Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 31.01.2011, Az.: 9 LC 132/09
Grundsätzliche Festlegung einer Kostenabrede als Grundlage für die Heranziehung von Fremdanliegern im Zeitpunkt des Abschlusses eines Erschließungsvertrags des Baugebiets; Modifizierung eines wirksamen Erschließungsvertrags ohne eine Kostenabrede nur bei Ausdruck des Willens der Vertragsparteien zur Heranziehung von Fremdanliegern zu Erschließungsbeiträgen im Vertrag
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 31.01.2011
- Aktenzeichen
- 9 LC 132/09
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2011, 11065
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2011:0131.9LC132.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Oldenburg - 16.06.2009 - AZ: 1 A 1817/07
Rechtsgrundlagen
- § 123 Abs. 1 BauGB
- § 124 Abs. 3 S. 1 BauGB
- § 127 BauGB
- § 128 Abs. 1 BauGB
Fundstellen
- FStNds 2011, 258-262
- GK/BW 2012, 16
- NVwZ-RR 2011, 381
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Die Modifizierung eines Erschließungsvertrags durch eine Kostenabrede mit dem Ziel, einen umlagefähigen Aufwand der Gemeinde zu begründen und eine Grundlage für die Heranziehung von Fremdanliegern zu schaffen, muss grundsätzlich bereits in dem auf die Erschließung des Baugebiets ausgerichteten Vertrag erfolgen.
- 2.
Ist ein ohne eine solche Kostenabrede geschlossener Erschließungsvertrag wirksam, kommt nachträglich eine Modifizierung des Vertrags nur dann in Betracht, wenn in dem Erschließungsvertrag zumindest der Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck gekommen ist, dem Grunde nach eine Basis für die Heranziehung von Fremdanliegern zu Erschließungsbeiträgen schaffen zu wollen.
Gründe
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag für die im Gebiet der Beklagten gelegene Straße B.. Sie ist Eigentümerin des Grundstücks B. 13 (ehemalige Flurstücksbezeichnung 123/28, nunmehr 123/30 der Flur 11, Gemarkung E.). Das Grundstück liegt unmittelbar an der Straße B.. Es wird - ebenso wie eine Teilstrecke des B. - vom Bebauungsplan Nr. 2 "F., 3. Änderung" erfasst. Hinsichtlich der im Bebauungsplangebiet gelegenen Flächen schloss die Beklagte mit der G. eG unter dem 8. April 2005 einen Erschließungsvertrag mit im Wesentlichen folgendem Inhalt:
"§ 1 Übertragung der Erschließung
1. Die Gemeinde Steinfeld (nachfolgend Gemeinde genannt) überträgt nach § 124 BauGB die Erschließung im Bebauungsplangebiet Nr. 2 F., 3. Änderung' nach Maßgabe dieses Vertrages auf die G. eG (nachfolgend Erschließungsträger genannt). ... Der Erschließungsträger verpflichtet sich zur Durchführung der Erschließungsmaßnahmen nach diesem Vertrag im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, soweit nicht nachstehend etwas anderes vereinbart ist.
...
§ 3 Verkehrsanlagen
1. Der Erschließungsträger verpflichtet sich, die von der Gemeinde dem öffentlichen Verkehr zu widmenden zum Anbau bestimmten Straßen, Wege und Plätze einschließlich aller ihrer Bestandteile herzustellen.
...
4. Durch die Verkehrsanlage ... werden auch nachstehend aufgeführte Grundstücke erschlossen, die nicht im Eigentum des Erschließungsträgers stehen (Fremdanliegergrundstücke):
Teilfläche des Flurstücks 123/28 zur Größe von 700 m2 sowie die Flurstücke 123/27, 123/25, 123/23, 123/20, 123/19, 123/22 u. 123/13. Dem Erschließungsträger bleibt das Recht vorbehalten, die Fremdanliegergrundstücke anteilig an den Herstellungskosten zu beteiligen.
