Landgericht Braunschweig
Urt. v. 17.01.2017, Az.: 7 O 287/16
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 17.01.2017
- Aktenzeichen
- 7 O 287/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53717
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Die Beklagte war Zwangsverwalterin der in den Grundbüchern von W., verzeichneten Grundstücke G1. Hierzu gehört das Grundstück R. Straße 10.
In der Zwangsversteigerung erhielt die Klägerin durch Beschluss vom 23.04.2015 den Zuschlag für das Grundstück R. Straße 10. Für die Gewerbeeinheit 2 betrug die Miete ursprünglich 7,30 €/qm. Nach Verhandlungen kamen die Klägerin und die Mieterin, die V. GmbH & Co OHG, überein, dass die Miete pro Quadratmeter ab dem 01.03.2016 11,00 € kalt betrage.
Das Zwangsverwaltungsverfahren (Az. xxx AG W.) wurde mit Beschluss vom 23.04.2015 aufgehoben. Mit Übergabeprotokoll vom 07.05.2015 wurde der Klägerin von der Beklagten der Mietvertrag zwischen ihr und der V. AG übergeben. Mit Schreiben vom 27.07.2015 überreichte sie den Mietvertrag mit der V. GmbH & Co OHG.
Die Klägerin behauptet, die Beklagte habe noch im Zuschlagstermin mitgeteilt, dass die Räumlichkeiten an die V. AG vermietet seien. Mit Schreiben vom 13.05.2015 habe die Klägerin den Mietvertrag gegenüber der V. AG gekündigt, woraufhin diese mit Schreiben vom 27.07.2015 mitgeteilt habe, sie sei nicht Mieterin, da sie einer Vertragsänderung vom 05.12.2008 zugestimmt habe und aus dem Mietverhältnis ausgeschieden sei. Neue Mieterin sei die V. GmbH & Co OHG.
Da der Klägerin aufgrund der fehlerhaften Information durch die Beklagte die Kündigung nach § 57a ZVG nicht mehr möglich gewesen sei, sei ihr ein Schaden in Höhe der Klageforderung entstanden. Sie habe diese Kündigung bis spätestens zum 30.09.2015 beabsichtigt. Ab dem 01.10.2015 hätte sie für die Mietfläche (805,65 qm) eine Miete von 15,00 €/qm kalt erzielen können. In dem gleichen Objekt habe sie eine andere Gewerbefläche für eine Kaltmiete pro Quadratmeter von 12,50 € vermieten können. Üblich und angemessen sei eine Quadratmeterkaltmiete von 20,00 €, jedenfalls jedoch 15,00 €.
Die Beklagte habe für den Schaden einzustehen. Dies ergebe sich aus § 154 ZVG. Zudem sei die Klägerin gemäß § 57 ZVG, § 566 BGB in die bestehenden Mietverhältnisse eingetreten. Daraus sei die Beklagte zu Auskunft und Rechenschaft verpflichtet gewesen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 20.946,90 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.04.2015 sowie nebenfordernd 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.10.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, es fehle bereits an einer Anspruchsgrundlage; insbesondere könne sich die Klägerin nicht auf § 154 ZVG stützen. Ein Schuldverhältnis habe zwischen den Parteien nicht bestanden. Schließlich scheide eine Pflichtverletzung im Verhältnis der Parteien durch die Beklagte bereits deswegen aus, weil der Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren und die Aufhebung des Zwangsverwaltungs-verfahrens taggleich erfolgt seien. Weiter gehöre es zum Pflichtenkreis der Klägerin, sich selbständig über bestehende Vertragsverhältnisse im ersteigerten Objekt zu informieren.
Sie ist der Ansicht, unter Berücksichtigung von § 57a ZVG und des Datums des Zuschlags, dem 23.04.2015, sei eine Beendigung des Mietvertrags frühestens zum 31.12.2015 möglich gewesen (vgl. § 580a Abs. 2 BGB).
Das Kündigungsschreiben vom 13.05.2015 sei (jedenfalls) zu unbestimmt, wobei sich die Beklagte insoweit die Angaben der V. AG in dem Schreiben vom 22.07.2015 (Anlage K7) zu Eigen macht.
Für den Zeitraum ab Mai 2015 habe die Mieterin, die V. GmbH & Co OHG, die vertraglich geschuldeten Mieten auf das Konto der Klägerin gezahlt. Hieraus habe die Klägerin erkennen können, wer Mieterin sei.
Die marktübliche Nettokaltmiete betrage ausweislich eines Gutachtens des Sachverständigen D. 7,00 €/qm.
Der Beklagten sei vor dem 16.09.2015 weder ein Zahlungsaufforderungsschreiben der Klägerin noch der Prozessbevollmächtigten in Bezug auf den vermeintlichen Schaden der Klägerin zugegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze der Parteien nebst deren Anlagen Bezug genommen.
Im Termin vom 02.08.2016 hat die Klägerin Abstand von dem Urkundsverfahren genommen (Bl. 105 GA).
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin J. S. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016 Bezug genommen (Bl. 153 ff GA).
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung eines Schadensersatzbetrages in Höhe von 20.946,90 € zu.
Es kann letztlich dahinstehen, ob sich ein Anspruch dem Grunde nach aus § 154 ZVG ergäbe, da die Klägerin für einen Schaden beweisfällig geblieben ist.
