Landgericht Braunschweig
Urt. v. 09.10.2017, Az.: 11 O 3565/16

Abgasskandal; Rücktritt; Fristsetzung zur Nacherfüllung

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
09.10.2017
Aktenzeichen
11 O 3565/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53752
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung (Motorsteuerungssoftware) versehenen Kfz steht kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag ohne den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung zu.

2. Auch unter dem Gesichtspunkt der Anfechtung und des Rechts der unerlaubten Handlung kann er keine Rückabwicklung der erbrachten Leistungen verlangen.

Tenor:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Der Streitwert wird auf 63.728,96 € festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen Pkw xxx.

Die Klägerin kaufte mit Bestellung vom 26.07.2014 von der Beklagten, welche auch die Herstellerin des Fahrzeugs ist, einen Pkw xxx zum Gesamtbetrag von 47.153,76 €. Diesen Pkw ließ die Klägerin nach Auslieferung für einen Rechnungsbetrag von 20.111,73 € auf das Lenkungssystem „Ohnarmlenkung“ umbauen.

In dem Fahrzeug ist ein Motor der Baureihe EA 189 verbaut. In der EG-Übereinstimmungsbescheinigung wird als Abgasnorm EURO 5 bescheinigt. Die Einhaltung der dafür nach der EG-Verordnung maßgeblichen Grenzwerte für Stickoxide hängt davon ab, in welchem Ausmaß Abgase aus dem Auslassbereich des Motors über ein Abgasrückführungsventil in den Ansaugtrakt des Motors zurückgeleitet werden. Im streitgegenständlichen Fahrzeug lässt die das Abgasrückführungsventil steuernde Software des Motorsteuerungsgerätes eine Abgasrückführung im zur Einhaltung der Grenzwerte nötigen Umfang unter den Bedingungen des zur Erlangung der Typgenehmigung durchgeführten gesetzlich vorgeschriebenen Testlaufs zu. Bewegt sich das Fahrzeug nicht in diesem eng vorgegebenen Geschwindigkeitsmuster, erkennt die Software dies und verringert die Abgasrückführung im Verhältnis zur Fahrt auf dem Prüfstand, wodurch sich die Stickoxidemissionen erhöhen.

Das Kraftfahrbundesamt (KBA) erkannte in der genannten Software eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziff. 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 und ordnete einen Rückruf an.

Hiervon setzte die Beklagte die Klägerin im Februar 2016 in Kenntnis (Anlage A 5).

Mit Schreiben vom 11.08.2016 setzte die Klägerin der Beklagten eine Frist zur Nacherfüllung bis zum 28.09.2016 und stellte für den Fall des erfolglosen Ablaufes dieser Frist den Rücktritt vom Kaufvertrag in Aussicht (Anlage A 6).

Mit Schreiben vom 17.08.2016 verwies die Beklagte auf die Erarbeitung technischer Lösungen und deren grundsätzliche Bestätigung durch das KBA (Anlage A 7).

Unter dem 22.08.2016 hielt die Klägerin an der Frist zur Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels bis zum 28.09.2016 fest und stellte die Möglichkeit der Nacherfüllung durch Lieferung eines mangelfreien Neuwagens in den Raum (Anlage A 8).

Mit Schreiben vom 25.08.2016 verwies die Beklagte auf die laufende Erarbeitung technischer Lösungen und lehnte eine Rücknahme des Fahrzeugs ab (Anlage A 9).

Unter dem 13.10.2016 erklärte die Klägerin den Rücktritt vom Kaufvertrag, hilfsweise die Anfechtung der auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung (Anlage A 10).

Die von der Beklagten erarbeitete technische Lösung wurde unter dem 20.12.2016 durch das KBA gebilligt (Anlage B 1). Die Klägerin hat diese bis zum Tage der mündlichen Verhandlung nicht durchführen lassen.

Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, ihr stehe aufgrund der Motorsteuerungssoftware ein Recht auf Rückabwicklung des Kaufvertrages über das Fahrzeug zu und zwar aus den Gesichtspunkten des Rücktritts,  der Arglistanfechtung sowie des Rechts der unerlaubten Handlungen.

