Landgericht Braunschweig
Urt. v. 26.06.2017, Az.: 8 O 1633/16
Software-Update; Diesel-Abgas-Skandal; Abschaltautomatik
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 26.06.2017
- Aktenzeichen
- 8 O 1633/16
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53714
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Streitwert: 6.000 €.
Tatbestand:
Der Kläger macht gegen die Beklagte - als Herstellerin des von ihm erworbenen PKW -Ansprüche aufgrund des sogenannten Diesel-Abgas-Skandals geltend.
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 23.12.2013 bei der xxx in xxx einen gebrauchten PKW xxx, Erstzulassung 10.12.2013. Der Kaufpreis betrug 23.189 €. Verbaut war in dem Fahrzeug ein Dieselmotor EA 189, der als der Schadstoffklasse Euro 5 zugehörig angeboten und verkauft wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Rechnung vom 31.12.2013 Anlage K1 Bezug genommen.
Der Kläger lehnt die ihm angebotene Überarbeitung des Fahrzeugs insbesondere das angebotene Software-Update ab.
Der Kläger trägt vor und behauptet:
Er sei auf der Suche nach einem umweltfreundlichen Fahrzeug gewesen, da er in einer ländlich geprägten Gegend im xxx wohne, und daher auch für kleinere Besorgungen auf das Fahrzeug angewiesen sei. Dementsprechend habe er auf den Verbrauch und die Abgasimmissionen geachtet. Aufgrund der Zusicherungen und Anpreisungen des Verkäufers habe er das vermeintlich umweltfreundliche Fahrzeug gekauft. In der nächsten überregional bedeutsamen Stadt xxx sei bereits frühzeitig eine Umweltzone eingerichtet werden. Es sollte auch bei Erwerb des Fahrzeugs sichergestellt sein, dass das Fahrzeug künftig dort vollumfänglich nutzbar sei. Deshalb habe der Kläger besonderen Wert bei dem Erwerb des Fahrzeugs auf die Schadstoffklasse gelegt. Das habe er gegenüber dem Verkäufer auch deutlich geäußert, dies sei Vertragsgrundlage geworden.
Auch das von ihm erworbene Fahrzeug sei von der Manipulation der Software betroffen.
Die Schadstoffwerte des von ihm erworbenen Fahrzeugs lägen über den Vorgaben der VO (EU) Nr. 715/2007 für eine Zulassung. Das Fahrzeug sei derzeit nicht zulassungsfähig. Er müsse damit rechnen, dass ihm die Zulassung für das Fahrzeug entzogen würde.
Das Fahrzeug sei mit einer unzulässigen Abschalt-Automatik ausgerüstet.
Eine folgenlose Nachbesserung sei nicht möglich, da diese einen erheblichen Eingriff am Fahrzeug bedeute und Veränderungen am Fahrzeug zur Folge haben würde. Es würden ihm massive Nachteile durch die Nachbesserung entstehen, die deshalb unzumutbar sei. Eine Fristsetzung sei daher entbehrlich.
Der Kläger ist der Auffassung, die Beklagte als Herstellerin hafte aus §§ 311, 241 Abs. 2, BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB, § 826 BGB, § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 4 Nr. 11 a. F.,16 UWG.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags des Klägers wird auf die Ausführungen in der Klageschrift vom 10.08.2016 sowie in den Schriftsätzen vom 13.01.2017, 06.04.2017 und 31.05.2017 mit Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs xxx, FIN: xxx durch die Beklagtenpartei resultieren;
2. die Beklagtenpartei zu verurteilen, die Klägerpartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klägerpartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 550,37 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, die Klage sei unzulässig und unbegründet.
Die Beklagte trägt vor und behauptet:
Das vom Kläger erworbene Fahrzeug verfüge über eine wirksame EG-Typen Genehmigung für die Emissionsklasse 5. Der Kläger benutze das Fahrzeug ohne Gebrauchseinschränkungen. Die im klägerischen Fahrzeug verbaute Software stelle keine sogenannte Abschalteinrichtung dar.
Das Fahrzeug des Klägers könne auf Kosten der Beklagten technisch überarbeitet werden. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe auch bereits die Freigabe für den vom Kläger erworbenen Fahrzeugtyp erteilt. Das vom Kläger erworbene Fahrzeug falle in den sogenannten Cluster 9, Bestätigung des Kraftfahrt-Bundesamtes vom 19.05.2016 - Anlage B1.