Gemäß § 154 Satz 1 ZVG ist der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen allen Beteiligten gegenüber verantwortlich. Diese Norm begründet ein gesetzliches Schuldverhältnis des Verwalters mit den Beteiligten und bildet die Grundlage für seine persönliche Haftung. Der Verwalter hat neben den berechtigten Interessen des Schuldners und des Gläubigers auch diejenigen der anderen am Verfahren Beteiligten zu wahren. Dabei entspricht der Begriff der von § 154 Satz 1 ZVG umfassten Beteiligten nicht demjenigen der formell am Verfahren Beteiligten in § 9 ZVG, sondern beschreibt diejenigen Personen, denen gegenüber das Zwangsverwaltungsgesetz dem Zwangsverwalter spezifische Pflichten auferlegt. Der Zwangsverwalter haftet auch gegenüber den Beteiligten im Sinne von § 9 ZVG nicht für jegliche Pflichtverletzung, sondern nur für die Verletzung verwalterspezifischer Pflichten (BGH, Urt. v. 15.10.2015 - IX ZR 44/15 m.w.Nachw.). Ob die zwischen den Parteien streitig diskutierte Frage, ob am 23.04.2015 eine fehlerhafte Auskunft erteilt worden ist, mit der Folge einer Schadensersatzpflicht hierunter fällt, kann dahinstehen.
Die Klägerin bleibt (jedenfalls) für einen Schaden der Höhe nach darlegungs- und beweisfällig.
Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der pro Quadratmeter zu erzielenden Miete für die streitgegenständliche Einheit im ersteigerten Objekt erfolgt ins Blaue hinein. Bereits in der Klageschrift und auch nachfolgend nennt die Klägerin verschiedene Quadratmeterpreise, ohne im Einzelnen substantiiert darzulegen, dass die Mieterin eine höhere als die aktuelle Quadratmetermiete akzeptiert hätte. Dafür, dass sie dies für den streitgegenständlichen Zeitraum getan hätte, spricht auch nicht die Tatsache, dass sie seit dem 01.03.2016 eine erhöhte Miete zahlt. Vorausgegangen waren - aus Sicht der Klägerin „langwierige zähe“ (Bl. 3 GA) - Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Mieterin. Es ist weder substantiiert vorgetragen noch ersichtlich, dass die Mieterin auf jeden Fall in dem Objekt hat bleiben wollen und daher eine erhöhte Miete (auch) zu einem früheren Zeitpunkt akzeptiert hätte.
Es lässt sich auch nicht zugunsten der Klägerin ein Mindestschaden dergestalt feststellen, dass die Mieterin jedenfalls auch für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Betrag von 11,00 €/qm kalt gezahlt hätte. Hierfür bleibt die beweisbelastete Klägerin nach Durchführung der Beweisaufnahme beweisfällig.
Die Zeugin S. hat bereits eingangs ihrer Vernehmung betont, dass sie zu der streitentscheidenden Frage keine Angaben machen könne. Sie hat dazu dargestellt, dass sie (gemeinsam mit ihren Kollegen) zwar die Miethöhe verhandle, die Entscheidung über die Akzeptanz der Miethöhe jedoch von derjenigen (Konzern)Gesellschaft getroffen werde, die Vertragspartei des Mietvertrages sei. Sie hat weiter erläutert, dass vor einer Entscheidung, eine Mieterhöhung zu akzeptieren, auch der „Markt“ sondiert worden wäre. Hinsichtlich einer Miete in Höhe von 12,50 €/qm hat sie sogar betont, dass eine solche Miete nicht an die Konzerngesellschaft zur Annahme empfohlen worden wäre.
Diese Angaben sind in sich schlüssig und nachvollziehbar. Zweifel an ihrer Richtigkeit haben sich nicht ergeben.
Auch aus der Anlage K4 ergibt sich nicht, dass die Mieterin eine erhöhte Miete ab dem 01.10.2015 akzeptiert hätte.
Weiteren Beweisangeboten der Klägerin war nicht nachzugehen.
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete war nicht angezeigt. Es steht nämlich nicht fest, dass die Mieterin eine Miete in Höhe der „üblichen und angemessenen“ Höhe, wie sie die Klägerin annimmt, akzeptiert hätte anstatt das Objekt zu räumen.
Auch die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016 benannten Zeuginnen sowie die in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.12.2016, Bl. 162 f GA, benannten Zeugen waren nicht zu hören. Ihre Vernehmung wäre eine zivilprozessual unzulässige Sachverhaltsausforschung. Es fehlt an substantiiertem Vortrag dazu, weswegen diese Zeugen, die sich wohl aus der Anlage K4 ergeben dürften, den Vortrag der Klägerin, die Mieterin hätte auch ab dem 01.10.2015 eine erhöhte Miete von (zumindest) 11,00 €/qm kalt akzeptiert, bestätigen werden. Das Ergebnis der Verhandlungen zwischen der Klägerin und der Mieterin spricht eine andere Sprache, wie sich der Anlage K4 entnehmen lässt. Dort bietet die Klägerin selbst an, dass die Klägerin selbst mit der beabsichtigten Miete von 12,50 €/qm auf 11,00 €/qm, beginnend ab dem 01.03.2016, heruntergegangen ist.
Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache scheidet ein Anspruch auf die geltend gemachte Nebenforderung aus.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO.