Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 30.12.2016, Az.: 10 LA 69/16

Auseinandersetzung; Flurbereinigung; Fortgeltung; Gewohnheitsrecht; Landabfindung; Observanz; Rezess; Satzung; Separationsabgabe; Unterhaltungskosten; Wegeabgabe; Wegebaulast; Wegeunterhaltung; Wirtschaftsweg; Änderung

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
30.12.2016
Aktenzeichen
10 LA 69/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43374
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 31.08.2016 - AZ: 1 A 11/14

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Regelungen über die Unterhaltung von Wirtschaftswegen durch die politische Gemeinde in einem 1917 im ehemaligen preußischen Gebiet bestätigten Rezess können in Niedersachsen von der unterhaltungspflichtigen Gemeinde einseitig nur durch Satzung geändert oder aufgehoben werden.

2. Sofern die Unterhaltungskosten von Wirtschaftswegen überhaupt noch durch eine gesonderte "Wege- oder Separationsabgabe" refinanziert werden können, hat sich diese Abgabe weiterhin am Wert der Landabfindungen durch den Rezess und nicht an einem reinen flächenbezogenen Maßstab zu orientieren.

Tenor:

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - 1. Kammer - vom 31. August 2016 wird abgelehnt.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 22,90  EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.

Der Kläger wendet sich als Grundeigentümer dagegen, von der Beklagten gestützt auf einen Rezess zu den Unterhaltungskosten für gemeindliche Wirtschaftswege herangezogen zu werden.

Der in Rede stehende Rezess betrifft u.a. Flächen in der früheren politischen Gemeinde A. (damals Kreis Duderstadt und preußische Provinz Hannover). Die politische Gemeinde A. wurde Eigentümerin einer Vielzahl in ihrem Gebiet befindlicher und vom Rezess betroffener „öffentlichen und nicht öffentlichen Wege und Gräben einschließlich ihrer Zubehörungen“. Für die nicht öffentlichen Wege und Gräben wurde sie zudem unterhaltspflichtig. Dafür kann sie nach § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses die „Kosten der Unterhaltung, soweit sie nicht aus dem Erlös der … Nebennutzungen gedeckt werden können,“ von den Verkopplungsteilnehmern nach dem Verhältnis des Grundsteuerreinertrages der beteiligten Grundstücke „einziehen“. Die Teilungsurkunde wurde im März 1917 durch die damalige königliche Generalkommission für die Provinzen Hannover und Schleswig-Holstein ausgefertigt.

Die Beklagte, die seit der Gebietsreform zum Jahresbeginn 1973 Rechtsnachfolgerin der politischen Gemeinde A. ist, hat darauf verwiesen, dass der im Rezess als Maßstab vorgesehene Grundsteuerreinertrag bereits seit 1938 nicht mehr festgesetzt worden sei. Die Gemeinde A., die bis zum Jahresende 1972 zuständig gewesen sei, habe stattdessen bis zum Jahr 1964 auf den Einheitswert abgestellt. Aufgrund der dann folgenden Änderungen im Bewertungsrecht sei aber eine eindeutige Zuordnung des anteiligen Einheitswertes gemeindegrenz- und flurgebietsüberschreitender Grundstücke - wie hier - nicht mehr möglich gewesen. Ab dem Jahr 1980 habe sie, die Beklagte, daher auf die Grundstücksfläche als „Umlegungsmaßstab“ abgestellt; wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten vom 22. Dezember 1980 verwiesen.

Dementsprechend zog die Beklagte mit einem (von vormals mehreren) Bescheid vom 16. Dezember 2013 den Kläger als Eigentümer eines im ehemaligen Verfahrensgebiet gelegenen Grundstücks nach der anteiligen Grundstücksfläche für Wegeunterhaltungskosten der Jahre 2010 bis 2012 zu einem Betrag von 22,90 EUR heran.

