Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 18.01.2011, Az.: 8 PA 317/10
Besitz eines Aufenthaltstitels im Zeitpunkt der Geburt des Kindes im Bundesgebiet als Voraussetzung für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 S. 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG); Anwendbarkeit des § 60 Abs. 5 AufenthG auf inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse bezüglich einer Ausreisepflicht
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 18.01.2011
- Aktenzeichen
- 8 PA 317/10
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 10173
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0118.8PA317.10.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 17.11.2010 - AZ: 12 A 3775/10
Rechtsgrundlagen
- § 33 S. 1, 2 AufenthG
- § 60 Abs. 5 AufenthG
- § 166 VwGO
- § 114 ZPO
- § 5 AufenthG
- § 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG
- Art. 8 EMRK
- 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention
- Art. 24 Abs. 2 GR-Charta
Fundstellen
- DVBl 2011, 289-292
- DÖV 2011, 330-331
Amtlicher Leitsatz
Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 1 AufenthG setzt voraus, dass ein Elternteil einen der in dieser Bestimmung genannten Aufenthaltstitel im Zeitpunkt der Geburt des Kindes im Bundesgebiet besitzt.
Gründe
Die gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Recht abgelehnt.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Hier fehlt der Rechtsverfolgung des Klägers die erforderliche Erfolgsaussicht. Denn nach der im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362 [BVerfG 26.02.2007 - 1 BvR 474/05]) hat der Kläger voraussichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 33 Satz 2 AufenthG (1.), § 33 Satz 1 AufenthG (2.), § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 AufenthG (3.) oder § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 5 AufenthG (4.).
1.
Nach § 33 Satz 2 AufenthG wird einem im Bundesgebiet geborenen Kind eines Ausländers eine Aufenthaltserlaubnis von Amts wegen erteilt, wenn zum Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen.
Diese Voraussetzungen erfüllt der am 31. Oktober 2002 im Bundesgebiet geborene Kläger nicht. Denn jedenfalls zum Zeitpunkt seiner Geburt besaßen seine Eltern keinen der genannten Aufenthaltstitel.
2.
Nach § 33 Satz 1 AufenthG kann einem Kind, das im Bundesgebiet geboren wird, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn ein Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzt.
Auch diese Bestimmung setzt voraus, dass ein Elternteil einen der genannten Aufenthaltstitel bereits im Zeitpunkt der Geburt des Kindes besitzt (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 8.12.2008 - 3 D 2302/08 -, [...] Rn. 5 ff.; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 2.6.2008 - 3 Bf 35/05 -, [...] Rn. 15; GK-AufenthG, Stand: Dezember 2010, § 33 Rn. 16, 20 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: Oktober 2010, AufenthG, § 33 Rn. 3; Hofmann/Hoffmann, Ausländerrecht, AufenthG, § 33 Rn. 11; Huber, AufenthG, § 33 Rn. 4), woran es hier fehlt. Der Kläger weist zwar zu Recht darauf hin, dass sich dieses Erfordernis nicht bereits aus dem Wortlaut des § 33 Satz 1 AufenthG ergibt. Es ergibt sich indes zwingend nach historischer, systematischer und teleologischer Auslegung der Norm.
Bereits bei der Vorgängervorschrift des § 33 Satz 1 AufenthG, dem § 21 Abs. 1 AuslG vom 9. Juli 1990 (BGBl. I S. 1354), der seinem Wortlaut nach keine wesentlichen Unterschiede zu dem hier entscheidungserheblichen Inhalt des § 33 Satz 1 AufenthG enthielt, wurde davon ausgegangen, dass durch die Vorschrift die Privilegierung der im Inland geborenen Kinder bezweckt ist, deren Integration durch die Gewährung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gefördert werden soll und bei denen die Mutter die Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung im Zeitpunkt der Geburt des Kindes besitzen musste (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.7.2002 - 1 C 8.02 -, BVerwGE 116, 378, 383; Hessischer VGH, Beschl. v. 8.12.2008, a.a.O.; GK-AuslR, Stand: Dezember 1999, § 21 Rn. 28 m.w.N.). Diese Rechtslage wurde mit dem § 33 Satz 1 AufenthG in der Fassung vom 30. Juli 2004 (BGBl. S. 1950) zunächst unverändert fortgeschrieben (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz), BT-Drs. 15/420, S. 33, 83). Erst mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 (BGBl. I S. 1970) hat der Gesetzgeber als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Oktober 2005 (- 2 BvR 524/01 -, BVerfGE 114, 357 ff. [BVerfG 25.10.2005 - 2 BvR 524/01]) die Rechtslage für die Erteilung von Aufenthaltstiteln an im Bundesgebiet geborene Kinder neu geregelt. Mit der nunmehr geltenden Fassung des § 33 Satz 1 und 2 AufenthG wird nicht mehr danach unterschieden, ob zum Zeitpunkt der Geburt die Mutter oder der Vater einen Aufenthaltstitel besitzen, sondern danach, ob dies nur bei einem Elternteil (dann kann dem Kind abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden) oder ob dies bei beiden Elternteilen bzw. ggf. dem allein personensorgeberechtigten Elternteil (dann wird dem Kind von Amts wegen eine Aufenthaltserlaubnis erteilt) der Fall ist. Den Gesetzesmaterialien kann indes nicht entnommen werden, dass über diese Änderungen hinaus in den Sätzen 1 und 2 des § 33 AufenthG auf verschiedene Zeitpunkte für das Vorliegen eines Aufenthaltstitels bei den Eltern bzw. dem Elternteil abgestellt werden sollte (vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf einesGesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union, BT-Drs. 16/5065, S. 176).
