Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 30.08.2023, Az.: 4 B 1329/23

Schülerbeförderung; Taxibeförderung; Waldorfschule

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
30.08.2023
Aktenzeichen
4 B 1329/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 44092
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2023:0830.4B1329.23.00

Tenor:

  1. 1.

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.

    Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

    Der Streitwert wird auf 2.861,10 € festgesetzt.

  2. 2.

    Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt G., H., wird abgelehnt.

    Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung des Antragsgegners, ihre Tochter (vollumfänglich) mit dem Taxi zur Schule und zurück zu befördern.

Die am I. 2014 geborene Tochter der Antragstellerin (J.) wohnt gemeinsam mit der Antragstellerin unter der Anschrift "K." und ist derzeit Schülerin in der 4. Klasse an der Freien Waldorfschule L. ("M.").

Die Antragstellerin und ihre Tochter zogen zum 1. April 2022 von N. nach O.. Die Antragstellerin beantragte die Beförderung ihrer Tochter zur Schule und zurück mit dem Taxi für das Schuljahr 2022/2023. Mit Bescheid vom 17. August 2022 bewilligte der Antragsgegner zunächst vollumfänglich die Taxibeförderung für jenes Schuljahr. Mit Bescheid vom 7. November 2022 lehnte der Antragsgegner den Beförderungsantrag ab, soweit es die Beförderung morgens zur Schule bei Schulbeginn um 8:00 Uhr und nach Schulschluss nach Hause um 14:20 Uhr betraf. Das Schreiben vom 17. August 2022 sei als gegenstandslos zu betrachten. Hiergegen erhob die Antragstellerin beim beschließenden Gericht Klage (Az. P.). In der Folge hob der Antragsgegner den Bescheid vom 7. November 2022 mit Bescheid vom 5. Februar 2023 auf. Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen ist das Verfahren eingestellt worden (Beschluss des Gerichts vom 1. März 2023).

Für das Schuljahr 2023/2024 stellte die Antragstellerin am 22. Februar 2023 einen Antrag auf Beförderung ihrer Tochter mit einem Taxi oder Kleinbus von ihrer Wohnanschrift zur Schule und zurück. Zur Begründung gab sie an, dass ihre Tochter sehr früh los und auch einmal umsteigen müsste. Diesen Orientierungssinn habe sie in der Grundschule noch nicht. Sie wäre außerdem viel zu früh an der Schule. Der Stundenplan der Tochter der Antragstellerin im Schuljahr 2023/2024 sieht montags bis freitags den Schulbeginn um 8:00 Uhr vor; der Schultag endet montags um 11:45 Uhr, dienstags bis donnerstags um 13:30 Uhr und freitags um 12:40 Uhr.

Mit Bescheid vom 8. August 2023 lehnte der Antragsgegner unter Ziffer I. des Bescheids den Antrag auf Schülerbeförderung betreffend den morgendlichen Hinweg bei Schulbeginn um 8:00 Uhr sowie den mittäglichen Rückweg bei Schulschluss um 13:30 Uhr dienstags bis donnerstags und 14:20 Uhr ab. Der Schulweg sei von der Tochter der Antragstellerin unter Inanspruchnahme des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) zu bewältigen. Unter Ziffer II. des Bescheids gab der Antragsgegner dem Antrag der Antragstellerin betreffend den mittäglichen Rückweg von der Waldorfschule zur Wohnung der Antragstellerin bei regulärem Unterrichtsende um 11:45 Uhr, 12:40 Uhr, 13:30 Uhr montags und freitags, 15:05 Uhr sowie 15:50 Uhr statt.

Zur Begründung führte der Antragsgegner unter anderem aus, dass zwar grundsätzlich ein Anspruch auf Schülerbeförderung bestehe, da zwischen der Wohnung der Tochter der Antragstellerin und der Waldorfschule die maßgebliche Schulwegmindestentfernung von 2 km überschritten werde. Der Schulweg könne jedoch morgens bei Schulbeginn um 8:00 Uhr sowie bei Schulschluss dienstags bis donnerstags um 13:30 Uhr sowie an allen Tagen um 14:20 Uhr unter zumutbaren Bedingungen im Rahmen des ÖPNV bewältigt werden. Bei Schulbeginn um 8:00 Uhr könne folgende Verbindung genutzt werden:

Linie Q. der R.

ab 6:39 Uhr O., S.
an 6:47 Uhr Bf. T.

