Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 03.01.2011, Az.: 4 LA 342/10

Rundfunkgebührenpflichtigkeit neuartiger Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich bei Bereithaltung eines anderen Rundfunkgerätes zum Empfang auf dem selben Grundstück

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
03.01.2011
Aktenzeichen
4 LA 342/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 10025
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0103.4LA342.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Osnabrück - 19.10.2010 - AZ: 1 A 154/10

Fundstellen

  • DVBl 2011, 184
  • NVwZ-RR 2011, 283-284
  • NdsVBl 2011, 229-230
  • ZUM 2011, 273-275

Amtlicher Leitsatz

Neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich sind nach § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht freigestellt, wenn auf dem Grundstück, dem diese Geräte zuzuordnen sind, ein anderes Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten wird, wobei es unerheblich ist, ob dieses ausschließlich privat oder auch beruflich / gewerblich genutzt wird.

Gründe

1

Der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses die Rundfunkgebührenbescheide vom 2. Januar 2010 und 5. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 31. Mai 2010 aufgehoben hat, hat keinen Erfolg.

2

Die von dem Beklagten geltend gemachten Berufungszulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO liegen nicht vor bzw. sind nicht hinreichend dargelegt worden.

3

Entgegen der Ansicht des Beklagten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der internetfähige und nicht ausschließlich privat genutzte Computer des Klägers als neuartiges Rundfunkempfangsgerät gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV von der Rundfunkgebührenpflicht befreit ist, weil der Kläger bereits andere privat genutzte Rundfunkgeräte auf seinem Grundstück zum Empfang hält. Denn nach § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV ist für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich dann keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn auf demselben Grundstück bereits ein anderes privat oder nicht ausschließlich privat genutztes Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten wird (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 17.6.2010 - 7 A 10416/10 -; Hessischer VGH, Beschluss vom 30.3.2010 - 10 A 2910/09 -; VG Ansbach, Urteil vom 7.10.2010 - AN 14 K 10.00652 -; VG Trier, Urteil vom 20.5.2010 - 2 K 63/10.TR -; VG Hamburg, Urteil vom 28.1.2010 - 3 K 2366/08 -).

4

Gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV ist für neuartige Rundfunkempfangsgeräte (insbesondere Rechner, die Rundfunkprogramme ausschließlich über Angebote aus dem Internet wiedergeben können) im nicht ausschließlich privaten Bereich keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn

  1. 1.

    die Geräte ein und demselben Grundstück oder zusammenhängenden Grundstücken zuzuordnen sind und

  2. 2.

    andere Rundfunkempfangsgeräte dort zum Empfang bereitgehalten werden.

5

Nach dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut dieser Regelung ist also für neuartige, nicht ausschließlich privat genutzte Rundfunkempfangsgeräte dann keine Rundfunkgebühr zu entrichten, wenn auf demselben Grundstück bereits ein anderes Rundfunkgerät zum Empfang bereitgehalten wird, wobei es ohne Belang ist, ob es sich hierbei um ein (auch) gewerblich/beruflich oder ausschließlich privat genutztes Gerät handelt. Denn der Zusatz "im nicht ausschließlich privaten Bereich" bezieht sich ersichtlich nur auf die neuartigen Rundfunkempfangsgeräte und nicht auch auf die unter 2. genannten anderen Rundfunkempfangsgeräte auf dem betreffenden Grundstück. Auch meint die Ortsbezeichnung "dort" im letzten Satzteil nicht den "nicht ausschließlich privaten Bereich", sondern das unmittelbar zuvor unter 1. genannte Grundstück, dem alle Geräte, also die "neuartigen Rundfunkempfangsgeräte" und die "anderen Rundfunkempfangsgeräte", zuzuordnen sein müssen. Aus diesen Gründen ist es nach dem Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV ausgeschlossen, den Zusatz "im nicht ausschließlich privaten Bereich" als "vor die Klammer gezogenes", auch andere Rundfunkempfangsgeräte auf dem Grundstück betreffendes Tatbestandsmerkmal zu verstehen.

6

Eine Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV entgegen seinem eindeutigen Wortlaut dahingehend, dass die Gebührenfreiheit für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich nur dann greift, wenn das auf dem Grundstück vorhandene andere Rundfunkgerät nicht ausschließlich privat genutzt wird, kommt nach Auffassung des Senats von vornherein nicht in Betracht. Das gilt umso mehr, als weder die Gesetzessystematik und Sinn und Zweck des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV noch die Gesetzesmaterialien konkrete Anhaltspunkte für eine derartige Auslegung bieten.

