Verwaltungsgericht Hannover
Beschl. v. 28.03.2019, Az.: 1 B 1368/19

Bürgerbegehren; Schule

Bibliographie

Gericht
VG Hannover
Datum
28.03.2019
Aktenzeichen
1 B 1368/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2019, 70067
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Vor abgeschlossener Unterschriftensammlung kommt die Sicherung eines Bürgerbegehrens durch Erlass einer einstweiligen Anordnung regelmäßig nicht in Betracht.

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren eine einstweilige Anordnung zur Sicherung eines Bürgerbegehrens, welches auf den Erhalt von Grundschulstandorten abzielt.

Der Rat der Antragsgegnerin beschloss in seiner Sitzung am 4. Februar 2019 eine Zusammenführung der Grundschulen im Samtgemeindegebiet. Nach dem Beschluss soll die Grundschule A-Stadt mit der Grundschule F. zum Schuljahr 2019/2020 zusammengeführt werden. Eine künftige weitere Zusammenführung mit der Grundschule F. ist für die Grundschule H. vorgesehen, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind, wozu u. a. eine fehlende Sicherung der Lehrerversorgung gehört.

Als Reaktion auf den Ratsbeschluss zeigten die Antragsteller als benannte Vertretungsberechtigte unter dem 14. Februar 2019 ein Bürgerbegehren mit folgender Fragestellung an:

"Sind Sie dafür, dass der Samtgemeinde-Ratsbeschluss vom 04.02.2019, über die Zusammenführung der Grundschulen, aufgehoben wird und die Grundschulen A-Stadt und H. in ihrer jetzigen Form und Eigenständigkeit erhalten bleiben?"

Die Begründung des Begehrens lautet wie folgt:

"Der Rat der Samtgemeinde F. hat beschlossen, die Grundschulen der Samtgemeinde in F. zusammenzuführen. Wir wollen unsere Schulen eigenständig erhalten und fordern hierfür eine langfristige Planungssicherheit, um eine gute Unterrichtsversorgung gewährleisten zu können. Laut Prognosen wird es in den nächsten Jahren eine Überversorgung mit Lehrkräften geben. Die Schülerzahlen für die Gemeinden A-Stadt und H. sind konstant und ausreichend für eine einzügige Grundschule in jeder Gemeinde. Eine Zusammenlegung würde zudem dazu führen, dass die Schülerzahlen der Klassen 1-4 in F. bis an die zulässige Grenze von 26 Kindern pro Klasse steigen. Individuelle Förderung schwacher und starker Schülerinnen und Schüler ist so nicht mehr möglich."

Die Antragsteller beantragten in der Anzeige eine Vorabprüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens. Die Antragsgegnerin teilte den Antragstellern mit Schreiben vom 8. März 2019 mit, dass sich der Samtgemeindeausschuss in seiner Sitzung am 5. März 2019 mit dem Antrag auseinandergesetzt habe und das Bürgerbegehren als unzulässig zurückgewiesen werde. Das Bürgerbegehren verfolge ein gesetzwidriges Ziel, weil der Schulträger zur Zusammenlegung von Schulen schulrechtlich verpflichtet sei, wenn die Entwicklung der Schülerzahlen dies erfordere. Es werde gegen die Vorgabe der sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltswirtschaft verstoßen, da infolge der Zusammenlegung jährlich ca. 80.000 EUR eingespart würden. Die Aussage, dass das es laut Prognosen in den nächsten Jahren eine Überversorgung mit Lehrkräften gebe, entbehre nach Mitteilung der Landesschulbehörde jeglicher Grundlage. Die Lehrerversorgung stelle sich bereits jetzt als sehr kritisch da und werde sich insbesondere im Pri-marbereich eher weiter verschärfen. Die Begründung sei daher unrichtig und vermittle dem Bürger bei der Sammlung der Unterschriften ein falsches Bild.

Unter dem 14. März 2019 zeigten die Antragsteller erneut ein Bürgerbegehren mit identischer Fragestellung ohne Antrag auf Vorabprüfung der Zulässigkeit an. In der Begründung wurde der Satz "Laut Prognosen wird es in den nächsten Jahren eine Überversorgung mit Lehrkräften geben" durch den Satz "Nach einer Prognose der Kultusministerkonferenz wird es in den kommenden Jahren ein Überangebot an Lehrkräften geben" ersetzt. Unter dem 17. März 2019 stellten die Antragsteller einen Antrag auf Vorabprüfung der Zulässigkeit des unter dem 14. März 2019 angezeigten Begehrens.

