Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 07.01.2011, Az.: 4 LA 309/09
Anspruch einer Mutter gegen eine Behörde auf Übernahme der Kosten für einen Besuch des Horts einer Kindertagesstätte durch ihre Kinder
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 07.01.2011
- Aktenzeichen
- 4 LA 309/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2011, 11055
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0107.4LA309.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Lüneburg - 11.11.2009 - 4 A 28/08
Rechtsgrundlagen
- § 90 Abs. 3 SGB VIII
- § 90 Abs. 4 SGB VIII
- § 82 Abs. 1 SGB XII
- § 85 SGB XII
Redaktioneller Leitsatz
Als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII sind die tatsächlich aufgewendeten Mittel für die Unterkunft anzusetzen, soweit diese angemessen sind. Bei Wohnungs- und Hauseigentümern treten die auf das Eigentum entfallenden Lasten an die Stelle der Miete.
Gründe
Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg, weil die Beklagte nicht hinreichend dargelegt hat, dass der von ihr allein geltend gemachte Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO vorliegt.
Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Kosten des Besuchs des Horts der Kindertagesstätte C. durch die Kinder der Klägerin D. und E. im Schuljahr 2007/2008 ab dem 1. Oktober 2007 zu übernehmen, und den Bescheid der Beklagten vom 16. November 2007 aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dass die Klägerin nach § 90 Abs. 3 SGB VIII einen Anspruch auf Übernahme der Kosten habe, weil die Kostenbelastung ihr und ihren Kindern nicht zuzumuten sei. Nach § 90 Abs. 4 SGB VIII seien die §§ 82 bis 85, 87 und 88 SGB XII zur Feststellung der zumutbaren Belastung entsprechend anzuwenden. Danach sei der Klägerin und ihren Kindern D. und E. die Belastung durch die Kosten für den Besuch des Horts der Kindertagesstätte in dem hier maßgeblichen Zeitraum nicht zumutbar gewesen. Das monatliche Einkommen der Klägerin und ihrer Kinder, das nach § 82 Abs. 1 SGB XII nur 1.448,59 EUR betragen habe (Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit: 1.194,- EUR, Kindergeld für E. bzw. D.: 164,- EUR, Kindergeld für F. G.: 154,- EUR, Urlaubsgeld anteilig: 44,66 EUR, abzüglich Werbungskosten (83,20 EUR) und Versicherungsbeiträge (24,87 EUR)), habe nämlich unter der von der Beklagten in Ansatz gebrachten Einkommensgrenze von 2.032,25 EUR gelegen. Daher könne dahin stehen, ob die Beklagte die Einkommensgrenze im Hinblick auf die Kosten der Finanzierung des Hauses der Klägerin nicht noch höher hätte ansetzen müssen.
Die Einwände, die die Beklagte gegen diese Entscheidung erhoben hat, begründen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte hat zwar zutreffend ausgeführt, dass das nach § 90 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 82 SGB XII maßgeblichen Einkommen höher gewesen ist als von der Vorinstanz angenommen. Sie hat es aber versäumt, hinreichend darzulegen, dass dieses Einkommen auch über der nach § 90 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 85 SGB XII zu bemessenden Einkommensgrenze gelegen hat.
Der Beklagten ist darin zuzustimmen, dass das Verwaltungsgericht bei der Berechnung des maßgeblichen Einkommens das Kindergeld für die Kinder D. und E. versehentlich nur einmal in Ansatz gebracht hat, so dass sich das Einkommen um das zweite Kindergeld erhöht. Der Beklagten dürfte ferner darin zuzustimmen sein, dass für beide Kinder nur das tatsächlich gezahlte Kindergeld von jeweils 154,- EUR monatlich und nicht ein Betrag von jeweils 164,- EUR monatlich zu berücksichtigen ist. Daher beträgt das monatliche Einkommen mindestens 1.592,59 EUR, möglicherweise sogar 1.682,59 EUR, sollten - was hier unerörtert bleiben kann - auch die Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von monatlich 90,- EUR als Einkommen zu berücksichtigen sein.
