Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 14.12.2016, Az.: 1 MN 82/16

Antragsbefugnis; Gewerbegebiet; interkommunales Abstimmungsgebot; Konkurrenz; Nachbargemeinde

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
14.12.2016
Aktenzeichen
1 MN 82/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43353
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine interkommunale Abstimmung ist dann geboten, wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise nachteilig betroffen werden (Anschluss an BVerwG, Urt. v. 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25 [34]). Hierfür ist erforderlich, dass die Auswirkungen die städtebauliche Ordnung der Nachbargemeinde berühren und dass sie ein gewisses Maß erreichen.

Die Ausweisung von Gewerbe und Industriegebieten, die nicht dem großflächigen Einzelhandel geöffnet sind, berührt im Normalfall keine nachbargemeindlichen Belange. Erst dann, wenn die nachbargemeindlichen Planungen beispielsweise dazu führen, dass bereits ansässige Betriebe trotz zumutbarer Entwicklungsmöglichkeiten in nennenswerter Zahl abwandern oder wenn die Konkurrentin ein Dumping betreibt, das natürliche Standortvorteile der beschwerten Gemeinde aufhebt, ist die Grenze der Abwägungsrelevanz überschritten.

Die Tatsache, dass ein nicht unerheblicher Teil des Zu- und Abgangsverkehrs eines Gewerbegebiets über das Straßennetz in der Nachbargemeinde abgewickelt wird, in Verbindung mit der pauschalen Behauptung, dadurch könnte die Leistungsfähigkeit dieser Straßen eingeschränkt werden, genügt zur Darlegung der Antragsbefugnis nicht.

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird auf 30.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Die antragstellende Stadt wendet sich gegen die Festsetzung eines Gewerbe- und Industriegebiets durch ihre Nachbargemeinde, da sie bei dessen Ausnutzung negative Auswirkungen auf die Entwicklung eigener Gewerbeflächen sowie zusätzliche Verkehrsbelastungen fürchtet.

Die Antragstellerin ist eine im Landesraumordnungsprogramm als Mittelzentrum ausgewiesene, zum Landkreis Oldenburg gehörende Stadt mit etwas über 19.000 Einwohnern. Die Antragsgegnerin ist eine dem Landkreis Vechta angehörige, im Südwesten der Antragstellerin gelegene Gemeinde mit gut 9.500 Einwohnern. Ihr war im mittlerweile außer Kraft getretenen Regionalen Raumordnungsplan des Landkreises Vechta die Funktion eines Grundzentrums eingeräumt worden. Die Kernorte der Antragstellerin und der Antragsgegnerin sind durch die L 873 miteinander verbunden.

Am 14.1.2014 beschloss der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung des angegriffenen Bebauungsplans. Vom 26.2. bis 26.3.2014 führte die Antragsgegnerin die frühzeitige Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung, vom 25.3. bis 27.4.2015 und nochmals vom 3.8. bis 3.9.2015 die öffentliche Auslegung und Behördenbeteiligung nach § 4 Abs. 2 BauGB durch. Die Antragsgegnerin machte in allen Beteiligungsverfahren Bedenken gegen die Planung geltend. Am 8.10.2015 beschloss der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan als Satzung; nach Ausfertigung des Plans am 3.3.2016 machte die Antragsgegnerin den Satzungsbeschluss am 7.3.2016 in der Oldenburgischen Volkszeitung und durch Aushang bekannt.

Das Plangebiet umfasst eine Gesamtfläche von ca. 39 ha an der L 873, unmittelbar an der Grenze zur Antragsgegnerin; von der Ortsmitte der Antragsgegnerin ist die Fläche ca. 2 km, von der der Antragstellerin ca. 6 km entfernt. Davon entfallen rund 26 ha auf Industrie- und Gewerbegebiete, der Rest auf Verkehrs-, Grün- und Ausgleichsflächen sowie Regenrückhaltebecken. In den Industrie- und Gewerbegebieten sind u.a. Einzelhandels- und Störfallbetriebe ausgeschlossen. Ferner enthält der Plan Festsetzungen zum Lärmschutz. Eine im Rahmen der Planaufstellung eingeholte verkehrstechnische Untersuchung der Firma itap vom 7.1.2015 kommt zu dem Ergebnis, dass das Plangebiet unter Zugrundelegung von nach einem Hinweispapier der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) prognostizierten Beschäftigtenzahlen Verkehre auf der L 873 von und nach A. im Umfang von zusammen 1610 Kfz/24h, davon 290 LKW, generieren werde. Lege man hinsichtlich der Beschäftigtenzahlen realistischere Erfahrungswerte aus den vorhandenen B. Gewerbegebieten zugrunde, ergäben sich 800 Kfz/24h, davon 130 LKW. Die derzeitige Verkehrsbelastung beträgt ca. 4700 Kfz/24h, davon ca. 700 LKW. Zur Herleitung des Flächenbedarfs beruft sich die Antragsgegnerin in der Planbegründung, darauf, dass von 2002 bis 2013 jährlich 5 ha Gewerbeflächen durch neue sowie bereits ortsansässige Unternehmen in Anspruch genommen worden und nur noch ca. 3,4 ha verfügbar seien. Bis 2030 ergebe sich mithin unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlags von 10 ha ein Flächenbedarf von 90 ha. Der Standort sei aufgrund verschiedener Faktoren, die eine Gewerbeflächenausweisung im Süden (landwirtschaftliche Hofstellen), Südosten, Osten und Nordwesten (Schutzkreise von Sauergasbohrstellen) und Norden/Nordwesten (FFH-, Natur- und Landschaftsschutzgebiete) ausschlössen, gewählt worden.