7

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 RGebStV gilt die in § 5 Abs. 1 Satz 1 RGebStV geregelte Gebührenfreiheit für Zweitgeräte nicht für Zweitgeräte in Räumen, die zu anderen als privaten Zwecken genutzt werden. Danach wären auch neuartige Rundfunkempfangsgeräte, die im nicht ausschließlich privaten Bereich als Zweitgeräte zum Empfang bereitgehalten werden, nicht von der Rundfunkgebührenpflicht freigestellt. § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV enthält daher eine besondere Privilegierung für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich. Bei der Ausgestaltung dieser Privilegierung hätte der Gesetzgeber die Unterscheidung zwischen dem privaten und dem nicht ausschließlich privaten Bereich, die er in § 5 Absätze 1 Satz 1 und 2 Satz 1 RGebStV vorgenommen hat, vollständig übernehmen und in § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV bestimmen können, dass die dort geregelte Gebührenfreiheit für neuartige, nicht ausschließlich privat genutzte Rundfunkempfangsgeräte voraussetzt, dass auf dem betreffenden Grundstück andere, nicht ausschließlich privat genutzte Rundfunkgeräte zum Empfang bereit gehalten werden. Dazu hätte er in § 5 Abs. 3 Satz 1 letzter Satzteil RGebStV lediglich einen entsprechenden Zusatz einfügen müssen. Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber bei der Gebührenbefreiung für neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich auf einen derartigen einschränkenden Zusatz verzichtet hat, spricht dafür, dass er eine umfassende Privilegierung für diese besondere Art von Rundfunkempfangsgeräten hat schaffen wollen, die als eigenständige Regelung neben der Gebührenbefreiung für Zweitgeräte nach § 5 Absätze 1 und 2 RGebStV steht. Dafür spricht auch die Regelung des § 5 Abs. 3 Satz 2 RGebStV, wonach für den Fall, dass auf einem Grundstück ausschließlich neuartige Rundfunkempfangsgeräte zum Empfang bereit gehalten werden, für die Gesamtheit dieser Geräte nur eine Gebühr zu entrichten ist. Denn auch in dieser Regelung wird nicht unterschieden zwischen privat und nicht ausschließlich privat genutzten Geräten.

8

Auch aus der Begründung des Entwurfs des Niedersächsischen Gesetzes zum Achten Rundfunkänderungsstaatsvertrag (LT-Drucks. 15/1485, S. 35) ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV entgegen seinem eindeutigem Wortlaut. Denn zum einen wird dort hinsichtlich der bereits auf dem Grundstück vorhandenen "anderen (herkömmlichen) Rundfunkempfangsgeräte" nicht zwischen privat und nicht ausschließlich privat genutzten Rundfunkempfangsgeräten differenziert. Zum anderen wird als Ziel der Regelung eine umfassende "Zweitgerätebefreiung für bestimmte neuartige Geräte" genannt, dem allein die oben dargestellte Auslegung des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV Rechnung trägt.

9

Da sich schon aus dem klaren Wortlaut des § 5 Abs. 3 Satz 1 RGebStV ohne weiteres ergibt, dass neuartige Rundfunkempfangsgeräte im nicht ausschließlich privaten Bereich von der Rundfunkgebührenpflicht befreit sind, wenn ein anderes privat oder nicht ausschließlich privat genutztes Rundfunkempfangsgerät auf demselben Grundstück zum Empfang bereitgehalten wird, sind entgegen der Auffassung des Beklagten besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) nicht ersichtlich.

10

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Beklagte nicht hinreichend dargelegt.

11

Eine Rechtssache ist nur dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Daher ist die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache nur dann im Sinne des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO dargelegt, wenn eine derartige Frage konkret bezeichnet und darüber hinaus erläutert worden ist, warum diese Frage im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und aus welchen Gründen ihre Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 124 a Rn. 103 ff. m.w.N.).

12

Diesen Anforderungen genügt die Antragsschrift nicht, weil der Beklagte mit seinen Ausführungen zur Begründung dieses Zulassungsgrundes, "die Frage nach der Rundfunkgebührenpflicht für gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte auf Privatgrundstücken betrifft zahlreiche Rundfunkteilnehmer" und "auf eine Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Nutzung wurde indes bisher von der obersten Rechtsprechung nicht eingegangen", eine Rechts- oder Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung nicht konkret bezeichnet hat. Denn er hat im Zusammenhang mit diesem Zulassungsgrund nicht dargelegt, welche konkrete rechtliche oder tatsächliche Frage die "Rundfunkgebührenpflicht für gewerblich genutzte Rundfunkempfangsgeräte auf Privatgrundstücken" bzw. die "Unterscheidung zwischen privater und gewerblicher Nutzung" aufwerfen soll, die im angestrebten Berufungsverfahren entscheidungserheblich und klärungsbedürftig wäre und deren Beantwortung über den konkreten Einzelfall hinaus dazu beitrüge, die Rechtsfortbildung zu fördern oder die Rechtseinheit zu wahren.