...
§ 15 Kostenbeteiligungen
a) Ablösung von Erschließungs- und Abwasserbeiträgen
1. Die Kosten für die Durchführung der Erschließungsmaßnahmen nach diesem Vertrag trägt der Erschließungsträger.
... "
Der B. wurde vom Erschließungsträger hergestellt und am 19. Dezember 2006 gewidmet.
Unter dem 25. Mai 2007 vereinbarten die Beklagte und die G. eG eine Modifizierung des Erschließungsvertrags vom 8. April 2005 durch eine besondere Kostenvereinbarung. In diesem Vertrag heißt es:
"Die Herstellung der Erschließungsanlage 'Abschnitt B. erfolgte gemäß § 124 BauGB in Fremdregie durch Erschließungsvertrag. Der Erschließungsträger hat mündlich eine Vereinbarung mit den Fremdanliegern zur anteilmäßigen Übernahme der beitragsfähigen Erschließungskosten geschlossen. Diese vertragliche Vereinbarung wurde nicht von den Eigentümern ... eingehalten. Das für den Erschließungsvertrag geltende Angemessenheitsgebot bzw. der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. § 124 (3) BauGB ist nicht gegeben.
Durch diese Kostenvereinbarung wird der Gemeinde Steinfeld ein beitragsfähiger Erschließungsaufwand begründet und dadurch der Weg zur einer der Vorteilssituation des jeweiligen Fremdanliegergrundstücks entsprechenden Belastung mit Erschließungskosten zu eröffnen.
Die Gemeinde Steinfeld verpflichtet sich, die beitragsfähigen Erschließungskosten ... in Höhe von 76.258,20 EUR an den Erschließungsunternehmer zu erstatten.
Der Erschließungsträger verpflichtet sich zur Übernahme des Gemeindeanteils gem. § 129 BauGB in Höhe von 10% = 7.625,82 EUR.
Der beitragsfähige Aufwand der Gemeinde Steinfeld in Höhe von 68.632,38 EUR wird auf alle von diesem Abschnitt der Erschließungsanlage erschlossenen Grundstücke ... verteilt. Die Beitragsfläche beträgt 7.569 qm, der Beitragssatz somit 9,07 EUR je qm.
...
Der Erschließungsbeitrag für die bebauten Grundstücke,
- ... Flurstücke 123/22 = 522 m2 u. 123/19 = 38 m2,
insgesamt 560 m2, in Höhe von 5.079,20 EUR
- ... Flurstück 123/30 = 562 m2, in Höhe von 5.097,34 EUR
insgesamt: 10.176,54 EUR
wird durch Erschließungsbeitragsbescheid der Gemeinde Steinfeld für die vorgenannten beitragspflichtigen Grundstückseigentümer festgesetzt. ... "
Durch Bescheid vom 29. Mai 2007 setzte die Beklagte gegenüber der Klägerin einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 5.097,34 EUR fest.
Die Klägerin hat fristgerecht Klage erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen vorgetragen, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig. Mit dem Abschluss des Erschließungsvertrags vom 8. April 2005 habe sich die Beklagte der Möglichkeit begeben, hoheitlich Erschließungsbeiträge geltend zu machen. Es sei nicht zulässig, den Erschließungsvertrag in der am 25. Mai 2007 vorgesehenen Weise zu modifizieren. Ungeachtet dessen stelle die neu getroffene Kostenregelung nicht eine Modifizierung des bisherigen Vertrages dar, sondern müsse als gänzlich neuer Vertragsinhalt angesehen werden, der gegen Treu und Glauben verstoße.
