfahrungsstufe nach den Vorschriften des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes abzuleistende Erfahrungszeit. In den Fällen des § 72 Abs. 1 NBesG n. F. - also von Beamten der Besoldungsgruppe A, die am 31. August 2011 und darüber hinaus in einem Beamtenverhältnis standen - gelten vor dem 1. September 2011 in der entsprechenden Stufe nach dem bis dahin geltenden Recht bereits berücksichtigte Zeiten als in der neuen Erfahrungsstufe abgeleistete Erfahrungszeit (§ 72 Abs. 4 Satz 1 NBesG n. F.). Beamte, deren Grundgehalt sich am 31. Dezember 2016 nach den Besoldungsgruppen A 12, A 13 oder A 14 und der Erfahrungsstufe 3 bestimmt hat, werden zum 1. Januar 2017 in die jeweils nächsthöhere Erfahrungsstufe übergeleitet (§ 73 Satz 1 NBesG n. F.). Mit der Überleitung in eine Erfahrungsstufe nach § 73 Satz 1 NBesG n. F. beginnt die in dieser Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit (§ 73 Satz 2 NBesG n. F.). Vor dem 1. Januar 2017 in der vorherigen Erfahrungsstufe abgeleistete Erfahrungszeiten und nach § 72 Abs. 4 NBesG n. F. berücksichtigte Zeiten gelten als in der neuen Erfahrungsstufe abgeleistete Erfahrungszeit (§ 73 Satz 3 NBesG n. F.).

2. Eine solche rückwirkende Inkraftsetzung von Besoldungsregelungen ist grundsätzlich zulässig. Sie verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes und den in Art. 3 Abs. 1 GG statuierten allgemeinen Gleichheitssatz, der auch für das Berufsbeamtentum gemäß Art. 33 Abs. 5 GG gilt (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 17 ff.; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 74 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 19). Es bleibt grundsätzlich dem Gestaltungsspielraum des Normgebers überlassen, wie er die aus einer Verfassungswidrigkeit resultierende Lücke schließt. Kann der Gesetzgeber zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässigen Lösungen wählen, obliegt es folglich ihm zu entscheiden, wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen sind (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 22; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 19). Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn sich der Gesetzgeber für den Erlass eines an der Berufserfahrung ausgerichteten Besoldungssystems rückwirkend zu einem Stichtag entschieden hat (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 22 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 19).

Das grundsätzliche Verbot rückwirkender belastender Gesetze beruht auf den Prinzipien der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Es schützt das Vertrauen in die Verlässlichkeit und Berechenbarkeit der unter der Geltung des Grundgesetzes geschaffenen Rechtsordnung und der auf ihrer Grundlage erworbenen Rechte. Wenn der Gesetzgeber die Rechtsfolge eines der Vergangenheit zugehörigen Verhaltens nachträglich belastend ändert, bedarf dies daher einer besonderen Rechtfertigung vor dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten des Grundgesetzes, unter deren Schutz Sachverhalte „ins Werk gesetzt" worden sind (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 19 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 20). Verfassungsrechtlich unzulässig ist danach die belastende Tendenz eines rückwirkenden Gesetzes (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 76 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 20). An einer belastenden Wirkung für Bestandsbeamte fehlt es, weil die zum 1. September 2011 in Kraft gesetzten niedersächsischen Besoldungsregelungen weder nach dem früheren Recht begründete Besoldungsansprüche beseitigen noch ihre Geltendmachung erschweren (Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 20; zur vergleichbaren Neuregelung in Sachsen: BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 76).

Eine belastende Wirkung ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger rückwirkend ein Anspruch auf höhere Besoldung entzogen worden wäre. Eine solche Rechtsposition, die ihm hätte entzogen werden können, stand ihm weder gesetzlich zu noch wurde sie ihm bestandskräftig gerichtlich zugesprochen. Zudem regelt das neue Niedersächsische Besoldungsgesetz eine Besitzstandswahrung. Ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung unter Beibehaltung des diskriminierenden Besoldungssystems oder auf Erlass eines diskriminierungsfreien Besoldungssystems unter Beibehaltung des Anspruchs auf Entschädigung bestand ebenfalls nicht (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris, Rn. 22; BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 83; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 21). Denn die rückwirkende Anwendung von Maßnahmen des Mitgliedstaates zur vollständigen Durchführung einer Richtlinie ermöglicht grundsätzlich die Behebung des Schadens, der durch die unzureichende Umsetzung der Richtlinie entstanden ist. Hierdurch werden den von der Richtlinie Begünstigten diejenigen Rechte garantiert, die ihnen zugestanden hätten, wenn die Richtlinie fristgerecht umgesetzt worden wäre. Danach ist die rückwirkende Inkraftsetzung unionsrechtskonformer Gesetze eine zulässige Form der Wiedergutmachung und lässt einen etwaigen unionsrechtlichen Haftungsanspruch entfallen (so BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 83 unter Verweis auf EuGH, Urteile vom 10.7.1997 - C-94/95 und C-95/95, Bonifaci u. a. -, Slg. 1997, I-3969 Rn. 51 ff. und - C-373/95, Maso -, Slg. 1997, I-4051 Rn. 39 ff.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 21). Für den ursprünglich bestehenden Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG gilt dies entsprechend (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 83; Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 21). Der Zweck des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes einschließlich des darin geregelten Entschädigungsanspruchs liegt nicht in erster Linie darin, diskriminierten Betroffenen einen finanziellen Anspruch zu verschaffen, sondern für die geregelten Bereiche eine Diskriminierung zu verhindern. Nur für die Fälle, in denen das nicht gelingt, greift zugunsten der Betroffenen der Entschädigungsanspruch. Die Rechte eines ursprünglich Benachteiligten werden demnach ausreichend gewahrt, wenn der diskriminierende Zustand rückwirkend beseitigt wird. Schließlich hat das Bundesverwaltungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Amtshaftungsanspruch verwiesen, nach der anerkannt ist, dass eine rückwirkende Rechtsänderung einen ursprünglich bestehenden Haftungsanspruch wieder beseitigen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 83 mit Verweis auf BGH, Urteil vom 13.10.1994 - III ZR 24/94 -, BGHZ 127 S. 223 [227 f.] und Beschluss vom 19.3.2008 - III ZR 49/07 -, NVwZ 2008 S. 815 f.).

Selbst wenn eine belastende Wirkung der rückwirkenden Inkraftsetzung der niedersächsischen Neuregelung unterstellt würde, so wäre eine rückwirkende Regelung mangels schutzwürdigen Vertrauens des Klägers zulässig. Der Kläger ist nicht schutzwürdig, denn er hatte selbst (zutreffend) geltend gemacht, die Bestimmungen der §§ 27, 28 BBesG a. F. diskriminierten ihn ungerechtfertigt wegen seines Lebensalters. Er musste dementsprechend damit rechnen, dass der hierfür zuständige Gesetzgeber die mit Ablauf der Umsetzungsfrist wegen des Verstoßes gegen das Unionsrecht unanwendbaren Bestimmungen der §§ 27, 28 BBesG a. F. durch solche Vorschriften ersetzen wird, die den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG genügen (Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 22; zur vergleichbaren sächsischen Regelung: BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 81).

3. Ebenso wenig bestehen Bedenken gegen die Stichtagsregelung zum 1. September 2011.

Es ist dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen. In Art. 3 Abs. 1 GG ist das Verbot statuiert, wesentlich Gleiches sachwidrig ungleich zu behandeln. Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet also, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber aber frei, Differenzierungsmerkmale auszuwählen. Betrifft die zu prüfende Regelung ein Gebiet, in dem der Normgeber über ein weites Ermessen verfügt, so ist ein Gleichheitsverstoß nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereichs ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30.9.1987 - 2 BvR 933/82 -, juris Rn. 137 ff.; BVerwG, Beschluss vom 10.4.2017 - BVerwG 2 B 37.16 -, juris Rn. 14; Nds. OVG, Beschluss vom 21.8.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 31). In diesem Rahmen ist es dem Gesetzgeber nicht durch Art. 3 Abs. 1 GG verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, obwohl jeder Stichtag unvermeidlich gewisse Härten mit sich bringt. Bei der Regelung des Übergangs von einer älteren zu einer neueren Regelung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zu. Die verfassungsrechtliche Prüfung von Stichtagsregelungen muss sich daher darauf beschränken, ob der Gesetzgeber den ihm zustehenden Spielraum in sachgerechter Weise genutzt hat, insbesondere ob die Einführung des Stichtags überhaupt und die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar war. In besonderen Lagen können Stichtags- und Überleitungsregelungen geboten sein (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 24 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 10.4.2017 - BVerwG 2 B 37.16 -, juris Rn. 14 m. w. N.; Nds. OVG, Beschluss vom 21.8.2018 - 5 LA 104/17 -, juris Rn. 31).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der vom niedersächsischen Gesetzgeber gewählte Stichtag „1. September 2011“ sachlich vertretbar.

Vorab ist klarzustellen, dass andere Bundesländer Regelungen zu früheren Stichtagen getroffen haben mit der Folge, dass bereits seit diesen früheren Zeitpunkten Entschädigungsansprüche der ursprünglich wegen des Lebensalters diskriminierten Beamten nicht mehr bestehen. Das Bundesverwaltungsgericht hat die rückwirkende Neuregelung des sächsischen Besoldungssystems zum 1. September 2006 - anknüpfend an die Föderalismusreform - nicht beanstandet und bereits ab diesem Zeitpunkt Entschädigungsansprüche des dortigen Klägers ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 63 ff.). Das Bundesverfassungsgericht hat die Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts damit begründet, dass die sächsische Übergangsregelung zum 1. September 2006 im Interesse der Verwaltungsvereinfachung sachlich vertretbar sein könne, wenn sie den Feststellungsaufwand und Bewertungs- sowie Beweisschwierigkeiten vermeide, die damit verbunden wären, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuen Recht verlange (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 26). In einer weiteren Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht die Änderung des zunächst altersdiskriminierenden Besoldungssystems des Landes Berlin zum Stichtag 1. Juli 2009 für vereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG erklärt (BVerwG, Beschluss vom 10.4.2017 - BVerwG 2 B 37.16 -, juris Rn. 14).

Der Senat hat bereits in seinem Beschluss vom 21. Juni 2018 (- 5 LA 104/17 -, juris Rn. 34 ff.) entschieden, dass die vom niedersächsischen Gesetzgeber gewählte Stichtagsregelung zum 1. September 2011 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass der niedersächsische Gesetzgeber diesen Stichtag allein bzw. vorrangig gewählt hat, um Entschädigungsansprüche diskriminierter Beamter zu umgehen. Dies folgt nach Auffassung des Senats auch nicht aus dem Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 1. März 2017, in welchem ausgeführt wird:

„Zur Beseitigung der unionsrechtswidrigen Altersdiskriminierung der bisherigen Besoldungsdienstalters- (bzw. Besoldungslebensalters-) Systematik rückwirkend zum 1. September 2011 ist durch § 72 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes (NBesG) in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2016 (Nds. GVBl. S. 308) geregelt worden, dass die zu diesem Zeitpunkt bereits vorhandenen Beamtinnen und Beamten sowie Richterinnen, Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte rückwirkend den neu gebildeten Erfahrungsstufen zugeordnet werden. Dadurch werden sowohl Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (§ 15 Abs. 1, 2 i. V. m. § 24 AGG) als auch eventuell geltend gemachte unionsrechtliche Haftungsansprüche vermieden. Durch die Überleitung von der auf dem BDA (bzw. BLA) basierenden Stufe in die entsprechende Erfahrungsstufe wird ein vollständiger Bestandsschutz gewährleistet, der für die vorhandenen Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger zu keiner nominellen Änderung der Besoldung führt.

Die ,Günstigkeitsregelung‘ des § 72 Abs. 2 NBesG betrifft die im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 eingestellten Besoldungsempfängerinnen und Besoldungsempfänger und beinhaltet eine rückwirkende Zuordnung zu den Erfahrungsstufen auf den Tag des Beginns des jeweiligen Beamten- oder Richterverhältnisses entsprechend der Stufenzuordnung nach vormaligem BDA-Recht, wenn dies für sie günstiger ist als die Zuordnung nach dem neuen Erfahrungsstufenrecht. Die Rückwirkung erstreckt sich auf den Zeitraum bis Anfang September 2011, da nach der Rechtsprechung des BVerwG seit der Entscheidung des EuGH in Sachen Hennigs und Mai von einem qualifizierten Verschulden der Dienstherren in Bezug auf die Altersdiskriminierung auszugehen ist.

In den bisher ruhend gestellten Fällen ist daher wie folgt zu verfahren:

1. Anträge/Widersprüche, mit denen lediglich Besoldung aus dem jeweiligen Endgrundgehalt begehrt wird, sind unter Hinweis auf die o. a. Rechtsprechung zurückzuweisen.

2. Anträge/Widersprüche, mit denen Besoldung aus dem jeweiligen Endgrundgehalt begehrt und/oder eine altersdiskriminierende Besoldung gerügt wird, die nach dem 8. November 2011 eingegangen sind, sind unter Hinweis auf die o. a. Rechtsprechung ebenfalls zurückzuweisen.

