Landgericht Braunschweig
Urt. v. 20.12.2017, Az.: 3 O 1597/17

Abgasskandal; Feststellungsantrag; Anfechtung; Rücktritt; Schadensersatz

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
20.12.2017
Aktenzeichen
3 O 1597/17
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53774
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Wenn der Käufer eines vom sog. Abgasskandal betroffenen Pkw den Autohändler auf Rückabwicklung des Kaufvertrages in Anspruch nimmt, ist daneben ein Antrag auf Feststellung der Schadensersatzverpflichtung des Fahrzeugherstellers zulässig, soweit dieser sich auf den Ersatz etwaiger, noch nicht bezifferbarer Schäden bezieht, die über die vom Verkäufer begehrte Rückabwicklung hinausgehen.

2. Aus den bindenden Feststellungen des Kraftfahrt-Bundesamtes (KBA) im bestandskräftigen Rückrufbescheid vom 15.10.2015 und der sich darauf beziehenden Freigabebestätigung des KBA ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten, zu beseitigenden unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und dass die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update nebst Einbau eines Strömungsgleichrichters geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist.

3. Ein Rücktritt vom Autokaufvertrag wegen des sog. Abgasskandals setzt voraus, dass dem Händler zuvor gem. § 323 Abs. 1 BGB erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt worden ist. Eine Fristsetzung zur Nacherfüllung ist in diesen Fällen weder nach §§ 326 Abs. 5, § 275 Abs. 1 BGB noch nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB oder § 440 S. 1 3. Alt. BGB entbehrlich.

4. Dem Käufer eines bei einem Autohaus gekauften, vom sog Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens stehen gegen den Hersteller von Fahrzeug und Motor Schadensersatzansprüche weder aus Prospekt-, Vertrauens- oder Garantiehaftung noch aus unerlaubter Handlung zu.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Streitwert: Wertstufe bis 35.000,00 €.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten zu 1) im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal die Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe ihres bei der Beklagten zu 1) gekauften Autos und von der Beklagten zu 2) als Fahrzeugherstellerin die Feststellung der Verpflichtung zum Schadensersatz.

Die Klägerin bestellte 23.09.2013 im Autohaus der Beklagten zu 1) einen gebrauchten Pkw xxx zum Preis von 16.500,00 € (Anlage K 1), der nach Zahlung des Kaufpreises am 27.09.2013 an sie ausgeliefert wurde. Dieser Pkw ist mit einem Dieselmotor der Baureihe EA 189 EU5 ausgestattet, deren Herstellerin die Beklagte zu 2) ist.

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) kam mit - nicht angefochtenem - Bescheid vom 15.10.2015 - xxx - (Anlage B 5 der Beklagten zu 2)) zu dem Ergebnis, dass diese Motoren mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgerüstet seien, und ordnete als nachträgliche Nebenbestimmungen für die jeweils erteilten Typgenehmigungen gem. § 25 Abs. 2 EG-FGV an, dass die Beklagte zu 2) zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, die unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen sowie geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist.

Vor diesem Hintergrund erklärte die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 14.12.2015 (Anlage K 2) gegenüber der Beklagten zu 1) die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung, setzte ihr zur Rückabwicklung eine Frist bis zum 28.12.2015 und erklärte hilfsweise für den Fall, dass die Anfechtung unwirksam sein sollte, den Rücktritt vom Kaufvertrag. Die Beklagte zu 1) antwortete darauf mit Anwaltsschreiben vom 23.12.2015 (Anlage K 3), dass sie großes Verständnis für die Besorgnis der Klägerin habe, dass aber alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher, fahrbereit und uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar seien, dass die Fahrzeuge nach Abstimmung mit dem KBA auf Kosten der Beklagten zu 2) eine technische Lösung erhielten, für die die Beklagte zu 2) dem KBA einen Maßnahmenplan vorgelegt habe, dass die Beklagte zu 2) mit Hochdruck an den technischen Lösungen arbeite und die Klägerin schnellstmöglich über den Zeitplan und die geplanten Maßnahmen informieren werde, dass das Zuwarten nicht nachteilig sei, weil bis zum 31.12.2016 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet werde, und vor diesem Hintergrund dem Wunsch der Klägerin, ihr Fahrzeug zurückzunehmen, nicht entsprochen werden könne.

Mit Schreiben vom 03.11.2016 (Anlage B 1 der Beklagten zu 2)), das unter dem 21.11.2016 noch einmal mit korrigierten Verkaufsbezeichnungen versandt wurde (Anlage B 16 der Beklagten zu 1), Anlage B 1 der Beklagten zu 2)) bestätigte das KBA unter Bezugnahme auf seinen Bescheid xxx vom 15.10.2015 (bei der Datumsangabe 14.10.2015 handelt es sich um einen offenbaren Übertragungsfehler), dass für die betroffenen Fahrzeugtypen aus xxx 9 Teil 2 (Verkaufsbezeichnungen: u. a. xxx), der geforderte Nachweis inzwischen geführt worden und dass die von der Beklagten zu 2) vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet sei, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen.