Die Antragstellerin hat am 26.6.2016 einen Normenkontrollantrag (Az. 1 KN 81/16) und den vorliegenden Normenkontrolleilantrag gestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, ihre Antragsbefugnis ergebe sich aus einer möglichen Verletzung des § 2 Abs. 2 BauGB. Die Ausweisung des Gewerbegebietes stehe in einem deutlichen Missverhältnis zur Funktion der Antragsgegnerin als Grundzentrum. Die Antragstellerin stehe aktuell mit zwei Nachbargemeinden in einem Prozess zur Ausweisung von neuen interkommunalen Gewerbe- und Industrieflächen. Außerdem werde subsidiär die Realisierung eines Gewerbe- und Industriegebietes im Bereich der BAB-Ausfahrt vorangetrieben. Am Westrand ihres Stadtgebietes plane sie auf rund 200 ha im Rahmen der städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme „E.“ Wohn-, gewerbliche und gemischte Bauflächen einschließlich deren Infrastruktur. Der Plan könne auf diese Vorhaben negative Auswirkungen haben. Der Anschluss des Plangebiets an das Autobahnnetz erfolge über Straßen in ihrem Gemeindegebiet, die eine deutliche Mehrbelastung erfahren würden. Insbesondere die Leistungsfähigkeit der Gemeindestraßen A. Bauernschaften und/oder Westring könnte eingeschränkt werden. Auch der zu erwartende Individualverkehr werde über ihr Verkehrsnetz abgewickelt werden müssen, da das Plangebiet nicht an den ÖPNV angebunden sei.

Der Antrag sei auch begründet. Das Plangebiet liege an einem städtebaulich nicht integrierten Standort, ohne dass sich hierfür rechtfertigende Gründe erkennen ließen; die bisherige Gewerbeentwicklung der Antragsgegnerin habe sich nach Südwesten orientiert. Die Planung widerspreche damit Leitvorstellungen des Raumordnungsgesetzes und Vorgaben des Landesraumordnungsprogramms (LROP) 2012 sowie des regionalen Raumordnungsprogramms des Landkreises Vechta, das trotz seines Außerkrafttretens noch in der Abwägung habe Berücksichtigung finden müssen. Es widerspreche ferner dem Plansatz 2.2 (03) des LROP 2012, indem es den Versorgungsauftrag der Antragstellerin zur Sicherung von Arbeitsstätten in ihrem mittelzentralen Verflechtungsbereich gefährde. Es bestehe die Gefahr, dass Unternehmen aus ihrem Stadtgebiet wegen günstigerer Grundstückspreise ins Plangebiet abwanderten. Die geplanten Gewerbeflächen gingen erheblich über den Eigenbedarf der Antragsgegnerin hinaus; deren Trendprognose sei unzulänglich. Das Regionale Raumordnungsprogramm weise der Antragsgegnerin eine besondere Erholungsfunktion zu, die durch die Planung eines Gewerbegebietes „auf der grünen Wiese“ beeinträchtigt werde. Das interkommunale Abstimmungsverfahren werde § 2 Abs. 2 BauGB nicht gerecht; auf ihre Einwendungen sei in der Abwägung nicht bzw. nur sehr pauschal und indirekt eingegangen worden. Die Planung genüge auch naturschutzfachlichen Anforderungen nicht. Beeinträchtigungen des Landschaftsbildes würden durch die vorgesehene Eingrünung nicht hinreichend kompensiert. Naturschutzgebiete um Varnhorn könnten durch erhöhte Grundwasserentnahme leiden, die Bodenversiegelung habe ebenfalls nachteilige Folgen auf den Wasserhaushalt. Es fehle eine FFH-Verträglichkeitsprüfung mit Blick auf das benachbarte FFH-Gebiet „Bäken der Endeler- und Holzhauser Heide“. Lebensraum verschiedener Vögel ginge verloren.