Vielmehr ergibt auch eine vergleichende Betrachtung der Sätze 1 und 2 des § 33 AufenthG, dass neben der Geburt im Bundesgebiet auch die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen zumindest bei einem Elternteil im Zeitpunkt der Geburt vorgelegen haben müssen. Durch § 33 Satz 2 AufenthG soll nach dessen eindeutigem Wortlaut das Kind privilegiert werden, bei dem im Zeitpunkt der Geburt beide Elternteile oder der allein personensorgeberechtigte Elternteil eine Aufenthaltserlaubnis, eine Niederlassungserlaubnis oder eine Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG besitzen. Dieses Kind soll einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis haben. Wenn dagegen nur ein Elternteil die in § 33 AufenthG genannten Aufenthaltstitel besitzt, kann das im Bundesgebiet geborene Kind, abweichend von den §§ 5 und 29 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG lediglich eine Aufenthaltserlaubnis nach Ermessen erhalten. Wäre die von dem Kläger vertretene Rechtsauffassung zutreffend, dass § 33 Satz 1 AufenthG von seinen zeitlichen Anforderungen weiter als § 33 Satz 2 AufenthG ist und die dort genannten Aufenthaltstitel nicht bereits im Zeitpunkt der Geburt des Kindes vorliegen müssen, sondern auch noch später erworben werden können, würde dies zu einer Umkehrung der von dem Gesetzgeber gewollten Privilegierung führen. Kinder, bei denen nur ein Elternteil, unabhängig davon, ob personensorgeberechtigt oder nicht, über eine aufenthaltsrechtlich gesicherte Position im Sinne des § 33 AufenthG verfügt und denen auf Grund der schwächeren familienrechtlichen Bindung nur ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung zustehen soll, würden nämlich hinsichtlich des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzungen besser gestellt als Kinder, deren allein personensorgeberechtigter Elternteil oder deren beide Elternteile zwar nicht im Zeitpunkt ihrer Geburt, aber zu einem späteren Zeitpunkt über ein verfestigtes Aufenthaltsrecht verfügen. Eine solche Auslegung widerspricht der Systematik und auch dem vom Gesetzgeber verfolgten Sinn und Zweck der Norm (vgl. Hessischer VGH, Beschl. v. 8.12.2008, a.a.O.). Sie kann daher auch nicht allein durch den vom Kläger gegebenen Hinweis auf die sich aus Art. 24 Abs. 2 Charta der Grundrechte der Europäischen Union - Europäische Grundrechtecharta - GR-Charta - (ABl. EU 2007 Nr. C 303, S. 1) und Art. 3 Abs. 1 Übereinkommen über die Rechte des Kindes vom 20. November 1989 - UN-Kinderrechts-konvention - (BGBl. II 1992, S. 121) ergebenden Gebote gerechtfertigt werden.
3.
Hinsichtlich des Nichtbestehens eines Anspruchs auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 7 AufenthG nimmt der Senat Bezug auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in der angefochtenen Entscheidung (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO), welche von dem Kläger mit der Beschwerde nicht angegriffen worden sind.
4.
Der Kläger hat schließlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG i.V.m. § 60 Abs. 5 AufenthG wegen Vorliegens eines inlandsbezogenen Vollstreckungshindernisses nach Art. 8 EMRK.