Am 16. März 2019 haben die Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit folgendem Inhalt beantragt:

1. Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, unverzüglich das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 32 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1 bis 3 NKomVG für das "Bürgerbegehren zum Erhalt der Grundschulen A-Stadt und H. " festzustellen,

2. der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig - bis zu einer rechtskräftigen Klärung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens - untersagt, eine Schulbezirkssatzung mit dem Inhalt von weniger als drei Schulbezirken für die Grundschulen A-Stadt, F. und H. zu erlassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag der Antragsteller vom 16. März 2019 zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragsteller hat insgesamt keinen Erfolg.

Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zudem eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Ein Anordnungsanspruch ist zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung überwiegende Erfolgsaussichten in der Hauptsache bestehen. Für das Vorliegen eines Anordnungsgrundes - also die Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung - ist Voraussetzung, dass es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl., § 123 Rn. 25, 26). Die tatsächlichen Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs und der Grund für die notwendige vorläufige Regelung sind glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO). Eine einstweilige Anordnung darf zudem grundsätzlich nicht eine Entscheidung in der Hauptsache vorwegnehmen; sie soll möglichst keine endgültigen Verhältnisse schaffen (vgl. zum grundsätzlichen Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes: BVerwG, Beschl. v. 27.05.2004 - BVerwG 1 WDS-VR 2.04 -, juris Rn. 3; Nds. OVG, Beschl. v. 19.07.1962 - I B 57/62 -, OVGE MüLü 18, 387, 388 f.; Kopp/Schenke, a. a. O., § 123 Rn. 13 f.). Einem die Hauptsache vorwegnehmenden Antrag ist nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung eine Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Es sind zudem strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung auch des Anordnungsanspruchs zu stellen. Ein auf die Vorwegnahme der Hauptsache gerichteter Antrag kann nur dann Erfolg haben, wenn ein Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich erfolgreich wäre.

Die Kammer lässt offen, ob es dem Erlass der unter 1. beantragten einstweiligen Anordnung bereits entgegensteht, dass es der von den Antragstellern gewählten Antragsgegnerin an der erforderlichen Passivlegitimation fehlt. Über die Frage der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens hat sowohl nach Sammlung der Unterschriften als auch bei der Vorabprüfung der Hauptausschuss - im Falle der Antragsgegnerin der Samtgemeindeausschuss - zu befinden (§ 32 Abs. 6 Satz 1, Abs. 3 Satz 5). Diese kommunalverfassungsrechtliche Aufgabenzuweisung spricht dafür, dass in einem darauf bezogenen Rechtsstreit (nur) der Hauptausschuss als Antrags- oder Klagegegner passivlegitimiert sein kann. Dies hat die Kammer in ihrer bisherigen Rechtsprechung ungeachtet der Frage, ob in einem Hauptsacheverfahren eine Verpflichtungsklage auf Verpflichtung des Beklagten zur Zulassung des Bürgerbegehrens (unter Aufhebung des Bescheides über die Unzulässigkeitsfeststellung) oder eine allgemeine Leistungsklage mit der gleichen Zielrichtung statthaft ist, so gesehen (vgl. Urt. d. Kammer v. 05.06.2018 - 1 A 4391/16 -, juris Rn. 31, juris).

Unter Zugrundelegung der dargestellten Maßstäbe mangelt es auch bei unterstellter Passivlegitimation der Antragsgegnerin sowohl an einem Anordnungsgrund als auch an einem Anordnungsanspruch. Der Antrag unter Nr. 1 zielt auf eine Vorwegnahme der Hauptsache ab, da er bereits jetzt auf eine Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens hinsichtlich der in § 32 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 und § 32 Abs. 2 NKomVG genannten Voraussetzungen gerichtet ist, was an sich in einem Hauptsacheverfahren zu verfolgen wäre. Hinzu kommt, dass nach den kommunalrechtlichen Vorgaben das positive Ergebnis einer Vorabprüfung der Zulässigkeit Bindungswirkung für die Zulässigkeitsprüfung nach der Unterschriftensammlung entfaltet. Gemäß § 32 Abs. 6 Satz 2 NKomVG entscheidet nämlich der Hauptausschuss bei bereits vorliegender Entscheidung nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG lediglich darüber, ob die Voraussetzungen von § 32 Abs. 4 und 5 NKomVG vorliegen, also ob das erforderliche Unterschriftenquorum fristgerecht erreicht und bei der Kommune eingereicht worden ist. Die Vorwegnahme der Hauptsache bei der Vorabprüfung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens wirkt sich mithin zugleich als Vorwegnahme der endgültigen Zulässigkeitsprüfung des Samtgemeindeausschusses aus.