Die Klägerin beantragte:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 43.617,23 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2014 Zug um Zug gegen Übergabe des Pkw, xxx, Fahrzeug-Ident.-Nr.: xxx, zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte in Annahmeverzug befindet.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 20.111,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2016 zu zahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.085,95 € (vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragte:

Klagabweisung

Die Beklagte trägt im Wesentlichen vor, dass ein Recht zur Anfechtung mangels Täuschung der Klägerin durch die Beklagte nicht gegeben sei und dass der Klägerin bereits aufgrund Mangelfreiheit des Fahrzeugs,  jedenfalls aber mangels angemessener Fristsetzung zur Nacherfüllung kein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag zustehe.

Es fand mündliche Verhandlung statt am 12.09.2017.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den gesamten Inhalt der Akten verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

A.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Rückgewähr erbrachter Leistungen nach §§ 433, 434, 437 Ziffer 2, 346 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt des Rücktritts vom Kaufvertrag verlangen, da es hierfür an der tatbestandlichen Voraussetzung des erfolglosen Ablaufs einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung fehlt.

I.

Zunächst hat die Klägerin nicht dargelegt, dass eine Fristsetzung zur Nacherfüllung entbehrlich war:

1.  Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil der Beklagten eine Nacherfüllung im maßgeblichen Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 13.10.2016 unmöglich gewesen wäre. Eine Leistung ist gem. § 275 Abs. 1 BGB unmöglich, wenn sie nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand von Wissenschaft und Technik nicht erbracht werden kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl., § 275, Rn. 14). Dabei kann eine nur vorübergehende Unmöglichkeit einer dauerhaften Unmöglichkeit gleichstehen, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zuzumuten ist (Paland/Grünberg, a. a. O., § 275, Rn. 11, m. w. N.).  Eine Situation der vorbeschriebenen Art bestand vorliegend jedoch nicht: Im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung am 13.10.2016 war eine Softwarelösung für die Motorsteuerungssoftware bereits durch die Beklagte entwickelt, dem KBA vorgelegt und durch das KBA im Grundsatz bestätigt worden (Anlage A 7, Anlage A 9). Selbst wenn zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung noch keine konkrete Freigabeerklärung des KBA für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp xxx vorlag - diese erging erst unter dem 20.12.2016 - und somit auch noch keine Aufforderung zur Nacherfüllung durch die Beklagte an die Klägerin ergangen war, so lag hierin mangels Gefährdung des Geschäftszwecks des Kaufvertrages oder Unzumutbarkeit noch keine Unmöglichkeit, denn die Klägerin konnte das erworbene Fahrzeug jederzeit ohne Einschränkungen benutzen. Die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 24.02.2017 vorgebrachten notwendig gewordenen Reparaturen (elektrische Anlage, Klimaanlage, Lambda-Sonde) führen insofern zu keiner anderen Bewertung, da derartige Reparaturerfordernisse - was gerichtsbekannt ist - auch bei verhältnismäßig neuwertigen und hochwertigen Fahrzeugen nicht ausschließbar sind und jedenfalls die Nutzbarkeit des Fahrzeugs nicht dauerhaft ausschließen.

2. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gem. §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB entbehrlich, weil das Fahrzeug mit einem merkantilen Minderwert behaftet bleibt:

Für den Fall eines sogenannten Unfallwagens ist anerkannt, dass ein Rücktritt auch ohne vorherige Fristsetzung zur Nacherfüllung gemäß §§ 326 Abs. 5, 275 Abs. 1 BGB möglich ist, weil der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (BGH, Urteil vom 10.10.2007, VIII ZR 330/06, zit. nach juris, Rn. 23; BGH, Urteil vom 07.06.2006, VIII ZR 209/05, zit. nach juris, Rn. 17). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958, VI ZR 82/57, zit nach juris, Rn. 4).