Die Klägerin hat beantragt,
den Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 29. Mai 2007 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es sei zulässig, einen Erschließungsvertrag - wie hier - durch eine besondere Kostenvereinbarung zu modifizieren, und auf diese Weise einen beitragsfähigen Erschließungsaufwand zu begründen sowie den Weg zu einer der Vorteilssituation eines Grundstücks entsprechenden Belastung des Fremdanliegers mit Erschließungskosten zu eröffnen. Diese Modifizierung verstoße vorliegend auch nicht gegen Treu und Glauben. Der Klägerin sei der Umstand bekannt gewesen, dass eine Erschließungsstraße hergestellt werden solle. Sie habe damit rechnen müssen, zu Erschließungsbeiträgen herangezogen zu werden.
In dem gegen die Ablehnung des Antrags auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes betreffenden Beschwerdeverfahren hat der erkennende Senat (Beschluss vom 25.6.2008 - 9 ME 454/07 -) die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet. Er hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, durch die spätere Modifizierung des Erschließungsvertrags sei nicht eine wirksame Möglichkeit für die Beklagte geschaffen worden, Erschließungsbeiträge zu erheben. Wirksam könne eine nachträgliche Modifizierung nur erfolgen, wenn bereits im Erschließungsvertrag der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck komme, eine Basis für die Heranziehung der Fremdanlieger in Form eines eigenen, allein umlagefähigen Erschließungsaufwands der Gemeinde sicherzustellen. Nur dann erweise sich der Erschließungsvertrag als ergänzungsfähig durch eine spätere modifizierende Kostenvereinbarung. Ein solcher Fall liege hier nicht vor. Im ursprünglichen Erschließungsvertrag sei dem Erschließungsträger das Recht vorbehalten worden, die Fremdanlieger anteilig an den Herstellungskosten zu beteiligen. Es habe also nicht Herstellungsaufwand der Beklagten begründet werden sollen. Allein der Erschließungsträger sei berechtigt worden, privatrechtliche Zahlungsvereinbarungen zu treffen.
Durch Urteil vom 16. Juni 2009 hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten aufgehoben. Es hat zur Begründung im Wesentlichen auf den im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss des erkennenden Senats vom 25. Juni 2008 (9 ME 454/07) Bezug genommen und die Berufung wegen der Klärungsbedürftigkeit der Frage zugelassen, ob und ggf. wann die nachträgliche Änderung der in einem Erschließungsvertrag enthaltenen Kostenregelung mit dem Ziel zulässig sei, die Heranziehung von Fremdanliegern zu ermöglichen.
Die Beklagte hat zur Begründung ihrer fristgerecht eingelegten Berufung vorgetragen, die Modifizierung einer erschließungsvertraglichen Kostenregelung sei auch nachträglich jederzeit möglich. Rechtliche Vorschriften, die einer solchen nachträglichen Modifizierung entgegenstünden, seien nicht ersichtlich. Es bestünden keine gesetzlichen Verbote, ein Verstoß gegen die guten Sitten oder allgemeine (bundesrechtliche) Rechtsgrundsätze liege nicht vor. Die Grundsätze der Vertragsfreiheit und der Privatautonomie erlaubten eine derartige Vertragsänderung. Sogenannte Fremdanlieger könnten sich nicht auf einen Vertrauensschutz bezüglich der ursprünglichen Regelungen im Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 berufen. Sie könnten kein schutzwürdiges Vertrauen in einmal getroffene Regelungen entwickeln. Sie seien nicht Vertragspartei des Erschließungsvertrags und müssten bei der Herstellung einer Erschließungsanlage regelmäßig damit rechnen, zu Erschließungsbeiträgen herangezogen zu werden.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt zur Begründung aus, entscheide sich - wie hier - eine Gemeinde für den Abschluss eines Erschließungsvertrags, sei es ihr grundsätzlich verwehrt, Erschließungsbeiträge zu erheben. Jedenfalls könne sie nicht nachträglich den Erschließungsvertrag modifizieren und dann Erschließungsbeiträge erheben. Ein Erschließungsvertrag entfalte in Bezug auf Fremdanlieger Drittwirkung. Wegen dieser Drittwirkung sei es nach erfolgtem Vertragsabschluss nicht mehr allein dem Willen der Vertragsparteien überlassen, wie sie mit ihren Vereinbarungen umgingen. Bei dem Vertrag vom 25. Mai 2007 handele es sich offensichtlich um eine reine Gefälligkeitsvereinbarung mit dem Zweck, Aufwand der Gemeinde zu konstruieren und die Möglichkeit einer Veranlagung der Fremdanliegergrundstücke zu einem Erschließungsbeitrag zu schaffen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
II.
