Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 13.01.2011, Az.: 8 PA 241/10

Erklärung über das Nichtvorhandensein einer sonstigen rentenbezugsberechtigten Person zu Beginn der Altersrente als Voraussetzung für den sog. Ledigenzuschlag zur Altersrente

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
13.01.2011
Aktenzeichen
8 PA 241/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 10170
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2011:0113.8PA241.10.0A

Verfahrensgang

vorgehend
VG Hannover - 25.08.2010 - AZ: 5 A 6102/09

Fundstellen

  • MedR 2011, 241
  • NVwZ-RR 2011, 205

Amtlicher Leitsatz

Die Gewährung des sog. Ledigenzuschlags zur Altersrente nach § 15 Abs. 10 Satz 1 Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen - ASO -, zuletzt geändert durch Beschluss der Kammerversammlung vom 28. November 2009, setzt voraus, dass der Ärzteversorgung Niedersachen spätestens bei Beginn der Altersrente des versorgungsberechtigten Mitglieds dessen verbindliche Erklärung vorliegt, dass keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind.

Gründe

1

Die gegen die Ablehnung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe erhobene Beschwerde des Klägers ist zulässig, aber unbegründet. Denn das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Klageverfahren zu Recht abgelehnt.

2

Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

3

Hier fehlt der Rechtsverfolgung des Klägers die erforderliche Erfolgsaussicht. Denn nach der im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren nur vorzunehmenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage (vgl. BVerfG, Beschl. v. 26.2.2007 - 1 BvR 474/05 -, NVwZ-RR 2007, 361, 362 [BVerfG 26.02.2007 - 1 BvR 474/05]) hat er voraussichtlichen keinen Anspruch auf Gewährung eines sog. Ledigenzuschlages zu seiner Altersrente. Der Senat macht sich die zutreffenden Erwägungen des angefochtenen Beschlusses zu Eigen und verweist deshalb auf sie (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).

4

Der hiergegen allein erhobene Einwand des Klägers, die Alterssicherungsordnung der Beklagten enthalte entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts keine Stichtagsregelung zur Abgabe einer auf die Gewährung des Ledigenzuschlags gerichteten Erklärung, greift nicht durch.

5

Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen - ASO -, in der zuletzt durch Beschluss der Kammerversammlung vom 28. November 2009 geänderten Fassung (Nds. Ärzteblatt 2010, S. 29), hat jedes Mitglied der Ärzteversorgung mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf eine lebenslange Altersrente. Diese Altersrente kann sich um einen sog. Ledigenzuschlag erhöhen. Hierzu bestimmt § 15 Abs. 10 ASO, der wortgleich mit dem in der angefochtenen Entscheidung in Bezug genommenen § 15 Abs. 7 ASO in der bis zum 31. Dezember 2009 geltenden Fassung ist (vgl. Beschluss der Kammerversammlung vom 28.11.2009, dort Nr. I.2.j, Nds. Ärzteblatt 2010, S. 29):

"Sind nach verbindlicher Erklärung des Mitgliedes bei Beginn der Altersrente keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden, so erhält das versorgungsberechtigte Mitglied einen Zuschlag in Höhe von 20% zu der nach § 15 festgestellten Altersrente. Damit sind alle sonstigen Ansprüche nach der Alterssicherungsordnung mit Ausnahme des Anspruches auf Sterbegeld nach § 23 Alterssicherungsordnung dauernd ausgeschlossen."

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Die Bestimmung in § 15 Abs. 10 Satz 1 ASO hat das Verwaltungsgericht zutreffend dahingehend ausgelegt, dass das versorgungsberechtigte Mitglied den Zuschlag in Höhe von 20% zu der nach § 15 ASO festgestellten Altersrente nur erhält, wenn der Beklagten spätestens bei Beginn der Altersrente des versorgungsberechtigten Mitglieds dessen verbindliche Erklärung vorliegt, dass keine sonstigen rentenbezugsberechtigten Personen vorhanden sind.

7

Diese Auslegung ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 15 Abs. 10 Satz 1 ASO. Denn danach ist die verbindliche Erklärung des Mitgliedes "bei Beginn der Altersrente" abzugeben. Durch diese Formulierung wird ein maßgeblicher Zeitpunkt nicht nur für die Feststellung des (Nicht-)Vorhandenseins sonstiger rentenbezugsberechtigter Personen bestimmt, sondern auch für die Abgabe der Erklärung des versorgungsberechtigten Mitglieds.

8

Auch die Systematik des § 15 Abs. 10 ASO spricht für die vorgenommene Auslegung. Abweichend von ähnlichen Bestimmungen in den Satzungen anderer berufsständischer Versorgungswerke (vgl. bspw. § 12 Abs. 4 Satz 1 Satzung des Niedersächsischen Versorgungswerks der Rechtanwälte und § 20 Abs. 5 und 6 Satzung des Versorgungswerkes der Rechtsanwälte in Baden-Württemberg) sieht die Alterssicherungsordnung der Ärztekammer Niedersachsen ausdrücklich keinen Antrag auf Gewährung des sog. Ledigenzuschlags vor, der ggf. auch noch nach Beginn der Altersrente gestellt werden könnte. Stattdessen wird das versorgungsberechtigte Mitglied durch die ASO verpflichtet, spätestens bis zum Beginn der Altersrente eine Erklärung über das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 10 Satz 1 ASO gegenüber der Beklagten abzugeben, die die Beklagte in die Lage versetzt, die Altersrente zusammen mit dem sog. Ledigenzuschlag festzusetzen. Der für die Inanspruchnahme des sog. Ledigenzuschlags abzugebenden Erklärung nach § 15 Abs. 10 Satz 1 ASO kommt daher zugleich die Funktion eines Antrags auf Gewährung des Zuschlags zu (so auch VG Hannover, Urt. v. 20.8.2010 - 5 A 435/09 -, Umdruck S. 9); diese kann nur bis zum Beginn der Altersrente abgegeben werden (so auch VG Hannover, Urt. v. 2.6.2004 - 5 A 2898/03 -, Umdruck S. 6).