Umstieg in die Linie U.

ab 6:54 Uhr Bf. V.
an 7:10 Uhr L., Schulzentrum

Bei Schulende um 13:30 Uhr dienstags bis donnerstags bestehe folgende Verbindung:

Linie W. der R.

ab 14:08 Uhr L., Schulzentrum
an 14:16 Uhr X.

Umstieg in die Linie W.

ab 14:27 Uhr X.
an 14:36 Uhr O., Y.

Bei Schulende um 14:20 Uhr bestehe folgende Verbindung:

RB Z.

ab 15:00 Uhr Bf. L.
an 15:08 Uhr Bf. V.

Umstieg in die Linie Q.

ab 15:13 Uhr Bf. V.
an 15:23 Uhr O., AA.

Geeignete Verbindungen bestünden hingegen nicht bei Schulende um 11:45 Uhr, 12:40 Uhr, 13:30 Uhr montags und freitags sowie an allen Tagen um 15:05 Uhr und 15:50 Uhr. Hierfür habe er, der Antragsgegner, eine Schülerbeförderung durch ein Taxiunternehmen eingerichtet. Abschließend sei anzumerken, dass die Antragstellerin mit der Waldorfschule freiwillig eine Schule gewählt habe, die von ihrer Wohnung deutlich weiter entfernt liege als die zuständige Grundschule. Der Antragstellerin sei deshalb bei der Wahl der Bildungseinrichtung bewusst gewesen, dass der von ihrer Tochter zurückzulegende Schulweg mit einer nicht unerheblichen Belastung verbunden sein würde. Die Wahlfreiheit bezüglich der Schule bedeute nicht, dass sie auch von allen nachteiligen Folgen freizustellen sei. Der Schulweg ihrer Tochter wäre weniger aufwendig, wenn jene die örtliche Schule besuchen würde.

Mit einem am 11. August 2023 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz hat die Antragstellerin Klage erhoben und zugleich den vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie macht geltend, dass sie im Anschluss an das Verfahren AB. auch im Schuljahr 2023/2024 weiterhin Anspruch auf eine (vollumfängliche) Taxibeförderung ihrer Tochter habe, da es jener nicht zumutbar sei, für den Weg zur Schule den öffentlichen Personennahverkehr zu nutzen. Ihre derzeit neunjährige Tochter müsste um 5:00 Uhr geweckt werden, um den Bus um 6:39 Uhr zu erreichen. In T. müsste sie in die Bahn umsteigen, was mit der Gefahr verbunden sei, dass sich ihre Tochter verirre und überfordert sei. Diese Gefahr bestehe insbesondere, wenn sich der Zubringerbus nach T. verspäte. Bei Einrichtung der von ihr begehrten Schülerbeförderung müsste sie erst um 7:00 Uhr das Haus verlassen. Es sei ermessensfehlerhaft, wenn der Antragsgegner darauf verweise, dass die besuchte Waldorfschule entfernter liege als die zuständige Grundschule O., in deren originärem Einzugsbereich ihre Tochter wohne, da der Besuch der Waldorfschule schon zum Zeitpunkt des Umzuges von N. nach O. bestanden habe. Der Verweis auf den Schulwechsel zur Vermeidung von Beförderungsaufwand sei ermessensfehlerhaft. Ursprünglich sei sie bereit gewesen, den durch den Besuch der Waldorfschule ausgelösten Mehraufwand selbst zu tragen, da sie ihre Tochter regelmäßig mit ihrem Pkw zur Schule und zurück befördert habe. Sie sei allerdings nicht mehr in der Lage, dies zu leisten, da sie nach der Geburt eines weiteren Kindes am AC. 2022 zeitlich anderweitig gebunden sei. Weder sie noch ihr Lebenspartner könnten AD. morgens zur Schule bringen und dienstags bis donnerstags von der Schule abholen. Aufgrund des Schuljahresbeginns sei die Sache eilbedürftig.