In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Senats ist geklärt, dass § 60 Abs. 5 AufenthG nur insoweit auf die Europäische Menschenrechtskonvention verweist, als sich aus ihm Abschiebungshindernisse ergeben, die in Gefahren begründet liegen, welche dem Ausländer im Zielstaat der Abschiebung drohen ("zielstaatsbezogene" Abschiebungshindernisse). Hindernisse, die einer Vollstreckung der Ausreisepflicht entgegenstehen, weil andernfalls ein geschütztes Rechtsgut im Bundesgebiet verletzt würde ("inlandsbezogene" Vollstreckungshindernisse), fallen dagegen nicht unter § 60 Abs. 5 AufenthG (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3.3.2006 - 1 B 126.05 -, DVBl. 2006, 850 f.; BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 -, [...] Rn. 8 ff. (zu § 53 Abs. 4 AuslG); Senatsbeschl. v. 1.9.2006 - 8 LA 101/06 -, [...] Rn. 3; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.11.2009 - 13 S 1469/09 -, [...] Rn. 20; OVG Berlin, Urt. v. 11.3.2005 - 6 B 6.04 -, [...] Rn. 14 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 24.2.2006 - 7 B 10020/06 -, InfAuslR 2006, 274[OVG Rheinland-Pfalz 24.02.2006 - 7 B 10020/06.OVG]; Hessischer VGH, Beschl. v. 15.2.2006 - 7 TG 106/06 -, NVwZ-RR 2006, 826; GK-AufenthG, a.a.O., § 25 Rn. 34; Hailbronner, a.a.O., § 60 Rn. 145).
Beeinträchtigt eine Aufenthaltsbeendigung - wie hier von dem Kläger behauptet - das Recht auf Achtung eines im Bundesgebiet geführten Familien- oder Privatlebens nach Art. 8 EMRK, kann sich hieraus lediglich ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis ergeben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.11.1998 - 2 BvR 140/97 -, [...] Rn. 1; BVerwG, Urt. v. 11.11.1997 - 9 C 13.96 -, BVerwGE 105, 322, 327 f.; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 18.11.2009 - 13 S 1469/09 -, [...] Rn. 20; OVG Berlin, Urt. v. 11.3.2005 - 6 B 6.04 - [...] Rn. 14 ff.). Dieses kann zur rechtlichen Unmöglichkeit der Ausreise führen und damit einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG begründen, wie er hier durch den Beklagten bereits erfüllt worden ist. Denn dem Kläger ist eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt worden. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG vermag das sich aus Art. 8 EMRK ergebende inlandsbezogene Vollstreckungshindernis indes nicht zu begründen.
Diese Rechtsprechung steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht im Widerspruch zu den Vorgaben des Art. 24 Abs. 2 GR-Charta und der Art. 2 und 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention.
Nach Art. 24 Abs. 2 GR-Charta muss bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher oder privater Einrichtungen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein. Die Bestimmungen der GR-Charta sind durch Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EUV (in der Fassung des Lissabonner Vertrages, ABl. EU 2008 Nr. C 115, S. 13) zwar verbindlicher Teil der europäischen Verträge und damit des Primärrechts geworden (vgl. Lenz/Borchardt, EUV, 5. Aufl., Anhang zu Art. 6 Rn. 19; Pache/Rösch, Europäischer Grundrechtsschutz nach Lissabon - die Rolle der EMRK und der Grundrechtecharta in der EU, in: EuZW 2008, 519). Sie binden nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GR-Charta - neben den Organen, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union - auch die Mitgliedstaaten, diese indes nur bei der Durchführung des Rechts der Union (vgl. BVerwG, Urt. v. 30.3.2010 - 1 C 8.09 -, [...] Rn. 35; Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl., GR-Charta, Art. 51 Rn. 13). Das Unionsrecht in diesem Sinne umfasst neben dem europäischen Primärrecht auch das Sekundärrecht, mithin das von den Organen der EU aufgrund von Kompetenzzuweisungen in den Verträgen erlassene Recht, insbesondere Rechtsakte nach Art. 288 AEUV bzw. früher Art. 249 EGV (vgl. Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Stand: Oktober 2006, EGV Art. 249 Rn. 12). Die hier maßgebliche Bestimmung des § 60 Abs. 5 AufenthG ist danach kein Unionsrecht im Sinne des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GR-Charta und auch nicht auf solches zurückzuführen. Denn anders als die europarechtlichen Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG, die auf die Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) zurückzuführen sind, handelt es sich bei der Bestimmung in § 60 Abs. 5 AufenthG um ein Abschiebungsverbot nach nationalem Recht (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198, 201 ff.; Huber, AufenthG, § 60 Rn. 85 f.). Bei der Anwendung und Auslegung dieser nationalen Bestimmung sind die deutschen Behörden daher nicht an die Bestimmungen der GR-Charta gebunden (vgl. Senatsbeschl. v. 12.7.2010 - 8 LA 154/10 -, [...] Rn. 15).
