Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 22.12.2016, Az.: 4 LA 83/16

Befriedung; ethische Gründe; Gesamthandseigentum; Jagdausübung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
22.12.2016
Aktenzeichen
4 LA 83/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43402
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 11.02.2016 - AZ: 6 A 275/15

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ethische Gründe, auf die sich ein Anspruch auf Befriedung nach § 6a Abs. 1 Satz 1 BJagdG stützt, müssen bei einer im Gesamthandseigentum stehenden Grundfläche bei jedem der Gesamthandseigentümer vorliegen.

Tenor:

Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg - 6. Kammer - vom 11. Februar 2016 wird abgelehnt.

Die Kläger tragen die Kosten des Berufungszulassungsverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert des Berufungszulassungsverfahrens wird auf 10.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zuzulassen, hat keinen Erfolg. Denn die von ihnen geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor bzw. sind entgegen der Maßgabe des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht hinreichend dargelegt worden.

Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) zuzulassen.

Zur Darlegung dieses Zulassungsgrundes ist es erforderlich, dass der Zulassungsantragsteller im Einzelnen und unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung begründet, weshalb dieser Zulassungsgrund erfüllt ist. Dem ist nicht Genüge getan, wenn der Zulassungsantragsteller sich darauf beschränkt, die Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung allgemein oder unter Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens anzuzweifeln. Gefordert ist vielmehr, dass der Zulassungsantragsteller fallbezogen und substantiiert auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu den für die Entscheidung maßgeblichen Rechts- und Tatsachenfragen eingeht, deren Unrichtigkeit mit zumindest vertretbaren Erwägungen dartut und sich dazu verhält, dass und aus welchen Gründen die verwaltungsgerichtliche Entscheidung auf diesen - aus der Sicht des Zulassungsantragstellers fehlerhaften - Erwägungen beruht (Senatsbeschl. v. 18.12.2014 - 4 LA 41/14 -; 19.2.2014 - 4 LA 147/13 -; 22.10.2010 - 4 LA 294/10 -; 9.9.2009 - 4 LA 214/09 - und 8.5.2009 - 4 LA 68/08 - m.w.N.). Da der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf die Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung im Ergebnis abzielt, muss die Darlegung überdies auf die Richtigkeit des Ergebnisses ausgerichtet sein (BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4.03 -). Diesen Anforderungen an die Darlegung genügt der Zulassungsantrag nicht.

Die Kläger haben ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils damit begründet, dass das jagdrechtlich nach § 6 a BJagdG zu befriedende Grundstück entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts nicht im Miteigentum mehrerer Personen, sondern im Alleineigentum der Erbengemeinschaft als Gesamthandsgemeinschaft stehe. Eine Aufgliederung des Willens bzw. der Gewissensentscheidung sei daher nicht möglich; die Gewissensentscheidung des Klägers zu 1. sei prägend für die gesamte Erbengemeinschaft gewesen. Wäre er Alleineigentümer des Grundstücks gewesen, so wäre der Antrag positiv zu bescheiden gewesen, da die persönlichen ethischen Gründe bei ihm nach Ansicht des Verwaltungsgerichts vorgelegen hätten. Diese Auffassung vermag bereits deshalb keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu begründen, weil sie im Ansatz fehlgeht. Denn eine Erbengemeinschaft besitzt keine Rechtsfähigkeit (BGH, Urt. v. 11.9.2002 - XII ZR 187/00 -, NJW 2002, 3389; Beschl. v. 17.10.2006 - VIII ZB 94/05 -, NJW 2006, 3715; Löhning, in: Staudinger, Neubearbeitung 2016, BGB, § 2032 Rn. 4 f.). Daher kann sie auch kein Eigentum an dem zu befriedenden Grundstück haben. Gesamthänderisch gebundene Eigentümer sind vielmehr die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft. Davon abgesehen sind auch die Ausführungen der Kläger zu der Nichtaufgliederung der „prägenden Gewissenentscheidung des Klägers zu 1.“ für die Erbengemeinschaft nicht vertretbar. Denn diese Ausführungen setzen voraus, dass eine Erbengemeinschaft ein einheitliches Gewissen haben könnte. Dies ist indes nicht der Fall, weil eine Gewissensentscheidung auf höchstpersönlichen Überzeugungen fußt, die Ausdruck der individuellen moralischen Identität und Integrität sind (Mager, in: von Münch/Kunig, GG, 6. Aufl., Art. 4 Rn. 61; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 5. Aufl. Art. 4 Rn. 74). Solche Überzeugungen können nur natürliche Einzelpersonen, nicht aber Gemeinschaften aus mehreren natürlichen Personen und erst Recht nicht eine auf Auseinandersetzung angelegte Erbengemeinschaft haben.

