Landgericht Braunschweig
Urt. v. 25.04.2017, Az.: 11 O 4/17
Bibliographie
- Gericht
- LG Braunschweig
- Datum
- 25.04.2017
- Aktenzeichen
- 11 O 4/17
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2017, 53583
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen für einen von der Beklagten erworbenen Pkw.
Am 24.08.2015 erwarb der Kläger von der Beklagten - einem Autohaus - einen PKW VW Passat TDI zum Kaufpreis von 21.600 €. Dieser verfügt über einen Dieselmotor vom Baumuster EA189 EU5 . Das Fahrzeug war erstmalig im Oktober 2014 auf einen Autovermieter zugelassen worden und wies einen reparierten Seitenschaden auf.
Das Fahrzeug verfügt über eine Typgenehmigung gem. EU 5 nach Vorgabe der VO (EU) Nr. 715/2007. Die danach einzuhaltenden NOX-Grenzwerte werden nur in dem vorgesehenen Prüfverfahren eingehalten. Im normalen Straßenverkehr setzt die herstellerseits eingebaute Software des Motorsteuerungsgerätes Teile der Abgaskontrollanlage außer Betrieb.
Von der vorgenannten Problematik sind alle Pkw betroffen, die über einen Dieselmotor des XXX Konzerns vom Typ EA189 EU 5 verfügen. Nach Bekanntwerden dieser Problematik ordnete das KBA den Rückruf der betroffenen Fahrzeuge an. XXX wurde gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV aufgegeben, die Fahrzeuge in Absprache mit dem KBA in einen Zustand zu versetzen, der der Typgenehmigung entspricht (Anlage K 6).
Im Juni 2016 wurde der Kläger von XXX informiert, dass die benötigte Software zur Umprogrammierung des Motorsteuerungsgeräts zur Verfügung stehe und er - der Kläger - sich mit einer autorisierter Vertragswerkstatt - die die Beklagte nicht darstellt - in Verbindung setzen möge. Ferner wurde darauf hingewiesen, dass im Falle der Nichtteilnahme an der Rückrufaktion eine Betriebsuntersagung gem. § 5 FZV durchgeführt werden kann.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 12.08.2016 forderte der Kläger die Beklagte unter Fristsetzung bis zum 19.08.2016 zur Mangelbeseitigung auf. Eine Verlängerung der Frist zur Mangelbeseitigung wurde für den Fall in Aussicht gestellt, dass binnen der genannten Frist der Verzicht auf die Verjährungseinrede verlängert werden könnte. Darauf teilte die Beklagte mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2016 mit, dass sie selbst keine autorisierte Fachwerkstatt und damit zur Beseitigung der beschriebenen Softwareproblematik selbst nicht in der Lage sei. Man erklärte sich aber ausdrücklich bereit, dem Kläger einen Termin bei einer XXX-Vertragswerkstatt zu vermitteln. Auf die Einrede der Verjährung wurde gleichzeitig wie klägerseits verlangt verzichtet. Es wird Bezug genommen auf die Anlage K 2.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 29.09.2016 erklärte der Kläger den Rücktritt vom verfahrensgegenständlichen Kaufvertrag.