Die Antragstellerin beantragt,

den Antragsgegner vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, zugunsten ihrer Tochter eine Schülerbeförderung mit einem Taxi bzw. einem Kleinbus für den morgendlichen Hinweg bei Schulbeginn um 8:00 Uhr sowie für den mittäglichen Rückweg bei Schulschluss um 13:30 Uhr dienstags bis donnerstags um 14:20 Uhr durchzuführen bzw. einzurichten sowie

ihr Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu gewähren.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er trägt vor, dass seine Schülerbeförderungssatzung keinen Anspruch auf ein besonderes Beförderungsmittel wie ein Taxi vermittele, sondern er über die Art der Beförderung entscheide. Da die Tochter der Antragstellerin mit der Waldorfschule eine Schule besonderer Art besuche, müsse sie hierfür auch besondere Erschwernisse hinnehmen. Es bestehe auch keine Pflicht zur Ausübung von Ermessen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden und im Verfahren AE. sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag hat keinen Erfolg.

Er ist zulässig, aber unbegründet.

Gemäß § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts eines Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) hat ein Antragsteller sowohl die Eilbedürftigkeit der begehrten gerichtlichen Regelung (Anordnungsgrund) als auch seine materielle Anspruchsberechtigung (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen.

Dabei ist einem die Hauptsache vorwegnehmenden Antrag im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise dann stattzugeben, wenn durch das Abwarten in der Hauptsache für einen Antragsteller schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre; der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes ist Rechnung zu tragen (zum Vorstehenden vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 20. März 2012 - 8 ME 204/11 -, Rn. 8, juris; Beschluss vom 23. Juni 2022 - 14 ME 243/22 -, Rn. 12, juris). Wenn - wie hier - die vorläufige Schülerbeförderung für das Schuljahr 2023/2024 im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung beantragt wird, stellt dies eine Vorwegnahme der Hauptsache dar, da die Antragstellerin mit ihrem Eilantrag dasjenige begehrt, was sie auch in der Hauptsache begehrt.

Gemessen daran hat die Antragstellerin weder einen Anordnungsgrund noch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin hat nicht - wie es vorliegend für einen Anordnungsgrund bei einer Reglungsanordnung notwendig ist - glaubhaft gemacht, dass ihr ohne den Erlass der einstweiligen Anordnung wesentliche Nachteile drohen. Im Fall der Schülerbeförderung genügt hierfür nach Auffassung der Kammer nicht, dass das Schuljahr bereits begonnen hat und die Tochter der Antragstellerin ihrer Schulpflicht nachzukommen hat. Vielmehr muss glaubhaft gemacht werden, dass eine Verauslagung der Taxikosten oder die Beförderung des Schülers bzw. der Schülerin durch andere Personen, insbesondere durch die Eltern, nicht möglich ist (siehe zu diesem Maßstab auch Nds. OVG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 ME 240/16 -, Rn. 4, juris; Beschluss vom 30. März 2021 - 2 ME 436/20 -, Rn. 30, juris). Letzteres ist hier nicht erfolgt. Die Antragstellerin hat zwar vorgetragen, dass es ihrem Lebenspartner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit nicht möglich sei, AD. zu fahren, allerdings hat sie zur Glaubhaftmachung lediglich Unterlagen vorgelegt, aus denen sich ergibt, dass ihr Lebenspartner im Bereich der Energiewirtschaft tätig ist, ohne dass sich daraus dessen Arbeitszeiten ergeben. Ferner hat sie selbst auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihr die Beförderung von AD. nicht möglich ist. So erschließt sich der Kammer nicht, weshalb es der Antragstellerin - wie vorgetragen - nicht möglich sein soll, AD. zur Schule und zurück zu fahren (Fahrtzeit mit dem Pkw pro Strecke etwa 15 min), weil sie als Mutter eines im AF. 2022 geborenen Kindes "zeitlich anderweitig gebunden" sei. Dass sie - wie ebenfalls vorgetragen - nach derzeitiger Planung im November 2023 wieder arbeitsfähig sein soll und ihre Tätigkeit als examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin dann im Schichtdienst auszuüben habe, genügt ebenfalls nicht für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Denn ob sie ab November 2023 wieder arbeiten wird, steht offensichtlich noch nicht fest. Zu welchen Zeiten sie dann arbeiten müsste, ist noch nicht einmal dargelegt worden. Dass ihre derzeit offenbar bestehende Erkrankung sie daran hindert, AD. mit dem Pkw zur Schule und zurück zu fahren, hat sie darüber hinaus weder vorgetragen noch glaubhaft gemacht.