Der gegen diesen Bescheid gerichteten Anfechtungsklage hat das Verwaltungsgericht Göttingen - 1. Kammer - durch Urteil vom 31. August 2016 stattgegeben. Rechtsgrundlage für die Geltendmachung der Unterhaltungskosten für die nicht öffentlichen Wege und Gräben in der Gemarkung A. sei § 9 des Rezesses. Die Regelung ermächtige die Beklagte zum Erlass von Kostenbescheiden und gelte bis heute. Die Beklagte sei „entsprechend § 313 Abs. 1 BGB“ berechtigt gewesen, anstelle des nicht mehr festgesetzten Grundsteuerreinertrages und des nicht eindeutigen anteiligen Einheitswertes an die Grundstücksfläche als Maßstab anzuknüpfen. Allerdings habe die Beklagte die „Kosten der Unterhaltung“ nicht rechtmäßig ermittelt. Sie habe die der Abrechnung zu Grunde gelegten Stundensätze für Personal und Maschinen unzutreffend durch eine betriebswirtschaftliche, nicht hinreichend auf die maßgebenden Jahre 2010 bis 2012 bezogene Kalkulation ermittelt. Da dem Gericht die stattdessen erforderlichen Zahlenangaben nicht vorgelegt worden seien, sei nicht von der Möglichkeit des § 113 Abs. 2 VwGO Gebrauch gemacht und der Betrag nicht auf das noch zulässige Maß gesenkt worden.

Der gegen dieses Urteil gerichtete, auf das Vorliegen ernstlicher Zweifel i. S. d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Zulassungsantrag der Beklagten hat keinen Erfolg.

Zwar bestehen die von der Beklagten geltend gemachten Zweifel, ob das Verwaltungsgericht die umlagefähigen „Unterhaltungskosten“ zutreffend bestimmt hat und den Bescheid allein wegen des insoweit fehlenden „Zahlenmaterials“ insgesamt aufheben durfte (1); das Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen (2) - wegen der Rechtswidrigkeit des von der Beklagten angewandten Maßstabes - als ersichtlich richtig, so dass der Zulassungsantrag abzulehnen ist (vgl.BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - 7 AV 4/03 -, juris, Leitsatz).

1. a) Das Verwaltungsgericht hat im Ansatz zutreffend den im Rezess nicht näher definierten Begriff der „Unterhaltungskosten“ durch Auslegung konkretisiert und eingangs der Urteilsgründe weiter zutreffend ausgeführt, dass ein Rezess Elemente eines Vertrages, einer Planfeststellung und eines Ortsgesetzes enthält. Es hat jedoch nachfolgend die maßgebende Regelung in § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses nicht näher bestimmt, d.h. nicht klargestellt, ob es sich dabei um eine vertragliche oder ortsgesetzliche, d.h. satzungsrechtliche, Regelung handelt. Dies wäre aber u.a. für die Auslegung erforderlich gewesen. Denn für die Auslegung vertraglicher Bestimmungen gelten andere Vorgaben (§ 157 BGB, vgl. ergänzend BGH, Urt. v. 27.5.1966 - V ZR 156/63 - juris, Rn. 27 f.) als für die Auslegung von Satzungen. Es lässt sich auch aus dem Zusammenhang nicht eindeutig klären, von welcher Rechtsnatur das Verwaltungsgericht bezogen auf § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses ausgegangen ist. Dass das Verwaltungsgericht zuvor eine Aufhebung von § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses durch vertragliche Regelung geprüft und weiterhin eine Änderung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hinsichtlich des Maßstabes bejaht hat, spricht zwar für die Einordnung als vertragliche Regelung. Dem steht jedoch entgegen, dass das Verwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Auslegung der „Unterhaltungskosten“ von § 9 II B Ziffer 2 als einer „Vorschrift“ spricht, darin zugleich eine Ermächtigung zum Erlass eines Verwaltungsaktes sieht und zumindest bestätigend mehrfach auf den Regelungsinhalt heutiger Normen abstellt. Ist demnach schon der Ausgangspunkt für die Auslegung unklar, so gilt dies auch für die darauf beruhende Annahme, die Beklagte habe die Stundensätze ihres Personals unzutreffend ermittelt.