Der Kläger behauptet, eine folgenlose Nachbesserung sei gar nicht möglich, da eine Reduzierung der NOX-Emissionen zwingend zu einem erhöhten Verbrauch - wahlweise von 8%, 10% oder gar bis zu 25% - führen werde. Auch sei mit einer Lebenszeitverkürzung von Bauteilen - insbesondere des Dieselpartikelfilters - zu rechnen. Ferner werde es zu einer erhöhten Geräuschentwicklung kommen. Bei einem mit einem vergleichbaren Motor versehenen anderen Fahrzeugtyp als dem verfahrensgegenständlichen seien ferner infolge der Nachbesserung ein Leistungsabfall und ein Ausgehen des Motors während der Fahrt zu beklagten. Zudem werde auch nach Durchführung der Nachbesserung ein merkantiler Minderwert von 10 bis 25%, jedenfalls nicht unter 1% verbleiben. Zuletzt hat der Kläger dargelegt, dass er seit August 2016 versuche, dass Fahrzeug für 19.000 € zu verkaufen, ihm aber nur 14.000 €, ja zuletzt nur noch 13.500 € geboten worden seien, und daraus einen Minderwert von 5.000 € errechnet. Der Kläger ist der Meinung, dass aufgrund der vorgenannten Tatsachen eine Fristsetzung zur Mangelbeseitigung vor der Rücktrittserklärung nicht notwendig gewesen sei. Auch stelle das anwaltliche Schreiben der Beklagten vom 24.08.2016 eine endgültige Leistungsverweigerung dar. Weiter sei eine Nachbesserung für den Kläger auch unzumutbar, weil sie zwingend von XXX bzw. auf deren Anweisung und damit ausgerechnet vom bzw. auf Anweisung des Täuschenden durchgeführt werden müsse. Schließlich müsse der Kläger trotz Nachbesserung jederzeit mit einer Entziehung der Zulassung durch das KBA rechnen. Dass dieses bisher nicht geschehen sei, sei allein darauf zurückzuführen, dass das KBA sich nicht als unabhängige Behörde darstelle, sondern als Lobbyvertreter der Automobilindustrie, was u.a. ein Sachverständiger bekunden könne.
Nach teilweiser Klagerücknahme hat der Kläger zuletzt beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.987,47 € Zug-um-Zug gegen Rückübereignung des verfahrensgegenständlichen Fahrzeugs VW Passat, FIN WVWZZZ3CZFE050748 zu zahlen;
2. festzustellen, dass die Beklagte sich mit der Rücknahme des genannten Fahrzeugs in Verzug befindet und
3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.171,67 € vor gerichtliche Rechtsanwaltskosten zu zahlen
Die Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet.
1. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich gezogener Nutzungen aus §§ 346, 433, 434, 437 BGB zu. Dies deshalb, weil keine angemessene Frist zur Mangelbeseitigung gesetzt wurde, die Beklagte innerhalb einer angemessenen Frist eine Nachbesserung angeboten hat und die Setzung einer angemessenen Frist auch nicht entbehrlich war:
a) Die gesetzte Frist von 1 Woche war erheblich zu kurz (Vgl. zuletzt für einen vergleichbaren Fall OLG München, Beschluss vom 23.03.2017, 3 U 4316, zit. nach juris, Rn. 14, wonach - soweit schließt sich der Unterzeichner an - eine Frist von 6 Wochen zu kurz bemessen ist und - aus Sicht des Unterzeichners fraglich - zumindest angedeutet wird, dass der Käufer eine Frist von bis zu einem Jahr gewähren muss.). Innerhalb einer angemessenen Frist nämlich mit anwaltlichem Schreiben vom 24.08.2016 hat die Beklagte eine Nachbesserung angeboten, nämlich erklärt, dass sie selbst zur Mangelbeseitigung nicht in der Lage sei, aber sich um anderweitige Durchführung ernsthaft bemühen werde, indes auf die - nachfolgend unterbliebene - Mitwirkung des Klägers angewiesen sei. Eine endgültige und ernsthafte Leistungsverweigerung im Sinne des § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB war in dem genannten Schreiben entgegen der Auffassung des Klägers nicht zu sehen. An das Vorliegen einer endgültigen Leistungsverweigerung sind nämlich strenge Anforderungen zu stellen. Sie liegt nur vor, wenn der Verkäufer eindeutig zum Ausdruck bringt, er werde die Nacherfüllung durch Nachbesserung nicht vornehmen und es damit ausgeschlossen erscheint, dass er sich von einer Nachfristsetzung umstimmen ließe. Auf eine Nachbesserung gerade durch das Personal der Beklagten hat der Kläger keinen Anspruch.