Diese Rechtsprechung jedoch ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, da eine vergleichbare am Markt gewonnene Erfahrung, dass sich die ursprüngliche Motorsteuerungssoftware auch nach ihrem  Entfernen zwangsläufig preismindernd auswirkt, fehlt. Die klägerischen Ausführungen in dem Schriftsatz vom 02.08.2017 gehen über die Befürchtung eines anstehenden Wertverlustes nicht hinaus.

3. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung war auch nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB entbehrlich. Es lagen keine besonderen Umstände vor, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den Rücktritt vor Ablauf einer angemessenen Frist gerechtfertigt hätten:

a. Unter vorgenanntem Gesichtspunkt war eine Fristsetzung vorliegend zunächst nicht deshalb entbehrlich, weil die Nacherfüllung zwingend durch die Beklagte, damit aber denjenigen durchgeführt werden muss, der den beim Verkauf vorhandenen Mangel nicht mitgeteilt hat. Selbst das arglistige Verschweigen eines Mangels führt nämlich nur in der Regel dazu, dass die für eine Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage entfällt und damit keine Veranlassung besteht, dem Verkäufer nach Entdecken des Mangels durch den Käufer eine zweite Möglichkeit der Erfüllung zu gewähren (BGH, Urteil vom 09.01.2008, VIII ZR 210/08, zit. nach juris, Rn. 19). Ein arglistiges Verschweigen der Verantwortlichen der Beklagten unterstellt, führt vorliegend der Umstand, dass die Nacherfüllung in Absprache und unter Aufsicht des KBA erfolgt, dazu, dass eine Ausnahme vom vorgenannten Grundsatz anzunehmen ist: Die Klägerin muss sich bei der Nacherfüllung eben nicht alleine auf die Beklagte verlassen, deren Nacherfüllung ja behördlich geprüft und freigegeben wurde.

b. Eine Fristsetzung war auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Klägerin im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung befürchtete, dass das zur Nacherfüllung vorgesehene Software-Update entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen würde, wie im klägerischen Schriftsatz vom 24.02.2017, dort Seite 11ff. aufgeführt. Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass auch nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet vorliegend nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Die Möglichkeit, dass auch nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder entstehen, hat der Gesetzgeber in § 440 S. 2 BGB vorhergesehen, wonach eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen gilt. Die Klägerin hat dieses Risiko also zunächst hinzunehmen. Der Rücktritt vom Kaufvertrag  bleibt ihr für den Fall, dass die durchgeführte Nacherfüllung fehlschlagen sollte, unbenommen (Vgl. LG Münster, Urteil vom 05.04.2017, 10 O 359/16, zit. nach juris, Rn. 118. Im Ergebnis unter dem Stichwort „Vorrang der Nacherfüllung“ LG Düsseldorf, Urteil vom (24.10.2016, 21 O 10/16, zit. nach juris, Rn. 33.).

4. Die Beklagte hatte die Nacherfüllung auch nicht ernsthaft und endgültig verweigert, so dass die Fristsetzung gemäß § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB entbehrlich wäre: Die Schreiben der Beklagten vom 17.08.2016 (Anlage A 7) und vom 25.08.2016 (Anlage A 9) heben jeweils auf eine anstehende technische Maßnahme („Software-Update“) ab. Die Beklagte verweigerte die Beseitigung des Mangels also gerade nicht.

II.

Die von der Klägerin unter dem 11.08.2016 gesetzte Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 28.09.2016 war angesichts der Tatsache, dass die Beklagte - für die Klägerin erkennbar - die technische Maßnahme „Software-Update“ für eine Vielzahl von Fahrzeugtypen dem KBA vorzustellen hatte und anschließend an einer Vielzahl von Fahrzeugen durchzuführen hatte, während die Klägerin ihr Fahrzeug ohne Einschränkungen nutzen konnte,  jedenfalls nicht angemessen, so dass mit der zu kurz bemessenen Frist allenfalls eine angemessene Frist in Gang gesetzt wurde. Diese aber dürfte aus den vorgenannten Gründen jedenfalls nicht kürzer als neun Monate zu bemessen sein und ist damit gerade nicht erfolglos abgelaufen, denn unter dem 20.12.2016 wurde seitens des KBA die Freigabeerklärung für den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp erteilt und die behördlich freigegebene Beseitigung des Mangels durch die technische Maßnahme „Software-Update“ stand zur Verfügung.

