Landgericht Braunschweig
Urt. v. 01.06.2017, Az.: 3 O 1276/16

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
01.06.2017
Aktenzeichen
3 O 1276/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53596
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Wertstufe bis 35.000,00 €

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Abgas-Skandal die Lieferung eines Neufahrzeugs Zug um Zug gegen Rückgabe des bei der Beklagten gekauften Autos.

Die Klägerin erwarb am 18.08.2014 über das xxx, das für die Beklagte handelte, einen neuen VW Tiguan „Sport & Style“ BlueMotion Technology 2,0 l TDI 103 kW (140 PS) der 1. Modellgeneration zu einem rabattierten Kaufpreis von 31.879,00 €, welcher am 01.09.2014 auf die Klägerin erstzugelassen und anschließend an sie übergeben wurde.

Der Abschluss des Kaufvertrages erfolgte unter Einbeziehung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten, die unter Ziffer IV. folgende Klausel enthalten:

„6. Konstruktions- oder Formänderungen, Abweichungen im Farbton sowie Änderungen des Lieferumfangs seitens des Herstellers bleiben während der Lieferzeit vorbehalten, sofern die Änderungen oder Abweichungen unter Berücksichtigung der Interessen des Verkäufers für den Käufer zumutbar sind. Sofern der Verkäufer oder der Hersteller zur Bezeichnung der Bestellung oder des bestellten Kaufgegenstandes Zeichen oder Nummern gebraucht, können allein daraus keine Rechte hergeleitet werden.“

Der streitgegenständliche Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet. Mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - 300-52.V/001#018 - (Anlage B 6) stellte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) fest, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet sind, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Anwaltsschreiben vom 26.01.2016 (Anlage K 32) auf, bis zum 08.03.2016 einen nach aktuellen Vorschriften zulassungsfähigen, mangelfreien und vertragsgemäßen Neuwagen zu liefern.

Mit Bescheid vom 01.06.2016 bestätigte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen internen Übertragungsfehler), dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus Cluster 6, Verkaufsbezeichnungen: u. a. VW Tiguan, dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen. Die Beklagte informierte die Klägerin davon mit Klageerwiderung vom 26.10.2016 und teilte des Weiteren mit, dass die technische Überarbeitung bereits möglich sei. Mit Schriftsatz vom 13.01.2017 wies sie nochmals ausdrücklich darauf hin, dass die Software-Lösung zur Verfügung stehe, und forderte die Klägerin auf, sich zur Vereinbarung eines Termins zwecks Vornahme der technischen Maßnahme am streitgegenständlichen Fahrzeug mit ihr in Verbindung zu setzen. Dem ist die Klägerin, die das Fahrzeug weiterhin ohne Gebrauchseinschränkungen nutzt, nicht nachgekommen.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe mangelbedingt einen Anspruch gegen die Beklagte auf Lieferung eines Neufahrzeugs aus der aktuellen Serienproduktion. Sie stützt diese Forderung in erster Linie auf kaufrechtliche Gewährleistung, in zweiter Linie auf die Grundsätze der Prospekthaftung und schließlich auf unerlaubte Handlung. Sie behauptet, dass die von der Beklagten für den VW Tiguan mit Hubraum 2,0 l angebotene technische Überarbeitung durch ein reines Software-Update nicht zu einer Mängelbeseitigung führe, weil dadurch Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß erhöht sowie die Leistung des Fahrzeugs verringert werde. Außerdem sei die Dauerhaltbarkeit nicht gewährleistet und es verbleibe ein merkantiler Minderwert.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr ein mangelfreies fabrikneues Ersatzfahrzeug aus der aktuellen Serienproduktion des Herstellers mit identischer technischer Ausstattung wie das Fahrzeug VW Tiguan, FIN: xxx, Zug um Zug gegen Rückübereignung des mangelhaften Fahrzeugs VW Tiguan, FIN: xxx, nachzuliefern;

2. festzustellen, dass sich die Beklagte mit der Neulieferung und mit der Rücknahme der im Klageantrag Ziffer 1 genannten Fahrzeuge in Verzug befindet;

3. die Beklagte zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.419,07 € freizustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, es liege schon kein Sachmangel vor. Selbst wenn ein solcher gegeben sei, könne die Klägerin nicht Nachlieferung aus der aktuellen Serienproduktion verlangen, sondern allenfalls die Lieferung desselben Modells. Diese sei aber unmöglich, jedenfalls aber wäre sie gegenüber der von ihr angebotenen Nachbesserung unverhältnismäßig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Lieferung eines Neufahrzeugs zu, und zwar weder aus §§ 434, 437 Nr. 1, 439 BGB (1.) noch aus §§ 311, 241 Abs. 2 BGB unter dem Gesichtspunkt der Produkthaftung (2.) oder aus § 823 Abs. 2 bzw. § 826 BGB (3.). Mangels Begründetheit der Hauptforderung sind auch die Klageanträge zu 2. und 3. unbegründet.

1.