Ohne eine sofortige gerichtliche Anordnung entstehen den Antragstellern keine schweren und unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Nachteile. Vielmehr haben die Antragsteller nach der für sie negativ ausgegangenen Vorabprüfung der Zulässigkeit bereits selbst adäquate außergerichtliche Schritte zur Abwendung der von ihnen befürchteten Nachteile unternommen. Sie haben nämlich unter Berücksichtigung des Prüfungsergebnisses des Samtgemeindeausschusses zum Bürgerbegehren vom 14. Februar 2019 am 14. März 2019 ein weiteres Bürgerbegehren mit veränderter Begründung angezeigt und dabei abweichend vom vorherigen Begehren in der Anzeige (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG) auf einen weiteren Antrag auf Vorabprüfung verzichtet. Wenn die Antragsteller von der rechtlichen Zulässigkeit des geänderten Bürgerbegehrens überzeugt sind, steht es ihnen frei - auch zur Vermeidung von weiteren Verzögerungen - sogleich zur Unterschriftensammlung zu schreiten und es nach der Erreichung der erforderlichen Zahl unterstützender Unterschriften bei der Antragsgegnerin einzureichen. Dieser Weg, befürchtete Nachteile selbst abzuwenden, wurde offenbar auch zunächst bewusst gewählt. Der Text der Anzeige vom 14. März 2019 ist nämlich mit demjenigen der Anzeige vom 14. Februar 2019 bis auf den fehlenden Antrag auf Vorabprüfung identisch. Erst einige Tage später und nach Einreichung des Eilantrags bei Gericht ist dann wiederum einen Antrag auf Vorabprüfung der Zulässigkeit gestellt worden. Die Antragsteller hätten indessen ohne weiteres den offenbar zunächst gewählten Weg konsequent weiter beschreiten können. Es kann nicht als schwerer und unzumutbarer Nachteil angesehen werden, wenn ohne eine gerichtliche Eilanordnung zur Feststellung der Zulässigkeit des - nach dem Agieren der Antragsteller eigentlich überholten - Bürgerbegehrens vom 14. Februar 2019 möglicherweise die Unterschriftensammlung, mit welcher die Antragsteller zwischenzeitlich begonnen haben (vgl. Pressebericht "Die Harke" vom 19.03.2019, Bl. 139 Beiakte 001), auf eigenes Risiko erfolgt. Den Antragstellern kann nach Auffassung der Kammer durchaus zugemutet werden, bei dem nach eigener Darstellung "zeitkritischen" Anliegen mit einem nach erster Vorabprüfung überarbeiteten Bürgerbegehren zunächst Unterschriften zu sammeln, anstatt hinsichtlich des "alten" Begehrens um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachzusuchen. Für ein "zweigleisiges" Vorgehen - Unterschriftensammlung mit dem aktualisierten Begehren und Inanspruchnahme von Eilrechtsschutz hinsichtlich des nach eigener Auffassung überholten alten Begehrens - ist nach Auffassung der Kammer kein Raum.