Die vom Verwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage zu Recht stattgegeben. Der angefochtene Erschließungsbeitragsbescheid der Beklagten vom 29. Mai 2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
Die Voraussetzungen für eine Heranziehung der Klägerin zu Erschließungsbeiträgen liegen nicht vor. Es fehlt an einem Erschließungsaufwand im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB. Diese Vorschrift regelt, welche Kosten der Erschließungsaufwand nach§ 127 BauGB umfasst. Dazu gehört nur derjenige Aufwand, den die Gemeinde im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe nach § 123 Abs. 1 BauGB aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtungen machen muss bzw. machen musste. Alles, was sie etwa erspart oder als "freiwilliges" Entgelt leistet, ohne im Hinblick auf wechselseitige Rechtsbeziehungen dazu verpflichtet zu sein, ist grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähig (BVerwG, Urteil vom 18.9.1981 - 8 C 21/81 - DVBl. 1982, 79, [...]; Urteil vom 23.5.1980 - IV C 69/77 u.a. - DÖV 1980, 835, [...]; Urteil vom 4.5.1979 - IV C 16/76 - DVBl. 1979, 785, [...]; Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Kommentar, 10. Aufl., 2007, § 128 Rdn. 2).
Nach diesen Maßgaben ist der Aufwand, der bei der Beklagten durch die unter dem 25. Mai 2007 zwischen ihr und der G. eG getroffene Kostenvereinbarung begründet und der mit dem angefochtenen Erschließungsbeitragsbescheid anteilig auf die Klägerin umgelegt wurde, nicht berücksichtigungsfähig. Zur Begründung dieses Aufwands war die Beklagte weder gesetzlich noch vertraglich verpflichtet. Dazu im Einzelnen:
Die Beklagte hat mit der G. eG unter dem 8. April 2005 einen Erschließungsvertrag im Sinne des § 124 BauGB geschlossen. Nach den Absätzen 1 und 2 der letztgenannten Vorschrift kann die Gemeinde die Erschließung durch Vertrag auf einen Dritten übertragen. Gegenstand des Erschließungsvertrags können nach Bundes- oder nach Landesrecht beitragsfähige sowie nicht beitragsfähige Erschließungsanlagen in einem bestimmten Erschließungsgebiet in der Gemeinde sein. Der Dritte kann sich gegenüber der Gemeinde verpflichten, die Erschließungskosten ganz oder teilweise zu tragen. Überträgt eine Gemeinde einem Erschließungsunternehmer die technische Durchführung und die kostenmäßige Abwicklung der Erschließung, entstehen Erschließungskosten nicht bei ihr, sondern nur bei dem Erschließungsunternehmer (BVerwG, Urteil vom 22.3.1996 - 8 C 17/94 - BVerwGE 101, 12, [...]). Ein solcher Fall liegt hier vor. Mit der auch ausdrücklich als Erschließungsvertrag bezeichneten Vereinbarung vom 8. April 2005 übernahm die G. eG neben der tatsächlichen Durchführung der Erschließung auch die Verpflichtung zur Kostentragung. Mit dessen § 1 Nr. 1 Satz 3 verpflichtete sie sich zur Durchführung der vereinbarten Erschließungsmaßnahmen im eigenen Namen und auf eigene Rechnung, soweit nichts anderes vereinbart war. § 15 a) Nr. 1 Satz 1 des Vertrages bestimmte ergänzend, dass der Erschließungsträger, also die G. eG, die Kosten für die Durchführung der Erschließungsmaßnahmen trägt. Lediglich in Bezug auf den - hier nicht maßgeblichen - Schmutzwasserkanal regelte § 15 a) Nr. 2 des Vertrags eine Erstattungspflicht der Beklagten. Eine besondere Kostenvereinbarung, die einen beitragsfähigen Erschließungsaufwand der Gemeinde im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB begründete und die auf diesem Weg eine der Vorteilssituation des jeweiligen Grundstücks entsprechende Belastung der Fremdanlieger ermöglichte (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.3.1996 - 8 C 17/94 - BVerwGE 101, 12, [...]), enthielt der Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 nicht. Hinsichtlich der Fremdanlieger blieb der G. eG lediglich das Recht vorbehalten, die Fremdanliegergrundstücke anteilig an den Herstellungskosten zu beteiligen (§ 3 Nr. 4 des Vertrags).