B.

Die Klägerin kann von der Beklagten nicht die Rückgewähr erbrachter Leistungen nach §§ 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt der Arglistanfechtung nach §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB verlangen.

Die Klägerin konnte ihre auf den Abschluss des Kaufvertrages gerichtete Willenserklärung mangels Anfechtungsgrundes nicht gemäß § 123 Abs. 1 BGB anfechten.

I.

Eine aktive Täuschungshandlung der Beklagten gegenüber der Klägerin in Bezug auf die Motorsteuerungssoftware wird seitens der Klägerin nicht behauptet.

II.

Auch ein eventuelles Unterlassen der Aufklärung über die Funktionsweise der Motorsteuerungssoftware durch die Beklagte gegenüber der Klägerin stellt hier keine nach § 123 BGB relevante Täuschung dar. Hierfür fehlt es an einer entsprechenden Aufklärungspflicht der Beklagten gegenüber der Klägerin. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht des Verkäufers gegenüber dem Käufer über Mängel der Kaufsache: Eine solche kann vielmehr nur dann angenommen werden, wenn im konkreten Falle entweder wertbildende Faktoren von erheblichem Gewicht in Rede stehen oder wenn die Verwendbarkeit der Kaufsache für den beabsichtigten Zweck in Frage steht.

1. Die seitens der Klägerin bemängelten Einstellungen der Motorsteuerungssoftware stellen aber keinen wertbildenden Faktor von erheblichem Gewicht dar, der eine Offenbarungspflicht eines Verkäufers begründen würde: Zwar führt die Klägerin aus, der Pkw habe durch die Motorsteuerungssoftware einen wesentlichen Wertverlust erlitten. Dies aber stellt keine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung dar. Hier würde eine Beweiserhebung zum Thema Wertminderung eine unzulässige Ausforschung darstellen. Der Gebrauchtwagenmarkt ist derart transparent, dass die Klägerin konkrete Anknüpfungstatsachen zu einer etwaigen Wertminderung des von ihr erworbenen Fahrzeugs aufgrund der Motorsteuerungssoftware vortragen müsste und zwar auch für den Fall, dass sie das verfügbare Software-Update nunmehr aufspielen lässt, was sie aber bislang nicht hat vornehmen lassen.

2. Eine Offenbarungspflicht für die Beklagte folgt auch nicht aus einer eingeschränkten Verwendbarkeit des Fahrzeugs zu seinem Zwecke: Die Typgenehmigung für das streitgegenständliche Fahrzeug ist nicht gemäß § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen, da diese Vorschrift nicht für Abweichungen vom genehmigten Typ vor Inverkehrbringen gilt.  § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO sieht ein - automatisches - Erlöschen der Typgenehmigung nur für den Fall vor, dass an einem Fahrzeug Veränderungen vorgenommen werden. Als § 19 Abs. 2 StVZO neu gefasst wurde, stellte der Gesetzgeber klar, dass diese Vorschrift nur für bereits im Verkehr befindliche Fahrzeuge gilt (vgl. BR-Drs 629/93 S. 15 - 16). Anderenfalls würde auch die später in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV leer laufen, die den Widerruf (nicht etwa das automatische Erlöschen) der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht, wobei diese Entscheidung zudem in das Ermessen der Behörde gestellt ist.

Die Typgenehmigung ist auch nicht analog § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO erloschen. Es besteht keine planwidrige Regelungslücke, sondern § 25 Abs. 3 Nr. 1 EG-FGV stellt die Ermessensvorschrift dar, nach der eine Typgenehmigung ganz oder teilweise widerrufen werden kann, wenn es an der Übereinstimmung eines Fahrzeugs mit dem genehmigten Typ fehlt.