Einen Anordnungsanspruch hat die Antragstellerin ebenfalls nicht glaubhaft gemacht.

Anspruchsgrundlage der von der Antragstellerin begehrten Taxibeförderung ihrer Tochter zur Schule und zurück kann nur § 114 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG) i.V.m. der Satzung des Antragsgegners über die Schülerbeförderung im Landkreis H. vom 17. September 2003 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 17. Juni 2013 (im Folgenden: SBS) sein ist. Es gibt keine weitergehenden verfassungsrechtlichen oder einfachgesetzlichen Ansprüche auf eine allgemeine Beförderungspflicht (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2021 - 2 LC 457/19 -, Rn. 38, juris). Eine allgemeine Pflicht zur Ausübung von Ermessen auch für ungeregelte Sachverhalte besteht nicht (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. März 2021 - 2 ME 436/20 -, Rn. 10, juris).

Nach § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG haben die Landkreise unter anderem die in ihrem Gebiet wohnenden Schülerinnen und Schüler der 1. bis 10. Schuljahrgänge der allgemeinbildenden Schulen unter zumutbaren Bedingungen zur Schule zu befördern oder ihnen oder ihren Erziehungsberechtigten die notwendigen Aufwendungen für den Schulweg zu erstatten. Die Schülerbeförderung gehört zum eigenen Wirkungskreis der Landkreise und kreisfreien Städte (§ 114 Abs. 1 Satz 3 NSchG), welche die weiteren Voraussetzungen der Beförderungs- und Erstattungspflicht, insbesondere die Mindestentfernungen zwischen Wohnung und Schule, von der an die Beförderungs- oder Erstattungspflicht besteht, unter Berücksichtigung der Belastbarkeit der Schüler und der Sicherheit des Schulweges selbst festlegen können (§ 114 Abs. 2 NSchG). Gemäß § 114 Abs. 1 und 3 NSchG i.V.m. § 1 Nr. 1 SBS besteht ein Anspruch auf Beförderung zur nächsten Schule, wenn der Schulweg die Mindestentfernung im Sinne von § 114 Absatz 2 Satz 1 NSchG nach § 2 SBS überschreitet. Die Schulwegmindestentfernung beträgt unter anderem für Schülerinnen und Schüler des Primarbereiches 2 km (§ 2 Abs. 1 SBS).

Ausgehend davon hat die Antragstellerin dem Grunde nach Anspruch auf Beförderung ihrer die 4. Klasse besuchenden Tochter zur Schule in L., da die Entfernung mehr als 2 km beträgt. Dies gilt auch für die von AD. besuchte Freie Waldorfschule in L.. Denn nach § 141 Abs. 3 NSchG findet die Regelung des § 114 NSchG auf genehmigte Ersatzschulen, zu der die Waldorfschule L. gehört, entsprechende Anwendung. Auch wenn es im Wohnort der Antragstellerin eine Grundschule gibt, ist die Waldorfschule L. als die nächstgelegene Schule für die neunjährige Tochter der Antragstellerin anzusehen. Da die Waldorfschulen aus Sicht des Gesetzgebers beförderungsrechtlich wie eine eigenständige Schulform anzusehen sind, kommt es für die Frage der Beförderungs- und Erstattungspflicht und deren Begrenzung im Sinne des § 114 Abs. 3 NSchG darauf an, ob dem Wohnort der Antragstellerin eine andere Freie Waldorfschule näher gelegen ist als die tatsächlich besuchte und die Tochter der Antragstellerin diese auch besuchen könnte (Nds. OVG, Beschluss vom 30. März 2021 - 2 ME 436/20 -, Rn. 15 m.w.N., juris). Hier ist nicht zu erkennen, dass es eine näher gelegene Waldorfschule gibt.

Dass der Antragsgegner den dem Grunde nach bestehenden Beförderungsanspruch zu den von der Antragstellerin begehrten Zeiten in Form der Beförderung mit einem Taxi bzw. Kleinbus zu erfüllen hat, hat die Antragstellerin jedoch nicht glaubhaft gemacht.