3. Sofern Entschädigungsansprüche bis zum 8. November 2011 geltend gemacht wurden, sind Zahlungen in Höhe von 100 EUR pro Monat zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den Zeitraum von der Geltendmachung des Anspruchs bis zum 31.08.2011 zu leisten.“

Der Senat hat zu dem vorgenannten Erlass in seinem Beschluss vom 21. Juni 2018 (- 5 LA 104/17 -, juris Rn. 34 ff.) weiter ausgeführt, aus diesem ergebe sich zwar, dass das Niedersächsische Finanzministerium auch Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz und unionsrechtliche Haftungsansprüche möglichst habe vermeiden wollen, alleiniges oder vorrangiges Ziel sei das aber nicht gewesen. Denn es heiße dort einleitend: „Zur Beseitigung der unionsrechtswidrigen Altersdiskriminierung der bisherigen Besoldungsdienstalters- (bzw. Besoldungslebensalters-) Systematik rückwirkend zum 1. September 2011 …“. Vorrangiges Ziel sei danach die Schaffung eines unionsrechtskonformen Besoldungssystems und einer Überleitungsregelung für vorhandene Besoldungsempfänger gewesen, die ihnen einen vollständigen Bestandsschutz gewährleisteten, d. h. zu keiner nominellen Änderung der Besoldung führen sollte. Die mit der Übergangs- und Stichtagsregelung bezweckte Wahrung des Besitzstandes sei nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 53 ff.) grundsätzlich zu billigen. Ausweislich des Erlasses habe sich der Gesetzgeber bei seiner Entscheidung, Erfahrungsstufen rückwirkend zum 1. September 2011 einzuführen, an dem Datum der Verkündung des grundlegenden Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Specht -, juris) orientiert. Das sei sachgerecht, denn bereits aus diesem Urteil ergebe sich, dass ein mit den §§ 27, 28 BBesG a. F. vergleichbares System zur Entlohnung von Beschäftigten unionsrechtswidrig sei und wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot Ausgleichsansprüche entstehen könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris, Rn. 53; Nds. OVG, Beschluss vom 5.3.2018 - 5 LA 100/17 -). Mit diesem Urteil habe der Europäische Gerichtshof erstmalig Rechtsklarheit darüber hergestellt, dass ein Entlohnungssystem auf der Grundlage von Berufsaltersstufen nicht den europarechtlichen Vorgaben entspreche. Dass es daneben auch noch fiskalische Überlegungen gegeben habe, die den niedersächsischen Gesetzgeber veranlasst hätten, die Neuregelungen zum 1. September 2011 in Kraft treten zu lassen, sei unschädlich.

Der Senat ist zwar nunmehr der Überzeugung, dass erst durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht am 19. Juni 2014 (- C-773/18 -, juris) die Rechtslage betreffend die altersdiskriminierende Beamtenbesoldung hinreichend geklärt worden ist (siehe dazu B. I. 3. c.). Dennoch hält der Senat an seiner Rechtsprechung, wonach der vom Niedersächsischen Gesetzgeber gewählte Stichtag zum 1. September 2011 sachgerecht ist, fest. Denn diesen Stichtag hat der niedersächsische Gesetzgeber nicht ohne jeglichen Anknüpfungspunkt und nicht ausschließlich zur Verhinderung von Entschädigungsansprüchen wegen altersdiskriminierender Besoldung gewählt.

Der niedersächsische Gesetzgeber hat die Neuregelung zum 1. September 2011 anknüpfend an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10 -, juris) getroffen. In dieser Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof erstmalig festgestellt hat, dass das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters dahingehend auszulegen sei, dass sie einer in einem Tarifvertrag vorgesehenen Maßnahme entgegenstünden, wonach sich innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe die Grundvergütung eines Angestellten im öffentlichen Dienst bei dessen Einstellung nach dessen Lebensalter bemesse. Es hat erstmalig die Unionsrechtswidrigkeit von Regelungen, die abstellend auf das Lebensalter bei der Einstellung die Vergütung festlegen, festgestellt.

Die rückwirkende Inkraftsetzung des neuen Besoldungssystems zum 1. September 2011 hat nicht ausschließlich, sondern nur auch der Beseitigung von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen gedient (vgl. Schriftlicher Bericht zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/7081 S. 63). Dies ergibt sich aus der Begründung der (beabsichtigten) Neuregelung im Gesetzgebungsverfahren. Danach solle das Besoldungsrecht unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung und der höchstrichterlichen Rechtsprechung für Niedersachsen umfassend geregelt werden. Das Kernstück der Besoldungsrechtsreform bestehe in der Abkehr vom Besoldungsdienstalter als maßgeblichem Besoldungskriterium zugunsten eines Systems, das an der jeweiligen beruflichen Erfahrung des Beamten ausgerichtet sei. Der Aufstieg in den Stufen der Grundgehaltstabelle der Besoldungsordnung A solle sich altersunabhängig nach den tatsächlich geleisteten Dienstzeiten richten mit dem Ziel, dass der Richtlinie 2000/78/EG und ihrer Umsetzung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Rechnung getragen werde (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 113 f.). Insbesondere aus Gründen des Vertrauensschutzes sei in den Übergangsvorschriften vorgesehen, dass die bereits vorhandenen Beamten in die Erfahrungsstufe ihrer jeweiligen Besoldungsgruppe eingeordnet würden, die ihrer bereits erreichten Stufe nach dem bisherigen Besoldungsdienstalter oder Lebensalter entspreche (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung andere dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 116). Die Umstellung von Besoldungsdienstalters- auf Erfahrungsstufen sei zwingend erforderlich und geeignet, um die höchstrichterlich als „altersdiskriminierend“ eingestuften, sich bisher am Lebensalter orientierenden, Regelungen abzulösen. Niedersachsen folge insoweit bereits vollzogenen besoldungsgesetzlichen Neuregelungen des Bundes und der anderen Länder (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 117). Nach der Übergangsvorschrift in § 72 Abs. 1 NBesG-E erfolge eine stufen- und betragsidentische Neuzuordnung, um eine Schlechterstellung zu verhindern (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 157). Ausweislich dieser Gesetzesbegründung hat der niedersächsische Gesetzgeber vor allem das bestehende altersdiskriminierende Besoldungssystems beseitigen wollen, um - wie die anderen Bundesländer - den Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung wieder gerecht zu werden. Dabei hat er gewährleisten wollen, dass der Rechtsstand der Beamten hinsichtlich der Höhe ihrer Besoldung gewahrt wird, d. h. sein Augenmerk auf eine Besitzstandwahrung gelegt. Dabei handelt es sich um einen zulässigen Grund für eine rückwirkende Stichtagsregelung (vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 64).

II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung für den Zeitraum ab dem 1. September 2011 gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG.

Die Voraussetzungen für einen solchen Entschädigungsanspruch liegen nicht vor. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 Satz 1 AGG ist - wie unter B.I.2. dargelegt - ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG. Benachteiligung ist dabei jede unterschiedliche Behandlung, die mit einem Nachteil verbunden ist; insoweit ist nicht erforderlich, dass in Benachteiligungsabsicht gehandelt oder die Benachteiligung sonst schuldhaft bewirkt worden ist (BVerwG, Urteil vom 3.3.2011 - BVerwG 5 C 16.10 - juris Rn. 17). Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Eine mittelbare Benachteiligung liegt vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich (vgl. § 3 Abs. 2 AGG).

Mit Blick auf die vom Kläger geltend gemachte Benachteiligung wegen seines Alters bei seiner Besoldung ist zu berücksichtigen, dass gemäß § 8 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen beruflicher Anforderungen zulässig sein kann. Ergänzend hierzu ist gemäß § 10 Satz 1 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die Mittel zur Erreichung dieses Ziels müssen angemessen und erforderlich sein (§ 10 Satz 2 AGG). Die seit dem 1. September 2011 geltenden Regelungen über die Besoldung der niedersächsischen Beamten und Richter nach Erfahrungsstufen (§§ 7, 25 NBesG n. F.) genügen diesen Anforderungen und stellen mithin keine Benachteiligung im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG dar. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der Überleitung der Bestandsbeamten in das neue Besoldungssystem nach Erfahrungsstufen zur Besitzstandswahrung.

1. Die Überleitung der Bestandsbeamten - hier des Klägers - nach §§ 71, 72 NBesG n. F. perpetuiert zwar ihre unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters, weil im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 der bisherige Grundgehaltssatz weiterhin gilt und zum 1. September 2011 eine Zuordnung zu der Erfahrungsstufe erfolgt, die der bisherigen Besoldungsstufe (nach dem am Lebensalter anknüpfenden Besoldungsdienstalter) entspricht. Diese Aufrechterhaltung der Altersdiskriminierung für Bestandsbeamte ist jedoch zulässig.

a. Aufgrund der Überleitungsregelungen in §§ 71, 72 NBesG n. F. dauert die unmittelbare Benachteiligung von Bestandsbeamten wie dem Kläger wegen seines Lebensalters (vgl. zur diskriminierenden Besoldung nach §§ 27, 28 BBesG a. F. unter B.I.2.) zwar an.

Der Kläger war am 31. August 2011 Beamter der Besoldungsordnung A und demnach Bestandsbeamter im Sinne des § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F.. Nach dieser Vorschrift bestimmte sich der Grundgehaltssatz im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 wie bisher nach der jeweiligen Fassung der Anlage 2 des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes vom 7. November 2008 in der jeweils geltenden Fassung mit der Maßgabe, dass die Besoldungsstufe durch die Erfahrungsstufe ersetzt wurde. Gemäß § 72 Abs. 1 NBesG n. F. wurden die Bestandsbeamten mit Wirkung vom 1. September 2011 jeweils der Erfahrungsstufe neu zugeordnet, die der Besoldungs-stufe entsprach, der sie nach dem bis dahin geltenden Recht am 1. September 2011 zugeordnet waren. Mit der Zuordnung zu dieser Erfahrungsstufe begann für die Bestandsbeamten die nach der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes abzuleistende Erfahrungszeit von zwei bis vier Jahren je nach Erfahrungsstufe (§ 72 Abs. 3 NBesG n. F.), wobei die vor dem 1. September 2011 in der entsprechenden Stufe nach dem bis dahin geltenden Recht bereits berücksichtigten Zeiten als in der neuen Erfahrungsstufe abgeleistete Erfahrungszeit galten (§ 72 Abs. 4 Satz 1 NBesG n. F.). Der Besoldung eines Bestandsbeamten - und damit des Klägers - liegt damit weiterhin die erstmalige Einstufung aufgrund seines Lebensalters zugrunde, denn seine Neueinstufung wurde ausgehend von seiner bisherigen - altersdiskriminierend anhand seines Lebensalters festgesetzten - Stufe vorgenommen. Zudem wurde sein Grundgehaltssatz im Zeitraum vom 1. September 2011 bis zum 31. Dezember 2016 beibehalten.

b. Eine solche Aufrechterhaltung der altersdiskriminierenden Besoldung von Bestandsbeamten ist zulässig.

Bereits in seinem Urteil vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris) hat der Europäische Gerichtshof zu Übergangsregelungen - allerdings im Hinblick auf Tarifangestellte - entschieden, dass die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Einschränkung des Benachteiligungsverbotes rechtfertigt, sofern die einschränkende Maßnahme nicht über das zur Wahrung des Besitzstandes Erforderliche hinausgeht (vgl. EuGH, Urteil vom 8.9.2011 - C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris Rn. 90 ff.).

Ferner hat der Europäische Gerichtshof in seinem zum Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz ergangenen Urteil vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris Rn. 86) entschieden, dass Art. 2 und 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG dahin gehend auszulegen sind, dass sie nationalen Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen, die Modalitäten der Überleitung von Bestandsbeamten in ein neues Besoldungssystem festlegen und vorsehen, dass zum einen die Besoldungsstufe, der sie nunmehr zugeordnet werden, allein auf der Grundlage des unter dem alten Besoldungssystem erworbenen Grundgehalts ermittelt wird, obgleich dieses alte System auf einer Diskriminierung wegen des Alters des Beamten beruht, und dass sich zum anderen der weitere Aufstieg in eine neue Besoldungsstufe nunmehr allein nach der seit dem Inkrafttreten dieser Rechtsvorschriften erworbenen Berufserfahrung bemisst. Zur Begründung hat er ausgeführt:

Durch die Überleitungsvorschriften sei zwar eine diskriminierende Situation perpetuiert worden, da die endgültige Neueinstufung der Bestandsbeamten ausgehend von der Stufe oder der Überleitungsstufe vollzogen worden sei, die dem jeweiligen Beamten zuvor zugewiesen worden sei. Einige Bestandsbeamte würden allein wegen ihres Einstellungsalters ein geringeres Gehalt beziehen, obwohl sie sich in einer vergleichbaren Situation befänden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 58 ff.). Eine solche Ungleichbehandlung wegen des Alters sei jedoch gerechtfertigt, wenn mit der Maßnahme ein legitimes Ziel verfolgt werde und sie zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sei. Die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe sei ein zwingender Grund des Allgemeininteresses. Was sodann die Frage nach der Angemessenheit des Besoldungsüberleitungsgesetzes betreffe, sei darauf hinzuweisen, dass das Bundesbesoldungsgesetz a. F. nach den Angaben der deutschen Regierung für die meisten Bestandsbeamten angesichts der damaligen typischen Berufsbiografien vorteilhafter gewesen sei als das neue Besoldungsgesetz. Deshalb hätte die unmittelbare Einstufung der Bestandsbeamten in das im neuen Besoldungsgesetz vorgesehene System für viele von ihnen zu einem geschätzten Vergütungsverlust in Höhe der Differenz von mindestens einer Stufe geführt, d. h. zu einer geringeren Besoldung. Die Beibehaltung der bisherigen Vergütungen und somit einer Regelung, die zu einer Ungleichbehandlung wegen des Alters führe, habe es ermöglicht, Einkommensverluste zu verhindern und ohne Widerstand der Gewerkschaftsverbände den Wechsel vom System des Bundesbesoldungsgesetzes a. F. zu dem des Besoldungsgesetzes n. F. zu vollziehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 64 ff. m. w. N.). Eine solche gesetzliche Überleitungsvorschrift erscheine somit als zur Erreichung des verfolgten Ziels, das darin bestehe, die Beibehaltung des Besitzstands zu gewährleisten, geeignet (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 68). Die betreffenden Überleitungsvorschriften seien auch nicht über das hinausgegangen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei. Sie seien in dem Kontext zu betrachten, in dem sie erlassen worden seien. Grundsätzlich stellten erhöhte finanzielle Lasten und eventuelle administrative Schwierigkeiten keine Rechtfertigung für die Nichtbeachtung des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters dar (EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 77 m. w. N.). Anders sei es, wenn die Umstellung auf das neue System angesichts der großen Anzahl überzuleitender Beamten ohne erheblichen Verwaltungsaufwand, also möglichst ohne Einzelfallprüfung, habe erfolgen sollen. Denn es könne nicht verlangt werden, dass jeder Einzelfall individuell geprüft werde, um frühere Erfahrungszeiten im Nachhinein und individuell festzustellen, da die fragliche Regelung in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht handhabbar bleiben müsse. Diese Erwägung dränge sich in Anbetracht der außerordentlich hohen Zahl von Beamten, der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten auf, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben könnten, die diese Beamten sachgerecht hätten geltend machen können. Somit sei davon auszugehen, dass die Methode, den Einzelfall jedes Bestandsbeamten zu prüfen, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehlerträchtig gewesen wäre (EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 78 f. m. w. N.). Unter diesen Umständen habe der nationale Gesetzgeber die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten, als er es als weder realistisch noch wünschenswert angesehen habe, das neue Einstufungssystem rückwirkend auf alle Bestandsbeamten anzuwenden oder auf sie eine Überleitungsregelung anzuwenden, die dem bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der bisherigen Höhe so lange garantiere, bis er die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben habe (EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 80).