Das streitgegenständliche Fahrzeug war zwar bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet war, die aufgrund des Bescheides des KBA vom 15.10.2015 zu beseitigen ist, womit der Klägerin die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB grundsätzlich eröffnet sind (a). Doch kann sie von der Beklagten keine Nachlieferung aus der aktuellen Serienproduktion verlangen, sondern allenfalls die Lieferung desselben Modells (b). Eine solche wäre indes - wie von der Beklagten weiter eingewandt - unmöglich (c), jedenfalls aber beschränkt sich der Anspruch der Klägerin gem. § 439 Abs. 3 BGB auf die von der Beklagten angebotene Nachbesserung (d).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch die bestandskräftigen Bescheide des KBA vom 15.10.2015 und vom 01.06.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

- dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

- dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

- dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

- dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässige Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.

Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass

- es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und dass

- die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein reines Software-Update geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin entgegen der Ansicht der Klägerin möglich ist (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).

b) Eine Nachlieferung aus der aktuellen Serienproduktion kann die Klägerin von der Beklagten schon deshalb nicht beanspruchen, weil die Auslegung des Kaufvertrages nicht ergibt, dass die Klägerin im Falle eines Mangels einen Anspruch auf Lieferung des Nachfolgemodells der 2. Modellgeneration des VW Tiguan hat. Der Nachlieferungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 Abs. 1, 2. Alt. BGB beschränkt sich vielmehr auf die Lieferung einer anderen Sache, die der verkauften Sache gleich, aber mangelfrei ist (vgl. Palandt-Weidenkaff, BG, 7. Aufl., § 437 Rn. 7), kann also nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch. Die Klägerin hat das substantiierte Vorbringen der Beklagten, dass die 1., auf der PQ35/A5-Plattform gebaute Modellgeneration des VW Tiguan nicht mehr hergestellt werde und das auf dem Markt befindliche Nachfolgemodell der 2. Modellgeneration auf dem neuen modularen Querbaukasten des xxx basiere sowie sich von der Vorgängergeneration hinsichtlich Baureihe, Typ, Karosserie und Motor fundamental unterscheide, nur mit Nichtwissen, d. h. unter Außerachtlassung der dazu öffentlich zugänglichen Informationsquellen, mithin nicht hinreichend bestritten.

Dass die Klägerin einen Anspruch auf die Lieferung eines VW Tiguan aus der aktuellen Serienproduktion hat, lässt sich auch nicht aus der von ihr zitierten Klausel Ziffer IV. 6. der AGB herleiten. Diese Klausel stellt nämlich rechtlich ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Verkäufers gem. § 315 Abs. 1 BGB, d. h. eine einseitige Erweiterung der Rechte des Verkäufers bei gleichzeitiger Beschränkung des Rechtes des Käufers auf eine Billigkeitskontrolle dar. Das verbietet es, sie im Wege der Vertragsauslegung zur Begründung einer Benachteiligung des Verkäufers bei gleichzeitiger Erweiterung der Rechte des Käufers heranzuziehen (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 19.05.2017 - 11 O 3605/16 -, juris Rn. 23).

c) Da die 1. Modellgeneration des VW Tiguan als Neufahrzeug nicht mehr bestellbar ist, ist die Nachlieferung einer mangelfreien Sache unmöglich geworden. Ein Anspruch der Klägerin auf diese Leistung besteht mithin schon gem. § 275 Abs. 1 BGB nicht.

d) Doch selbst, wenn sie noch möglich wäre, wäre sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich. § 439 Abs. 3 BGB ist richtlinienkonform einschränkend dahin auszulegen, dass nur die Berufung auf die relative Unverhältnismäßigkeit der vom Käufer gewählten Art der Nachlieferung statthaft ist (vgl. OLG Hamm, a. a. O., Rn. 34 m. w. N.). Zu vergleichen sind daher die voraussichtlichen Kosten der von der Beklagten angebotenen Nachbesserung auf der einen Seite mit denen der von der Klägerin geforderten Nachlieferung auf der anderen Seite. Bei der dafür vorzunehmenden Gesamtabwägung sind gem. § 439 Abs. 3 S. 2 BGB der Wert des Fahrzeugs in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die von der Beklagten angebotene Nachbesserung ohne erhebliche Nachteile für die Klägerin zurückgegriffen werden kann.