Einen solchen Anspruch sieht die Schülerbeförderungssatzung des Antragsgegners für die Tochter der Antragstellerin nicht vor. Denn im Hinblick auf die Art der Beförderung bestimmt § 4 Nr. 1 SBS: Der Schüler bzw. die Schülerin hat das vom Träger der Schülerbeförderung bestimmte Beförderungsmittel zu benutzen. Die Beförderung wird - soweit möglich - im Rahmen des öffentlichen Personennahverkehrs durchgeführt, sofern der Landkreis nicht eigene Beförderungsleistungen zur Verfügung stellt. Es besteht kein Anspruch auf Beförderung mit einem besonderen Beförderungsmittel. Die Satzung sieht darüber hinaus für den Fall, dass Schulweg- und Wartezeiten unzumutbar werden, lediglich vor, dass auf Antrag zur Schülerbeförderung ein privates Kraftfahrzeug gegen Erstattung der notwendigen Aufwendungen eingesetzt werden kann (§ 4 Nr. 2 SBS), begründet aber auch in einem solchen Fall keinen Anspruch auf Taxibeförderung.

Einen darüber hinaus bestehenden Anspruch auf Beförderung mit einem Taxi bzw. Kleinbus hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Ein solcher Anspruch kann nur ausnahmsweise bestehen, wenn die Beförderung mit Hilfe der öffentlichen Verkehrsmittel im Sinne der Regelung des § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG für den Schüler bzw. die Schülerin mit unzumutbaren Bedingungen verknüpft wäre (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. März 2019 - 2 ME 729/18 -, Rn. 13, juris). Im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Beförderungsbedingungen lassen sich der Schülerbeförderungssatzung des Antragsgegners für die Antragstellerin keine Angaben entnehmen. Denn die Regelungen zur Höchstdauer der Schulwegzeit für Schülerinnen und Schüler des Primarbereichs in § 3 Nr. 1 SBS (30 Minuten) und zur Höchstdauer von Wartezeiten an der Schule in § 3 Nr. 2 SBS (30 Minuten) gelten nach § 3 Nr. 3 SBS unter anderem nicht für Schülerinnen und Schüler der Ersatzschulen, zu denen die Tochter der Antragstellerin gehört, da jene eine Waldorfschule besucht. Gleichwohl müssen die vom Antragsgegner benannten Verkehrsverbindungen dem übergeordneten Maßstab der zumutbaren Bedingungen i.S.d. § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG entsprechen. Dass dies nicht der Fall ist, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Dies gilt zunächst für die morgendliche Beförderung der Tochter der Antragstellerin zur Schule mit dem Bus. Die Dauer des Schulwegs und der Wartezeit vor Schulbeginn sind nicht unzumutbar. Nach der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist der reine Zeitaufwand einer Schülerin bzw. eines Schülers des Primarbereichs für den Schulweg, der die Dauer von 45 Minuten je Wegstrecke nicht überschreitet, nicht als unzumutbar im Sinne des § 114 Abs. 1 Satz 2 NSchG anzusehen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 23. September 2009 - 2 LA 585/07 -, Rn. 6, juris). Hinzu tritt hier, dass der Tochter der Antragstellerin oder der Antragstellerin daran gelegen ist, mit der Waldorfschule eine Schule besonderer Eigenart aufzusuchen, weshalb die Tochter der Antragstellerin bereit sein muss, hierfür auch besondere Erschwernisse hinzunehmen; die Antragstellerin kann nicht erwarten, dass der zusätzliche Aufwand hierfür von der Allgemeinheit getragen wird (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 24. Januar 2017 - 2 ME 240/16 -, Rn. 11, juris). Dass die Tochter der Antragstellerin bei dem morgendlichen Schulweg am Bahnhof T. von einem Bus in einen anderen Bus umsteigen muss, sieht die Kammer als eine zusätzliche Herausforderung für die Bewältigung des Schulwegs an. Allerdings kann die Kammer nicht erkennen, dass bei einer Schülerin der 4. Klasse die Bewältigung dieses Schulwegs von vornherein unzumutbar ist, insbesondere weil der Schulweg mit ihr eingeübt werden kann und gegebenenfalls Mitschülerinnen und Mitschüler ebenfalls diese Verbindung nutzen. Dass es der Tochter der Antragstellerin aufgrund individueller Umstände nicht zumutbar ist, den Umstieg in den anderen Bus zu meistern, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Ihr Hinweis darauf, dass die Gefahr bestehe, dass sich ihre Tochter beim Umstieg verirren oder überfordert sein könnte, zeigt nicht in der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlichen substantiierten Weise die Unzumutbarkeit des Umstiegs am Bahnhof T. auf.

