Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 20.12.2016, Az.: 2 NB 122/16

Anteilsquote; Dienstleistungsexport; Kapazität; Studienplatz

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
20.12.2016
Aktenzeichen
2 NB 122/16
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43358
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG - 27.04.2016 - AZ: 8 C 132/16

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zur Kapazitätsermittlung im Studiengang Humanmedizin im Sommersemester 2016.

Tenor:

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Göttingen - 8. Kammer - vom 27. April 2016 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

Durch Beschluss vom 27. April 2016, auf den wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und der Begründung Bezug genommen wird, hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin abgelehnt, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, sie vorläufig zum Studium der Humanmedizin im 1. Fachsemester auf einem Voll- und hilfsweise auf einem Teilstudienplatz nach den Rechtsverhältnissen des Sommersemesters 2016 zuzulassen.

Dabei ist das Verwaltungsgericht für das 1. Fachsemester von einer Aufnahmekapazität von 144 Voll- und (nach Verrechnung mit 4 überbuchten Vollstudienplätzen) im Ergebnis) 57 Teilstudienplätzen ausgegangen; in der ZZ-VO 2015/2016 vom 26. Juni 2015 (Nds. GVBl. Nr. 9/2015 S. 105) sind für das 1. Fachsemester 143 Voll- und 59 Teilstudienplätze festgesetzt worden. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass bei der Antragsgegnerin 148 Vollstudienplätze besetzt seien (S. 25 d. amtl. Entscheidungsabdrucks); außerdem habe die Antragsgegnerin versichert, mindestens 59 Teilstudienplätze zu besetzen (S. 44 d. amtl. Entscheidungsabdrucks), so dass es für das erste Fachsemester insgesamt keine Studienplätze vergeben hat. Die Antragstellerin verfolgt ihr Ziel der vorläufigen Zulassung ihrem erstinstanzlichen Antrag entsprechend mit ihrer Beschwerde weiter.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Unter Berücksichtigung der von ihr innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegten Gründe, die gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den gerichtlichen Prüfungsumfang bestimmen, sind im 1. Fachsemester im Studiengang Humanmedizin im Sommersemester 2016 weder weitere Vollstudienplätze noch weitere Teilstudienplätze vorhanden.

A. Dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin sind jedenfalls keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass bei der Antragsgegnerin im Sommersemester 2016 die Aufnahmekapazität für Vollstudienplätze im 1. Fachsemester des Studiengangs Humanmedizin (die vom Verwaltungsgericht angenommene Anzahl von) 144 Vollstudienplätzen überstieg (dazu unter I.); diese Anzahl an Studienplätzen hat die Antragsgegnerin besetzt (dazu unter II.).

I. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Ermittlung der patientenbezogenen Kapazität nach § 17 Abs. 1 KapVO  - im Einzelnen gegen die sogen. Mitternachtszählung auf der Basis von sieben Wochentagen, die Berechnung der Pflegetage, den Parameter 15,5 %, den 50%-Zuschlag nach § 17 Abs. 1 Nr. 2 KapVO und die fehlende Berücksichtigung ambulanter Operationen und von Patienten in Tageskliniken/teilstationärer Patienten - wendet, nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem Beschluss vom 14. September 2016 - 2 NB 331/15 -, juris. Das Vorbringen der Antragstellerin entspricht insoweit nämlich dem Vortrag in jenem Beschwerdeverfahren, das das Wintersemester 2015/2016 zum Gegenstand hatte. Der Senat hat sich dort mit den Einwänden im Einzelnen auseinandergesetzt und hält an seiner Auffassung weiterhin fest.

II. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass 148 Studienplätze besetzt sind; diese Feststellung hat die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde nicht angegriffen. Unabhängig davon hat der Senat in Parallelverfahren von der Antragsgegnerin aktualisierte Belegungslisten angefordert und diese auch der Antragstellerin übersandt. Die Prüfung dieser Belegungsliste ergibt, dass jedenfalls 144 Vollstudienplätze besetzt sind. Das gilt selbst dann, wenn nicht nur die sechs von der Antragsgegnerin genannten Studierenden von den 154 gelisteten Studierenden abgezogen werden, sondern darüber hinaus auch die zwei von ihr genannten weiteren Studierenden (Nrn. 18 und 81) nicht zu berücksichtigen wären (154- 6-2= 146).