Ein auf Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens nach § 32 Abs. 3 Sätze 1 bis 3 und § 32 Abs. 2 NKomVG gerichteter Hauptsacherechtsbehelf wäre zudem auch keineswegs offensichtlich erfolgreich, so dass - selbständig tragend - auch ein Anordnungsanspruch zu verneinen ist. Auf die in Anbetracht der für schulorganisatorische Entscheidungen erforderlichen schulbehördlichen Genehmigungen (§ 106 Abs. 8 NSchG) nicht ganz einfach zu beantwortenden Fragen des eigenen Wirkungskreises (§ 32 Abs. 2 Satz 1 NKomVG, §§ 101 Abs. 2, 106 NSchG) und eines gesetzwidrigen Ziels des Bürgerbegehrens (§ 32 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 NKomVG; vgl. dazu etwa Thiele, Rathaus & Recht Nr. 9/2014, S. 16) kommt es insoweit nicht an. Auch kommt es nicht auf die Frage an, ob nach Wegfall des früher für ein Bürgerbegehren erforderlichen Kostendeckungsvorschlags (Gesetz zur Änderung des Niedersächsischen Kommunalverfassungsrechts vom 01.11.2016, Nds. GVB. S. 226) eine Kommune der Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens nunmehr - quasi anstelle eines Verweises auf einen fehlenden Kostendeckungsvorschlag - die allgemeine Verpflichtung zur sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung (§ 110 Abs. 2 NKomVG) entgegenhalten kann. Ein Hauptsacherechtsbehelf bliebe jedenfalls im Hinblick auf das sich aus § 32 Abs. 3 Satz 2 NKomVG erforderliche Begründungserfordernis voraussichtlich erfolglos. Die Begründung eines Bürgerbegehrens darf nicht in wesentlichen Punkten unrichtig und damit zur Täuschung der Bürgerschaft geeignet sein (vgl. zu den insoweit geltenden Anforderungen KVR-NKomVG, Stand: Dezember 2018, § 32 Rn. 59 f.). Auch wenn in Anbetracht der den Bürgerentscheid vorbereitenden Funktion des Bürgerbegehrens keine überspannten Anforderungen an die Begründung insgesamt oder an einzelne Begründungselemente gestellt werden dürfen (vgl. dazu im Einzelnen Urt. d. Kammer v. 05.06.2018 - 1 A 4391/16 -, juris Rn. 39 f.) dürfte die Einschätzung des Samtgemeindeausschusses der Antragsgegnerin richtig sein, dass die Aussage "laut Prognosen wird es in den nächsten Jahren eine Überversorgung mit Lehrkräften geben" nicht zutrifft und den Bürgern bei der Sammlung der Unterschriften ein falsches Bild vermittelt wird. Verbunden mit der im Text der Begründung unmittelbar vorangehenden Forderung nach "langfristige[r] Planungssicherheit, um eine gute Unterrichtsversorgung gewährleisten zu können", wird suggeriert, dass es kein Problem sei, alle vorhandenen Grundschulen im Samtgemeindegebiet mit Lehrerpersonal auszustatten und damit eine beständige Unterrichtsversorgung zu gewährleisten. Aus der geänderten Begründung des unter dem 14. März 2019 angezeigten Bürgerbegehrens geht hervor, dass die Prognose zum Überangebot von Lehrkräften aus einer Veröffentlichung der Kultusministerkonferenz abgeleitet wird. Im Eilverfahren verweisen die Antragsteller konkret auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 11. Oktober 2018 "Lehrereinstellungsbedarf und -angebot in der Bundesrepublik Deutschland 2018-2030 - Zusammengefasste Modellrechnungen der Länder". Dieser Veröffentlichung lässt sich die Aussage in der Begründung des Bürgerbegehrens aber gerade nicht entnehmen. Schon die von den Antragstellern in Bezug genommene Tabelle 4-2 (Seite 16) prognostiziert kein Überangebot von Grundschullehrern in den westdeutschen Ländern, sondern im Gegenteil eine durchschnittliche Unterdeckung von 340 Personen im Zeitraum von 2018 bis 2030 (zwischen 2650 und 1600 Lehrer in den Jahren 2018 bis 2023). Die Antragsteller verwechseln hier offenbar im Tabellenwerk das Lehrereinstellungsangebot (LEA) und den Lehrereinstellungsbedarf (LEB), obwohl der auf S. 15, 16 die Tabelle flankierende Text ein entsprechendes Missverständnis eigentlich ausschließt. Die Antragsteller übersehen zudem, dass unter Tabelle 4-2 angemerkt wird, dass in Niedersachsen ein entsprechendes Lehramt - das "reine" Grundschullehramt - gar nicht angeboten wird. Die maßgeblichen Zahlen für alle westdeutschen Ländern mit auch in Niedersachsen angebotenem Lehramt finden sich in Tabelle 4-3 auf Seite 17; hier beträgt die durchschnittliche Unterdeckung 160 Personen von 2018 bis 2030. Eine spezifisch für Niedersachsen geltende Auswertung findet sich im Anhang Seite 23 zu den "Lehrämtern des Primarbereichs und aller oder einzelner Schularten des Sekundarbereichs I". Es wird darin von 2018 bis zum Jahre 2023 durchgängig von einem Lehrerdefizit (zwischen 800 und 150 Lehrern) ausgegangen, erst ab 2025 von einem Angebotsplus (zwischen 50 und 300). Bereits in der Zusammenfassung (S. 5, 6) wird auf die zum Teil großen Engpässe im Primar- und Sekundarbereich I hingewiesen. Die sich aus der Fehlinterpretation des Beschlusses der Kultusministerkonferenz ergebende eklatante Unrichtigkeit der Begründung stellt sich nach Auffassung der Kammer auch als so wesentlich dar, dass nicht auf eine inhaltliche Korrekturmöglichkeit vor Durchführung eines Bürgerentscheides verwiesen werden kann (vgl. dazu Urt. d. Kammer v. 05.06.2018, a. a. O., Rn. 40). Die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung durch die Verfügbarkeit von Lehrkräften ist vielmehr erkennbar ein bedeutender - wenn nicht gar der bedeutendste - Aspekt, der aus Sicht der Bürger für oder gerade gegen eine Unterstützung des Begehrens sprechen kann.

