Landgericht Braunschweig
Urt. v. 29.12.2017, Az.: 3 O 598/17

Abgasskandal; Schadensersatz gegen Motorenhersteller

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
29.12.2017
Aktenzeichen
3 O 598/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53785
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Dem Käufer eines bei einem Autohaus gekauften, vom sog Abgasskandal betroffenen Pkws steht gegen die Herstellerin des Motors kein Schadensersatzanspruch aus unerlaubter Handlung zu.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Wertstufe bis 30.000,00 €.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten als Herstellerin des Motors im Wege des Schadensersatzes die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung seines in einem Autohaus gekauften, vom sog. Abgasskandal betroffenen Pkws.

Der - sich als Rechtsanwalt selbst vertretende - Kläger bestellte am 13.05.2013 in einem Autohaus der xxx, einen neuen Pkw xxx zum Preis von 25.864,00 €, der ihm nach Zahlung des Kaufpreises übereignet wurde. Das streitgegenständliche Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, dessen Herstellerin die Beklagte ist.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - xxx - (Anlage B 7) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Vor diesem Hintergrund forderte der Kläger die Beklagte mit Schreiben vom 02.03.2017 unter Fristsetzung bis zum 12.03.2017 erfolglos zur Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs auf.

Mit Schreiben vom 05.05.2017 (Anlage B 1) bestätigte die für die Fahrzeuge der Marke xxx zuständige britische Typgenehmigungsbehörde, die xxx (xxx), in englischer Sprache, dass es die von xxx vorgeschlagenen technischen Maßnahmen, die erforderlich seien, um den EA 189-Motor wieder in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu bringen, überprüft habe. Es sei ein umfangreiches Testprogramm durchgeführt worden um festzustellen, dass keine Zykluserkennungssoftware mehr vorhanden sei. Das Programm habe auch die Übereinstimmung hinsichtlich emissionsmindernder Einrichtungen, Kraftstoffverbrauch, CO2, Fahrgeräusch und Motorleistung festgestellt. xxx habe bestätigt, dass sie sich mit den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten in Verbindung setzen werde, um zu vereinbaren, wie die technischen Maßnahmen zur Wiederherstellung der Übereinstimmung umgesetzt werden können. Diesem Schreiben war eine - ebenfalls englischsprachige - Anlage 1 („Annex 1“) mit den Ergebnissen der Überprüfung beigefügt. Mit weiteren Schreiben in englischer Sprache vom selben Tag bescheinigte die VCA für einzelne, aufgelistete Fahrzeugtypen, u. a. den hier streitgegenständlichen xxx, dass sie den spezifischen Vorschlag für diese Fahrzeuge akzeptiert habe (Anlage B 1).

Von dieser Freigabebestätigung informierte die Beklagte den Kläger mit ihrer Klageerwiderung vom 06.07.2017, teilte ihm des Weiteren mit, dass die technische Maßnahme, bestehend aus einem Software-Update und dem Einbau eines Strömungsgleichrichters, für seinen Pkw zur Verfügung stehe, und forderte ihn auf, sich zur Vereinbarung eines Termins mit einem Servicepartner von xxx in Verbindung zu setzen, damit die technische Maßnahme vorgenommen werden könne. Der Kläger, der sein Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, hat davon bislang keinen Gebrauch gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, die Beklagte sei ihm aus unerlaubter Handlung zum Schadensersatz verpflichtend, weil sie den manipulierten Motor seines Pkws unter Verschweigen der gesetzwidrigen Softwareprogrammierung in Verkehr gebracht habe. Er behauptet, dass die Bewerbung des Fahrzeugs mit besonders umweltfreundlichen Eigenschaften („Green tec“) ausschlaggebend für seine Kaufentscheidung gewesen sei. Des Weiteren sei ihm ein „Informationsblatt über Kraftstoffverbrauch, CO2-Emisionen und Stromverbrauch i. S. d. Pkw-EnVKV“ (Bl. 58 d. A.) vorgelegt worden, welches nicht den tatsächlichen Werten entsprochen habe.