Mit Urteil vom 9. September 2015 (- C-20/13 -, juris Rn. 39 ff.) hat der Europäische Gerichtshof in einem Fall, der die Überleitung von Bestandsrichtern in ein neues Besoldungssystem betraf, an seiner vorgenannten Rechtsprechung ausdrücklich festgehalten. Als Bestätigung dieser Rechtsprechung ist sein Urteil vom 27. Februar 2020 (- C-773/18 -, juris Rn. 53) anzusehen (ergangen zum Besoldungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt). Er hat entschieden, dass Art. 2 und 6 der Richtlinie 2000/78/EG dahingehend auszulegen sind, dass sie einer Maßnahme nicht entgegenstehen, mit der Beamten und Richtern im Hinblick auf die Gewährleistung einer angemessenen Vergütung eine Besoldungsnachzahlung in Höhe eines Prozentsatzes des Grundgehalts gewährt wird, das sie zuvor u. a. gemäß einer für die jeweilige Besoldungsgruppe bei ihrer Einstellung nach ihrem Lebensalter bestimmten Grundgehaltsstufe bezogen hatten, soweit eine solche Maßnahme erforderlich ist, um unter Umständen, die insbesondere sowohl durch eine hohe Zahl von betroffenen Beamten und Richtern als auch durch das Fehlen eines gültigen Bezugssystems gekennzeichnet sind, den Schutz erworbener Rechte zu gewährleisten, soweit sie nicht dazu führt, eine Ungleichbehandlung wegen des Alters zeitlich unbegrenzt zu erhalten.

Das Bundesverwaltungsgericht ist dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gefolgt. Es hat in seinem Urteil vom 30. Oktober 2014 (- BVerwG 2 C 3.13 -, juris) zu der rückwirkend zum 1. September 2006 in Kraft getretenen Überleitungsregelung in § 80 des Sächsischen Besoldungsgesetzes entschieden, dass diese Vorschrift für Bestandsbeamte die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters perpetuiert, weil die Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts sich an der Grundgehaltsstufe orientiert, die dem Beamten am 1. September 2006 nach dem früheren diskriminierenden System nach Maßgabe der §§ 27, 28 BBesG a. F. zugestanden hatte. Indes ist diese Überleitungsregelung zur Wahrung des Besitzstandes und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwandes für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten gerechtfertigt. Sie wird durch die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Wahrung des am 1. September 2006 erreichten Status quo bestimmt. Die Wahrung des Besitzstandes einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, sodass mit dieser Regelung ein legitimes Ziel verfolgt wird (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 69 ff.). Diese Überleitungsvorschrift geht nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinaus, denn die mit der Anknüpfung an das bisherige Grundgehalt tatsächlich verbundenen Nachteile sind begrenzt. Infolge der früher für den betreffenden Beamten maßgeblichen Altersgrenzen für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses ist sichergestellt, dass der Unterschied in der Besoldung nicht die Differenz zwischen der ersten und der letzten Stufe einer Besoldungsgruppe erreichen konnte (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 72). Die nachträgliche individuelle Feststellung von Vordienstzeiten wäre in Anbetracht der hohen Zahl von Beamten, der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben können, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehleranfällig gewesen. Der Europäische Gerichtshof habe diese besonderen administrativen Schwierigkeiten ausnahmsweise für einen Übergangszeitraum als ausreichend gewichtig angesehen, wobei die Rechtmäßigkeit der Übergangsregelung nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs nicht voraussetze, dass die Besoldungsdifferenz zwischen den diskriminierten und den nicht diskriminierten Beamtengruppen schrittweise verkleinert werde (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 73).

Auch das Bundesverfassungsgericht sieht hierin keine verfassungsrechtlichen Bedenken und hat die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 23 ff.). Die Regelung des § 80 SächsBesG zum Stichtag 1. September 2006 ist verfassungsrechtlich unbedenklich, weil in besonderen Lagen Stichtags- und Überleitungsregelungen geboten sein können. Da es mit Feststellungsaufwand und Bewertungs- sowie Beweisschwierigkeiten verbunden ist, die unter dem alten Recht entstandenen Rechtsverhältnisse vollständig dem neuen Recht zu unterstellen, und der Grundsatz der Rechtssicherheit klare schematische Entscheidungen über die zeitliche Abgrenzung zwischen altem und neuem Recht verlangt, ist die Einschätzung des sächsischen Landesgesetzgebers sachgerecht gewesen, dass eine Stichtags- und Überleitungsregelung dem Ziel der Gesetzesnovelle entspricht. Eine solche Überleitungsregelung ist als Ungleichbehandlung auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht nur zulässig, sondern kann im Rahmen einer Abwägung zwischen dem Vertrauen des Beamten auf den Fortbestand der bisherigen Regelung und der Bedeutung des Anliegens des Gesetzgebers, ein diskriminierungsfreies Besoldungssystem zu schaffen, sogar geboten sein (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 413/15 -, juris Rn. 26 m. w. N.).

Das Bundesverwaltungsgericht hat seine vorgenannte Rechtsprechung fortgeführt (BVerwG, Beschluss vom 10.4.2017 - BVerwG 2 B 37.16 -, juris Rn. 6 ff, zum Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz).

Diese Rechtsprechung lässt sich auf die Übergangsregelungen in §§ 71, 72 NBesG n. F. übertragen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.6.2018 - 5 LA 149/17 -, juris Rn. 17, 21). Den Urteilen des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) und vom 9. September 2015 (- C-20/13 -, juris R. 39 ff.) haben inhaltlich ähnliche Regelungen des Landes Berlin zugrunde gelegen. Das Berliner Besoldungsüberleitungsgesetz sieht vor, dass jeder Bestandsbeamte und -richter auf der Grundlage des am 31. Juli 2011 maßgeblichen Amtes mit dem Grundgehalt, das ihm am 1. August 2011 zustehen würde, einer Stufe oder einer Überleitungsstufe zugeordnet wird. Die Zuordnung erfolgt zu der Stufe oder Überleitungsstufe, die dem auf den vollen Euro-Betrag aufgerundeten Grundgehalt entspricht. Das zuletzt bezogene Gehalt hat dabei hauptsächlich aus dem Grundgehalt bestanden, das bei der Einstellung ausschließlich anhand des Alters des Beamten berechnet worden war (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 56 f.). Ebenso entspricht die im Überleitungsregelung des § 80 SächsBesG, die Gegenstand des Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2014 (- BVerwG 2 C 3.13 -, juris) war, inhaltlich den niedersächsischen Übergangsregelungen in §§ 71, 72 NBesG n. F., denn die Neuzuordnung der Stufe des Grundgehalts von Bestandsbeamten orientiert sich jeweils an der Grundgehaltsstufe nach altem Recht und das weitere Aufsteigen in den Gehaltsstufen richtet sich nach den Neuregelungen.

Unter Heranziehung der vorstehenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts, der der erkennende Senat folgt, erweist sich die niedersächsische Regelung in §§ 71, 72 NBesG n. F. zur Überleitung der Bestandsbeamten in das neue niedersächsische Besoldungsrecht zwar wegen ihrer fortbestehenden Anknüpfung an das Lebensalter als altersdiskriminierend und insoweit als Aufrechterhaltung eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot, welche jedoch aus Gründen der Besitzstandswahrung und des Vertrauensschutzes der Bestandsbeamten sowie der Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwandes zulässig ist.

2. Mit den seit dem 1. September 2011 geltenden Regelungen über die Besoldung der niedersächsischen Beamten und Richter nach Erfahrungsstufen (§§ 7, 25 NBesG n. F.) ist keine Benachteiligung des Klägers im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG verbunden.

Für den Kläger hat mit der oben dargelegten Zuordnung zu einer Erfahrungsstufe gemäß § 72 Abs. 1 NBesG n. F. die in dieser Erfahrungsstufe nach den Vorschriften dieses Gesetzes abzuleistende Erfahrungszeit begonnen (§ 72 Abs. 3 NBesG n. F.). Für ihn gelten demnach seit dem 1. September 2011 die Erfahrungsstufenregelungen nach §§ 7, 25 ff. NBesG n. F.. Die Erfahrungsstufe richtet sich gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NBesG n. F. nach der Dauer der dienstlichen Erfahrung des Beamten (Erfahrungszeit). Nach § 25 Abs. 1 Satz 4 NBesG n. F. sind die Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit in Anlage 5 geregelt. Dieses neu eingeführte Erfahrungsstufensystem der Besoldung niedersächsischer Beamter führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters mit der Folge, dass ihm ein Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG nicht zusteht.

a. Die Besoldung des Klägers nach einem Erfahrungsstufensystem führt nicht per se zu einer unzulässigen Benachteiligung wegen seines Alters.

aa. Es liegt keine unmittelbare Benachteiligung des Klägers aufgrund des mit der Neuregelung des Niedersächsischen Besoldungsrechts eingeführten Strukturprinzips einer Besoldung nach Erfahrungsstufen vor.

Nach der Legaldefinition des § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Nach §§ 1, 2 Abs. 1 AGG sind u. a. Benachteiligungen aus Gründen des „Alters“ nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig. „Alter“ meint das Lebensalter. Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG dient also dem Schutz gegen ungerechtfertigte unterschiedliche Benachteiligungen, die an das konkrete Lebensalter anknüpfen. Es geht dabei nicht ausschließlich um den Schutz älterer Menschen vor Benachteiligungen, wenngleich dies nach der Einschätzung des Bundesgesetzgebers ein Schwerpunkt des Anwendungsbereichs sein wird (vgl. Begründung des Gesetzesentwurfs zur Umsetzung europäischer Richtlinien zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung, BT-Drs. 16/1780 S. 31, so auch: Bauer/Krieger/Günther, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und Entgelttransparenzgesetz, Kommentar, 5. Auflage 2018, § 1 AGG Rn. 45; Schleusener/Suckow/Plum, a. a. O., § 1 AGG Rn. 78).

Das an Erfahrungsstufen ausgerichtete Besoldungssystem knüpft im Gegensatz zu den Regelungen in §§ 27, 28 BBesG a. F. nicht (unmittelbar) an das Lebensalter des Beamten an, sondern gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 NBesG n. F. an dessen Erfahrungszeit, d. h. an seine absolvierte Dienstzeit und gegebenenfalls anzurechnende Vordienstzeiten. Beamte wie der Kläger erfahren nicht aufgrund eines Erfahrungsstufensystems unmittelbar wegen ihres Lebensalters eine weniger günstige Behandlung als ältere Beamte im Sinne des § 3 Abs. 1 AGG.

bb. Es liegt auch keine unzulässige mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen des an Erfahrungsstufen ausgerichteten Besoldungssystems vor.

Gemäß § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbare Benachteiligung vor, wenn dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. In § 10 Satz 3 Nr. 2 AGG ist (entsprechend Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 2 Buchst. b) der Richtlinie 2000/78/EG) die Festlegung von Mindestanforderungen an die Berufserfahrung und das Dienstalter ausdrücklich als zulässige unterschiedliche Behandlung wegen des Alters (bzw. in der Richtlinie als gerechtfertigte Ungleichbehandlung) benannt mit der Folge, dass hierin ein Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG aufgrund des Alters nicht gesehen werden kann. Entsprechend hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2000/78/EG Maßnahmen vorsehen „können“, die Ungleichbehandlungen wegen des Alters einschlössen. Die Mitgliedstaaten verfügten nicht nur bei der Entscheidung darüber, welches konkrete Ziel von mehreren sie im Bereich der Arbeits- und Sozialpolitik verfolgen wollten, sondern auch bei der Festlegung der zu seiner Erreichung geeigneten Maßnahmen über ein weites Ermessen (EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 46 m. w. N.; Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 42).

Es liegt danach eine mittelbare Benachteiligung aufgrund eines Erfahrungsstufensystems vor, die jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist und wobei ein Erfahrungsstufensystem zur Erreichung dieses Ziels grundsätzlich angemessen und erforderlich ist. Die Besoldung von Beamten aufgrund eines Erfahrungsstufensystems ist zwar dem Anschein nach neutral hinsichtlich des Lebensalters. Denn Beamte erhalten nur aufgrund ihrer längeren dienstlichen Erfahrung eine höhere Besoldung als Beamte mit einer kürzeren dienstlichen Erfahrung. Dienstliche Erfahrungszeiten werden am Dienstalter gemessen. Das Dienstalter ist indes nicht völlig losgelöst vom Lebensalter des Beamten zu sehen, sondern ist ein mit diesem verbundenes Kriterium, an das mit einem Erfahrungsstufensystem angeknüpft wird. Ab einer gewissen Dauer können Erfahrungszeiten bzw. kann ein höheres Dienstalter, das zu einer höheren Besoldung führt, nur von lebensälteren Beamten erreicht worden sein. Dies hat zur Folge, dass ein Erfahrungsstufensystem dazu führen kann, dass Beamte wegen ihres Lebensalters mittelbar benachteiligt werden. Entsprechend wird eine mittelbare Benachteiligung beim Rückgriff auf die Kriterien der Betriebszugehörigkeit, Betriebstreue und Berufsjahre anerkannt (vgl. Bauer/Krieger/Günther, a. a. O., § 10 AGG Rn. 18).

Es ist jedoch höchstrichterlich geklärt, dass ein solcher nach Erfahrungsstufen geregelter Aufstieg der Besoldung durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und zur Erreichung dieses Ziels grundsätzlich angemessen und erforderlich sein kann.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die Honorierung von Berufserfahrung, die den Arbeitnehmer befähigt, „seine Arbeit besser zu verrichten“, in der Regel ein rechtmäßiges Ziel (vgl. EuGH, Urteil vom 17.10.1989 - C-109/88, Danfoss -, juris Rn. 24 f.; Urteil vom 3.10.2006 -17/05, Cadman -, juris Rn. 34; Urteil vom 8.9.2011 - C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris Rn. 72; Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 48). Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist in der Regel zur Erreichung dieses Ziels ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, denn die Anciennität geht mit der Berufserfahrung einher (EuGH, Urteil vom 17.10.1989 - C-109/88, Danfoss - juris Rn. 24; Urteil vom 3.10.2006 - C-17/05, Cadman -, juris Rn. 35; Urteil vom 8.9.2011 - C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -, juris Rn. 74; EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 50).