B. Freie Teilstudienplätze stehen für die Antragstellerin ebenfalls nicht zur Verfügung. Dabei folgt der Senat nicht der Berechnungsweise des Verwaltungsgerichts, das - ausgehend von einer auf der Grundlage der Kapazitätsverordnung errechneten Kapazität von (nur) 57 Teilstudienplätzen - aufgrund eines Sicherheitszuschlags zu einer Kapazität von 61 Teilstudienplätzen gelangt ist (S. 44 d. amtl. Entscheidungsabdrucks) und diese Kapazität lediglich durch Abzug von 4 überbuchten Vollstudienplätzen auf 57 Teilstudienplätze verringert hat. Denn der Senat lehnt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts zur Erforderlichkeit eines Sicherheitszuschlags (wegen fehlender Vereinbarkeit der ZZ-VO mit dem Bestimmtheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Normenklarheit) in ständiger Rechtsprechung ab (vgl. hierzu nur Senat, Urt. v. 7.4.2016 - 2 LB 60/15 -,  juris); er geht im Folgenden - zugunsten der Antragstellerin - von der in der ZZ-VO 2015/2016 für das 1. Fachsemester festgesetzten Teilstudienplatzkapazität (59 anstelle von 57) aus. Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren keine Einwände gegen die Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin erhoben, die auf eine noch höhere Kapazität an Teilstudienplätzen des ersten Fachsemesters führen.

1. Soweit die Antragstellerin die von der Antragsgegnerin angesetzten Werte für den Dienstleistungsexport in die Studiengänge Zahnmedizin und Cardiovascular Science beanstandet, entspricht ihr Vorbringen ebenfalls dem Vortrag in dem oben genannten Beschwerdeverfahren betreffend das Wintersemester 2015/2016; auf den Senatsbeschluss vom 14. September 2016 - 2 NB 331/15 -, juris, wird erneut Bezug genommen.

2. Gleiches gilt, soweit sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerdebegründung gegen die Ermittlung des CAp für den zugeordneten Bachelorstudiengang Molekulare Medizin wendet.

3. Das Vorbringen der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe die Aufnahmekapazität der vorklinischen Lehreinheit nicht richtig berechnet, da es in seiner Berechnung den gewichteten Curricularanteil unberücksichtigt gelassen habe, greift im Ergebnis nicht durch. Die Antragstellerin macht geltend, das Verwaltungsgericht habe ohne Berücksichtigung des gewichteten Curricularanteils der vorklinischen Lehreinheit und des zugeordneten Bachelorstudiengangs Molekulare Medizin nur jeweils das bereinigte Lehrangebot mit den Anteilsquoten der beiden der Lehreinheit zugeordneten Studiengänge multipliziert. Damit habe das Verwaltungsgericht gegen die Vorgaben in der Anlage 1 zur KapVO verstoßen. Die Aufnahmekapazität der vorklinischen Lehreinheit betrage bei zutreffender Berechnung 402,6170 Studienplätze vor Schwund.

Die Antragsgegnerin hat hierzu ausgeführt, die Kritik der Antragstellerin sei im Grundansatz berechtigt, treffe allerdings nur das Verwaltungsgericht, nicht aber ihre Kapazitätsberechnung. Aus Blatt 1 der Kapazitätsberechnung vom 1. Februar 2015 lasse sich klar entnehmen, dass dort ein gewichteter Curricularanteil gebildet worden sei. Diejenige Berechnung, die die Beschwerdeschrift auf Seite 34 als richtig vorgebe, sei dort erfolgt, weshalb die Aufnahmekapazität vor Schwund - wie von der Antragstellerin reklamiert - für die vorklinische Lehreinheit auf 400,2919 (Abweichungen hinter dem Komma seien rundungsbedingt) berechnet worden sei. Am Ergebnis der Entscheidung könne der Beschwerdeangriff also nichts ändern.

Diese Hinweise der Antragsgegnerin treffen zu, denn sie hat ausweislich Blatt 1 ihrer Kapazitätsberechnung exakt die Berechnungsschritte vorgenommen, die die Antragstellerin in ihrer Beschwerdebegründung beschrieben hat und die den Vorgaben in der Anlage 1 zur KapVO entsprechen. Dass die Antragstellerin gleichwohl zu einer anderen Kapazität für Teilstudienplätze gelangt (66 in der Ausgangsberechnung sowie in einer Alternativberechnung 60), ist zunächst darauf zurückzuführen, dass die Antragsgegnerin in ihre Kapazitätsberechnung ein geringeres bereinigtes Lehrangebot als das Verwaltungsgericht eingestellt hat. Die Antragsgegnerin geht nämlich zutreffend von einem bereinigten Lehrangebot von 363,0249 LVS aus. Das Verwaltungsgericht ist hier lediglich deshalb zu einem höheren bereinigten Lehrangebot (365,1536) gelangt, weil es den Dienstleistungsexport nur schwundbereinigt berücksichtigen will. Hiervon ist die Antragsgegnerin in ihrer Kapazitätsberechnung jedoch zutreffend abgewichen, da dies - was das Verwaltungsgericht auch hervorhebt - der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Senatsbeschl. v. 15.4.2014 - 2 NB 103/13 -, juris) widerspricht.