Der Kläger beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 25.864,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz seit dem 12.03.2017 sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.358,86 € zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung des Fahrzeugs xxx mit der Fahrgestellnummer xxx;

2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs xxx mit der Fahrgestellnummer xxx durch die Beklagte resultieren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet neben der behaupteten Kaufmotivation des Klägers, diesen vorsätzlich getäuscht und geschädigt zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch weder aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (1.) noch § 826 i. V. m. § 31 BGB (2.) zu. Mangels Begründetheit der Hauptforderung kann auch die Nebenforderung auf Ersatz der vorgerichtlichen Anwaltskosten keinen Erfolg haben.

1. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung des Klägers.

Soweit der Kläger sich hierzu auf die Bewerbung des xxx als besonders umweltfreundlich und auf das ihm ausgehändigte Informationsblatt über Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch beruft, betrifft das nicht die Beklagte - die Volkswagen AG -, weil diese als Herstellerin des Motors weder an den Vertragsverhandlungen über das streitgegenständliche Fahrzeug - einem xxx - beteiligt war noch dafür geworben hat und auch das Informationsblatt nicht erstellt hat, wofür nach den den Vorschriften der Pkw-EnVKV ohnehin nicht sie, sondern xxx als Fahrzeugherstellerin verpflichtet ist. Im Übrigen stehen die im Informationsblatt angegebenen Werte zu Kraftstoffverbrauch, CO2-Emissionen und Stromverbrauch nicht im Zusammenhang mit der - unstreitig - von der Beklagten auf dem Motorsteuergerät hinterlegten Software, die allein die Stickoxid(NOx)-Emissionen betrifft. Dass die ursprünglich vom Hersteller angegebenen Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen auch nach dem Software-Update unverändert sind, hat die VCA hat mit ihrer Freigabe vom 05.05.2017  ausdrücklich bestätigt (Anlage 1 zur Freigabebestätigung, s. u. I. 1. a)).

Hinreichend dargetan hat der Kläger deshalb eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug durch die Beklagte allein hinsichtlich der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Entgegen der Ansicht der Beklagten steht zwar fest, dass sie das Motorsteuergerät des klägerischen Pkws mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen hat (a). Auch insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, für die es an einer Garantenstellung der Beklagten i. S. von § 13 Abs. 1 StGB fehlt (b).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und die Freigabebestätigung der VCA vom 05.05.2017 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

dass für die betroffenen Fahrzeuge der Marke xxx dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von xxx vorgeschlagenen technischen Maßnahmen geeignet sind, die betreffenden Motoren wieder in Übereinstimmung mit den Verpflichtungen aus der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu bringen;

dass die technische Lösung von der VCA mit folgenden Ergebnissen überprüft worden ist (Anlage 1 zur Freigabebestätigung, übersetzt aus der englischen Sprache): Nichtvorhandensein von Zykluserkennungseinrichtungen (gemeint sind unzulässige Abschalteinrichtungen i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007) bestätigt, Abgasemissionen und Haltbarkeit emissionsmindernder Einrichtungen entsprechen den gesetzlichen Vorschriften, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen unverändert, Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert, Geräuschemissionswerte unverändert.

b) Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolges einzustehen hat. Soweit es - wie hier - um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Für die Beklagte - die Volkswagen AG - muss das in der vorliegenden Konstellation, in der sie nur Lieferantin des Motors an die Fahrzeugherstellerin - xxx - ist, die das Fahrzeug an das Autohaus verkauft hat, welches es wiederum an den Kläger weiterverkauft hat, mithin vom Kläger denkbar weit entfernt ist, erst recht gelten.

Eine Aufklärungspflicht der Beklagten würde gleichwohl dann bestehen, wenn infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug erloschen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 7 i. V. m. Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“ (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a O., Rn. 117 ff., 137 ff.).

Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein von der VCA freigegebenes Software-Update nebst Einbau eines Strömungsgleichrichters zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend dargetan noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Kläger behaupteten „weitaus geringeren Wiederverkaufswert“, d. h. einen trotz Software-Update und Einbau eines Strömungsgleichrichters verbleibenden merkantilen Minderwert.

Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Fallkonstellation indes nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.

Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen müssen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eins Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

Eine Garantenpflicht zugunsten des Klägers ergibt sich schließlich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.

Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.

2. Entsprechendes gilt für eine Haftung aus § 826 i. V. m. § 31 BGB.

Für eine vorsätzliche sittenwidrige Schädigung reicht allein der - feststehende - Verstoß der Beklagten gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt (s. o. I. 1. b)), dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.

Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) ausgeführt (s. o. I. 1. b)), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

III.

Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.