Landgericht Braunschweig
v. 20.12.2017, Az.: 3 O 2052/16

Abgasskandal; Teilurteil; Feststellungsantrag; Schadensersatz

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
20.12.2017
Aktenzeichen
3 O 2052/16
Entscheidungsform
Teilurteil
Referenz
WKRS 2017, 53787
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wenn bei einer Klage gegen Autohändler und Fahrzeughersteller im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal das Verfahren gegen den Händler wegen Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen ist, kann das Verfahren gegen den Fahrzeughersteller durch Teilurteil abgeschlossen werden.

2. In diesen Fällen ist ein Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Fahrzeugherstellers zulässig, soweit dieser sich auf den Ersatz etwaiger, noch nicht bezifferbarer Schäden bezieht, die über die vom Autohändler begehrte Rückabwicklung des Kaufvertrages hinausgehen.

3. Dem Käufer eines bei einem Autohändler gekauften, vom sog Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens stehen gegen den Hersteller von Fahrzeug und Motor Schadensersatzansprüche weder aus Prospekt-, Vertrauens- oder Garantiehaftung noch aus unerlaubter Handlung zu.

Tenor:

Die Klageanträge zu 2. und 4. werden abgewiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von dem Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe seines beim Beklagten zu 1) gekauften Autos und von der Beklagten zu 2) als Fahrzeugherstellerin die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz.

Der Kläger bestellte am 13.02.2014 beim Beklagten zu 1), der damals noch als ... firmierte, einen gebrauchten Pkw ... für 24.995,00 € (Anlage K 1), der nach Zahlung des Kaufpreises im März 2014 an ihn ausgeliefert wurde. Dieser Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, deren Herstellerin die Beklagte zu 2) ist.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - ... - (Anlage B 5 der Beklagten zu 2)) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zu 2) zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Vor diesem Hintergrund machten die heutigen Prozessbevollmächtigten des Klägers bereits mit Schreiben vom 16.11. und 10.12.2015 (Anlage K 19) für ihre Mandanten („mehr als 800 Geschädigte im ...-Skandal“) Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 2) geltend. Mit Antwortschreiben vom 08.01.2016 (Anlage K 21) wies die Beklagte zu 2) die Kläger-Vertreter darauf hin, dass alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher, fahrbereit und uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien, dass das KBA die von der Beklagten zu 2) vorgestellten technischen Maßnahmen zur Behebung der Unregelmäßigkeiten bestätigt habe, dass die 2,0 l-Motoren danach lediglich ein Software-Update benötigten, dass nach dem aktuellen Zeitplan die ersten Fahrzeuge ab Januar 2016 auf den erforderlichen technischen Stand gebracht würden, dass sie mit Hochdruck daran arbeite, sämtliche Maßnahmen für alle Motorvarianten so schnell wie möglich auf ihre Kosten durchzuführen, und dass das Zuwarten nicht nachteilig sei, weil sie bis zum 31.12.2017 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichte.

Der Kläger erklärte mit Anwaltsschreiben vom 18.01.2016 (Anlage K 2) gegenüber dem Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, setzte ihm zur Rückabwicklung eine Frist bis zum 01.02.2016 und erklärte hilfsweise für den Fall, dass die Anfechtung unwirksam sein sollte, den Rücktritt vom Kaufvertrag. Der Beklagte zu 1) wies mit Schreiben vom 28.01.2016 (Anlage K 3) sowohl die Anfechtung als auch den Rücktritt zurück.

Mit Schreiben vom 01.06.2016 (Anlage B 4 des Beklagten zu 1) bzw. B 1 der Beklagten zu 2)) bestätigte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid ... vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen offenbaren Übertragungsfehler), dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus Cluster 6 (Verkaufsbezeichnungen: u. a. ...), der geforderte Nachweis inzwischen geführt worden und dass die von der Beklagten zu 2) vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.

Darüber informierte die Beklagte zu 2) den Kläger mit ihrer Klageerwiderung vom 07.12.2016, teilte des Weiteren mit, dass das Software-Update für das streitgegenständliche Fahrzeug bereits verfügbar sei und dass der Kläger jederzeit einen Termin zur Durchführung des Software-Updates mit einem Vertragshändler seiner Wahl vereinbaren könne. Der Kläger, der sein Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, hat davon bislang keinen Gebrauch gemacht.

Der Kläger ist der Ansicht, er habe den Autokaufvertrag mit dem Beklagten zu 1) wirksam angefochten, weil die Beklagte zu 2) arglistig über die von ihr am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommene Softwaremanipulation getäuscht habe und sich der Beklagte zu 1) diese Täuschung zurechnen lassen müsse. Des Weiteren beruft er sich auf den hilfsweise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag, ferner auf Schadensersatz statt der Leistung und auf Prospekthaftung. Gegen die Beklagte zu 2) meint der Kläger, einen Schadensersatzanspruch zu haben, den er ebenfalls auf die Grundsätze der Prospekthaftung, darüber hinaus auf Vertrauens- bzw. Garantiehaftung sowie auf unerlaubte Handlung stützt.