b) Eine Fristsetzung war nicht gem. § 326 Abs. 5 BGB entbehrlich, weil die Kaufsache mit einem unbehebbaren Mangel behaftet war:
aa) Ein unbehebbarer Mangel ist nicht anzunehmen, weil auch im Fall einer Nachbesserung ein merkantiler Minderwert verbleibt. Der Kläger hat einen solchen nämlich - trotz eines mit Verfügung vom 07.03.2017 erteilten entsprechenden gerichtlichen Hinweises - nicht hinreichend substantiiert dargelegt. Zuletzt hat der der Kläger einen merkantilen Minderwert von 5.000 € errechnet (s.o.), ohne indes darzulegen, wie er auf darauf kommt, dass er bei einem Verkauf, wenn das Fahrzeug nicht von der verfahrensgegenständlichen Problematik betroffen wäre, 19.000 € statt der ihm zuletzt gebotenen 13.500 € erzielen würde. Der angebotene Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens liefe auf einen unzulässigen Ausforschungsbeweis hinaus. Dies deshalb, weil der Kraftfahrzeugmarkt schon grundsätzlich sehr transparent ist - vgl.die monatlichen sog. „Schwacke-Listen“ - und zudem gerade die Auswirkungen des verfahrensgegenständlichen sog. „Abgasskandals“ auf das Marktgeschehen Gegenstand regelmäßiger Marktbeobachtungen und Presseveröffentlichungen sind , so dass es dem Kläger ohne weiteres möglich wäre, etwaige Wertverschiebungen, die gerade auf die verfahrensgegenständliche Softwareproblematik und nicht etwa darauf zurückzuführen sind, dass Dieselfahrzeuge aus anderen Gründen in der Gunst des Marktes nachgelassen haben oder auch darauf zurückzuführen sind, dass es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeug um einen Unfallwagen handelt, darzulegen, was indes nicht geschehen ist.
bb) Ein unbehebbarer Mangel ist auch nicht anzunehmen, weil eine folgenlose Beseitigung nicht möglich ist. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers ist nicht hinreichend substantiiert:
Es wird - in mehreren Varianten - ein Mehrverbrauch behauptet, ohne dass ein Vergleichsmaßstab genannt wird.
Es wird eine erhöhte Geräuschentwicklung behauptet, dies indes nicht vereinzelt und ohne Vergleichsmaßstab.
Weiter wird eine Lebenszeitverkürzung von Bauteilen behauptet, ohne dass dargelegt wird, welche Dauerhaltbarkeit überhaupt jemals zugesagt wurde.
Ein Leistungsabfall wird schließlich ebenfalls behauptet, dies indes bereits nicht für das verfahrensgegenständliche Modell.
Im Übrigen ist auch noch folgendes zu beachten: Die Nachbesserung erfolgt in Abstimmung mit dem KBA als zuständige Behörde. Diese hat XXX gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV aufgegeben, dass die bereits im Umlauf befindlichen Fahrzeuge insgesamt in einen Zustand versetzt werden, der der Typgenehmigung entspricht. Die Typgenehmigung erfasst aber unter anderem auch die klägerseits genannten Parameter Verbrauch, Leistung, Geräuschentwicklung und - jedenfalls betreffend das Emissionskontrollsystem - Dauerhaltbarkeit. Die jetzt seitens der XXX AG in Angriff genommene Nachbesserung erfolgt in Abstimmung mit dem KBA. Daraus folgt wiederum, dass das KBA davon überzeugt ist, dass das Fahrzeug mit der Nachbesserung insgesamt - also auch betreffend die vorgenannten Parameter - der Typgenehmigung entspricht. Auch vor diesem Hintergrund hätte es einer vereinzelteren Darlegung bedurft, warum diese Parameter entgegen der Überzeugung der zuständigen Fachbehörde infolge der Nachbesserung nicht eingehalten werden sollen.