Soweit die Beklagte durch Abschluss der Kostenvereinbarung vom 25. Mai 2007 erstmals eigenen Aufwand begründet hat, ist bereits fraglich, ob es sich hierbei begrifflich überhaupt um Erschließungsaufwand im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB handelt. Die von dieser Vorschrift umfassten Kosten u.a. für die erstmalige Herstellung der Straße waren bereits abgegolten. Die Erschließungsanlage B. war zu diesem Zeitpunkt bereits hergestellt. Die Kosten waren durch die im eigenen Namen und auf eigene Rechnung handelnde G. eG beglichen worden bzw. zu begleichen. In diesem Sinne beruhte der hier in Rede stehende Aufwand nicht unmittelbar auf der erstmaligen Herstellung der Straße, sondern war auf die am 25. Mai 2007 getroffene Kostenvereinbarung zurückzuführen.
Ungeachtet dessen war die Beklagte nicht verpflichtet, sich durch Abschluss der Kostenvereinbarung am 25. Mai 2007 auf die Begründung eines eigenen Aufwands einzulassen. Die Modifizierung eines Erschließungsvertrags durch - wie hier - eine Kostenabrede mit dem Ziel, einen umlagefähigen Aufwand der Gemeinde zu begründen und eine Grundlage für die Heranziehung von Fremdanliegern zu Erschließungsbeiträgen zu schaffen, muss grundsätzlich bereits in dem auf die Erschließung des Baugebiets ausgerichteten Vertrag erfolgen (BVerwG, Urteil vom 22.3.1996 - 8 C 17/94 - BVerwGE 101, 12, [...]). Nach Auffassung des erkennenden Senats kommt nachträglich eine Modifizierung nur in Betracht, wenn in dem Erschließungsvertrag zumindest der Wille der Vertragsparteien zum Ausdruck kommt, dass dem Grunde nach eine Basis für die Heranziehung der Fremdanlieger zu Erschließungsbeiträgen sichergestellt werden soll. Ist der Erschließungsvertrag in diesem Sinne darauf angelegt, eine der Vorteilssituation des jeweiligen Grundstücks entsprechende Belastung der Fremdanlieger durch Heranziehungsbescheid zu ermöglichen, erweist sich der Vertrag als ergänzungsfähig durch eine spätere modifizierende Kostenvereinbarung (Nds. OVG, Beschluss vom 22.11.2006 - 9 ME 269/06 -; Beschlüsse vom 24.6.2008 - 9 ME 453 und 454/07 -). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien darin übereinstimmten, dass Fremdanlieger durch die Beklagte zu Erschließungsbeiträgen sollten herangezogen werden können. Wie dargelegt, sah der Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 nicht die Begründung eines eigenen Aufwands der Gemeinde vor. Der G. eG blieb das Recht vorbehalten, die Fremdanlieger auf privatrechtlichem Wege anteilig an den Herstellungskosten zu beteiligen. Dass beabsichtigt war, die Möglichkeit für eine hoheitliche Heranziehung von Fremdanliegern zu Erschließungsbeiträgen zu schaffen, folgt auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten Vermerk vom 8. Januar 2003. Aus diesem ergibt sich lediglich, dass bei der Umlage der Kosten u.a. auch das Grundstück der Klägerin Berücksichtigung finden, nicht aber dass dies in einer anderen als der vertraglich vereinbarten Weise geschehen sollte.