Im Übrigen statuiert Art. 24 Abs. 2 GR-Charta keinen absoluten Vorrang des Kindeswohls. Die Bestimmung fordert vielmehr nur, dass bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein muss. Das Wohlergehen des Kindes muss danach zwar bei jeder Maßnahme berücksichtigt werden, es bindet die staatlichen Stellen aber nicht derart, dass diesem stets der Vorrang eingeräumt werden müsste und nicht andere Gründe überwiegen könnten (vgl. Schwarze, EU-Kommentar, 2. Aufl., GR-Charta, Art. 24 Rn. 8 m.w.N.). Diesen Vorgaben genügt die eingangs dargestellte Senatsrechtsprechung. Denn sie stellt sicher, dass ein schutzwürdiges Familien- oder Privatleben im Sinne des Art. 8 EMRK und damit verbundene Belange des Kindeswohls aufenthaltsrechtliche Relevanz erlangen können, und zwar als ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis, das einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG begründen kann. Dass hierdurch im vorliegenden Fall die Familienmitglieder abhängig von dem jeweils erteilten Aufenthaltstitel verschiedene Sozialleistungen erhalten (vgl.: Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG: Leistungen nach dem AsylbLG, vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 3 AsylBLG; Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG: Leistungen nach dem SGB II/SGB XII, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB II, § 23 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 1 AsylbLG), begegnet keinen Bedenken (vgl. BSG, Urt. v. 16.12.2008 - B 4 AS 40/07 R -, [...] Rn. 18 ff.; BVerwG, Beschl. v. 28.9.2001 - 5 B 94.00 -, [...] Rn. 4 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 21.6.2000 - 12 L 3349/99 -, [...] Rn. 20 ff.). Ob die nach demAsylbewerberleistungsgesetz gewährten Leistungen für sich verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen (vgl. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 26.7.2010 - L 20 AY 13/09 -; LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 30.04.2010 - L 7 AY 3482/09 B -; Armborst/Berlit, Asylbewerberleistung - Verfassungswidrigkeit der Bemessung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG, in: info also 2010, 181), bedarf im hier geführten aufenthaltsrechtlichen Verfahren keiner Entscheidung.
Nach Art. 2, 8 Abs. 1 und 3 Abs. 1 UN-Kinderrechtskonvention ist das Recht des Kindes als solches zu beachten und bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel, ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, das Wohl des Kindes ein Gesichtspunkt, der vorrangig zu berücksichtigen ist. Die Bestimmungen statuieren damit ebenso wie Art. 24 Abs. 2 GR-Charta keinen absoluten Vorrang des Kindeswohls; das Wohlergehen des Kindes muss lediglich vorrangig berücksichtigt werden. Dem genügt, wie dargestellt, die Rechtsprechung des Senats. Im Prozesskostenhilfeverfahren bedarf es daher keiner Entscheidung, ob die Ausländerbehörden - nach der Rücknahme der Vorbehaltserklärung der Bundesregierung vom 6. März 1992 (vgl. BGBl. II 1992, S. 990) am 15. Juli 2010 (vgl. Bundesministerium der Justiz, UN-Kinderrechtskonvention: Rücknahme des Vorbehalts rechtswirksam, Pressemitteilung v. 15.7.2010, zitiert nach: www.bmj.bund.de, Stand: 8.11.2010) - an die Bestimmungen der UN-Kinderrechts-konvention überhaupt unmittelbar gebunden sind (vgl. hierzu Lorz, Nach der Rücknahme der deutschen Vorbehaltserklärung: Was bedeutet die uneingeschränkte Verwirklichung des Kindeswohlvorrangs nach der UN-Kinderrechtskonvention im deutschen Recht ?, zitiert nach: www.nds-fluerat.org, Stand: 8.11.2010).