Der Kläger beantragt,

1. den Beklagte zu 1) zu verurteilen, an ihn 24.995,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw ..., FIN: ...;

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihm Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Pkw ..., FIN: ... durch die Beklagte zu 2) resultieren;

3. festzustellen, dass sich der Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Pkw im Annahmeverzug befindet;

4. die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, ihn von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.195,95 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte zu 1) ist der Ansicht, sich eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2) als unabhängiger Händler nicht zurechnen lassen zu müssen. Für ein Rücktrittsrecht des Klägers fehle es bereits an einem Sachmangel, jedenfalls aber an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Die Beklagte zu 2) bestreitet, den Kläger getäuscht und geschädigt zu haben.

Das Amtsgericht Wolfsburg - Insolvenzgericht - hat mit Beschluss vom 24.10.2017 - 25 IN 95/17 - das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten zu 1) eröffnet und Rechtsanwalt X.Y., Braunschweig, zum Insolvenzverwalter bestellt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

1. Da das Verfahren gegen den Beklagten zu 1) gem. § 240 Abs. 1 ZPO wegen der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen unterbrochen ist und die Beklagten keine notwendigen Streitgenossen i. S. von § 62 Abs. 1 S. 1 ZPO sind, kann das Verfahren gegen die Beklagte zu 2) durch Teilurteil gem. § 301 ZPO abgeschlossen werden.

Zwar darf nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, MDR 2002, 1068 m. w. N.) ein Teilurteil grundsätzlich nur dann ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widerstreitender Erkenntnisse, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht (vgl. hierzu und zum Folgenden: LG Düsseldorf, Teilurteil vom 27.02.2014 - 14c O 237/11 -, juris Rn. 32). Diese Grundsätze gelten indes nicht, wenn über das Vermögen eines einfachen Streitgenossen das Insolvenzverfahren eröffnet und deshalb das Verfahren insoweit gemäß § 240 ZPO unterbrochen ist. In diesen Fällen hat der Bundesgerichtshof trotz der jeweils offen liegenden Gefahr, dass bei Aufnahme des durch die Insolvenz unterbrochenen Verfahrens eine abweichende Entscheidung ergehen könnte, stets die Möglichkeit bejaht, gemäß § 301 ZPO ein Teilurteil zu erlassen. Die Rechtfertigung für diese Ausnahme liegt darin, dass die - in ihrer Dauer nicht absehbare - Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führt und es daher mit dem Anspruch der übrigen Prozessbeteiligten auf einen effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar wäre, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens besteht (vgl. BGH, NJW-RR 2003, 1002 [BGH 19.12.2002 - VII ZR 176/02]).

2. Damit war hier allein über die gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Klageanträge zu 2. und 4. zu entscheiden.

Soweit der Kläger mit dem Klageantrag zu 2. die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) begehrt und sich in der Klagebegründung (dort S. 54) auch gegenüber der Beklagten zu 2) eines Rückabwicklungsanspruches im Wege der Naturalrestitution berühmt, wäre diese Forderung zwar bezifferbar mit der Folge, dass dem Feststellungsantrag an sich wegen Vorrangs der Leistungsklage ein rechtliches Interesse i. S. von § 265 Abs. 1 ZPO fehlen würde. In den Fällen, in denen eine solche Feststellungsklage gegen den Hersteller von Fahrzeug und/oder Motor nicht isoliert erhoben, sondern - wie vorliegend - mit dem Klageantrag zu 1. der Autoverkäufer auf Rückabwicklung in Anspruch genommen wird, erachtet die Kammer den gegen den Hersteller gerichteten Feststellungsantrag jedoch insoweit für zulässig, als dieser sich auf den Ersatz etwaiger, noch nicht bezifferbarer Schäden bezieht, die über die vom Autoverkäufer begehrte Rückabwicklung hinausgehen.

II.

Die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte zu 2) ein Schadenersatzanspruch weder aus Prospekthaftung (1.) Vertrauenshaftung (2.) bzw. selbständiger Garantie (3.) noch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (4.), i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV (5.), i. V. m. § 16 UWG (6.) bzw. § 4 Nr. 11 a. F. UWG (7.) und auch nicht aus § 826 BGB (8.) oder § 831 BGB (9) zu. Mangels Begründetheit der Hauptforderung konnte auch der Klageantrag zu 4. gegen die Beklagte zu 2) keinen Erfolg haben.

1. Die von der Rechtsprechung für den gesetzlich nicht regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung gehen davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 - VII ZR 340/88 -, juris Rn. 14). Anders als bei Kapitalanlagen stehen für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug im Autohaus anschauen und sogar probefahren, weshalb die Grundsätze der Prospekthaftung für Ansprüche des Käufers im Zusammenhang mit einem Autokauf von vornherein nicht übertragbar sind, zumal der Schutz des Vertrauens in Prospektangaben im Kaufrecht durch § 434 Abs.1 S. 3 BGB sichergestellt wird (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, juris Rn. 56).