Der Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 war wirksam. Dafür, dass - wie die Beklagte vorgetragen hat - ein zur Unwirksamkeit führender und zu Nachverhandlungen zwingender Verstoß gegen § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB vorlag, gibt es keinen greifbaren Anhaltspunkt. Nach dieser Regelung müssen die vertraglich vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen nach angemessen sein und in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung stehen. Mit dem Angemessenheitsgebot soll dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und dem Übermaßverbot Rechnung getragen werden. Da die in einem Erschließungsvertrag vereinbarten Leistungen "den gesamten Umständen nach" angemessen sein müssen, müssen die Leistungen nicht nur im Verhältnis untereinander, sondern auch im Verhältnis zum Vertragszweck ausgewogen sein, wobei eine wirtschaftliche Betrachtung des Gesamtvorgangs geboten ist (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., 2007, § 6 Rdn. 42 ff. m.w.N.). Den Anforderungen des § 124 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist hier Genüge getan. Die vertraglich vereinbarten Leistungen stehen in sachlichem Zusammenhang mit der Erschließung. Bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs spricht nichts dafür, dass die Leistungen im Verhältnis untereinander oder im Verhältnis zum Vertragszweck unausgewogen sind. Eine Unausgewogenheit der vereinbarten Leistungen ist nicht stets dann anzunehmen, wenn ein Erschließungsunternehmer - wie hier die G. eG - die Aufwandsanteile zu tragen hat, die im Falle einer Beitragsveranlagung einem Fremdanlieger auferlegt werden könnten (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 2.11.2010 - 9 B 98/09 u.a. - [...]). Würde man dies anders sehen, führte dies zu einer Verkürzung der von Gesetzes wegen vorzunehmenden Würdigung aller Umstände des Einzelfalls. Diese ergeben hier keinen Ansatz für einen entsprechenden Verstoß gegen das Angemessenheitsgebot. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Kostenanteile, die hier den Fremdanliegergrundstücken zuzuordnen sind, mit insgesamt 10.176,54 EUR relativ niedrig sind und es sich bei dem Erschließungsunternehmer um eine Bank handelt. Bei ihr kann vorausgesetzt werden, dass sie in der Teilnahme am Geschäftsverkehr und der Aushandlung von Verträgen versiert ist und das Risiko, das sie mit Abschluss der in § 3 Nr. 4 des Erschließungsvertrags enthaltenen Regelung hinsichtlich einer Beteiligung von Fremdanliegern an den Herstellungskosten auf privatrechtlichem Wege einging, abzuschätzen wusste und abgeschätzt hat. Es deutet bereits nichts darauf hin, dass sie aus dem hier in Rede stehenden Geschäft Verluste erwirtschaftet haben könnte. Erst recht ist nicht zu erkennen, dass insgesamt gesehen die Kostentragung sie unzumutbar belastet.