1.b) Außerdem ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei der Erhebung der Wegeunterhaltskosten aus dem Rezess um eine gebundene Entscheidung der Beklagten handelt. Dann hätte das Verwaltungsgericht jedoch gemäß § 86 Abs. 1 i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO selbst abschließend ermitteln müssen, in welcher Höhe der angefochtene Bescheid durch § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses gedeckt ist, soweit - wie von ihm weiter angenommen - kein Ausnahmefall nach § 113 Abs. 2 Satz 2 oder Abs. 3 VwGO gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.11.2002 - 9 C 2/02 -, BVerwGE 117, 200 ff.; juris, Rn. 30 ff.). Entsprechende Ermittlungen sind jedoch unterblieben. Die Beklagte ist nach Aktenlage auch nicht ausdrücklich und mit angemessener Frist vergeblich aufgefordert worden, die aus Sicht des Verwaltungsgerichts noch für erforderlich erachteten Angaben zu machen.

2. Die Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2013 erweist sich jedoch deshalb als richtig, weil für die Erhebung in Anknüpfung an die Grundstücksfläche ersichtlich keine hinreichende Rechtsgrundlage besteht. Als solche kommt nur § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses in Betracht. Er bezeichnet jedoch als Maßstab für die Heranziehung den Grundsteuerreinertrag. Da ein solcher wegen der Änderung des Grundsteuerrechts seit langem nicht mehr festgesetzt wird, muss ersatzweise wirksam ein anderer Maßstab bestimmt worden sein. Hieran mangelt es hinsichtlich des angewandten flächenbezogenen Maßstabes aus den folgenden Gründen:

Das Verwaltungsgericht ist zwar im Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass Regelungen in einem Rezess grundsätzlich fortbestehen können (vgl. § 156 Satz 3 FlurbG, §§ 37, 38 RealVbG).

Ob dies auch dann gilt, wenn der Rezess einen Regelungsinhalt enthält, der dem heutigen Flurbereinigungsrecht widerspricht, und ob vorliegend mit der Erhebung einer „Wege- oder Separationsabgabe“ (vgl. PrOVG, Urt. v. 22.4. 1910 - I B 49/09 -, PrVBl 32 (1910/1911), S. 134) ein solcher Fall gegeben ist (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 18.6.1970 - 1 A 104/67 -, RzF 1 zu § 42 Abs. 2 FlurbG; VGH München, Urt. v. 19.2.1987 - 13 A 87.00613 - RzF 7 zu § 42 Abs. 2 FlurbG), mag offen bleiben.

Gleiches gilt für die Frage, ob eine solche Regelung auch nach dem Erlass der §§ 1, 21 NKAG noch Bestand haben kann.

Jedenfalls hat der Rezess dann grundsätzlich nur mit seinem ursprünglichen Inhalt Bestand. Inhaltliche Änderungen richten sich nicht nach Bundes-, sondern nach Landesrecht (vgl. BVerwG, Urt. v. 26.8.1976 - 5 C 41/75 -, RzF 8 zu § 58 Abs. 4 FlurbG; juris).

Landesrechtlich war in Niedersachsen die Änderung von Rezessen bis zum Erlass des Realverbandsgesetzes im Jahr 1969 nicht ausdrücklich geregelt. Jedenfalls für das (frühere) preußische Rechtsgebiet wurde angenommen (vgl. Oberlandeskulturamt, Beschl. v. 18.1.1929, JW 1929, S. 1336; Kluckhuhn, Das Recht der Wirtschaftswege, S. 81 f.; S. 210; Hess. VGH, Urt. v. 6.7.1988 - 5 OE 48/83 -, juris, Rn. 45), dass diejenigen Teile des Rezesses, die abstrakt-generelle Regelungen im gemeinschaftlichen Interesse enthielten und auch zukünftig gelten sollten, als Ortsgesetz zu qualifizieren waren (so ausdrücklich auch § 2 Satz 1 des fortgeltenden nordrhein-westfälischen Gesetzes über die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten, wonach der Rezess - entsprechend § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG - für Festsetzungen, die im gemeinschaftlichen Interesse getroffen worden sind, die Wirkung von Gemeindesatzungen hat); solche ortsgesetzlichen Regelungen konnten  dementsprechend nur durch abweichendes örtliches Gewohnheitsrecht (Observanz) geändert werden (vgl. Kluckhuhn, a.a.O., S. 83 f.). Dies galt auch für die Vorschriften über die Unterhaltung von Wirtschaftswegen, die - wie hier - der Gemeinde als Eigentum überwiesen worden waren (vgl. Oberlandeskulturamt, a.a.O.; Kluckhuhn, a. a. O., S. 112).  Dass danach vor dem Inkrafttreten des Realverbandsgesetzes eine Änderung von Rezessen nur durch Observanz als örtliches Gewohnheitsrecht oder - soweit es sich anders als vorliegend hinsichtlich § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses um vertragliche Regelungen handelte - mit Zustimmung aller Beteiligter möglich war, schloss eine Entwicklung des Rezessrechts praktisch nahezu aus (Tesmer, RealVbG, Textausgabe mit Einführung, S. 23).