2. Nach § 311 Abs. 3 S. 2 BGB entsteht ein Schuldverhältnis zwischen Nicht-Vertragsparteien insbesondere dann, wenn der Dritte in besonderem Maße Vertrauen für sich in Anspruch nimmt und dadurch die Vertragsverhandlungen oder den Vertragsschluss erheblich beeinflusst. Das ist bei der Beklagten zu 2) nicht der Fall. Sie war weder unmittelbar noch mittelbar an den Vertragsverhandlungen beteiligt noch hatte sie ein über ihr allgemeines - durch den Verkauf an den Erstbesitzer ohnehin befriedigtes - Absatzinteresse hinausgehendes wirtschaftliches Interesse gerade an dem Vertragsabschluss mit dem Kläger.

Auch die am 02.04.2013 von der Beklagten ausgestellte EG-Übereinstimmungsbescheinigung (Anlage T 20a) scheidet anders, als der Kläger meint, als vertrauensbegründende Maßnahme im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages aus, weil sie zeitlich erst nach dem Vertragsschluss in Erfüllung dessen zusammen mit dem Fahrzeug übergeben worden ist.

3. Entgegen der Auffassung des Klägers ist durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung auch keine selbständige Garantie i. S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann.

Ihrem Wortlaut nach wird in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung vom 02.04.2013, die nicht an den Käufer adressiert, sondern gem. § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nur „bestätigt“, dass der streitgegenständliche ... mit dem in der Genehmigung beschriebenen Typ übereinstimmt. Der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung besteht in der Vereinfachung und Formalisierung des Zulassungsverfahrens: Die Zulassungsbehörden sollen allein aufgrund der vorgelegten Übereinstimmungsbescheinigung das jeweilige Fahrzeug zulassen (§ 6 Abs. 3 S. 1 FZV), d. h. ohne die vom KBA im Genehmigungsverfahren geprüften materiellen Anforderungen erneut prüfen zu müssen. Die Übereinstimmungsbescheinigung dient also allein dazu, die problemlose Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne einer selbständigen Garantie zu einer über die gesetzliche Mängelgewährleistung des jeweiligen Verkäufers hinausgehenden Haftung verpflichten wollte (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 37 ff., 51, 176).

4. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung des Klägers durch die Beklagte zu 2). Hinreichend dargetan hat der Kläger eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug allein hinsichtlich der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Es steht zwar fest, dass die Beklagte zu 2) das Motorsteuergerät des klägerischen Pkws mit einer solchen unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehen hat (a). Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten zu 2) ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung, für die es aber an einer Garantenstellung der Beklagten zu 2) i. S. von § 13 StGB fehlt (b).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend (vgl. hierzu und zum Folgenden: BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.). Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und dessen Freigabebestätigung vom 01.06.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

dass die Beklagte zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten zu 2) vorgestellte Änderung der Applikationsdaten - durch Software-Update - geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.

b) Eine Täuschung durch Unterlassen setzt gem. § 13 Abs. 1 StGB eine Garantenstellung voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Das muss für den vertraglich nicht mit dem Käufer verbundenen, mithin weiter entfernten Fahrzeughersteller erst recht gelten.

Eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) würde gleichwohl dann bestehen, wenn, wie der Kläger meint, infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für sein Fahrzeug erloschen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“ (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 117 ff., 137 ff.).

Auch droht keine Entziehung der Gesamtfahrzeug-Typgenehmigung, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein vom KBA freigegebenes Software-Update zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den vom Kläger behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts.

Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.

Der Kläger hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen müssen. Das wäre ihm, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eins Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

Eine Garantenpflicht der Beklagten zu 2) zugunsten des Klägers ergibt sich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der vom Kläger geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.

Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.

5. Entsprechendes gilt für § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 BGB vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015, VII ZR 36/14, juris, Rn. 20, 23) ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die - wie hier die §§ 6, 27 EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie - hier der Richtlinie 2007/46/EG - an.

Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen (Erwägungsgrund 2 der Richtlinie). Weder an diesen Stellen noch unter den anderen Erwägungsgründen der Richtlinie lässt sich demgegenüber ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 189 ff.).

6. Soweit der Kläger seine Schadensersatzforderung auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG stützt, dient § 16 UWG zwar ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte i. S. von § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf des Klägers geht im Kern dahin, dass die Beklagte zu 2) mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro 5-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit wäre also kein besonderer Vorteil angepriesen.

7. Ob § 4 Nr.11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 auch ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs.2 BGB darstellt, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte zu 2) jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr.11 a. F. UWG schützt. Die §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr.5, Nr.6 Pkw-EnVKV). Der Kläger bezweifelt aber selbst nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.

8. Für eine Haftung aus § 826 BGB reicht allein der - feststehende - Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 BGB nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt (s. o. II. 4. b), dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.

Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) ausgeführt (s. o. II. 4. b), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.

9. Mangels erfüllter deliktischer Haftungstatbestände vermag schließlich auch § 831 BGB den Klageantrag zu 2. nicht zu begründen.

II.

Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.

Da die gegen die Beklagte zu 2) gerichtete Klage abgewiesen worden und eine Kostenentscheidung nicht getroffen worden ist, war auch eine Entscheidung nach § 709 ZPO nicht veranlasst.