Ebenso verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, die der angeführten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs folgt, ein nach Erfahrungsstufen geregelter Aufstieg der Besoldung nicht gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG sowie Verfassungs- oder Unionsrecht, so dass ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 64 ff.; Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris, Rn. 25, 35 f.). Dabei darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Denn der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 67).

Dieser Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts schließt sich der erkennende Senat an. Stellt danach die unterschiedliche Besoldung von Beamten aufgrund eines Erfahrungsstufensystems grundsätzlich eine gerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG und damit keine unzulässige Benachteiligung wegen des Alters im Sinne des § 7 Abs. 1 AGG dar, begründet sie grundsätzlich keinen Entschädigungsanspruch des Beamten nach § 15 Abs. 2 AGG. Hiernach hat der Kläger für den Zeitraum ab dem 1. September 2011 keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer angemessenen Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG allein wegen der Umstellung seiner Besoldung auf ein Erfahrungsstufensystem.

b. Die Alimentation des Klägers aufgrund des Erfahrungsstufensystems in seiner konkreten Ausgestaltung gemäß §§ 7, 25 NBesG n. F. in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F. und Anlage 2 NBesG a. F. für den Zeitraum vom 1. September 2011 bis 31. Dezember 2016 und gemäß §§ 7, 25 NBesG n. F. in Verbindung mit Anlage 5 NBesG n. F. für den Zeitraum seit dem 1. Januar 2017 führt nicht zu einer unzulässigen Benachteiligung aufgrund seines Alters. Die dort geregelten Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit sowie die daraus resultierende Dauer bis zum Erreichen der letzten Erfahrungsstufe (nachfolgend: Endstufe) haben keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des § 15 Abs. 2 AGG wegen Alters zur Folge.

aa. Es liegt dem Grunde nach eine mittelbare Benachteiligung des Klägers wegen seines Alters aufgrund seiner Besoldung nach §§ 7, 25 NBesG n. F. in Verbindung mit § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F. und Anlage 2 NBesG a. F. (bis 31.12.2016) und Anlage 5 NBesG vor.

Hinsichtlich des Zeitraums vom 1. September 2011 bis 31. Dezember 2016 sind nach §§ 25 Abs. 1 Satz 4, 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F. die Erfahrungsstufen und die in jeder Erfahrungsstufe vor dem Aufstieg in die nächsthöhere Erfahrungsstufe abzuleistende Erfahrungszeit in Anlage 2 NBesG a. F. geregelt. Anlage 2 NBesG a. F. nach Maßgabe des § 71 Abs. 1 Nr. 1 NBesG n. F. legt fest, dass das Grundgehalt nach Erfahrungszeiten von jeweils zwei Jahren in den Stufen 1 bis 4, von jeweils drei Jahren in den Stufen 5 bis 8 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 9 bis 12 steigt. Dabei unterscheidet sich die erforderliche Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe je nach Besoldungsgruppe wie folgt:

 Besoldungsgruppe

 Erfahrungsstufen

 Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe in Jahren

 A 2   

 1 bis 7

 14    

 A 3   

 1 bis 7

 14    

 A 4   

 1 bis 7

 14    

 A 5   

 1 bis 8

 17    

 A 6   

 1 bis 9

 20    

 A 7   

 1 bis 10

 24    

 A 8   

 2 bis 11

 26    

 A 9   

 2 bis 11

 26    

 A 10 

 2 bis 11

 26    

 A 11 

 3 bis 12

 28    

 A 12 

 4 bis 12

 26    

 A 13 

 4 bis 12

 26    

 A 14 

 4 bis 12

 26    

 A 15 

 6 bis 12

 21    

 A 16 

 6 bis 12

 21    

Für den Zeitraum ab 1. Januar 2017 gilt diese Besoldungsstruktur nach Erfahrungsstufen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 4 NBesG n. F. in Verbindung mit Anlage 5 NBesG n. F. in gleicher Weise.

Dieses Erfahrungsstufensystem knüpft zwar nicht unmittelbar an das Lebensalter des Klägers an. Beamte, die weniger Erfahrungsstufen erreicht haben, erhalten danach eine geringere Besoldung als Beamte, die mehr oder sogar alle Erfahrungsstufen erreicht haben. Nach der ersten Erfahrungsstufe werden die weiteren Erfahrungsstufen nach Ablauf von zwei, drei oder vier Jahren erreicht. Damit ist die Dauer der Dienstzeit, also das Dienstalter, maßgeblich für die Höhe der Besoldung. Das Dienstalter ist aber - wie oben festgestellt - nicht völlig losgelöst vom Lebensalter des Beamten zu sehen. Ein höheres Dienstalter kann nur von lebensälteren Beamten erreicht worden sein. Wenn erst nach 14 bis 28 Jahren Dienstzeit die Endstufe erreicht wird, sind gleichzeitig auch 14 bis 28 Jahre Lebenszeit vergangen. Dies hat zur Folge, dass das in §§ 7, 25 NBesG n. F. in Verbindung mit Anlage 2 NBesG a. F. bzw. Anlage 5 NBesG n. F. geregelte Erfahrungsstufensystem dazu führen kann, dass Beamte wie der Kläger wegen ihres Lebensalters im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG mittelbar benachteiligt werden.

bb. Die mit der Einführung des Erfahrungsstufensystems verbundene mittelbare Benachteiligung dem Grunde nach ist jedoch durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und das gewählte Mittel zur Erreichung dieses Ziels - das Erfahrungsstufensystem - angemessen und erforderlich.

(I) Die mittelbare Benachteiligung bzw. die Ungleichbehandlung des Klägers durch das niedersächsische Erfahrungsstufensystem ist gemäß § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG, Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt.

Wie unter C.I.3. dargestellt, hat der niedersächsische Gesetzgeber mit der Neufassung des Niedersächsischen Besoldungsgesetzes beabsichtigt, das Besoldungsrecht unter Berücksichtigung der Rechtsentwicklung und höchstrichterlichen Rechtsprechung für Niedersachsen umfassend zu regeln. Das Kernstück der Besoldungsrechtsreform besteht in der Abkehr vom Besoldungsdienstalter als maßgeblichem Besoldungskriterium zugunsten eines Systems, das an der jeweiligen beruflichen Erfahrung des Beamten ausgerichtet ist. Der Aufstieg in den Stufen der Grundgehaltstabelle der Besoldungsordnung A richtet sich altersunabhängig nach den tatsächlich geleisteten Dienstzeiten mit dem Ziel, dass der Richtlinie 2000/78/EG und ihrer Umsetzung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz Rechnung getragen wird (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 113 f.). Der Gesetzgeber hat klargestellt, dass die bisherige Struktur der Grundgehaltstabelle mit zwölf Stufen und Aufstiegsintervallen von zwei, drei und vier Jahren auch deshalb beibehalten wird, um eine Verminderung des Lebenseinkommens zu vermeiden (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 131 f.). Nach der oben dargestellten höchstrichterlichen Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, sind die beabsichtigte Honorierung von Berufserfahrung und die Besitzstandswahrung rechtmäßige Ziele.

(II) Das niedersächsische Erfahrungsstufensystem, welches das Erreichen der Endstufe im Falle des Klägers nach 26 Jahren und insgesamt nach 14, 17, 20, 21, 24, 26 oder 28 Dienstjahren regelt, ist ein angemessenes und erforderliches Mittel, um bei der Besoldung von Beamten ihre jeweilige Berufserfahrung zu honorieren.

(1) Der Begriff des „angemessenen und erforderlichen Mittels“ im Sinne des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG ist unionsrechtskonform auszulegen.

Für das Begriffsverständnis des „angemessenen und erforderlichen Mittels“ im Sinne des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG (bzw. des gleichlautenden § 10 Satz 2 AGG) ist nicht das „klassische deutsche Rechtsverständnis“ maßgeblich, sondern der Begriff ist unionsrechtskonform auszulegen (vgl. Bauer/Krieger/Günther, a. a. O., § 10 AGG Rn. 22a f.). Schon die Reihenfolge „angemessen und erforderlich“ in § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG (bzw. in § 10 Satz 2 AGG) zeigt auf, dass nicht die klassischen Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach deutschem Rechtsverständnis, also Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit (Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne) gemeint sein können. Es handelt sich vielmehr um eine Übernahme des Wortlautes aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zu „gerechtfertigten Ungleichbehandlungen wegen des Alters“ im Rahmen der Umsetzung in das nationale Recht. Nach dem Verständnis dieser Richtlinienbestimmung ist das eingesetzte Mittel „angemessen“, wenn es das angestrebte rechtmäßige Ziel tatsächlich fördern kann, also zur Zielerreichung „geeignet“ ist (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 65 ff.; Bauer/Krieger/Günther, a. a. O., § 10 AGG Rn. 22a). Dieses Mittel ist „erforderlich“ im Sinne der Richtlinie, wenn es nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinausgeht. Ein benachteiligendes Gesetz ist dabei in dem Kontext zu betrachten, in den es sich einfügt, wobei die Nachteile zu berücksichtigen sind, die mit ihm für die Betroffenen verbunden sein können (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 69 ff. m. w. N.). Die Erforderlichkeit hat also nicht mehr die Voraussetzungen der Gewährung der Vorteile im Blick, sondern die gewährten Vorteile selbst. Diese dürfen nicht so groß sein, dass sich der legitime Schutzgedanke tatsächlich als nicht erlaubte Benachteiligung darstellt. Dabei steht dem Arbeitgeber bzw. dem Dienstherrn oder Besoldungsgesetzgeber ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (vgl. Bauer/Krieger/Günther, a. a. O., § 10 AGG Rn. 22b m. w. N.).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verfügen die Mitgliedstaaten bei der Festlegung der zur Erreichung des jeweiligen legitimen Ziels - hier der Honorierung der Berufserfahrung und des Besitzstandschutzes - geeigneten Maßnahmen/Mittel über ein weites Ermessen (vgl. EuGH, Urteil vom 19.6.2014 - C-501/12, Specht -, juris Rn. 46 m. w. N.; Urteil vom 27.2.2020 - C-773/18 -, juris Rn. 42; Schleuser/Suckow/Plum, a. a. O., § 10 AGG Rn. 28). Auch nach deutschem Verfassungsrecht hat der Gesetzgeber auf dem Gebiet des Besoldungsrechts eine verhältnismäßig weite Gestaltungsfreiheit (in st. Rspr.: BVerfG, Beschluss vom 4.6.1969 - 2 BvR 343/66 -, juris Rn. 41; Beschluss vom 6.5.2004 - 2 BvL 16/02 -, juris Rn. 41 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris Rn. 36). Diese gilt sowohl hinsichtlich der Struktur als auch hinsichtlich der Höhe der Besoldung, die der Verfassung nicht unmittelbar, etwa als fester und exakt zu beziffernder Betrag, zu entnehmen ist (BVerwG, Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris Rn. 36). Kann ein Gesetzgeber zwischen mehreren denkbaren und verfassungsrechtlich gleichermaßen zulässigen Lösungen wählen, obliegt es folglich ihm zu entscheiden, wie die Folgen eines altersdiskriminierenden Besoldungssystems zu beseitigen sind, so dass der Erlass eines an der Berufserfahrung ausgerichteten Besoldungssystems grundsätzlich zulässig ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 7.10.2015 - 2 BvR 568/15 -, juris Rn. 17). Wegen des weiten Spielraums politischen Ermessens, innerhalb dessen der Gesetzgeber das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf, hat ein Gericht nicht zu überprüfen, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es kann, sofern nicht von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen. Dem Gesetzgeber steht es im Besonderen frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Ihm muss zugestanden werden, auch das gesamte Besoldungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen. Jede Regelung des Besoldungsrechts muss zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit vielfach unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen. Die vielfältigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt (BVerfG, Beschluss vom 4.4.2001 - 2 BvL 7/98 -, juris Rn. 43 f.; Beschluss vom 6.5.2004 - 2 BvL 16/02 -, juris Rn. 42 m. w. N.; BVerwG, Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris Rn. 36).

(2) Das niedersächsische Erfahrungsstufensystem ist ein angemessenes und erforderliches Mittel im Sinne von § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG zur Honorierung der Berufserfahrung von Beamten.

Hinsichtlich des zweiten vom Gesetzgeber angeführten Ziels, nämlich durch Beibehaltung der bisherigen Struktur der Grundgehaltstabelle eine Minderung des Lebenseinkommens der Bestandsbeamten zu verhindern (sog. Besitzstandswahrung), ist klarzustellen, dass das Ziel einer Besitzstandswahrung nur Übergangsregelungen für Bestandsbeamte rechtfertigen kann (siehe dazu C.I.3. und C.II.1.a.), nicht jedoch Maßnahmen, mit denen - wie das an dieser Stelle zu prüfende Erfahrungsstufensystem - eine (mittelbare) Ungleichbehandlung wegen des Alters endgültig festgeschrieben wird, die durch die Reform eines diskriminierenden Systems, zu der diese Maßnahme gehört, beseitigt werden soll (vgl. Bauer/Krieger/Günther, a. a. O., § 10 AGG Rn. 23).

Hauptziel des niedersächsischen Gesetzgebers der Einführung eines Erfahrungsstufensystems war jedoch die Honorierung von Berufserfahrung. Das niedersächsische Erfahrungsstufensystem ist ein angemessenes und erforderliches Mittel zur Erreichung dieses rechtmäßigen Ziels.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ist der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters - wie oben dargelegt - in der Regel zur Erreichung des Ziels der Honorierung der Berufserfahrung ein angemessenes und erforderliches Mittel, weil die Anciennität mit der Berufserfahrung einhergeht. Das Bundesverwaltungsgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass ein nach Erfahrungsstufen geregelter Aufstieg der Besoldung weder gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG noch gegen Verfassungs- oder Unionsrecht verstößt und damit ein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG ausgeschlossen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 6.13 -, juris Rn. 64 ff.; Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris Leitsatz 1 und Rn. 25, 35 f.).

Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, der der erkennende Senat folgt, erweist sich das niedersächsische Erfahrungsstufensystem als angemessenes Mittel im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG und des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 RL 2000/78/EG. Denn dieses System ist, indem es auf das zunehmende Dienstalter des Beamten abstellt, geeignet, dessen Berufserfahrung, die mit dem Dienstalter wächst, zu honorieren. Das Erfahrungsstufensystem ist auch ein erforderliches Mittel im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG und Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der genannten Richtlinie. Bei Betrachtung des Kontextes, in den es sich einfügt, und bei Berücksichtigung der damit für den Betroffenen verbundenen Nachteile sowie des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers geht das Erfahrungsstufensystem nicht über das zum Erreichen der verfolgten Honorierung der Berufserfahrung Erforderliche hinaus. Insbesondere bestehen keine Bedenken gegen die Regelung, soweit im Fall des Klägers erst nach 26 Jahren Erfahrungszeit und im Falle der Besoldungsgruppe A 11 erst nach 28 Jahren Erfahrungszeit die Endstufe der Besoldung erreicht wird. Aus der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften (LT-Drs. 17/3512) ergibt sich hinreichend, dass das Erfahrungsstufensystem ein erforderliches Mittel zur Honorierung der Berufserfahrung im Sinne des § 3 Abs. 2 AGG ist.

(a) Der niedersächsische Gesetzgeber hat sich im Gesetzgebungsverfahren den zugrunde liegenden Gesetzesentwurf der Landesregierung zu eigen gemacht und die Änderung des niedersächsischen Besoldungsrechts damit begründet, dass die bisherige Struktur der Grundgehaltstabelle mit zwölf Stufen und Aufstiegsintervallen von zwei, drei und vier Jahren beibehalten werde, um eine Verminderung des Lebenseinkommens zu vermeiden (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 131 f.). Das Kernstück seiner Besoldungsrechtsreform bestehe aber in der Abkehr vom Besoldungsdienstalter als maßgeblichem Besoldungskriterium zugunsten eines Systems, das an der jeweiligen beruflichen Erfahrung des Beamten oder des Richters ausgerichtet sei. Der Aufstieg in den Stufen der Grundgehaltstabelle der Besoldungsordnung A richte sich künftig altersunabhängig nach den tatsächlich geleisteten Dienstzeiten. Die zeitliche Staffelung mit kürzeren Stufenlaufzeiten zu Beginn und später länger werdenden Stufenlaufzeiten berücksichtige dabei den intensiveren Lern- und Erfahrungsprozess in den Anfangsjahren einer beruflichen Tätigkeit (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 114).

Im Hinblick auf die Rechtsprechung im Tarifbereich zu Lebensaltersstufen im Vergütungssystem und der allgemeinen Entwicklung des Besoldungsrechts beim Bund und in den anderen Ländern, das bisherige Besoldungsdienstalter-System zugunsten eines sogenannten Erfahrungsstufenmodells abzulösen, werde die bisherige Verfahrensweise durch einen individuellen, am Dienstalter orientierten, Aufstiegsrhythmus ersetzt. Ausgangspunkt für den Einstieg in das Grundgehalt werde fortan die erstmalige Ernennung des Beamten bei einem niedersächsischen Dienstherrn - gegebenenfalls unter Anerkennung relevanter Erfahrungszeiten - sein. Der weitere Stufenaufstieg erfolge nach der beruflichen Erfahrung, für die pauschalierend bestimmte Zeiträume festgelegt würden. Die Übernahme der bisherigen Stufenstruktur (Dauer zwei, drei und vier Jahre) trage der Tatsache Rechnung, dass der Erfahrungsgewinn in den ersten Berufsjahren schneller erfolge als später. Die unterschiedliche Stufenzahl und der nach Besoldungsgruppen unterschiedliche Zeitpunkt, zu dem das Endgrundgehalt erreicht werde, zeichneten nach, dass in höheren, mit schwierigeren Aufgaben betrauten Besoldungsgruppen auch länger substanziell neue Berufserfahrungen gewonnen würden (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts sowie zur Änderung andere dienstrechtlicher Vorschriften, LT-Drs. 17/3512 S. 131).

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber pauschalierend bestimmte Zeiträume für den Stufenaufstieg festgelegt hat. Da Regelungen des Besoldungsrechts - wie dargelegt -zwangsläufig generalisieren und typisieren müssen, ist eine solche Pauschalierung nicht zu beanstanden. Die unterschiedliche Erfahrungszeit von zwei (in den Stufen 1 bis 4), drei (in den Stufen 5 bis 8) und vier Jahren (in den Stufen 9 bis 12) hat er nachvollziehbar damit begründet, dass der Erfahrungsgewinn in den ersten Berufsjahren schneller erfolge als später. Weiterhin hat er nachvollziehbar erläutert, warum er je nach Besoldungsgruppe unterschiedliche Zeitpunkte, zu dem das Endgrundgehalt erreicht wird, gewählt hat. Denn er hat ausgeführt, dass in höheren, mit schwierigeren Aufgaben betrauten Besoldungsgruppen auch länger substanziell neue Berufserfahrungen gewonnen würden. Eine weitere Differenzierung der Erfahrungsstufen nach verschiedenen Laufbahnen und Laufbahngruppen hat der Gesetzgeber angesichts dessen, dass er eine für alle Beamte der Besoldungsordnung A geltende Besoldungstabelle geschaffen hat, nicht vornehmen müssen. Eine solche Pflicht ergibt sich auch nicht deshalb, weil der Gesetzgeber für bestimmte Laufbahnen wie für Beamte in einer Laufbahn der Fachrichtung Feuerwehr, die im Brandbekämpfungs- und Hilfeleistungsdienst stehen, die Altersgrenze auf die Vollendung des 60. Lebensjahres (vgl. § 115 Abs. 1 Satz 1 NBG) oder wie für Polizeivollzugsbeamte auf die Vollendung des 62. Lebensjahres (§ 109 Abs. 1 NBG) vorgezogen hat, um der besonderen körperliche Belastung im jeweiligen Dienst gerecht zu werden (vgl. auch EuGH, Urteil vom 12.1.2010 - C-229/08, Wolf -, juris Rn. 41). Denn ein Erfahrungszuwachs, der zu einer besseren Verrichtung der Arbeit führt, scheidet bei solchen Beamten nicht deshalb aus, weil sie früher in den Ruhestand treten. Ein honorierbares Erfahrungsplus ist unabhängig vom Zeitpunkt des Eintritts in den Ruhestand. Ob eine kleinteiligere, nach Laufbahnen differenzierende Besoldungstabelle für den einzelnen Beamten gerechter wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. Die Gerichte sind - wie oben dargelegt - nicht dazu verpflichtet, zu prüfen, ob es sich insoweit um die gerechteste und zweckmäßigste Regelung handelt. Denn der Gesetzgeber hat einen weiten Gestaltungsspielraum, der sich auch darauf erstreckt, wie differenziert er ein Besoldungssystem ausgestaltet. Gegen ein Besoldungssystem, das auf Besoldungsgruppen abstellt, bestehen angesichts dessen keine Bedenken.

(b) Der niedersächsischen Gesetzgeber ist nicht dazu verpflichtet gewesen, vor der Einführung des Erfahrungsstufensystems eine über die oben dargestellte Gesetzesbegründung hinausgehende Begründung für die jeweilige Anzahl und den Abstand der einzelnen Erfahrungsstufen und der daraus resultierenden Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe der Besoldung zu geben.

(aa) Eine solche vor dem Erlass eines Gesetzes bestehende Begründungspflicht ergibt sich nicht aus dem Unionsrecht.

Der Europäische Gerichtshof hat zu den Begründungspflichten eines Arbeitgebers in den folgenden zwei Entscheidungen, die nicht eine altersdiskriminierende Besoldung, sondern die Frage gleichen Entgelts für männliche und weibliche Arbeitnehmer (Art. 141 EG) zum Gegenstand hatten, Stellung bezogen. Er hat in seinem Urteil vom 17. Oktober 1989 (- C-109/88, Danfoss -, juris) festgestellt, da die Anciennität mit der Berufserfahrung einhergehe und diese den Arbeitnehmer im Allgemeinen befähige, seine Arbeit besser zu verrichten, stehe es dem Arbeitgeber frei, die Anciennität bei der Entlohnung zu berücksichtigen, ohne dass er ihre Bedeutung für die Ausführung der dem Arbeitnehmer übertragenen spezifischen Aufgaben dagelegen müsse. Der Arbeitgeber brauche die Anwendung des Kriteriums der Anciennität nicht besonders zu rechtfertigen (EuGH, Urteil vom 17.10.1989 - C-109/88, Danfoss -, juris Rn. 24 f.). Mit dem Verzicht auf eine solche Rechtfertigung hat der Europäische Gerichtshof ergibt sich zugleich, dass eine entsprechende Begründung durch den Arbeitgeber nicht von Rechts wegen erforderlich ist. Diese Rechtsprechung hat er in seinem Urteil vom 3. Oktober 2006 (- C-17/05, Cadman -, juris) fortentwickelt. Da der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters in der Regel zur Erreichung des legitimen Zieles geeignet sei, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähige, seine Arbeit besser zu verrichten, habe der Arbeitgeber nicht besonders darzulegen, dass der Rückgriff auf dieses Kriterium zur Erreichung des genannten Zieles in Bezug auf einen bestimmten Arbeitsplatz geeignet sei, es sei denn, der Arbeitnehmer liefere Anhaltspunkte, die geeignet seien, ernstliche Zweifel in dieser Hinsicht aufkommen zu lassen. Dann sei es Sache des Arbeitgebers, zu beweisen, dass das, was in der Regel gelte, nämlich, dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergehe und dass diese den Arbeitnehmer befähige, seine Arbeit besser zu verrichten, auch in Bezug auf den fraglichen Arbeitsplatz zutreffe (EuGH, Urteil vom 3.10.2006 - C-17/05, Cadman -, juris Rn. 33 ff.). Hinzuzufügen sei das dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet werde, dem eine Bewertung der zu verrichtenden Arbeit zugrunde liege, die Rechtfertigung des Rückgriffs auf ein bestimmtes Kriterium nicht individuell auf die Situation der betreffenden Arbeitnehmer einzugehen brauche. Daher müsse, wenn das mit dem Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters verfolgte Ziel in der Anerkennung der Berufserfahrung liege, im Rahmen eines solchen Systems nicht bewiesen werden, dass ein individuell betrachteter Arbeitnehmer während des einschlägigen Zeitraums eine Erfahrung erworben habe, die es ihm ermöglicht habe, seine Arbeit besser zu verrichten. Demgegenüber sei die Art der zu verrichtenden Arbeit objektiv zu berücksichtigen (EuGH, Urteil vom 18.5.2006 - C -17/05, Cadman -, juris Rn. 39 f. m. w. N.).

Die vorgenannten Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs können auf Fälle, in denen nicht ein Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Art. 141 EG), sondern - wie hier - eine Ungleichbehandlung wegen des Alters Streitgegenstand ist, herangezogen werden. Denn Entgeltsysteme, die auf die Dauer der Beschäftigung abstellen, können Beschäftigte nicht nur wegen ihres Geschlechts mittelbar diskriminieren, sondern auch wegen ihres Alters.

Der Europäische Gerichtshof vertritt danach die Auffassung, dass es, wenn auf das Kriterium des Dienstalters (der Anciennität) abgestellt werde, grundsätzlich keiner Begründung der Angemessenheit und Erforderlichkeit dieses Kriteriums zur Honorierung der Berufserfahrung bedarf. Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn der Arbeitnehmer bezogen auf seinen individuellen Arbeitsplatz und seine individuelle Situation Anhaltspunkte liefert, die geeignet sind, ernstliche Zweifel in dieser Hinsicht aufkommen zu lassen. Dann muss der Arbeitgeber die Anknüpfung an das Kriterium des Dienstalters rechtfertigen, in dem er darlegt und beweist, dass das Dienstalter mit der Berufserfahrung einhergeht und diese den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten. Bezugspunkt ist dabei aber nicht in jedem Fall der konkrete Arbeitsplatz und die konkrete Situation des einzelnen Arbeitnehmers. Wird - wie in der Sache Cadman - zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet, dem eine Bewertung der zu verrichtenden Arbeit zugrunde liegt, genügt es, wenn die Art der zu verrichtenden Arbeit objektiv berücksichtigt wird. Ein Erfahrungsstufensystem ist ein solches System beruflicher Einstufung mit der Folge, dass nur ausnahmsweise nachdem ein Betroffener hinreichende Anhaltspunkte geliefert hat, der Arbeitgeber darzulegen und zu beweisen hat, dass das Dienstalter bezogen auf die objektive generelle Art der Beschäftigung mit der Berufserfahrung einhergeht und diese den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.

Ob eine solche Begründungsobliegenheit eines Arbeitgebers nach Unionsrecht für eine Ungleichbehandlung, die nur unter den beschriebenen Voraussetzungen bestehen kann, auf den Fall der innerstaatlichen Gesetzgebung übertragen werden kann mit der Folge, dass dem Gesetzgeber eine besondere Begründungspflicht obliegen würde, erscheint offen. Jedenfalls hat der Europäische Gerichtshof Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten für den Gesetzgeber vor der erstmaligen Regelung oder Änderung von Besoldungssystemen nicht aufgestellt.

(bb) Der Gesetzgeber hat die ihm von Verfassungs wegen obliegenden prozeduralen Anforderungen im Zusammenhang mit dem Erlass des Gesetzes zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) in hinreichender Weise beachtet. Weitergehende Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten bestanden für ihn nicht.

(aaa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat der Gesetzgeber vor der erstmaligen Regelung oder Änderung von Besoldungssystemen prozedurale Anforderungen, insbesondere Begründungspflichten, zu beachten.

Das Bundesverfassungsgericht hat im Hinblick auf das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten für den Gesetzgeber entwickelt. Es hat in seinem Urteil vom 14. Februar 2012 (- 2 BvL 4/10 -, juris) zur Professorenbesoldung erstmals darauf abgestellt, dass Systemwechsel in besonderem Maße mit Unsicherheiten behaftet und für Prognoseirrtümer anfällig seien. Daher komme es auf die Einhaltung prozeduraler Anforderungen bei der Gesetzgebung an, die als „zweite Säule“ des Alimentationsprinzips neben seine auf eine Evidenzkontrolle beschränkte materielle Dimension träten und seiner Flankierung, Absicherung und Verstärkung dienten. Zwar schulde der Gesetzgeber von Verfassungs wegen grundsätzlich nur ein wirksames Gesetz. Da aber das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation keine quantifizierbaren Vorgaben im Sinne einer exakten Besoldungshöhe liefere, bedürfe es prozeduraler Sicherungen, damit die verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektive des Art. 33 Abs. 5 GG auch tatsächlich eingehalten werde. Die prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber kompensierten die Schwierigkeit, das verfassungsrechtlich gebotene Besoldungsniveau anhand materieller Kriterien zu bestimmen. Zudem stelle diese prozedurale Absicherung einen Ausgleich dafür dar, dass die Ausgestaltung des Beamtenverhältnisses einschließlich der Festlegung der Besoldungshöhe der Regelungskompetenz des Gesetzgebers unterliege. Insofern entfalte die prozedurale Dimension des Alimentationsprinzips Schutz- und Ausgleichsfunktion. Prozedurale Anforderungen in Form von Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten gälten sowohl bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe in Gestalt von regelmäßigen Besoldungsanpassungen als auch bei strukturellen Neuausrichtungen in Gestalt von Systemwechseln. Nehme der Gesetzgeber eine Umgestaltung der Besoldungsstruktur vor, sei zu berücksichtigen, dass ein solcher Wechsel verschiedene Unsicherheitsfaktoren berge und dass sich seine Tragfähigkeit und Auswirkungen erst allmählich herausstellten. Insoweit stehe dem Gesetzgeber für die Etablierung neuer Besoldungsmodelle ein Einschätzungs- und Prognosespielraum zu, der bei der Beurteilung der Amtsangemessenheit in Rechnung zu stellen sei. Im Gegenzug träfen den Gesetzgeber aber neben einer Begründungspflicht, eine Beobachtungs- und gegebenenfalls eine Nachbesserungspflicht, damit er möglichen Verstößen gegen das Alimentationsprinzip adäquat begegnen könne. Insoweit sei er gehalten, bei einer nicht unerheblichen Abweichung der tatsächlichen von der prognostizierten Entwicklung Korrekturen an der Ausgestaltung der Bezüge vorzunehmen (BVerfG, Urteil vom 14.2.2012 - 2 BvL 4/10 -, juris Rn. 163 ff.).

Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluss vom 16. Oktober 2018 (- 2 BvL 2/17 -, juris), der die befristete Absenkung der Besoldung bestimmter Besoldungsgruppen um acht Prozent betraf, fortgeführt und hervorgehoben, dass der Gesetzgeber gehalten sei, bereits im Gesetzgebungsverfahren die Fortschreibung der Besoldungshöhe zu begründen. Die Ermittlung und Abwägung der berücksichtigten und berücksichtigungsfähigen Bestimmungsfaktoren für den verfassungsrechtlich gebotenen Umfang der Anpassung der Besoldung müssten sich in einer entsprechenden Darlegung und Begründung im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Bei der Umgestaltung der Besoldungsstruktur müsse sich der Gesetzgeber die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelung für die von der Vorschrift betroffenen Beamten vergegenwärtigen und auf dieser Grundlage erwägen, ob die Alimentation (weiterhin) den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspreche (BVerfG, Beschluss vom 16.10.2018 - 2 BvL 2/17-, juris Rn. 20 ff.).

Soweit das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, dass die vom Bundesverfassungsgericht erstmals im Urteil vom 14. Februar 2012 (- 2 BvL 4/10 -, juris) entwickelten prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber bei der Begründung von Besoldungsgesetzen nicht für Besoldungsgesetze vor Erlass dieses Urteils gälten (BVerwG, Urteil vom 31. 1.2019 - BVerwG 2 C 35.17 -, juris Rn. 23; Beschluss vom 27.6.2019 - BVerwG 2 B 7.18 -, juris Rn. 32), ist diese Rechtsprechung nicht einschlägig. Denn das am Dienstalter ausgerichtete Erfahrungsstufensystem ist vom niedersächsischen Gesetzgeber erst deutlich später, nämlich durch das Gesetz zur Neuregelung des Besoldungsrechts, zur Anpassung der Besoldung und der Versorgungsbezüge in den Jahren 2017 und 2018 sowie zur Änderung anderer dienstrechtlicher Vorschriften vom 20. Dezember 2016 (Nds. GVBl. S. 308) eingeführt worden. Zu diesem Zeitpunkt hat das vorgenannte Urteil des Bundesverfassungsgerichts bereits vorgelegen.

(bbb) Auch wenn die vorgenannte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts allein im Hinblick auf das grundrechtsgleiche Recht auf Gewährung einer amtsangemessenen Alimentation Begründungs-, Beobachtungs- und Nachbesserungspflichten für den Gesetzgeber ergangen ist, ist sie auf die hiesige Fallkonstellation der diskriminierungsfreien Alimentation übertragbar.

Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 9. Juni 2015 (- 5 KN 148/14 -, juris), das die Anhebung der Regelstundenzahl von 23,5 auf 24,5 Wochenstunden für niedersächsische Gymnasiallehrer betraf, Bezug genommen auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Februar 2012 zur Professorenbesoldung und es übertragen. Zur Begründung hat er ausgeführt, in Bezug auf die Lehrerarbeitszeit ließe sich aus dem Grundgesetz keine exakt zu beziffernde Regelstundenzahl ableiten; vielmehr komme dem Verordnungsgeber - wie dargelegt - insoweit eine weite, gerichtlicherseits nur eingeschränkt überprüfbare Einschätzungsprärogative (auch als weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum bezeichnet) in dem Sinne zu, dass seine Einschätzung nicht offensichtlich fehlsam, insbesondere nicht willkürlich sein dürfe. Damit angesichts der besonderen - da verfassungsrechtlich fundierten - Bedeutung der Fürsorgepflicht gleichwohl eine angemessene gerichtliche Kontrolle gewährleistet sei, müsse sich der Schutz des Art. 33 Abs. 5 GG deshalb auch auf das Verfahren zur Gewinnung der Einschätzung erstrecken; insbesondere bestehe für den Verordnungsgeber die Obliegenheit, bereits im Verfahren zum Erlass der Rechtsverordnung die seine Einschätzung tragenden Erwägungen vollständig offenzulegen. Ebenso wie das Bundesverfassungsgericht der Vorschrift des Art. 33 Abs. 5 GG den grundrechtsgleichen subjektiven Anspruch des Beamten auf eine amtsangemessene Alimentation entnehme, leite es aus Art. 33 Abs. 5 GG einen (grundrechtsgleichen) Anspruch des Beamten gegen seinen Dienstherrn auf Fürsorge ab. Wenn der Gesetzgeber bei der Konkretisierung des Art. 33 Abs. 5 GG in Gestalt der Festsetzung der amtsangemessenen Alimentation zum Ausgleich des bestehenden weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums prozedurale Anforderungen zu beachten habe, dann gelte dies umso mehr, wenn der Gesetzgeber in Konkretisierung der aus Art. 33 Abs. 5 GG abgeleiteten Fürsorgepflicht eine Obergrenze der regelmäßigen Arbeitszeit seiner Beamten festgelegt und die nähere Ausgestaltung der Lehrerarbeitszeit zulässigerweise dem Verordnungsgeber überlassen habe, dem insoweit ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe. Der Senat hat geschlussfolgert, dass die streitgegenständliche Anhebung der Regelstundenzahl für Lehrkräfte an Gymnasien zugleich gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, weil es an einer Aufklärung der tatsächlichen Arbeitsbelastung dieser Lehrkräfte fehle (Nds. OVG, Urteil vom 9.6.2015 - 5 KN 148/14 -, juris Rn. 42 ff.). In einem weiteren Verfahren betreffend die Arbeitszeit niedersächsischer Förderschulleitungen hat der Senat die Pflicht statuiert, die tatsächlichen Grundlagen für die Ausübung der normgeberischen Einschätzungsprärogative in einem - auch empirischen - transparenten Verfahren sorgfältig und nachvollziehbar zu ermitteln (Nds. OVG, Urteil vom 12.2.2019 - 5 KN 79/16 -, juris Rn. 70).

Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht eine Übertragbarkeit der vom Bundesverfassungsgericht entwickelten prozeduralen Anforderungen an den Gesetzgeber in Form von Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten auf Konstellationen, in denen die Pflichtstundenzahl für Lehrer streitig ist, verneint (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.12.2020 - 2 BVerwG 10.20 -, juris Rn. 12; siehe zur Kritik am Urteil des erkennenden Senats vom 9.6.2015 - 5 KN 148/14 -, juris: von der Weiden, Anmerkung zu BVerwG, Urteil vom 16.7.2015 - BVerwG 2 C 16.14 -, jurisPR-BVerwG 22/2015 Anm. 2): Die prozeduralen Anforderungen gälten für die Besoldungsgesetzgebung. Ihr Sinn und Zweck bestehe in der Wahrung der Amtsangemessenheit der Alimentation (Art. 33 Abs. 5 GG). Dieser Sinn und Zweck rechtfertige die prozeduralen Anforderungen als Beschränkung gesetzgeberischer Gestaltungsfreiheit einerseits, begrenze diese Rechtfertigung andererseits aber auch zugleich (BVerwG, Beschluss vom 6.6.2019 - BVerwG 2 C 18.18 -, juris Rn. 21 ff.; Beschluss vom 11.12.2020 - 2 BVerwG 10.20 -, juris Rn. 12).

Für die Übertragbarkeit der aus dem Verfassungsrecht abgeleiteten Grundsätze der prozeduralen Anforderungen an die Gesetzgebung auf die vorliegende Fallgestaltung spricht jedoch, dass ebenfalls eine grundlegende Neugestaltung des bisherigen niedersächsischen Besoldungssystems, nämlich durch Einführung eines Erfahrungsstufensystems eine diskriminierungsfreie Besoldungsregelung zu etablieren, streitgegenständlich ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner vorgenannten Rechtsprechung gerade für die strukturelle Neuausrichtung in Gestalt von Besoldungssystemwechseln dem Gesetzgeber obliegende Begründungspflichten festgestellt. Entsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht festgestellt, die prozeduralen Anforderungen gälten für die Besoldungsgesetzgebung. Unter Berücksichtigung dieser und unter Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung geht der erkennende Senat davon aus, dass den niedersächsischen Gesetzgeber bei der Einführung des neuen Erfahrungsstufensystems besondere prozedurale Anforderungen in Form von Begründungspflichten getroffen haben bzw. hinsichtlich der angesprochenen Überprüfungs- und Beobachtungspflichten treffen. Denn bei einem solchen Besoldungssystemwechsel kommt dem Besoldungsgesetzgeber ein weiter Gestaltungs- und Ermessensspielraum zu, dem im Hinblick auf das in Art. 3 Abs. 1 GG statuierte Gleichbehandlungsgebot prozedurale Anforderungen im Gesetzgebungsverfahren als Ausgleich entgegenzustellen sind.

(ccc) Der niedersächsische Gesetzgeber hat die ihm vor der Einführung des Erfahrungsstufensystems obliegenden prozeduralen Anforderungen gewahrt.

Dem Gesetzgeber obliegen zwar vor der Umgestaltung von Besoldungssystemen Begründungspflichten. Der Umfang der jeweiligen Begründungspflichten lässt sich jedoch nicht pauschal festlegen, sondern richtet sich nach den Umständen des jeweiligen Regelungsfalls. So sind nicht stets vorab besondere Tatsachenforschungen einschließlich empirischer Erhebungen durchzuführen. Es müssen sich nur die Ermittlung und Abwägung der jeweiligen Bestimmungsfaktoren im konkreten Regelungsfall in einer entsprechenden Begründung im Gesetzgebungsverfahren niederschlagen. Bei der Umgestaltung der Besoldungsstruktur hat sich der Gesetzgeber vor allem die tatsächlichen Auswirkungen der Neuregelung für die von der Vorschrift betroffenen Beamten vergegenwärtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.10.2018 - 2 BvL 2/17-, juris Rn. 20 ff.).

Vorangegangene empirische Untersuchungen hat der erkennende Senat zwar in seinem Urteil vom 9. Juni 2015 (- 5 KN 148/14 -, juris) gefordert, vor allem aber ein transparentes und nachvollziehbares Regelungsfahren verlangt. Dieser Entscheidung lag zugrunde, dass der niedersächsische Verordnungsgeber die Arbeitszeit (Regelstundenzahl) niedersächsischer Gymnasiallehrer von 23,5 auf 24,5 Wochenstunden angehoben hatte. Er hatte nicht das System der Arbeitszeiten für Lehrkräfte generell geändert, sondern nur für eine bestimmte Gruppe von Lehrkräften (der Gymnasiallehrer) eine diese belastende Neuregelung getroffen und das Arbeitszeitsystem im Übrigen beibehalten. Der Senat hat entschieden, dass die für die Änderung der Arbeitszeitverordnung für Lehrkräfte gegebene Begründung nicht den prozeduralen Anforderungen genügt. Dem Argument einer „unerlässlichen Umschichtung innerhalb des Haushalts zur Umsetzung der ‚Zukunftsoffensive Bildung'“ weise bereits keinen Bezug zur jeweils geforderten Arbeitsleistung, insbesondere zu deren zeitlichem Maß auf (Nds. OVG, Urteil vom 9.6.2015 - 5 KN 148/14 -, juris Rn. 60). Hinsichtlich der vom Verordnungsgeber angeführten nunmehr bestehenden Entlastungsmöglichkeiten zugunsten der Gymnasiallehrer und der damit verbundenen bloßen Verlagerung ihrer außerunterrichtlichen Arbeitszeit in die Unterrichtsverpflichtung hat der Senat festgestellt, der Verordnungsgeber hätte vorab im Rahmen einer - auch - empirischen Studie die tatsächliche Belastung der niedersächsischen Gymnasialkräfte ermitteln müssen. Veranlassung dazu hätte bestanden, weil die zuvor geltende Regelung aus dem Jahr 1997 stamme und in den vergangenen zehn Jahren zahlreiche Änderungen des niedersächsischen Schulsystems (Abschaffung der Orientierungsstufe, die Einführung des Abiturs nach acht Jahren, Einführung der sogenannten Eigenverantwortlichen Schule und der Inklusion) mit Auswirkungen gerade auch auf den Gymnasialbereich eingetreten seien und sich in den vergangenen Jahren das Verhältnis zwischen Lehrkräften, Schulleitungen, Erziehungsberechtigten und Schülern in dem Sinne gewandelt habe, dass eine durch Diskurs und Dialog geprägte Beziehung immer stärker in den Vordergrund getreten sei, was auf Seiten der Lehrerschaft zu einem höheren (außerunterrichtlichen) Zeitaufwand führe (Nds. OVG, Urteil vom 9.6.2015 - 5 KN 148/14 -, juris Rn. 63).

Die Sachlage gestaltet sich hier anders. Wesentlicher Teil der Neuregelung des Besoldungsrechts des Landes ist die Einführung eines Erfahrungsstufensystems für alle Beamte der Besoldungsgruppen der Besoldungsordnung A sowie der Richter der Besoldungsgruppen R 1 und R 2, unabhängig von der jeweiligen Laufbahn durch den Gesetzgeber und nicht eine benachteiligende Regelung für bestimmte Beamtengruppen innerhalb eines unverändert bestehenden Systems. Im Falle der Regelstundenzahlerhöhung für Gymnasiallehrer hatten sich zudem die Verhältnisse und Begleitumstände der Regelungsmaterie vielfältig verändert. Entsprechend hatten andere Bundesländer und Gewerkschaften Arbeitszeitstudien erstellt, so dass es sich für den Verordnungsgeber geradezu hätte aufdrängen müssen, diese empirischen Studien seiner Normgebung zugrunde zu legen oder eigene Studien zu erstellen bzw. einzuholen. Solche, eine besonders intensive Begründungspflicht auslösenden Umstände haben vor der Neuregelung des Landesbesoldungsrechts durch Einführung eines Erfahrungsstufensystems nicht vorgelegen. Vielmehr geht nach der im Zeitpunkt der Beschlussfassung dem Gesetzgeber bereits bekannten höchstrichterlichen Rechtsprechung die Anciennität - also das steigende Dienstalter - mit der Berufserfahrung der Beschäftigen einher und befähigt diese im Allgemeinen, ihre Arbeit besser zu verrichten, so dass es regelmäßig keiner besonderen Begründung der Angemessenheit und Erforderlichkeit des Kriteriums des Dienstalters für das Erreichen des Ziels „Honorierung der Berufserfahrung“ bedarf. Dies hat zur Folge, dass dem Gesetzgeber im Falle des Wechsels seines Besoldungssystems zwar eine Begründungspflicht obliegt. Der Begründungspflicht ist im Fall der Einführung eines Erfahrungsstufensystems in die Beamtenbesoldung grundsätzlich aber schon dadurch genügt, wenn der Gesetzgeber darlegt, dass und in welcher Art und Weise die Erfahrungsstufen unmittelbar an das Dienstalter der Beamten anknüpfen. Denn dass die Dienstzeit die Berufserfahrung honoriert, ist auch ohne weitere Begründung grundsätzlich nachvollziehbar und muss nicht anhand einer substantiierten Sachbegründung unter Berufung auf statistische/empirische Daten erfolgen. Darüber hinaus fußt die Neuregelung des Besoldungsrechts der Landesbeamten auf ein hergebrachtes Besoldungssystem mit Besoldungsstufen, so dass eine Begründung nicht im Hinblick auf die individuelle Situation jeweiligen Beamten erfolgen muss.

Insofern genügt es den prozeduralen Anforderungen, dass der niedersächsische Gesetzgeber in seiner oben dargelegten Gesetzesbegründung klargestellt hat, dass er mit der Neuregelung des Besoldungsrechts die Besoldung an die jeweilige berufliche Erfahrung des Beamten anpasst. Er hat die Erfahrungszeit in den ersten Stufen mit jeweils zwei Jahren gegenüber den letzten Erfahrungsstufen mit vier Jahren halbiert. Die zeitliche Staffelung mit kürzeren Stufenlaufzeiten zu Beginn und später länger werdenden Stufenlaufzeiten hat er mit den intensiveren Lern- und Erfahrungsprozess in den Anfangsjahren einer beruflichen Tätigkeit begründet. Er hat also berücksichtigt, dass, sobald ein Beschäftigter voll eingearbeitet ist, Erfahrung langsamer hinzugewonnen wird mit der Folge, dass sich auch die Leistungssteigerung entsprechend verzögert. Zudem hat er die unterschiedliche Stufenzahl und der nach Besoldungsgruppen unterschiedliche Zeitpunkt, zu dem das Endgrundgehalt erreicht wird, damit begründet, dass in höheren, mit schwierigeren Aufgaben betrauten Besoldungsgruppen auch länger substanziell neue Berufserfahrungen gewonnen würden. Er hat also zwischen den einzelnen Besoldungsgruppen und den damit einhergehenden beruflichen Herausforderungen, die zu unterschiedlich langen Erfahrungszuwachsen führen, unterschieden. Ferner hat er die Erfahrungszeit begrenzt, indem er die längere Dienstzeit nicht bis zur regulären Pensionierung als zu honorierende Erfahrungszeit ausgestaltet, sondern spätestens nach 28 Jahren keine weitere Steigerung der Besoldung wegen der erlangten Erfahrung vorgesehen hat.

Anhaltspunkte, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass das geplante Erfahrungsstufensystem nicht zur Honorierung von Berufserfahrung geeignet ist, haben bis zum Erlass der Neuregelung des Besoldungsrechts im Dezember 2016 nicht vorgelegen. Der niedersächsische Gesetzgeber musste deshalb nicht vorab die Anzahl und die Dauer der einzelnen Erfahrungsstufen sowie die daraus resultierende Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe der Besoldung genauer begründen, insbesondere musste er nicht zuvor empirische Studien einholen und auswerten.

Solche Anhaltspunkte haben sich nicht daraus ergeben, dass die Tarifvertragsparteien den Bundesangestelltenvertrag (BAT) und den Manteltarifvertrag für Arbeiter (MTArb) zum 1. Oktober 2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) bzw. zum 1. November 2006 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) ersetzt und dabei eine vom Besoldungsrecht der Beamten abweichende Entgelttabelle vereinbart hatten. Die Entgelttabelle unterscheidet sich in ihrer grundsätzlichen Struktur schon nicht wesentlich von dem niedersächsischen Erfahrungsstufensystem. So sieht auch die tarifvertragliche Entgelttabelle mehrere Entgeltstufen in der jeweiligen Entgeltgruppe vor. Der Aufstieg in die nächsthöhere Entgeltstufe erfolgt dabei ebenso in der Regel nach der Dauer der Berufserfahrung und in den ersten Stufen schneller als in den späteren Stufen. Sie unterscheidet sich allerdings insoweit von dem niedersächsischen Erfahrungsstufensystem, als die Endstufe der Entgelttabelle im Regelfall spätestens nach 15 Berufsjahren statt frühestens nach 14 bzw. nach späterem Wegfall der Besoldungsgruppen A 2 bis A 4 nach 17 Dienstjahren erreicht wird. Die Besoldung von Beamten unterscheidet sich indes maßgeblich vom Entgelt von Tarifbeschäftigten. Denn sie ist nicht verhandelbar und wird nicht durch Verträge manifestiert. Vor allem aber unterliegt sie dem Grundsatz der amtsangemessenen Alimentation. Die maßgeblichen Prinzipien des Beamtenrechts sind deshalb nicht auf Arbeitsverhältnisse beispielsweise im öffentlichen Dienst und andersherum übertragbar. Insofern liegt in der beschriebenen Unterschiedlichkeit kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor, weil die Gruppen der Beamten und der Tarifbeschäftigten nicht „wesentlich gleich“ sind.

Es haben auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse oder sonstige Studien dafür vorgelegen, dass längere Dienstzeit und zu besserer Verrichtung der Arbeit befähigende Berufserfahrung nicht Hand in Hand gingen und die konkret beabsichtigte Besoldungssteigerungen nach Erfahrungsstufen nicht mehr - über einen kürzeren oder längeren Zeitraum - mit Leistungssteigerungen korrespondierten. In den das Erfahrungsstufensystem betreffenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren ist insbesondere auf folgende wissenschaftliche Untersuchungen, Stellungnahmen und Statistiken hingewiesen worden:

- Dipl. Gerontologe Stephan Gewalt, Wirtschaftsfaktor Alter, RKW Kompetenzzentrum Eschborn 2011

- Josef Reindl, Die Abschaffung des Alters: Eine Kritik des optimistischen Alternsparadigmas, Leviathan, 2009, S. 160 ff.

- Timothy A. Salthouse, http://www.neurobiologyofaging.org/article/S0197-4580(09) 00021-9/abstract

- Dr. phil. Sergei A. Schapkin, Altersbezogene Änderungen kognitiver Fähigkeiten - kompensatorische Prozesse und physiologische Kosten, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin 2012

- Vegard Skirbekk, Age and Individual Productivity: A Literature Survey, Max-Planck-Institut für die demografische Forschung, Rostock, 2003

- Broschüre des Statistischen Bundesamtes „Verdienste auf einen Blick“ von 2017.

Aus ihnen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass mit längerer Dienstzeit nicht ein Erfahrungszuwachs, der zu einer „besseren Verrichtung der Arbeit“ führt, einherginge. Insbesondere lässt sich aus ihnen nicht entnehmen, dass es einen Punkt gebe, an dem Erfahrungsgewinn in Leistungshemmnis infolge Betriebsblindheit umschlägt (so B., Beamtenbesoldung - immer noch altersdiskriminierend?, ZBR 2017, S. 332 m. w. N.).

Der Dipl. Gerontologe Stephan Gewalt hat sich 2011 mit dem „Wirtschaftsfaktor Alter“ in seiner vom Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie geförderten Studie beschäftigt, deren Ziel es war, unter anderem Unternehmen dafür zu gewinnen, sich auf den veränderten Zukunftsmarkt 50plus einzustellen und sich mit ihren Produkten und Dienstleistungen an den Bedürfnissen älterer Menschen zu orientieren. Er hat festgestellt, dass neue Längsschnittstudien zeigten, dass es im Verlauf des Alterungsprozesses weniger zu einem generellen kognitiven Leistungsabfall komme, als vielmehr zu einem qualitativen Umbau der Intelligenzstruktur. Es gebe eine Verschiebung von flüssigen kognitiven Leistungen (Informationsverarbeitungstempo, Konzentration) zu kristallinen kognitiven Leistungen (Wortschatz, Allgemeinwissen, Erfahrung, Rechenfähigkeit, logisches Denken). Zu den kristallinen kognitiven Leistungen zählten stark milieu-, bildungs- und übungsabhängige Leistungen, die als Manifestation des im Laufe des Lebens erworbenen Wissens gelten könnten und bis in das hohe Alter erhalten blieben (vgl. S. 25 f.). Das Schaubild auf S. 26 belegt einen fortlaufenden Zuwachs der kristallinen Intelligenz, zu dem auch die berufliche Erfahrung zählt, die - wie ausgeführt - grundsätzlich honorierbar ist.

Aus der nur vorgelegten Zusammenfassung des Artikels von Josef Reindl, Die Abschaffung des Alters: Eine Kritik des optimistischen Alternsparadigmas, Leviathan, 2009, S. 160 ff., ergibt sich, dass es um die „Vorbereitung“ der „längeren Vernutzung der älteren Arbeitskraft“ geht. Eine Auseinandersetzung mit der hier maßgeblichen Frage, ob und wie lange sich längere Dienstzeiten als Berufserfahrung leistungssteigernd im Sinne einer besseren Verrichtung der Arbeit auswirken, ist hingegen nicht erkennbar.

Bei der angegebenen Quelle „Timothy A. Salthouse, http://www.neurobiologyofaging.org/article/S0197-4580(09)00021-9/abstract“ handelt es sich um eine neurobiologische Studie mit dem Titel „When does age-related cognitive decline begin?“. Darin wird festgestellt: „… converge on a conclusion that some aspects of age-related cognitive decline begin in healthy educated adults when they are in their 20s an 30s.“ Dem Artikel ist demnach nur zu entnehmen, dass der altersbedingte Abbau kognitiver Fähigkeiten in einigen Aspekten schon in den 20iger oder 30iger Lebensaltersphasen beginnen. Eine Aussage zur Auswirkung von Berufserfahrung findet sich dort dagegen nicht.

Im Auftrag der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat Dr. Sergei A. Schapkin im Jahr 2012 den Abschlussbericht „Altersbezogene Änderungen kognitiver Fähigkeiten - kompensatorische Prozesse und physiologische Kosten“ erstellt. Er hatte die Gruppen von 60 Erwerbstätigen im Alter von 20 bis 35 Jahren und 50 Erwerbstätigen im Alter von 50 bis 65 Jahren - also unterschiedlich große Vergleichsgruppen - in seiner Studie auf dem Gebiet der Experimentalpsychologie gegenübergestellt und deren kognitive Leistungsfähigkeit bei flexiblen und routinierten Arbeitsanforderungen verglichen. Er hatte dabei allein auf das Lebensalter und die damit einhergehenden Veränderungen der biologischen Leistungsfähigkeit abgestellt und festgestellt, dass die Plastizität älterer Erwerbstätiger wohl hinreichende Kompensationsmöglichkeiten bieten würden, um altersbezogene Leistungsdefizite zumindest teilweise auszugleichen. Eine Aussage zum Einfluss der Berufserfahrung auf die Befähigung zur Erfüllung ihrer beruflichen Aufgaben trifft diese Studie hingegen nicht. Überdies betrifft die Altersphase 50 bis 65 Jahre einen Zeitraum, der im Regelfall ganz überwiegend außerhalb des Erfahrungszeitraums nach dem Erfahrungsstufensystem liegt. Aus diesen Gründen ist dieser Abschlussbericht unergiebig für den hiesigen Fall.

Für das „Working Paper“ von Vegard Skirbekk aus dem Jahr 2003 mit dem Titel „Age and Individual Productivity: A Literature Survey“ gilt erst Recht, dass es keine tiefergehenden Begründungspflichten des niedersächsischen Gesetzgebers auslösen konnte. Denn insofern handelt es sich nur um ein Arbeitspapier für das Max-Planck-Institut, nicht jedoch um eine Studie dieses Instituts. Zudem kommt Skirbekk in seiner Zusammenfassung zu dem Ergebnis, dass ältere Individuen, die arbeiteten, wahrscheinlich eine höhere Produktivität hätten als solche, die aufgehört hätten zu arbeiten (S. 19: „A general problem with estimates of age and productivity ist that older individuals who remain in the workforce are likely to be positively selected and have a higher productivity than those who leave the workforce, which could create an upwards bias in the estimates.“). Er hat zwar festgestellt, dass „in general, the evidence suggest that productivity tend to follow an inverted U-shaped profile, where significant decreases take place around 50 years of age“. Nach seiner Auffassung nimmt ab einem Lebensalter um die 50 Jahre die Leistungsfähigkeit merklich ab. Zugleich hat er aber ausgeführt: „The decreased cognitive abilities of older workers can lead to lower productivity, unless their longer experience und higher levels of job knowledge outweighs the declines in mental abilities“ (S. 7). Damit hat er anerkannt, dass längere Berufserfahrung an sich einen leistungssteigernden Faktor darstellt. Auch dieses Arbeitspapier trifft eine Aussage zu einer Entwicklung ab einem Lebensalter „um die 50“, mithin für eine Altersphase, die im Regelfall außerhalb des Erfahrungszeitraums nach dem Erfahrungsstufensystem liegt, und ist insoweit unergiebig.