Dies zugrunde gelegt ist der Kapazitätsberechnung der Antragsgegnerin zu folgen, die für die vorklinische Lehreinheit eine Kapazität vor Schwund von 400,2919 Studienplätzen ermittelt hat und - anders, als die Antragstellerin in ihrer Ausgangsberechnung - erst nach Abzug der Vollstudienplätze auf die ermittelte Zahl der Teilstudienplätze einen Schwundaufschlag aufgebracht hat. Dieser Berechnungsweg entspricht der Alternativberechnung der Antragstellerin. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, warum der Schwundaufschlag - wie sie offenbar zuvorderst meint - hiervon abweichend unter Einstellung der Gesamtzahl der jährlichen Studienplatzkapazität zu berechnen sein sollte. Danach ergeben sich 118 Teilstudienplätze nach Schwund; das sind für das Winter- und für das Sommersemester jeweils 59 Teilstudienplätze.

4. Die von der Antragstellerin geforderte Erhöhung der Teilstudienplatzzahl im Wege einer horizontalen Substituierung ist nicht vorzunehmen. Voraussetzung dafür wäre, dass im zugeordneten Studiengang Molekulare Medizin das Lehrangebot nicht aufgrund von kapazitätswirksamen Immatrikulationen ausgeschöpft war; in diesem Fall wäre dieses „ungenutzte“ Lehrangebot der Vorklinik zur Verfügung zu stellen, da die Kapazitätsverordnung von der Austauschbarkeit der Lehrangebote in einer Lehreinheit untereinander ausgeht (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 15.12.1989, 7 C 15.88, NVwZ-RR 1990, 349).

Die Antragsgegnerin hat in ihrer Kapazitätsberechnung für den Studiengang Molekulare Medizin eine Kapazität von 40 Studienplätzen ermittelt und mit Schriftsatz vom 28. November 2016 mitgeteilt, dass im Wintersemester 2015/2016 zwei Wochen nach Vorlesungsbeginn 43 Studierende in diesem Studiengang immatrikuliert gewesen seien. Eine horizontale Substituierung scheidet auf dieser Grundlage aus.

Die Antragstellerin hat auf S. 35 f. ihrer Beschwerdebegründung auch nicht dargelegt, dass die Antragsgegnerin die Kapazität im Studiengang Molekulare Medizin zu niedrig berechnet hat. Die Berechnung der Antragstellerin unter a) krankt bereits daran, dass die von ihr „nach Art des VG Göttingen“ ermittelte Aufnahmekapazität von 48,6607 Studienplätzen auf einer Multiplikation der Aufnahmekapazität mit dem Faktor 2 beruht. Das Verwaltungsgericht nimmt in seiner vergleichbaren Berechnung für die Vorklinik aber eine solche Multiplikation nur vor, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass die Zulassung zum Studium der Humanmedizin zweimal jährlich erfolgt. Die Zulassung zum Studium der Molekularen Medizin erfolgt indessen nur im Wintersemester. Abgesehen davon hat die Antragstellerin selbst darauf hingewiesen, dass dieser Berechnungsweise des Verwaltungsgerichts nicht zu folgen sei. Für die Berechnung unter b) gilt auch hier, dass die Antragstellerin von einem zu hohen bereinigten Lehrangebot ausgegangen ist. Ohnehin würde selbst der von ihr ermittelte Überhang - wäre er in der von ihr vorgetragenen Weise auf die ermittelte Teilstudienplatzzahl aufzuschlagen - nicht zu weiteren Teilstudienplätzen führen (ausgehend von der Kapazitätsermittlung der Antragsgegnerin: 112,9066 Teilstudienplätze vor Schwund = 117,8858 [=118] Teilstudienplätze nach Schwund; 117,8858 + 0,4429 = 118, 3287 [=118] Teilstudienplätze, vgl. zur Rundung auch Senatsbeschl. v. 18.11.2014 - 2 NB 391/13 - u. VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 5.2.2015 - NC 9 S 1499/14 -, beide in juris). Überdies wäre die von der Antragsgegnerin geltend gemachte Überbuchung zu berücksichtigen.

5. Die Antragsgegnerin hat 59 Teilstudienplätze besetzt. Sie hat zur Glaubhaftmachung in Parallelverfahren eine den Anforderungen des Senats entsprechende (vgl. zuletzt Urt. v. 7.4.2016 - 2 LB 60/15 - juris) Belegungsliste vorgelegt, die der Senat auch der Antragstellerin übersandt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für den zweiten Rechtszug beruht auf §§ 47 Abs. 1 Satz 1, 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 und 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).