Die Antragstellerin beantragt,

den Bebauungsplan Nr. 87 „Gewerbegebiet A. Straße“ bis zur abschließenden Entscheidung über den Normenkontrollantrag außer Vollzug zu setzen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie hält die Antragstellerin für nicht antragsbefugt. Auf § 2 Abs. 2 BauGB könne sich eine Nachbargemeinde nur berufen, wenn sie unmittelbare, nicht nur geringfügige städtebauliche Auswirkungen auf ihr Gemeindegebiet geltend machen könne. Dem werde der Vortrag der Antragstellerin nicht gerecht; dieser beschränke sich auf die Bezeichnung vager Befürchtungen, ohne diese zu substantiieren. In der Sache sei eine Erheblichkeit der geltend gemachten Beeinträchtigungen fernliegend. Der Antrag sei auch unbegründet. Ziele der Raumordnung verletze der Plan nicht. Der von der Antragstellerin geforderten FFH-Verträglichkeitsprüfung habe es nicht bedurft; bei den meisten planbedingt ermöglichten Nutzungen seien Auswirkungen auf das FFH-Gebiet ausgeschlossen, im Übrigen könne die FFH-Prüfung sinnvoll erst im Rahmen der Vorhabenzulassung vorgenommen werden. Abwägungsfehler lägen nicht vor.

II.

Der Antrag ist unzulässig, da der Antragstellerin die Antragsbefugnis (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO) fehlt.

Erforderlich, aber auch ausreichend für die Antragsbefugnis ist, dass der Antragsteller hinreichend substantiiert Tatsachen vorträgt, die es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass er durch die Festsetzungen des Bebauungsplans in einem subjektiven Recht verletzt wird. Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es grundsätzlich auf die Darlegungen des Antragstellers im Normenkontrollverfahren an. Allerdings ist die Antragsbefugnis nicht schon dann zu bejahen, wenn solche Tatsachen im gerichtlichen Verfahren behauptet werden und der Vortrag in Bezug auf den geltend gemachten Abwägungsfehler schlüssig ist. Zwar ist die Prüfung der Antragsbefugnis nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen und darf nicht in einem Umfang und einer Intensität erfolgen, die einer Begründetheitsprüfung gleichkommt. Das Normenkontrollgericht ist insbesondere nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Andererseits muss es widerstreitendes Vorbringen des Antragsgegners, auf dessen Grundlage sich die maßgeblichen Tatsachenbehauptungen in der Antragsschrift als offensichtlich unrichtig erweisen, nicht ausblenden, sondern kann auf der Grundlage des wechselseitigen Schriftverkehrs darüber befinden, ob es einen abwägungserheblichen Belang des Antragstellers geben kann (vgl. zum Ganzen BVerwG, Beschl. v. 10.7.2012 - 4 BN 16.12 -, BauR 2012, 1771 = BRS 79 Nr. 61 m.w.N.).

Wird, wie hier, das Recht einer Nachbargemeinde auf gerechte Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) bzw. interkommunale Abstimmung (§ 2 Abs. 2 BauGB) geltend gemacht, so ist erforderlich, dass sie hinreichend substantiiert einen Belang spezifiziert, der in die interkommunale Abstimmung einzubeziehen gewesen wäre; inwieweit die Behandlung dieser Belange dem interkommunalen Abstimmungsgebot genügt, ist i.d.R. der Begründetheitsprüfung vorbehalten.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist eine verfahrensmäßig-formelle und eine materiell-inhaltliche Abstimmung nach den zum Abwägungsgebot entwickelten Grundsätzen geboten, wenn nachbargemeindliche Belange in mehr als geringfügiger Weise nachteilig betroffen werden (BVerwG, Urt. v. 17.9.2003 - 4 C 14.01 -, BVerwGE 119, 25 = juris Rn. 21). Das ist nicht erst dann der Fall, wenn eine hinreichend bestimmte Planung nachhaltig gestört wird oder wesentliche Teile des Gemeindegebietes einer durchsetzbaren Planung der Gemeinde entzogen werden (BVerwG, Urt. v. 8.9.1972 - 4 C 17.71 -, BVerwGE 40, 323 = juris Rn. 38; Urt. v. 15.12.1989 - 4 C 36.86 -, BVerwGE 84, 209 = juris Rn. 32). Allerdings ist erforderlich, dass die Auswirkungen die städtebauliche Ordnung der Nachbargemeinde berühren und dass sie ein gewisses Maß erreichen.