Selbst wenn das Vorbringen der Kläger in erster Linie so zu verstehen gewesen sein sollte, dass sich die vom Verwaltungsgericht für beachtlich gehaltenen ethischen Überzeugungen des Klägers zu 1. trotz der gesamthänderischen Bindung des Eigentums durchsetzen und zu einer Befriedung des Grundstücks hätten führen müssen, genügt es nicht den Darlegungsanforderungen. Denn um das Ergebnis des verwaltungsgerichtlichen Urteils in Frage zu stellen, hätte zudem dargetan werden müssen, warum die vom Beklagten angenommenen Versagensgründe nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG nicht vorgelegen haben. Dies ist versäumt worden und war auch nicht entbehrlich, weil das Verwaltungsgericht diese Frage in seinem Urteil ausdrücklich hat dahinstehen lassen.

Im Übrigen bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, weil das Verwaltungsgericht zu Recht gefordert hat, dass jeder der Kläger als natürliche Person und Grundeigentümer nach § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG hätte glaubhaft machen müssen, dass er bzw. sie die Jagdausübung aus ethischen Gründen ablehnt. Dieses Verständnis folgt aus dem Wortlaut des § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG und der Schutzrichtung dieser Norm. Denn diese Norm ist zur Umsetzung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 26. Juni 2012 (- 9300/07 - Herrmann/ Deutschland, NJW 2012, 3629) erlassen worden und dient der Berücksichtigung subjektiver Einstellungen des jeweiligen Grundstückseigentümers zur Jagd, um einer unverhältnismäßigen Belastung des Eigentums durch die Zwangsmitgliedschaft in einer Jagdgenossenschaft entgegenzuwirken (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Änderung jagdrechtlicher Vorschriften v. 21.12.2012, BR-Drs. 812/12, S. 6). Daher müssen die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG in Fällen des Mit- oder Gesamthandseigentums bei jedem der Eigentümer vorliegen (BR-Drs. 812/12, S. 8 f.; Meyer-Ravenstein, AUR 2014, 124, 126; Schuck, BJagdG, 2. Aufl., § 6a Rn. 26; Möller, Umweltrecht und Landnutzungsrecht, Band V Jagdrecht, Fischereirecht, 5. Aufl., § 6a BJagdG/ § 9 NJagdG, Ziff. 55.3a, S. 121).

Der Berufungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist ebenfalls nicht hinreichend dargelegt worden und liegt auch nicht vor.

Die Darlegung dieses Berufungsgrundes verlangt, die Rechts- oder Tatsachenfragen, die nur unter besonderen Schwierigkeiten zu beantworten sein sollen, konkret zu benennen und näher zu erläutern, aus welchen Gründen die Klärung dieser Fragen mit besonderen Schwierigkeiten verbunden sein soll und worin diese Schwierigkeiten konkret bestehen (Senatsbeschl. v. 4.2.2016 - 4 LA 4/16 -). Der Antragsteller muss zudem ausführen, warum aufgrund der besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache die Entscheidung auch anders hätte ausfallen können (Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124 a Rn. 209). Diese Anforderungen erfüllt die Begründung des Zulassungsantrags der Kläger nicht.

