Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 08.12.2016, Az.: 8 ME 183/16
Asylantrag; Aussetzung der Abschiebung; Berufsausbildung; Beschwerde; Duldung; vorläufiger Rechtsschutz
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 08.12.2016
- Aktenzeichen
- 8 ME 183/16
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2016, 43367
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG - 23.11.2016 - AZ: 5 B 433/16
Rechtsgrundlagen
- § 14 AsylVfG
- § 13 AsylVfG
- § 60a Abs 2 S 4 AufenthG
- § 60a Abs 6 S 1 Nr 3 AufenthG
- § 123 VwGO
- § 146 Abs 4 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Ein Asylantrag ist erst dann gestellt im Sinne des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG in Verbindung mit § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, wenn er vom Asylsuchenden grundsätzlich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylG bei der Außenstelle des Bundesamtes, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, und ausnahmsweise unter den in § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylG genannten Voraussetzungen bei einer anderen Außenstelle oder in den in § 14 Abs. 2 AsylG genannten Fällen bei dem Bundesamt förmlich gestellt worden ist.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 5. Kammer - vom 23. November 2016 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens und unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Osnabrück - 5. Kammer - vom 23. November 2016 der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens vorläufigen Rechtsschutzes werden auf jeweils 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts bleibt ohne Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat es zu Recht abgelehnt, den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Aussetzung der Abschiebung zu verpflichten. Der Antragsteller hat einen (Anordnungs-)Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung zum Zwecke der Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 ff. AufenthG nicht glaubhaft gemacht.
Nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG kann einem Ausländer eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Eine Duldung wegen solcher dringenden persönlichen Gründe ist dem Ausländer nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG in der Fassung des Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 (BGBl. I S. 1939) zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, wenn die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und wenn konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen (vgl. kritisch zur systematischen Verknüpfung dieses Aufenthaltszwecks mit einem bloßen Duldungsgrund: Bundesrat, Stellungnahme zum Entwurf eines Integrationsgesetzes, BR-Drs. 266/16 (B), S. 13)).
Eine Aussetzung der Abschiebung auf dieser Rechtsgrundlage ist hier ausgeschlossen. In der Person des Antragstellers liegen die Voraussetzungen des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG vor, die der Erteilung einer Duldung zum Zwecke der Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung gemäß § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG entgegen stehen.
Nach § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG in Verbindung mit § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG darf eine Duldung zum Zwecke der Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung nicht erteilt werden, wenn der Ausländer Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a AsylG ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt wurde.
Der Antragsteller ist Staatsangehöriger Albaniens, das nach § 29a Abs. 2 AsylG in Verbindung mit der Anlage II (zu § 29a AsylG) als sicherer Herkunftsstaat gilt. Der Asylantrag des Antragstellers wurde mit Bescheid vom 6. April 2016 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat er seinen Asylantrag auch erst nach dem 31. August 2015 gestellt.
Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin, dass nach § 13 Abs. 1 AsylG ein Asylantrag bereits dann vorliegt, wenn sich dem schriftlich, mündlich oder auf andere Weise geäußerten Willen des Ausländers entnehmen lässt, dass er im Bundesgebiet Schutz vor politischer Verfolgung sucht oder dass er Schutz vor Abschiebung oder einer sonstigen Rückführung in einen Staat begehrt, in dem ihm eine Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG droht. Nach dem klaren Wortlaut des § 60a Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 AufenthG genügt es indes nicht, dass ein Asylantrag in diesem Sinne vorliegt (sog. Asylgesuch, vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.12.1997 - BVerwG 1 B 219.97 -, Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 11; GK-AsylG, § 13 Rn. 101 ff. (Stand: November 2014)). Der Asylantrag muss vielmehr auch "gestellt" worden sein (sog. Asylantrag im engeren Sinne, vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.12.1997, a.a.O.). Gestellt werden kann der Asylantrag grundsätzlich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 AsylG nur bei der Außenstelle des Bundesamtes, die der für die Aufnahme des Ausländers zuständigen Aufnahmeeinrichtung zugeordnet ist, und ausnahmsweise unter den in § 14 Abs. 1 Satz 2 AsylG genannten Voraussetzungen bei einer anderen Außenstelle oder in den in § 14 Abs. 2 AsylG genannten Fällen bei dem Bundesamt.
Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller seinen Asylantrag erst am 18. Februar 2016 gestellt. Mit der vorausgegangenen bloßen Registrierung als Asylsuchender durch die Landesaufnahmebehörde Niedersachsen im Juni 2015 war ein Asylantrag ersichtlich nicht gestellt. Hierauf ist der Antragsteller in der Bescheinigung des Antragsgegners vom 20. Juli 2015 auch ausdrücklich hingewiesen worden ("Die formelle Asylantragstellung und Asylanhörung durch das BAMF steht noch aus."). Eine hiervon abweichende Betrachtung ist - entgegen der Auffassung des Antragstellers - auch nach den Erlassen des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres und Sport vom 21. Juli 2016 (Aufenthaltsrecht; Anspruchsduldung für eine Berufsausbildung nach Maßgabe des Integrationsgesetzes - 14.11 - 12230/ 1-8 (§ 60a)) und vom 16. November 2015 (Rechte und Pflichten im Rahmen des Asylverfahrens) nicht gerechtfertigt. Sofern diese Erlasse der dargestellten Gesetzeslage widersprechen und bereits das Vorliegen eines bloßen Asylgesuchs als förmliche Asylantragstellung werten sollten, wären sie ohne Weiteres unbeachtlich.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 GKG und Nrn. 8.3 und 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11). Die Änderung der Festsetzung des Streitwertes für das erstinstanzliche Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes erfolgt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).