Auch die unter 2. beantragte einstweilige Anordnung kann nicht ergehen. Wenn man nicht schon davon ausgeht, dass es sich bei dem Antrag um einen unechten Hilfsantrag handelt, der nur im Falle des Erfolgs des Antrags unter 1. zur Entscheidung gestellt werden soll, scheitert er jedenfalls daran, dass die Antragsteller keinen Anordnungsanspruch haben glaubhaft machen können. Nach Auffassung der Kammer kann einer Kommune oder ihren Organen auf der Grundlage eines lediglich angezeigten Bürgerbegehrens, für das noch gar keine Unterschriften gesammelt wurden und für das die Erreichung des erforderlichen Unterschriftenforums unklar ist, regelmäßig nicht untersagt werden, weitere Maßnahmen in Anknüpfung an einen bereits gefassten Ratsbeschluss zu ergreifen. Um eine solche weitere Maßnahme handelt es sich bei der für den 4. April 2019 geplanten weiteren Beschlussfassung des Rates der Antragsgegnerin über den Erlass einer Schulbezirkssatzung. Nach § 32 Abs. 7 NKomVG tritt eine Sperrwirkung für dem Begehren entgegenstehende Entscheidungen der Kommune und deren Vollzug erst mit Feststellung der Zulässigkeit des Bürgerbegehrens ein. Damit ist indessen die Zulässigkeitsfeststellung nach § 32 Abs. 6 NKomVG - also diejenige nach der Unterschriftensammlung - gemeint; eine positive Entscheidung des Hauptausschusses nach § 32 Abs. 3 Satz 5 NKomVG vermag die Sperrwirkung hingegen nicht auszulösen (vgl. KVR-NKomVG, a. a. O., § 32 Rn. 126). Damit scheidet auch eine Sicherung des Bürgerbegehrens durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung vor erfolgreicher Sammlung der erforderlichen Unterschriften regelmäßig aus. Nur dann, wenn die Antragsteller glaubhaft machen können, dass das Quorum bereits erreicht ist oder erreicht werden wird, kommt der Erlass einer Sicherungsanordnung in Betracht. Weitere Voraussetzung ist dann aber ein unmittelbar drohendes treuwidriges Verhalten der Kommune, welches allein dem Zweck dient, dem Bürgerbegehren die Grundlage zu entziehen (vgl. KVR-NKomVG, a. a. O., § 32 Rn. 139, VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.12.2012 - 1 S 2408/12 -, juris Rn. 11). Beide Voraussetzungen liegen nicht vor. Zum voraussichtlichen Erfolg der Unterschriftensammlung haben die Antragsteller keinerlei Angaben gemacht; sie gehen vielmehr unter Hinweis auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg (Beschl. v. 28.12.2012 - 12 L 904/12 -, juris) von einer Sicherungsfähigkeit des Bürgerbegehrens aus, verkennen aber, dass in dem herangezogenen Vergleichsfall eine Unterschriftensammlung bereits erfolgt war und das dort einschlägige Landesrecht eine Vorabprüfung der Zulässigkeit nicht kennt. In Anbetracht der Positionierung der Schulelternräte in F., A-Stadt und H., die nach Darstellung des Samtgemeindeelternrates die Zusammenführungsentscheidung des Rates der Antragsgegnerin mehrheitlich akzeptieren (Bl. 17 – 19 Beiakte 001), kann auch nicht etwa davon ausgegangen werden, dass die Erreichung des erforderlichen Quorums gleichsam "auf der Hand liegt". Auch von einem treuwidrigen Verhalten der Antragsgegnerin zur Vereitelung des Bürgerbegehrens der Antragsteller kann nicht die Rede sein. Der Erlass der Schulbezirkssatzung stellt sich vielmehr in Anbetracht des Ratsbeschlusses vom 4. Februar 2019 als "regulärer Politikbetrieb" dar. Die Antragsteller können ohne Unterschriftensammlung nicht verlangen, dass die Antragsgegnerin sämtliche weiteren Aktivitäten zur Verwirklichung des von ihr eingeschlagenen Weges einstweilen einstellt. Abgesehen davon werden durch den Erlass einer Schulbezirkssatzung am 4. April 2019 keine unveränderbaren Tatsachen geschaffen. Im Falle eines erfolgreichen Bürgerentscheides für den Erhalt aller existierenden Grundschulen im Gebiet der Antragsgegnerin könnte auch eine Schulbezirkssatzung fraglos wieder geändert werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG. Die Höhe des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 1 GKG und entspricht Nrn. 1.5, 22.6 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NordÖR 2014, 11).