9

Diese Auslegung entspricht schließlich auch dem erkennbaren Sinn und Zweck der Regelung. Sie soll es der Beklagten ermöglichen, bei Beginn des Bezugs der Altersrente durch Bescheid die Höhe der dem versorgungsberechtigten Mitglied zustehenden Altersrente einschließlich der in der Satzung vorgesehenen Zu- oder Abschläge verbindlich festzulegen. Nur bis zum Bezug einer Altersrente leistet das altersrentenbezugsberechtigte Mitglied regelmäßig Versorgungsabgaben nach Maßgabe der §§ 27 ff. ASO. Bei einem Regelrenteneintrittsalter von 65 Jahren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 ASO wird zu diesem Zeitpunkt schließlich regelmäßig auch die Familiengründungsphase des Mitglieds abgeschlossen und ihm daher eine sachgerechte Entscheidung darüber möglich sein, welche der ihm nach § 15 Abs. 1 und Abs. 10 Satz 1 ASO offen stehenden Möglichkeiten zur Gestaltung der Höhe seiner eigenen Altersrente und der Versorgungsansprüche etwaiger Hinterbliebenen für ihn am günstigsten ist (vgl. Senatsbeschl. v. 18.8.2005 - 8 LA 117/05 -, Umdruck S. 4 f.).

10

Dass die Beklagte mit der Regelung in § 15 Abs. 10 ASO, wie sie vom Senat verstanden und von der Beklagten in der täglichen Praxis offenbar auch angewendet wird, die Grenzen des ihr zustehenden Gestaltungsspielraums überschritten hätte, ist nicht erkennbar. Denn sie hat bei der satzungsrechtlichen Ausgestaltung der Altersversorgung ihrer Mitglieder einen erheblichen Gestaltungsspielraum. Es ist dem Satzungsgeber einer berufsständischen Versorgungseinrichtung deshalb nicht verwehrt, generalisierende und typisierende Regelungen unter Vernachlässigung der Besonderheiten von Einzelfällen zu treffen. Es ist somit weitgehend seiner Gestaltungsfreiheit überlassen, seine Vorstellungen von einer zweckmäßigen Versorgung seiner Mitglieder zu verwirklichen (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.11.1982 - 5 C 69.79 -, NJW 1983, 2650; Groepper, Die Rechtsprechung des BVerwG zum berufsständigen Versorgungsrecht, in: NJW 1999, 3008 (3010)).

11

Auch offensichtliche Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung in § 15 Abs. 10 ASO bestehen nicht. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht ersichtlich, da die Stichtagsregelung für alle Mitglieder gleichermaßen gilt. Der Schutzbereich von Art. 14 Abs. 1 GG ist bereits nicht eröffnet. Dieser umfasst zwar grundsätzlich auch öffentlichrechtliche Ansprüche und Anwartschaften auf Leistungen aus der (gesetzlichen) Rentenversicherung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.2.1998, - 1 BvR 1318/86, 1 BvR 1484/86 -, BVerfGE 97, 271, 283 f.; Urt. v. 28.2.1980 - 1 BvL 17/77 -, BVerfGE 53, 257, 289 f.). Sie genießen grundrechtlichen Eigentumsschutz aber nur, wenn es sich um vermögenswerte Rechtspositionen handelt, die nach Art eines Ausschließlichkeitsrechts dem Rechtsträger als privatnützig zugeordnet sind, auf nicht unerheblichen Eigenleistungen des Versicherten beruhen und seiner Existenzsicherung dienen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.7.1985 - 1 BvL 5/80 -, BVerfGE 69, 272, 300 [BVerfG 16.07.1985 - 1 BvL 5/80]; Urt. v. 28.2.1980, a.a.O., 290 f.). Der Ledigenzuschlag beruht aber nicht auf einer eigenen - erhöhten - Beitragsleistung des Versicherten, sondern ergibt sich aus der unterschiedlichen Berücksichtigung von Versicherungsrisiken. Er ist daher keine gesicherte Rechtsposition im Sinne des Art. 14 Abs. 1 GG (vgl. VG Hamburg, Urt. v. 5.12.2006 - 10 K 2075/05 -, - [...] Rn. 51).

12

Nach dem damit zutreffenden Verständnis des Verwaltungsgerichts vom Inhalt der Regelung in § 15 Abs. 10 ASO ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung des sog. Ledigenzuschlags hier dauerhaft ausgeschlossen. Denn obwohl die Beklagte den Kläger rechtzeitig vor dem Beginn der Altersrente am 1. Oktober 2004 mit Schreiben vom 8. Juli 2004 (Bl. 343 Beiakte A) auf die Erforderlichkeit der fristgerechten Abgabe der Erklärung hingewiesen hat und der Erklärungsvordruck mit dem Rentenantrag (vgl. Bl. 377 ff. Beiakte A) unmittelbar verbunden ist, hat der Kläger seiner Zeit die Erklärung bewusst nicht abgegeben (vgl. Bl. 377 und 380 Beiakte A), sondern diese erst mit Schreiben vom 18. Oktober 2009 (Bl. 468 Beiakte A) und damit weit nach "Beginn der Altersrente" im Sinne des § 15 Abs. 10 Satz 1 ASO beigebracht.