Fahrzeuge mit einem EA 189-Motor und einem Hubraum von 1,2 und 2,0 l würden ein reines Software-Update erhalten. Bei Fahrzeugen mit einem EA 189-Motor mit einem Hubraum von 1,6 l - wie dem Fahrzeug des Klägers - sei zusätzlich zu dem Software -Update ein sogenannter Strömungsgleichrichter einzubauen, ein kleines Gitternetz, das die Genauigkeit des Luftmassenmessers verbessere. Diese technischen Maßnahmen könnten bei jedem Servicepartner der Beklagten umgesetzt werden. Durch das Software-Update würde es zu keinen negativen Folgen am Fahrzeug des Klägers kommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Beklagten wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 22.11.2016 und 14.03.2017 mit Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Ob die Klage zulässig ist, soll hier ausdrücklich dahinstehen.
Sie ist jedenfalls unbegründet.
Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu leisten.
Vertragliche Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte bestehen nicht, da der Kaufvertrag nicht zwischen den Parteien dieses Rechtsstreites geschlossen wurde.
Der Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB scheitert jedenfalls an der nicht gegebenen Absicht stoffgleicher Bereicherung. Der Schaden muss unmittelbare Folge der täuschungsbedingten Verfügung sein, die den Schaden des Opfers herbeiführt. Der etwaige Vorteil, der der Beklagten erwachsen sein könnte, besteht in einer durch einen Wettbewerbsvorteil verursachten Umsatzsteigerung. Das ist nicht der vom Kläger behauptete Schaden.
Ferner besteht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 4 UWG a. F., da diese Regelung ebenso wie die VO (EU) Nr. 715/2007 nicht individualschützend in Bezug auf den Kläger des hiesigen Verfahrens ist.
Zudem besteht kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG. Sofern man § 16 UWG überhaupt als Schutzgesetz i. S. des § 16 UWG einstufen sollte, fehlt es jedenfalls an jeglichem konkreten Tatsachenvortrag bezogen auf den geltend gemachten kausalen Schaden im vorliegenden konkreten Fall. Der Hinweis auf die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft xxx genügt nicht.
Auch bestehen keine Ansprüche aus § 826 BGB.
Die Kammer folgt in Argumentation und Ergebnis dem Urteil des LG Ellwangen vom 19.04.2016 (5 O 385/15), insbesondere den folgenden Erwägungen:
Die Annahme der Sittenwidrigkeit i. S. des § 826 BGB würde dazu führen, dass die vertragsrechtlichen Risikozuweisungen unterlaufen würden. Das Leistungsstörungs- und Gewährleistungsrecht würde in weiten Bereichen überflüssig, wenn bereits aufgrund des Deliktsrechtes die Vermögensschäden zu ersetzen wären. Aufgrund des grundsätzlichen Vorrangs des Vertragsrechtes ist bei der Anwendung des § 826 BGB im vertragsrechtlichen Kontext Zurückhaltung zu üben. Die Verletzung vertraglicher Leistungspflichten stellt per se keine sittenwidrige Schädigung i. S. des § 826 BGB dar (vgl. auch Münchener Kommentar zum BGB - Wagner § 826 BGB Rndr. 16).
Zudem hat der Gesetzgeber mit dem Produkthaftungsgesetz eine gesetzgeberische Entscheidung getroffen, unter welchen Voraussetzungen der Hersteller einer Sache für bestimmte Schäden haftet, und für welchen eben gerade nicht. Die Anwendung des § 826 BGB auf den vorliegenden Fall würde dieser gesetzgeberischen Grundentscheidung zuwider laufen.
Schließlich verstößt das Verhalten des Klägers, das Software-Update nicht in Anspruch zu nehmen, gegen die ihm obliegende Schadensminderungspflicht. Ein etwaiger Schaden könnte bei erfolgreichem Update mit Einbau des Strömungsgleichrichters praktisch gegen null tendieren.
Da die Klage im Hauptantrag unbegründet ist, steht dem Kläger auch keine Freistellung von den Anwaltsgebühren zu.
Die Klage war daher vollumfänglich abzuweisen.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert wurde gem. § 3 ZPO festgesetzt. Der Kläger hat keine genauen Angaben zu dem ihm seiner Behauptung nach entstandenen Schaden gemacht. Zudem wäre, da hier kein Leistungsantrag, sondern ein Feststellungsantrag gestellt wurde, vom behaupteten Schaden ein Abschlag vorzunehmen. Die Kammer ist daher bei der Streitwertfestsetzung im unteren Bereich der landgerichtlichen Zuständigkeit geblieben.