Gemessen hieran hat die Antragstellerin keine Belange substantiiert, die die Antragsgegnerin in ihre Abwägung hätte einbeziehen müssen.

1. Dies gilt zunächst, soweit die Antragstellerin sich auf eine Störung eigener Planungen zur Schaffung von Gewerbegebieten beruft. Die Ausweisung von Gewerbe- und Industriegebieten, die nicht dem großflächigen Einzelhandel geöffnet sind, berührt im Normalfall keine nachbargemeindlichen Belange. Anders als der Einzelhandel benachbarter Kommunen tritt deren produzierendes Gewerbe nicht zwangsläufig in eine Konkurrenz, die die städtebaulichen Strukturen der einen oder der anderen nachteilig beeinflussen könnte. Vielmehr kann sogar das Vorhandensein bestimmter Betriebe weitere Betriebe, z.B. Zulieferer, in die Region locken. Etwas anderes kann allenfalls dann gelten, wenn besondere Umstände die Prognose zulassen, dass die Standortpolitik einer Gemeinde - hierzu gehört neben deren Bauleitplanung auch die Vermarktungsstrategie für ihre Flächen - berechtigte Erwartungen der Nachbargemeinde in den Erfolg ihrer eigenen Standortpolitik vereiteln wird. Dabei ist freilich zu berücksichtigen, dass es keine berechtigte Erwartung einer Gemeinde sein kann, ihre eigene Ansiedelungspolitik in einem gleichsam konkurrenzfreien Umfeld zu verwirklichen; anderenfalls wäre jede Bauleitplanung – sei es für Wohn-, sei es für Gewerbeflächen – mit einer unüberschaubaren Anzahl interkommunaler Rücksichtnahmepflichten belastet. Erst dann, wenn die nachbargemeindlichen Planungen beispielsweise dazu zu führen drohen, dass bereits ansässige Betriebe trotz zumutbarer Entwicklungsmöglichkeiten in nennenswerter Zahl abwandern oder wenn die Konkurrentin ein „Dumping“ betreibt, das natürliche Standortvorteile der beschwerten Gemeinde aufhebt, ist die Grenze der Abwägungsrelevanz überschritten.

Genau eine solche Wirkung des angegriffenen Bebauungsplans macht zwar die Antragstellerin geltend. Sie trägt jedoch keine Indizien vor, die ihre Befürchtung plausibel stützen könnten. Letztlich sind die einzigen Indizien, die sie geltend macht, die Größe des Gewerbegebietes und dessen Lage an der Grenze zu ihrem eigenen Gemeindegebiet. Zur Lage des Gebietes trägt die Antragstellerin allerdings selbst vor, diese sei an das überörtliche Verkehrsnetz wesentlich schlechter angebunden als ihre eigenen Gewerbeflächen; dass auch die Anbindung an die Ortslage der Antragstellerin schlechter ist als diejenige ihrer eigenen Flächen, liegt auf der Hand. Die Größe des Gebietes ist mit 26 ha zwar für eine Gemeinde von knapp 10.000 Einwohnern nicht ganz unerheblich, erreicht jedoch keine Dimensionen, aus denen allein die Sorge abgeleitet werden könnte, das Gebiet sei auf den Zuzug von Unternehmen aus Nachbargemeinden ausgerichtet und werde entsprechend aggressiv vermarktet werden. Dies gilt umso mehr unter Berücksichtigung des unwidersprochen gebliebenen Vortrags der Antragsgegnerin, der Bedarf allein der ortsansässigen Betriebe und der Neugründungen durch Ortsansässige sei auch in den Jahren von 2002 bis 2013 im Mittel um 5 ha pro Jahr gewachsen, Zuwanderungen aus dem Stadtgebiet der Antragstellerin habe es - anders als Abwanderungen in dieses - nicht gegeben. Selbst wenn, wie die Antragstellerin geltend macht, die daraus abgeleitete Annahme der Antragsgegnerin, bis 2030 würden allein zur Befriedigung des „Eigenbedarfs“ 90 ha Gewerbeflächen benötigt, eine eher oberflächliche Trendprognose sein mag, läge die Annahme, jedenfalls für die Auffüllung weiterer 26 ha sei die Antragsgegnerin nicht auf Zuzug aus der Antragstellerin angewiesen, auf der sicheren Seite.