Dass dieses Einkommen über der Einkommensgrenze liegt, die sich aus § 90 Abs. 4 SGB VIII i.V.m. § 85 SGB XII ergibt, hat die Beklagte indessen nicht hinreichend dargelegt. Sie hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung der Einkommensgrenze nur ein Familienzuschlag für die Kinder D. und E. in Höhe von 486,- EUR in Ansatz zu bringen ist, weil die Kinder H. und I. sowie die volljährige Tochter F. insoweit nicht zu berücksichtigen sind. Die Beklagte hat aber nicht dargetan, aus welchen Gründen lediglich 241,25 EUR als Kosten der Unterkunft anzusetzen sein sollen. Nach § 85 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII ergibt sich die Einkommensgrenze aus einem Grundbetrag, einem Familienzuschlag und den Kosten der Unterkunft, soweit die Aufwendungen dafür den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang nicht übersteigen. Höchstrichterlich ist entschieden, dass zur Beurteilung dessen, welche Kosten der Unterkunft als angemessen anzuerkennen sind, die für die Bemessung des Wohngeldes bestimmten Höchstbeträge nicht herangezogen werden können (BVerwG, Urt. v. 27.11.1986 - 5 C 2/85 -, BVerwGE 75, 168; BVerwG, Urt. v. 31.8.2004 - 5 C 8/04 -, NJW 2005, 310; BSG, Urt. v. 18.6.2008 - B 14/7b AS 44/06 R -, FEVS 60, 145). Daher ist die Annahme der Beklagten, dass allenfalls die Höchstbeträge aus der Tabelle zu § 8 WoGG in der in dem hier relevanten Zeitraum geltenden Fassung anzusetzen seien, ebenso unzutreffend wie ihre Handhabung im Verwaltungsverfahren, nur die nach dem Wohngeldgesetz zu berücksichtigende Belastung von 370,25 EUR abzüglich des der Klägerin gezahlten Lastenzuschusses von 129,- EUR als Unterkunftskosten in Ansatz zu bringen. Vielmehr sind als Kosten der Unterkunft die tatsächlich aufgewendeten Mittel für die Unterkunft anzusetzen, soweit diese angemessen sind (vgl. Mergler/Zink, Handbuch der Grundsicherung und Sozialhilfe, Teil 2, § 85 SGB XII Rn. 17). Da bei Wohnungs- und Hauseigentümern die auf das Eigentum entfallenen Lasten an die Stelle der Miete treten (Mergler/Zink, § 85 SGB XII Rn. 24), sind im vorliegenden Fall zumindest die von der Klägerin für den Erwerb und die Renovierung ihres Hauses aufgewandten Kreditzinsen zu berücksichtigen, soweit diese den den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang nicht übersteigen. Die Klägerin hat nach ihren Angaben im erstinstanzlichen Verfahren Zinsen in Höhe von 785,15 EUR monatlich entrichtet. Bringt man diese Zinsleistungen nach Abzug des der Klägerin gezahlten Lastenzuschusses in vollem Umfang in Ansatz, errechnet sich eine Einkommensgrenze von 1718,25 EUR, die von dem Einkommen von 1.592,52 EUR bzw. 1.682,59 EUR nicht erreicht wird. Die Beklagte hätte daher zur Begründung des von ihr geltend gemachten Zulassungsgrundes ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils darlegen müssen, dass die Klägerin Zinsen in dem von ihr behaupteten Umfang gar nicht entrichtet hat oder die gezahlten Zinsen den nach den Besonderheiten des Einzelfalls angemessenen Umfang überstiegen haben. Dahingehende Ausführungen enthält die Begründung des Zulassungsantrags jedoch nicht. Daher sind ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils nicht hinreichend dargelegt worden.