Das im Dezember 1969 in Kraft getretene Realverbandsgesetz hat deshalb die Änderung von Rezessen in Niedersachsen erleichtert und in den §§ 37, 38 RealVbG ausdrücklich geregelt (vgl. ergänzend das Reallastengesetz). Nach § 38 RealVbG können seitdem „ständige oder wiederkehrende Pflichten, die in einem Rezess einzelnen Beteiligten oder Gruppen oder der Gesamtheit der Beteiligten auferlegt worden sind, ohne dass eine Reallast oder Dienstbarkeit entstanden ist, durch besondere Satzung des Realverbandes aufgehoben oder umgewandelt werden“.  Nach § 47 Satz 2 RealVbG gilt die Befugnis zur Änderung oder Umwandlung entsprechend für eine Gemeinde, wenn Aufgaben eines Realverbandes auf die Gemeinde übergegangen sind.

Danach konnte schon vor dem Jahr 1969 in Niedersachsen eine Änderung der in § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses aus dem Jahr 1917 enthaltenen Regelungen über die Unterhaltung von Wirtschaftswegen nicht - wie ohne nähere Begründung vom Verwaltungsgericht angenommen worden ist und von der Beklagten verteidigt wird - unter Berufung auf den „Wegfall der Geschäftsgrundlage“, sondern allenfalls durch Bildung entgegenstehenden örtlichen Gewohnheitsrechts erfolgen. Nach dem Inkrafttreten des Realverbandsgesetzes war eine Änderung von unmittelbar durch einen Rezess auf die Gemeinde übergangenen Rechten - wie hier - allenfalls in entsprechender Anwendung des § 47 Satz 2 (vgl. dazu Tesmer/Thomas, RealVbG, 10. Aufl., § 47, S. 218 f.) i. V. m. § 38 RealVbG durch Satzung, nicht aber einseitig durch die Gemeinde möglich. Die Ausführungen der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 27. Dezember 2016 gehen daher an der Sache vorbei. Wenn § 47 Satz 2 RealVbG nicht entsprechend anwendbar ist, kann die Beklagte den Verteilungsmaßstab überhaupt nicht einseitig ändern.

Dementsprechend mangelt es vorliegend an einem rechtmäßigen Maßstab für die Erhebung der Wegeunterhaltungskosten. Denn der Grundsteuerreinertrag, der nach dem Wortlaut des § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses ursprünglich den Maßstab für die Verteilung der Wegeunterhaltungskosten bildete, wird nicht mehr ermittelt.

An seine Stelle ist grundsätzlich der Einheitswert (§§ 19 ff. Bewertungsgesetz) als derjenige grundstücks- und zugleich wertbezogene Maßstab getreten, der heute nach §§ 13 ff. Grundsteuergesetz für die Festsetzung der Grundsteuer land- und forstwirtschaftlicher Betriebe anzuwenden ist. Ist auch dieser Maßstab untauglich, weil eine Mehrzahl von umlagepflichtigen Grundstücken die Grenzen der Kommune bzw. des ehemaligen Flurbereinigungsgebiets jeweils teilweise überschreitet und für die jeweils maßgebenden Teilflächen auch nach § 22 Grundsteuergesetz ein der Grundsteuererhebung zugrundeliegender Teilbetrag nicht festgelegt wird - wie von der Beklagten geltend gemacht und deshalb vom Senat im Zulassungsverfahren zu Grunde gelegt wird -, so könnte der Ersatzmaßstab also allenfalls noch satzungsrechtlich durch die jeweilige Gemeinde bestimmt werden.