Sinngemäß gleiches gilt, soweit sich die Antragstellerin - was ihr nach § 2 Abs. 2 Satz 2, 1. Var. BauGB grundsätzlich möglich ist - auf die ihr durch das LROP 2012 zugewiesene Funktion als Mittelzentrum beruft. Zwar ist im Rahmen der Antragsbefugnis nicht abschließend zu klären, ob Plansatz 2.2 (03) ein Ziel der Raumordnung des Inhalts enthält, dass die Antragsgegnerin die Möglichkeit haben muss, Betriebe und Arbeitsplätze in einem bestimmten Umfang anzuziehen bzw. zu halten. Allerdings hat sie keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich schlüssig eine Gefährdung dieser Möglichkeit ergibt.

2. Auch mit Blick auf die Belastung ihres Straßennetzes hat die Antragstellerin nichts Hinreichendes für die Annahme eines in der interkommunalen Abstimmung erheblichen Belanges vorgetragen. Zwar kann eine planbedingte Verkehrszunahme im Gebiet einer Nachbargemeinde ein in der interkommunalen Abstimmung erheblicher Belang sein (vgl. nur die beispielhafte Aufzählung im Urt. d. BVerwG v. 8.9.1972 - IV C 17.71 -, BVerwGE 40, 323 = juris Rn. 45). Sie ist es freilich erst dann, wenn sie dort mit Blick auf die Kapazität bestimmter Straßen oder aber die zusätzliche Belastung schutzwürdiger angrenzender Nutzungen mit Lärm und Schadstoffen zu städtebaulich bewältigungsbedürftigen Nachteilen führt. Diese Nachteile müssen zur Begründung der Antragsbefugnis zwar nicht glaubhaft gemacht, aber zumindest substantiiert vorgetragen werden. Daran fehlt es hier. Die Antragstellerin hat lediglich pauschal geltend gemacht, der planbedingte Verkehr zur und von der BAB 1 werde unmittelbar über die Gemeindestraße A. Bauernschaft und/oder den Westring führen; dadurch „könnte“ die Leistungsfähigkeit dieser Straßen eingeschränkt werden. Dies ist bereits der Formulierung nach keine Behauptung derartiger Auswirkungen, geschweige denn eine substantiierte. Erst recht fehlt der Vermutung der Antragstellerin die Plausibilität angesichts des unwidersprochenen Gegenvortrags der Antragsgegnerin zur Gewichtsbeschränkung von 7,5 t auf der Straße A. Bauernschaft und zur Einstufung des Westringes als dem überörtlichen Verkehr gewidmete Landesstraße.

3. Zu Recht hat die Antragstellerin ihre Antragsbefugnis nicht auf Beeinträchtigungen ihres Landschaftsbildes gestützt, obgleich sie solche im Rahmen der Ausführungen zur Begründetheit geltend macht. Selbst wenn die Planung landschaftlich reizvolle Sichtbeziehungen aus dem Gebiet der Antragstellerin heraus stören würde, wäre dies nicht ohne weiteres ein Belang, auf den sich die Antragstellerin im Rahmen der interkommunalen Abstimmung berufen könnte (Söfker, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, § 2 Rn. 112a; OVG Magdeburg, Urt. v. 26.10.2011 - 2 K 10/10 -, juris Rn. 83). Besondere städtebauliche Planungen oder Gegebenheiten, die hier eine andere Sichtweise rechtfertigen könnten (beispielsweise touristische Nutzungen in diesem Bereich), hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Abgesehen davon ist nicht ansatzweise erkennbar, wie das Vorhaben aus der Blickperspektive der Antragstellerin das Landschaftsbild mehr als nur geringfügig beeinträchtigen könnte. Nach Osten wird das Plangebiet bereits im Ist-Zustand zu einem Gutteil durch ein vorhandenes Waldstück und baumbestandene Wallhecken, im Planzustand vollständig durch die 20 bis 130 m tiefe Maßnahmefläche MF 2, in der engmaschig Großbäume (Rot- und Hainbuchen, Trauben- und Stieleichen, Birken) und Sträucher zu setzen sind, abgeschirmt. Lediglich ein von Nordnordost sichtbarer, durch Wohnbebauung ohnehin vorbelasteter, 200 m langer Streifen entlang der L 873 sowie die aus dem äußersten Südwesten des Gemeindegebiets der Antragstellerin sichtbare und optisch bereits durch die Nachbarschaft eines Großstalls geprägte Südostflanke des Plangebiets werden „nur“ durch eine zu erhaltende Wallhecke abgeschirmt. Die Höhenbeschränkung von 10 bis maximal 18 m im Gewerbegebiet ist ersichtlich so gewählt, dass die Gebäude hinter den vorhandenen bzw. zu pflanzenden Großbäumen nahezu vollständig verschwinden werden.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO, §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).