Die Bedeutung des Mangels ist für die Klägerin selbst gering, weil sie das Fahrzeug unstreitig weiterhin ohne jegliche Gebrauchseinschränkungen nutzt. Die von der Klägerin geltend gemachten unmittelbaren Nachteile der vom Beklagten angebotenen Mängelbeseitigung (Erhöhung von Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß, Verringerung der Leistung) sind durch die Feststellungen des KBA im Freigabebescheid vom 01.06.2016 widerlegt. Soweit die Klägerin darüber hinaus die Dauerhaltbarkeit bezweifelt und einen verbleibenden merkantilen Minderwert befürchtet, ist ihr Vorbringen gegenüber dem qualifizierten Bestreiten seitens der Beklagten nicht hinreichend substantiiert. Die Behauptung der „bis heute nicht geklärten“ Dauerhaltbarkeit erfolgt ins Blaue hinein und bietet deshalb keine konkreten Anknüpfungstatsachen für die angebotene Einholung eines Sachverständigengutachtens. Auch zum behaupteten merkantilen Minderwert würde die Einholung eines Sachverständigengutachtens auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen. Dies deshalb, weil der Kraftfahrzeugmarkt schon grundsätzlich sehr transparent ist (vgl. die monatlichen sog. Schwacke-Listen) und zudem gerade die Auswirkungen des streitgegenständlichen „Abgas-Skandals“ auf das Marktgeschehen Gegenstand regelmäßiger Marktbeobachtungen und Presseveröffentlichungen sind, so dass es der Klägerin ohne Weiteres möglich wäre, etwaige Wertverschiebungen, die gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung und nicht etwa darauf zurückzuführen sind, dass Dieselfahrzeuge aus anderen Gründen in der Gunst des Marktes nachgelassen haben, bezogen auf sein konkretes Auto darzulegen (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 25.04.2017 - 11 O 4/17 -, juris Rn. 19). Daran fehlt es hier.

Die Beklagte hat die Kosten der von ihr angebotenen Mängelbeseitigung mit ca. 35,00 € (40 Zeiteinheiten, d. h. 24 Minuten Arbeitszeit für Software-Installation x durchschnittlicher Lohnstundensatz im xxx von 87,00 € netto = 34,80 €) beziffert sowie die Kosten einer Nachlieferung mit mindestens 6.254,24 € (31.879,24 € Kaufpreis - 25.625,00 € von der Klägerin bezifferter Wert des zurückgegebenen Fahrzeugs). Danach würden die Nachlieferungs- die Nachbesserungskosten um das 177(!)-fache übersteigen. Auch wenn die Klägerin die angesetzten Kosten im Einzelnen bestritten hat, bedarf es auch insoweit keiner Einholung eines Sachverständigengutachtens, weil die voraussichtlichen Kosten ohnehin zu schätzen (vgl. Palandt-Weidenkaff, a. a. O., § 439 Rn. 16a), mithin auch einer richterlichen Schätzung gem. § 287 Abs. 2 ZPO zugänglich sind und es auf der Hand liegt, dass sich die Lieferung eines Neufahrzeugs gegen Rücknahme eines inzwischen zwei Jahre und neun Monate lang gefahrenen Gebrauchtwagens gegenüber dem geringen Aufwand für die technische Überarbeitung mittels reinen Software-Updates als evident unverhältnismäßig darstellt. Anders als die Klägerin meint, würde auch die Einbeziehung der Software-Entwicklungskosten nicht zu einem anderen Ergebnis führen, weil diese auf die Gesamtzahl der betroffenen Fahrzeuge „umgelegt“ werden müssten. So hat die Beklagte diese Entwicklungskosten mit insgesamt 52,5 Mio. € für 10 Mio. Fahrzeuge veranschlagt, so dass pro Fahrzeug lediglich weitere Kosten von 5,25 € zu berücksichtigen wären.

Nach alledem beschränkt sich der Anspruch der Klägerin gem. § 439 Abs. 3 BGB auf die von der Beklagten angebotene Mängelbeseitigung. Das hat allerdings auch zur Folge, dass der Klägerin gegen die Beklagte im Falle des Fehlschlagens der Nachbesserung die Rechte aus § 440 BGB zustehen.

2.

Für einen Anspruch der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der - spezialgesetzlich nicht geregelten - Prospekthaftung gem. §§ 311, 241 Abs. 2 BGB ist daneben kein Raum. Eine Haftung im vorgenannten Sinne wurde von der Rechtsprechung für den sog. Grauen, d. h. nicht organisierten Kapitalmarkt vor dem Hintergrund entwickelt, dass in jenem Markt das Emissionsprospekt die einzige Informationsquelle für den interessierten Kapitalanleger darstellt. Nur wenn die dortigen Angaben vollständig und richtig sind, kann der Interessent die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilten und vor allem sein Anlagerisiko richtig einschätzen (vgl. BGHZ 111, 114 ff.). Im vorliegenden Fall eines Autokaufs ist die Grundsituation gänzlich anders. Der Kunde kann sich nicht nur aus Verkaufsprospekten, sondern auch aus Testberichten einer Vielzahl einschlägiger Zeitschriften informieren. Ferner kann er sich ein vergleichbares Fahrzeug im Showroom anschauen und ggf. sogar Probe fahren (vgl. LG Braunschweig, 19.05.2017 - 11 O 3605/16 -, juris Rn. 25).

3.

Schadensersatzansprüche wegen unerlaubter Handlung aus § 823 Abs. 2 bzw. § 826 BGB scheiden unabhängig von den dazu vorgebrachten Schutzgesetzen, ob § 263 StGB oder §§ 4 bzw. 16 UWG bis hin zum EG-Typgenehmigungsrecht, hier schon deshalb aus, weil solche Ansprüche gem. § 249 BGB immer auf den Ersatz des negativen Interesses gerichtet sind. Mit der begehrten Lieferung des Neufahrzeugs beansprucht die Klägerin aber das positive Interesse.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

III.

Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.