Die Kläger haben zunächst vorgetragen, dass sich besondere rechtliche Schwierigkeiten daraus ergeben, dass „Entscheidungen hinsichtlich der Bewertung von Gewissensentscheidungen im Sinne von § 6 a Abs. 1 Satz 1 Bundesjagdgesetz bezogen auf eine Erbengemeinschaft nicht vorliegen“ und dass der Gesetzgeber diesen Fall nicht berücksichtigt habe. Diese Auffassung vermag besondere rechtliche Schwierigkeiten deshalb nicht zu begründen, weil sie unrichtig ist. Der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung nämlich ausdrücklich darauf Bezug genommen, dass im Falle von Mit- oder Gesamthandseigentum mehrerer natürlicher Personen der Antrag von allen Eigentümern gestellt und begründet sein muss (BR-Drs. 812/12, S. 8). Rechtlich nicht nachvollziehbar ist der weitere Vortrag der Kläger zum „Grundeigentum der Erbengemeinschaft“ und zu ihrer von der Überzeugung eines einzelnen Mitglieds geprägten Gewissensentscheidung. Dies wurde bereits ausgeführt. In der Sache bereitet die Auslegung der gesetzlichen Regelung des § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG, die ausdrücklich Eigentum einer natürlichen Person fordert und dem einzelnen Grundeigentümer die Glaubhaftmachung seiner ethischen Gründe für die Ablehnung der Jagdausübung auferlegt, keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten. Denn es ist unzweifelhaft und wird in der Gesetzesbegründung klargestellt, dass bei mehreren Eigentümern die jeweilige natürliche Person, in deren Mit- bzw. Gesamthandseigentum das Grundstück steht, von § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG gemeint ist.

Besondere tatsächliche Schwierigkeiten haben die Kläger daraus hergeleitet, dass „für den Fall der Bejahung der Gewissensentscheidung“ die sonstigen Versagungsgründe nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG einer weitergehenden Aufklärung bedurft hätten, wie das Verwaltungsgericht es in der angefochtenen Entscheidung dargelegt habe. Davon abgesehen, dass dies den Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Urteils nicht zutreffend wiedergibt, weil das Verwaltungsgericht lediglich darauf hingewiesen hat, dass „der Beklagte diese von den Klägern in Abrede gestellten Angaben nicht überprüft, sondern sie ohne weitere Nachforschungen in seinen Bescheid übernommen“ habe, ist die Darlegung des Berufungszulassungsgrundes schon deshalb nicht hinreichend, weil Ausführungen dazu, wieso die Entscheidung im Ergebnis auch anders hätte ausfallen können, fehlen. Im Übrigen ist weder dargetan worden noch ersichtlich, wieso die aus Sicht des Verwaltungsgerichts entbehrliche Prüfung der Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG in tatsächlicher Hinsicht besondere Schwierigkeiten bereiten soll.

Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen. Denn die Kläger haben diesen Zulassungsgrund ebenfalls nicht hinreichend dargelegt.

Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 29.4.2014 - 4 LA 170/13 -, 16.1.2014 - 4 LA 29/13 -, 7.4.2011 - 4 LA 98/10 -, 8.10.2009 - 4 LA 234/09 - und 24.2.2009 - 4 LA 798/07 -; Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand 30. EL, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schneider/Bier, a.a.O., § 124 a Rn. 102 ff. m.w.N.). Die Darlegung der Klärungsbedürftigkeit erfordert regelmäßig eine Durchdringung der Materie und in diesem Zusammenhang eine Auseinandersetzung mit den Erwägungen des Verwaltungsgerichts, die verdeutlicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts dem Klärungsbedarf nicht gerecht wird (Eyermann, VwGO, 14. Aufl., § 124 a Rn. 72).

Diesen Darlegungsanforderungen ist deshalb nicht Genüge getan worden, weil die Kläger es versäumt haben, die Entscheidungserheblichkeit der von ihnen aufgeworfenen Frage, „ob zum Schutze der Gewissensfreiheit des Einzelnen bei einer Eigentümerstellung durch Gesamthandsgemeinschaft, nämlich Erbengemeinschaft, bereits die Gewissensfreiheit des einzelnen auslagen muss, um die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 Satz 1 BJagdG zu erfüllen“, hinreichend darzutun. Dafür hätten sie erläutern müssen, wieso die Gründe für eine Versagung der Befriedung nach § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG nicht vorgelegen haben. Der Hinweis darauf, dass der Beklagte diese Gründe seiner Ermessensentscheidung nicht hinreichend zugrunde gelegt habe, geht fehl, weil § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG kein Ermessen einräumt. Der weitere Hinweis darauf, dass das Verwaltungsgericht der Auffassung gewesen sei, dass es einer weiteren Sachaufklärung bedurft hätte, ist - wie bereits erläutert - unzutreffend. Vielmehr kam es aus Sicht des Verwaltungsgerichts auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 6 a Abs. 1 Satz 2 BJagdG vorgelegen haben, gar nicht an.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).