Das Schreiben der Beklagten vom 22. Dezember 1980, mit dem (rückwirkend) ab dem Jahr 1979 der Übergang zur Grundstücksgröße als Maßstab angekündigt worden ist, reichte daher schon aus formellen Gründen für eine wirksame Maßstabsänderung nicht aus. Ob und in welchem Umfang beteiligte Grundstückseigentümer der Änderung des Maßstabes widersprochen haben, ist dabei unerheblich.

Im Übrigen stellt sich der Übergang zu einem rein flächenbezogenem Maßstab auch materiell als rechtswidrig dar. Denn eine Anpassung des Maßstabes hat sich soweit wie möglich an dem ursprünglichen Regelungswillen beim Erlass des Rezesses zu orientieren. Damals ist jedoch in entsprechenden Rezessregelungen bewusst kein flächen-, sondern ein wertbezogener Maßstab gewählt worden, um an die jeweiligen Vorteile der Beteiligten aus den durch den Rezess zugewiesenen Landabfindungen anzuknüpfen (vgl. nur Kluckhuhn, a.a.O., S. 100 ff.). Soweit im Rezess keine entsprechende ausdrückliche Regelung enthalten war, ergab sich eine so lautende Auffangregelung ausdrücklich aus § 6 Abs. 3 des preußischen Gesetzes vom 2. April 1887 „betreffend die durch ein Auseinandersetzungsverfahren begründeten gemeinschaftlichen Angelegenheiten“ (vgl. dazu Kluckhuhn, a.a.O., S. 250 f.). In Niedersachsen ist dieses Gesetz durch § 60 Abs. 2 Nr. 1 RealVbG aufgehoben worden. Soweit es in anderen Bundesländern des früheren preußischen Rechtsgebiets noch fortgilt und aktualisiert worden ist, wie etwa in Schleswig Holstein, gilt dementsprechend weiterhin: Die Beteiligten hatten nach dem Verhältnis der Ertragsmesszahl, d.h. letztlich des Einheitswerts, ihrer bei der Auseinandersetzung ausgewiesenen Landabfindungen beizutragen. Wenn sich also - wie von der Beklagten geltend gemacht - grundsteuerrechtlich kein geeigneter Anknüpfungspunkt für die Wertbestimmung der Abfindungsgrundstücke findet, so wäre ersatzweise ein solcher wertbezogener Maßstab satzungsrechtlich zu bestimmen.

Schließlich kann die Anknüpfung an die Grundstücksgröße als Maßstab auch nicht erfolgreich damit gerechtfertigt werden, dass ein solcher Maßstab auch für die Bemessung der Vorteile bei der Erhebung besonderer Wegebeiträge nach § 7 NKAG anerkennt sei. Denn wenn die Regelung in § 9 II B Ziffer 2 Satz 2 des Rezesses überhaupt noch neben dem NKAG anwendbar ist, dann nur, weil sich die Refinanzierung der Unterhaltungspflicht von (Wirtschafts-)Wegen, die einer Gemeinde durch Rezess auferlegt worden ist, von der Abgabenerhebung nach dem NKAG wesentlich unterscheidet, und zwar gerade auch hinsichtlich des rezessspezifischen Umlagemaßstabes (vgl. Kluckhuhn, S. 251, wonach die Einziehung nach dem für die Gemeindelasten geltenden „Beitragsfuß“ grundsätzlich unzulässig ist).

Muss sich die Erhebung einer „Wege- oder Separationsabgabe“ aus einem Rezess danach weiterhin an dem Wert der Landabfindungen aus dem Rezess orientieren, so konnte ein abweichender rein flächenbezogener Maßstab ab dem Jahr 1980 schließlich auch nicht gewohnheitsrechtlich entstehen; es mangelt dann jedenfalls schon an der für die Bildung im Gewohnheitsrecht notwendigen allgemeinen Überzeugung von der Rechtmäßigkeit eines reinen Flächenmaßstabes. Ob eine gewohnheitsrechtliche Änderung von Rezessen auch nach dem Erlass der §§ 37, 38, 47 RealVbG überhaupt noch möglich ist, muss deshalb nicht geklärt werden.

Ohne ordnungsgemäßen Verteilungsmaßstab stellt sich nicht die von der Beklagten weiterhin für klärungsbedürftig erachtete Frage nach der „korrekten Ermittlung der umlagefähigen Kosten“.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1 und 3, 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).