Es droht auch kein Widerruf der Typgenehmigung mit Wirkung für alle Fahrzeuge des streitgegenständlichen Typs. Das KBA  als zuständige Behörde hat das ihm zustehende Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt, eine Entziehung der Typgenehmigung in die Wege zu leiten. Es ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen.

Die Beklagte traf gegenüber dem Kläger daher keine Offenbarungspflicht über die Motorsteuerungssoftware, so dass eine Täuschung durch Unterlassen nicht vorliegt.

C.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten auch bereits dem Grunde nach kein deliktischer Anspruch aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 StGB auf Rückabwicklung zu, da es an einer tatbestandlichen Täuschung der Klägerin durch die Beklagte fehlt. Insofern wird auf die Ausführungen zur Arglistanfechtung (oben B.) verwiesen.

D.

Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten auch bereits dem Grunde nach kein deliktischer Anspruch aus § 826 BGB auf Rückabwicklung zu.

Der Einbau der eingangs genannten Software, die den Prüfstandlauf erkennt, begründet keinen Anspruch wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung der Vermögensinteressen der Klägerin.

Bei der Prüfung, ob sich eine Handlung im Verhältnis zu den geltend gemachten Interessen des Anspruchstellers als vorsätzlich sittenwidrige Schädigung darstellt, ist eine zusammenfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck der Handlung sowie ihrer Folgen vorzunehmen. Auch im Rahmen des § 826 BGB gilt wie bei allen Ansprüchen aus unerlaubten Handlungen, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden beschränkt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen. Der Verstoß muss in Beziehung zu den (Vermögens-)Interessen der Parteien gesetzt werden, um zu beurteilen, ob sich die Schädigung als sittenwidrig darstellt.

I.

Hier kommt ein Verstoß gegen das Verbot unzulässiger Abschalteinrichtungen aus Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der EU-Verordnung VO 715/2007 in Betracht. Den Vermögensinteressen des einzelnen Pkw-Käufers ist der Hersteller nach dieser Norm aber nicht verpflichtet. Die Richtlinie 2007/46/EG und die Verordnung VO 715/2007 dienen der Harmonisierung des Binnenmarktes und zielen auf hohe Verkehrssicherheit, hohen Schutz der Umwelt und der Gesundheit, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung ab. Interessen der einzelnen Fahrzeugkäufer können durch die Verordnung als Einzelrechtsakt im gemeinschaftlichen Typgenehmigungssystem allenfalls in Bezug auf die Zulassungsfähigkeit eines Fahrzeugs geschützt werden. Solche Schäden macht die Klägerin hier aber nicht geltend.

II.

Auch das Verschweigen der eingangs genannten Software, die den Prüfstandlauf erkennt, führt nicht zu einem Anspruch der Klägerin wegen vorsätzlich sittenwidriger Schädigung. Ein Verschweigen kann nur dann sittenwidrig sein, wenn eine entsprechende Offenbarungspflicht besteht. Eine solche kommt bei Kaufverträgen  bezüglich erheblicher wertbildender Faktoren oder der Verwendbarkeit des Kaufgegenstandes zu Ihrem Zweck in Betracht, was vorliegend jedoch nicht der Fall ist (s.o. B.).

E.

Mangels zuerkannten Anspruchs auf Rückabwicklung in der Hauptsache konnten auch die Anträge auf Feststellung des Annahmeverzuges der Beklagten (Klagantrag 2.) sowie auf Erstattung der Kosten des Umbaus auf das Lenkungssystem  „Ohnarmlenkung“ (Klagantrag 3.) keinen Erfolg haben. Mangels zuerkannten Anspruchs in der Hauptsache waren der Klägerin auch keine vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Klagantrag 4.) zuzusprechen.

F.

Die Nebenentscheidungen richten sich nach den §§ 91, 709 ZPO.

G.

Der Streitwert folgt den §§ 48 Abs. 1 GKG, 3, 4 Abs. 1, 5 ZPO.