cc) Ein unbehebbarer Mangel ist schließlich auch nicht deshalb anzunehmen, weil selbst im Fall einer Nachbesserung mit eine Entziehung der Zulassung gerechnet werden muss. Eine Entziehung der Zulassung käme allenfalls dann in Betracht, wenn (kumulativ)
- die Nachbesserung nicht zu einer Konformität des Fahrzeugs mit den europarechtlichen Vorgaben führen würde,
- das KBA als zuständige Bundesbehörde daraufhin von dem ihr gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, eine Entziehung der Typgenehmigung in die Wege zu leiten und
- die zuständigen Landesbehörden nach wirksamer Entziehung der Typgenehmigung vor diesem Hintergrund von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würden, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 02.11.2010, 3 Bf 82/09, zit. nach juris Rn. 34). Unternommen worden ist bis dato auch nicht einer dieser Schritte. Insbesondere ist die Typgenehmigung auch nicht gem. § 19 Abs. 7, Abs. 2 S. 2 Nr. 3 StVZO automatisch erloschen. Die genannten Vorschriften gelten nämlich nicht für den hier vorliegenden Fall, dass ein Fahrzeug schon vor Inverkehrbringen durch den Hersteller nicht der maßgeblichen Typgenehmigung entspricht. Aus der Begründung zur damaligen Neufassung des § 19 Abs. 2 StVZO - vgl. BR-Drucksache 629/93, dort S. 15, 16 - folgt nämlich, dass diese Vorschrift ihrer Intention nach nur Änderungen von bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen erfassen sollte. Dieses an der Entstehungsgeschichte der Norm orientierte Auslegungsergebnis wird durch eine systematische Auslegung eindrucksvoll unterstützt: So sieht § 19 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 7 StVZO ein - automatisches - Erlöschen der Typgenehmigung für den Fall vor, dass an dem Fahrzeug Änderungen vorgenommen werden, durch die eine - einfache - Gefährdung von Verkehrsteilnehmern zu erwarten ist. Würde dies auch für Änderungen vor Inverkehrbringen des Fahrzeugs durch den Hersteller gelten, würde die zeitlich nachfolgend in Kraft getretene Vorschrift des § 25 Abs. 3 Nr. 2 EG-FGV, welche den Widerruf der Typgenehmigung erst dann ermöglicht, wenn von dem Fahrzeug ein erhebliches Risiko für die Verkehrssicherheit ausgeht und der Behörde zumal noch ein Ermessen einräumt, keinen Sinn machen.
b) Eine Fristsetzung war auch nicht gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB wegen Vorliegens besonderer Umstände entbehrlich. Solche besonderen Umstände werden zwar im Einzelfall - aber auch nur als Regelfall - dann gesehen, wenn der Käufer durch den Verkäufer arglistig getäuscht wurde. Indes ist der Kläger durch die Beklagte selbst nicht getäuscht worden. Ob er durch XXX als Hersteller getäuscht wurde kann gleichzeitig dahinstehen, weil das Verhalten der Verantwortlichen der XXX AG der Beklagten nicht zugerechnet werden kann. Zudem beruht die Rechtsprechung zur Entbehrlichkeit einer Fristsetzung gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf der Überlegung, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage zerstört. Dieser ohnehin nur regelmäßig anzunehmende Gedanke aber greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die Nachbesserung unter Aufsicht einer unabhängigen Behörde erfolgt. Die entgegenstehenden Ausführungen des Klägervertreters zur Rolle des KBA entbehren jeglicher sachlichen Grundlage.
c) Eine Fristsetzung war schließlich auch nicht entbehrlich, weil eine Nachbesserung dem Kläger gem. § 440 S. 1 Alt. 3 BGB unzumutbar war. Die Ausführungen zu § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB gelten hier entsprechend.
2. Da die Beklagte nicht zur Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rücknahme des Fahrzeugs verpflichtet ist, befindet sie sich auch nicht mit der Annahme des Fahrzeugs im Verzug.
3. Ein Anspruch auf Erstattung seiner vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger mangels begründeter Hauptforderung ebenfalls nicht zu.
4. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 269 Abs. 3 S. 2, 91, 709 ZPO.
5. Streitwert: Kostenstufe bis 22.000 €.