Die Broschüre des Statistischen Bundesamtes „Verdienste auf einen Blick“ aus dem Jahr 2017 ist erst nach der Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts ergangen und konnte schon deshalb dem Gesetzgeber keine Anhaltspunkte für weitere Untersuchungen liefern. Zudem zeigt sie unter 2.1.2 die Verdienstunterschiede zwischen jungen und älteren Arbeitnehmern anhand des durchschnittlichen Bruttostundenverdienstes auf. Es heißt dort unter Bezugnahme auf nicht benannte wissenschaftliche Studien, dass die Produktivität mit steigendem Alter zunehme. Mit zunehmenden Alter entwickele sich neben dem Aufbau von Spezialwissen, Erfahrung, Teamarbeit und die Fähigkeit, in schwierigen Situationen richtig zu handeln (S. 20). Erfahrung wird damit als leistungssteigernd anerkannt.

Soweit in den vorgenannten wissenschaftlichen Untersuchungen, Stellungnahmen und Statistiken teilweise die altersbedingte Rückentwicklung der sensorischen Leistungsfähigkeit (Seh- und Hörvermögen, Tast-, Geruchs- und Geschmackssinn), der körperlichen Leistungsfähigkeit (Muskelkraft, Beweglichkeit, Schnelligkeit, Ausdauer) und der flüssigen kognitiven Leistungen (Informationsverarbeitungstempo, Konzentration) thematisiert worden ist, sind das keine Anhaltspunkte, die geeignet sind, ernstliche Zweifel daran aufkommen lassen, dass das niedersächsische Erfahrungsstufensystem nicht zur Honorierung von Berufserfahrung geeignet ist. Dabei kann dahinstehen, wann und in welchem Umfang solche Leistungsfähigkeiten abnehmen (vgl. zur abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit: EuGH, Urteil vom 12.1.2010 - C-229/08, Wolf -, juris Rn. 41) und inwieweit Kompensationsmöglichkeiten beispielsweise durch Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte, gezieltes Training und vor allem aufgrund von zunehmender Berufserfahrung, die Weitblick, Gelassenheit, Spezialwissen und Routine mit sich bringt, bestehen. Die biologisch bedingte Abnahme der Leistungsfähigkeit mit höherem Lebensalter ist von der sich aus der Berufserfahrung ergebenden Fähigkeit, seine Arbeit besser verrichten zu können, zu unterscheiden. Ein Besoldungssystem, das ausschließlich das Lebensalter - und die damit einhergehende biologische Leistungsfähigkeit - berücksichtigte, stellte eine unzulässige unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters dar (vgl. dazu B.I.2. zu §§ 27, 28 BBesG a. F.). Dies spricht ferner dagegen, dass innerhalb eines an der Länge der Dienstzeit ausgerichteten Besoldungssystems wie dem niedersächsischen Erfahrungsstufensystem eine Gegenrechnung der abnehmenden körperlichen Leistungsfähigkeit im Lebensalter gegen die während des Dienstalters fortlaufend hinzugewonnene honorierbare Berufserfahrung zu erfolgen hat. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber - wie dargelegt - einen weiten Gestaltungs- und Ermessensspielraum. Dieser Gestaltungsspielraum schließt grundsätzlich die Befugnis zur Generalisierung, Pauschalierung und/oder Typisierung mit ein. Dem Gesetzgeber steht es im Besonderen frei, aus der Vielzahl der Lebenssachverhalte die Tatbestandsmerkmale auszuwählen, die für die Gleich- oder Ungleichbehandlung maßgebend sein sollen. Ihm muss zugestanden werden, auch das gesamte Besoldungsgefüge und übergreifende Gesichtspunkte in den Blick zu nehmen. Eine Pflicht, die vielfältigen Aspekte, die Einfluss auf die Leistungsfähigkeit (wie genetische Veranlagung, Ernährung, Bewegung, Schlaf, Einwirkung toxischer Substanzen, Bildungsstand, Schnelligkeit des Alterungsprozesses) zu berücksichtigen und einander gegenüber zu stellen, besteht für den Besoldungsgesetzgeber nicht. Es ist ihm unbenommen, auf die Länge der Dienstzeit pauschal für die jeweiligen Besoldungsgruppen abzustellen, ohne altersbedingte körperliche Veränderungen zu berücksichtigen. Die Länge der Dienstzeit belegt zunächst fortlaufend - wenn auch mit zunehmender Einarbeitung verlangsamt und bei niedrigeren Besoldungsgruppen früher endend - eine größere Berufserfahrung, die grundsätzlich zu besserer Verrichtung der Arbeit führt. Es mag sein, dass es sich dabei nicht um die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung handelt. Wie oben dargelegt, muss jede Regelung des Besoldungsrechts zwangsläufig generalisieren und typisieren und wird in der Abgrenzung unvermeidbare Härten mit sich bringen; sie wird insoweit vielfach unter irgendeinem Gesichtspunkt für die unmittelbar Betroffenen fragwürdig erscheinen. Die vielfältigen zu berücksichtigenden Gesichtspunkte werden nicht immer miteinander in Einklang zu bringen sein. Die sich daraus ergebenden Unebenheiten, Friktionen und Mängel sowie gewisse Benachteiligungen in besonders gelagerten Einzelfällen müssen hingenommen werden, sofern sich für die Gesamtregelung ein vernünftiger Grund anführen lässt. Den Gerichten obliegt deshalb nicht die Prüfung, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Es genügt, dass der Gesetzgeber eine von mehreren denkbaren sowie verfassungs- und europarechtlich zulässigen Lösungen wählt, also nicht die äußersten Grenzen überschritten hat, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen. Ein solcher Fall liegt - wie dargelegt - nach der Neuregelung des niedersächsischen Besoldungsrechts nicht mehr vor.

Der Einwand, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bei Auswahlentscheidungen das Dienst- und Lebensalter nicht zu den unmittelbaren leistungsbezogenen Auswahlkriterien gehöre, die der Bewerberauswahl für eine Beförderungsstelle zugrunde gelegt werden könnten (vgl. BVerwG, Urteil vom 28.10.2004 - BVerwG 2 C 23.03 -, juris Rn. 15; Urteil vom 15.6.2018 - BVerwG 2 C 19.17 -, juris Rn. 15) und dass Wartezeiten für die Vergabe eines Beförderungsamtes jedenfalls nicht länger sein dürften als der für eine Regelbeurteilung vorgesehene Zeitraum (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.3.2015 - BVerwG 2 C 12.14 -, juris), rechtfertigt keine andere Entscheidung. Richtig ist, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des erkennenden Senats bei Auswahlentscheidungen zunächst eine umfassende inhaltliche Auswertung der aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu erfolgen hat. Erst wenn danach Bewerber als im Wesentlichen gleich geeignet einzustufen sind, kann die zuständige Behörde auf andere leistungsbezogene Gesichtspunkte wie zum Beispiel die dienstliche Erfahrung abstellen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 21.12.2016 - 5 ME 151/16 -, juris Rn. 23). Aus dieser Rechtsprechung ergeben sich indes keine Anhaltspunkte dafür, dass langjährige Erfahrungszeiten typischerweise nicht zu einer besseren Verrichtung der Arbeit führen. Das Bundesverwaltungsgericht hat vielmehr hervorgehoben, dass sich die durch ein höheres Dienstalter typischerweise zum Ausdruck kommende umfassendere Berufserfahrung schon in der Beurteilung des Beamten selbst positiv niederschlagen werde, so dass sie nicht darüber hinaus auch noch als unmittelbares Primärkriterium bei Auswahlentscheidungen heranzuziehen wäre (BVerwG, Urteil vom 15. Juni 2018 - BVerwG 2 C 19.17 -, juris Rn. 15).

Soweit ferner vorgetragen wird, schon aus der Lebenserfahrung ergebe sich, dass sich die Zunahme der Berufserfahrung irgendwann erschöpfe, folgt der Senat dem nicht. Er ist vielmehr der Ansicht, dass bis zum letzten Tag der beruflichen Tätigkeit immer weiter Berufserfahrungen, die sich im Regelfall leistungsfördernd auswirken können, gesammelt werden können. Dies mag bei höheren Besoldungsgruppen stärker ausgeprägt der Fall sein als bei niedrigeren Besoldungsgruppen. Allein aufgrund der im Berufsalltag fortlaufend eintretenden Veränderungen wie beispielsweise gegenwärtig der Digitalisierung, gibt es aber für alle Bereiche des öffentlichen Dienstes in seinen verschiedenen Laufbahnen die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln und zukünftig in vielfältiger Weise in den Dienst mit einzubringen. Zudem kann die Routine, also die Fähigkeit, eine häufig verrichtete Arbeit schneller und effektiver auszuüben, ständig optimiert werden, so dass sie und damit die Leistungsfähigkeit unbegrenzt gesteigert werden kann.

Nach alledem haben für den Gesetzgeber im Jahr 2016 keine Anhaltspunkte dafür vorgelegen, dass die Dauer und Anzahl der einzelnen Erfahrungsstufen und die daraus resultierende Erfahrungszeit bis zum Erreichen der Endstufe der Besoldung nicht mehr eine zunehmende Berufserfahrung und eine bessere Verrichtung der Arbeit aufgrund dieser Erfahrung widerspiegeln. Er konnte deshalb davon ausgehen, dass Dienstzeit und zu besserer Verrichtung der Arbeit befähigende Berufserfahrung Hand in Hand gehen und zumindest längerfristig zu besseren Leistungen führen.

In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, indem der Gesetzgeber die ihm obliegenden prozeduralen Anforderungen in Form von Begründungs-, Überprüfungs- und Beobachtungspflichten beachtet hat, hat er damit zugleich den sich aus § 22 AGG abzuleitenden Darlegungs- und Beweisanforderungen dafür, dass eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG gerechtfertigt bzw. im Sinne des § 3 Abs. 2, 2. Halbsatz AGG zulässig ist, genügt.

III. Der Kläger hat für den Zeitraum ab 1. September 2011 keinen Anspruch gegen die Beklagte nach den Grundsätzen des unionsrechtlichen Haftungsanspruches, weil es an einem qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht mangelt. Wie ausgeführt, fehlt es bereits an einer unzulässigen Ungleichbehandlung des Klägers wegen seines Alters (vgl. Art. 6 Richtlinie 2000/78/EG).

D. Hat der Kläger in der Sache keinen Zahlungsanspruch gegen die Beklagte, kann er auch Prozesszinsen nach §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht beanspruchen.

E. Aus den vorstehenden Erwägungen folgt ferner, dass die Feststellungsklage unbegründet und daher abzuweisen ist.

F. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO, § 63 Abs. 3 BeamtStG, § 127 BRRG liegen nicht vor. Auch wenn der Senat hinsichtlich des Beginns der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nicht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt, wonach die Rechtslage zur Frage der Altersdiskriminierung des damaligen Besoldungssystems bereits durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 (- C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai -) hinreichend geklärt worden sei mit der Folge, dass die Ausschlussfrist mit Ablauf des 8. November 2011 geendet habe (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - BVerwG 2 C 3.13 -, juris Rn. 53), und nunmehr der Überzeugung ist, dass eine solche Klärung erst durch die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (- C-501/12, Specht -, juris) erfolgt ist, so dass die Ausschlussfrist erst mit Ablauf des 19. August 2014 geendet hat, liegt keine Divergenz vor. Denn Divergenz setzt gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO neben dem Abweichen von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts voraus, dass das Urteil auf dieser Abweichung beruht. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat erstmalig mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz schriftlich geltend gemacht und damit sowohl nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der des Senats die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG nicht gewahrt.

Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zuzulassen. Der Senat hat zwar die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG sowie den in § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG geregelten Fristbeginn nicht als disponibel für Dienstherrn durch (Personalrund-)Schreiben erachtet; diese Frage ist im vorliegenden Verfahren indes nicht entscheidungserheblich. Auch bei der Annahme, dass Dauer und Beginn dieser Frist durch ein Handeln des Dienstherrn verändert werden könnten, hätte die Beklagte mit ihren Personalrundschreiben eine solche Veränderung nicht vorgenommen. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil in der Sache Specht (- C-501/12 -, juris) vom 19. Juni 2014 erstmalig die altersdiskriminierende Besoldung nach §§ 27, 28 BBesG a. F. festgestellt. Dieses Urteil stellt eine Zäsur dar, so dass davor ergangene Personalrundschreiben unbeachtlich sind. Der Kläger hat nach Verkündung dieses Urteils, nämlich mit Schreiben vom 15. Dezember 2014, eine Entschädigung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz beantragt. Erst nach Eingang dieses Schreibens hat die Beklagte ihre Mitarbeiter mit Personalrundschreiben Nr. 19/14 vom 19. Dezember 2014 über das vorgenannte Urteil des Europäischen Gerichtshofs und die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Oktober 2014 (vgl. u. a. - BVerwG 2 C 3.13 und 2 C 6.13 -, juris) informiert. Ein solches nach Antragstellung ergangenes Personalrundschreiben kann offensichtlich nicht eine rechtzeitige Antragstellung nach § 15 Abs. 4 AGG und damit die Wahrnehmung von Entschädigungsansprüchen unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert haben. Es hat zudem keine Regelungen für bereits eingegangene Anträge auf Entschädigung getroffen. Selbst wenn die Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Specht (- C-501/12 -, juris) am 19. Juni 2014 nicht als eine solche Zäsur angesehen werden sollte und folglich auch zeitlich davorliegende Personalrundschreiben der Beklagten zu berücksichtigen wären, hätten diese den Kläger nicht von einer effektiven Wahrnehmung seiner Entschädigungsansprüche abgehalten. Denn sie beziehen sich ausschließlich auf Besoldungs- und nicht auf Entschädigungsansprüche.