Der Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 war auch nicht aus sonstigen Gründen unwirksam. Insbesondere lagen im Hinblick auf eine Kostenbeteiligung von Fremdanliegern nicht Voraussetzungen vor, unter denen ein Wegfall der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann (vgl. § 1 Abs. 1 NVwVfG i.V.m. § 60 Abs. 1 VwVfG). Es ist weder vorgetragen noch erkennbar, dass für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebende Verhältnisse sich seit Abschluss des Vertrags wesentlich geändert bzw. irrtümlich angenommene Umstände von Anfang an gefehlt haben (vgl. zu Letzterem Nds. OVG, Beschluss vom 14.2.2003 - 7 LA 130/02 - [...]; Bonk in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 6. Aufl., 2001, § 60 Rdn. 13; Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., 2003, § 60 Rdn. 5, 11; s. auch BVerwG, Urteil vom 18.10.2001 - 3 C 1/01 - NVwZ 2002, 486, [...] Rdn. 29). Wie oben ausgeführt wurde, deutet nichts darauf hin, dass die Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen wären, dass die Möglichkeit zu schaffen sei, die sog. Fremdanlieger durch Bescheid zu Erschließungsbeiträgen heranzuziehen. Es gibt auch keinen Anhaltspunkt dafür, dass einem der Vertragsparteien ein Festhalten am Vertrag vom 8. April 2005 unzumutbar gewesen wäre. Die G. eG hat mit Abschluss der in § 3 Nr. 4 enthaltenen Regelung hinsichtlich einer Beteiligung von Fremdanliegern an den Herstellungskosten auf privatrechtlichem Wege bewusst ein Risiko übernommen. Es erscheint deswegen nicht als unbillig, sie daran festzuhalten (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 8. Aufl., 2003, § 60 Rdn. 12).
Da unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen anzunehmen ist, dass die Begründung von Aufwand bei der Beklagten durch Abschluss der Kostenvereinbarung vom 25. Mai 2007 weder auf einer gesetzlichen noch auf einer vertraglichen Verpflichtung beruhte, sondern eine freiwillige Leistung darstellte, die nicht Erschließungsaufwand im Sinne des § 128 Abs. 1 BauGB ist, kommt es auf die weitere von der Beklagten aufgeworfene Frage nicht an, ob und inwieweit die sog. Fremdanlieger - wie hier die Klägerin - gegenüber einer Vertragsänderung schutzwürdig seien.
Zu einem anderen Ergebnis kommt man auch dann nicht, wenn man annähme, der Erschließungsvertrag vom 8. April 2005 habe eine anderweitige Deckung des Erschließungsaufwands begründet (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 9.11.1984 - 8 C 77/83 - BVerwGE 70, 247, [...]; Urteil vom 18.9.1981 - 8 C 21.81 - DVBl. 1982, 79, [...]; Urteil vom 6.7.1973 - IV C 22.72 - BVerwGE 42, 331, [...]; VGHBW, Urteil vom 17.6.1999 - 2 S 3245/96 - NVwZ-RR 2000, 461). Die Voraussetzungen, unter denen eine Gemeinde einen - wie hier - vorhandenen vertraglichen Anspruch auf Übernahme der Erschließungskosten nachträglich wieder aufgeben darf (dazu im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 9.11.1984 - 8 C 77/83 - BVerwGE 70, 247, [...]), waren nicht gegeben. Aus den angeführten Gründen standen weder durchgreifende tatsächliche oder rechtliche Hindernisse der Durchsetzbarkeit des Anspruchs der Beklagten auf Übernahme der Erschließungskosten durch die G. eG entgegen, noch wäre ein Beharren auf ihre Kostenübernahme treuwidrig oder rechtsmissbräuchlich gewesen.
Zum hier gefundenen Ergebnis führt schließlich auch die in der Literatur vorherrschende Auffassung, die Gemeinde habe eine "Regimeentscheidung" über die Art der Refinanzierung von Erschließungskosten (private Rechtsgeschäfte oder Erhebung von Erschließungsbeiträgen) zu treffen, entscheide sie sich für eine Durchführung der Erschließung in Fremdregie durch Abschluss eines Erschließungsvertrags, könnten Grundstückseigentümer nur auf privatrechtlicher Grundlage an den Herstellungskosten beteiligt werden (Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 8. Aufl., 2007, § 6 Rdn. 10 ff.).