Für die Beförderung der Tochter der Antragstellerin von der Schule nach Hause dienstags bis donnerstags nach Schulschluss um 13:30 Uhr hat die Antragstellerin ebenfalls unzumutbare Beförderungsbedingungen nicht glaubhaft gemacht. Ebenso wie bei der morgendlichen Beförderung sieht die Kammer in der Dauer der Fahrzeit und der Wartezeit nach Schulschluss keine unzumutbaren Bedingungen. Dass die Tochter der Antragstellerin auch bei der Rückfahrt umsteigen muss, kann nicht von vornherein als unzumutbar angesehen werden. Individuelle oder örtliche Gegebenheiten, welche den Umstieg für die Tochter der Antragstellerin unzumutbar machen, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht. Die Kammer sieht in dem Umstand, dass die Tochter der Antragstellerin bei der Rückfahrt eine andere Verbindung nutzen muss als bei der morgendlichen Hinfahrt eine weitere Herausforderung für die neunjährige Schülerin, allerdings führt auch dies angesichts des Umstands, dass die individuellen Fähigkeiten von Kindern sehr unterschiedlich sind, nicht von vornherein zur Unzumutbarkeit der hier möglichen Beförderung mit dem öffentlichen Personennahverkehr. Individuelle Gründe, die der Rückbeförderung mit dem ÖPNV entgegenstehen, hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Dass der Antragsgegner die Tochter der Antragstellerin im Schuljahr 2022/2023 vollumfänglich mit dem Taxi befördert hat, begründet keinen Anspruch auf entsprechende Beförderung im Schuljahr 2023/2024 aus Vertrauensschutzgesichtspunkten. Denn es kommt vorliegend im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Beförderung auf die individuellen Fähigkeiten und Umstände an, welche für das jeweilige Schuljahr zu bemessen sind und Rückschlüsse auf das neue Schuljahr nicht zulassen. Soweit der Antragsgegner der Tochter der Antragstellerin in der Vergangenheit vollumfänglich Beförderungsleistungen mit dem Taxi bewilligt hat, zu denen eine zumutbare Verkehrsverbindung mit dem öffentlichen Personennahverkehr bestanden hat, hat es sich um freiwillige Leistungen gehandelt, deren Weitergewährung der Antragsgegner einstellen durfte (ebenso Nds. OVG, Urteil vom 13. September 2021 - 2 LC 457/19 -, Rn. 37, juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung erfolgt gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Dabei ist die Höhe der begehrten Beförderungskosten maßgeblich, die nach der nachvollziehbaren und von der Antragstellerin nicht in Frage gestellten Berechnung für das Schuljahr 2023/2024 insgesamt 2.861,10 Euro betragen. Dieser Betrag ist angesichts des Umstands, dass vorliegend die Vorwegnahme der Hauptsache beantragt worden ist, trotz des begrenzten Prüfungsumfangs im Eilverfahren nicht zu reduzieren (vgl. Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, abrufbar unter https://www.bverwg.de/user/data/media/streitwertkatalog.pdf).

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ist abzulehnen, da der Eilrechtsschutzantrag angesichts der vorherigen Ausführungen auch aus der für die im Prozesskostenhilfeverfahren maßgeblichen ex ante-Perspektive eines verständigen, unbemittelten Rechtssuchenden (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 8. Juli 2016 - 2 BvR 2231/13 -, Rn. 14, juris) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg aufweist (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 114 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO)).

Das Verfahren ist nach Maßgabe von § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. der Anlage 1 zu diesem Gesetz gerichtskostenfrei. Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO werden außergerichtliche Kosten nicht erstattet.