Darüber informierten die Beklagten die Klägerin mit ihren Klageerwiderungen vom 08.02.2017 bzw. 14.04.2017, teilten des Weiteren mit, dass die technischen Maßnahmen für das streitgegenständliche Fahrzeug bereits zur Verfügung stünden und dass die Klägerin jederzeit einen Termin mit einem Servicepartner ihrer Wahl zur Durchführung der technischen Maßnahmen vereinbaren könne. Die Klägerin, die ihr Auto weiterhin ohne Einschränkungen nutzt, hat davon bislang keinen Gebrauch gemacht.

Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe den Autokaufvertrag mit der Beklagten zu 1) wirksam angefochten, weil die Beklagte zu 2) arglistig über die von ihr am Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs vorgenommene Softwaremanipulation getäuscht habe und sich die Beklagte zu 1) diese Täuschung zurechnen lassen müsse. Des Weiteren beruft sie sich auf den hilfsweise erklärten Rücktritt vom Kaufvertrag, ferner auf Schadensersatz statt der Leistung und auf Prospekthaftung. Gegen die Beklagte zu 2) meint die Klägerin, einen Schadensersatzanspruch zu haben, den sie ebenfalls auf die Grundsätze der Prospekthaftung, darüber hinaus auf Vertrauens- bzw. Garantiehaftung sowie auf unerlaubte Handlung stützt.

Die Klägerin beantragt,

1. die Beklagte zu 1) zu verurteilen, an sie 16.500,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.12.2015 zu zahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw xxx, und gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des Pkw;

2. festzustellen, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, ihr Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs xxx, resultieren;

3. festzustellen, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Pkw im Annahmeverzug befindet;

4. die Beklagten jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch zu verurteilen, sie von den durch die Beauftragung ihrer Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils 1.680,28 € freizustellen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte zu 1) ist der Ansicht, sich eine etwaige Täuschung der Beklagten zu 2) als unabhängige Händlerin nicht zurechnen lassen zu müssen. Für ein Rücktrittsrecht der Klägerin fehle es bereits an einem Sachmangel, jedenfalls aber an einer Fristsetzung zur Nacherfüllung. Die Beklagte zu 2) bestreitet, die Klägerin getäuscht und geschädigt zu haben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

A.

Die Klage ist insgesamt zulässig.

Soweit die Klägerin mit dem Klageantrag zu 2. die Feststellung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten zu 2) begehrt und sich in der Klagebegründung (dort S. 69) auch gegenüber der Beklagten zu 2) eines Rückabwicklungsanspruches im Wege der Naturalrestitution berühmt, wäre diese Forderung zwar bezifferbar mit der Folge, dass dem Feststellungsantrag an sich wegen Vorrangs der Leistungsklage ein rechtliches Interesse i. S. von § 265 Abs. 1 ZPO fehlen würde. In den Fällen, in denen eine solche Feststellungsklage gegen den Hersteller von Fahrzeug und/oder Motor nicht isoliert erhoben, sondern - wie vorliegend - mit dem Klageantrag zu 1. der Autoverkäufer auf Rückabwicklung in Anspruch genommen wird, erachtet die Kammer den gegen den Hersteller gerichteten Feststellungsantrag jedoch für zulässig, soweit dieser sich auf den Ersatz etwaiger, noch nicht bezifferbarer Schäden bezieht, die über die vom Autoverkäufer begehrte Rückabwicklung hinausgehen.

B.

In der Sache hat die Klage keinen Erfolg.

Der Klägerin steht weder ein Rückabwicklungsanspruch gegen die Beklagte zu 1) (I.) noch ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) zu (II.). Mangels Begründetheit der Hauptforderungen zu 1. und 2. konnten auch die Klageanträge zu 3. und 4. keinen Erfolg haben.

I.

Die Klägerin hat den Autokaufvertrag mit der Beklagten zu 1) weder wirksam gem. § 123 BGB angefochten (1.) noch durch Rücktritt gem. §§ 434 Abs. 1, 347 Nr. 2, 323, 346 BGB in ein Abwicklungsverhältnis gewandelt (2.). Ein solches kann sie auch nicht aus §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280, 281 BGB (3.) oder aus den Grundsätzen der Prospekthaftung herleiten (4.).

1. Die Anfechtungserklärung im Anwaltsschreiben der Klägerin vom 14.02.2015 konnte schon deshalb keine Wirkung entfalten, weil die Klägerin von der Beklagten zu 1) unstreitig nicht getäuscht worden ist. Soweit die Klägerin eine arglistige Täuschung seitens der Beklagten zu 2) als Fahrzeugherstellerin behauptet, wäre der Beklagten zu 1) als Vertragshändlerin eine solche entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zuzurechnen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 30.06.2016 - 7 W 26/16 -, juris Rn. 8 m. w. N.). Vielmehr wäre die Beklagte zu 2) als Dritter i. S. von § 123 Abs. 2 BGB anzusehen mit der Folge, dass die Beklagte zu 1) die Täuschung hätte kennen müssen, was wiederum unstreitig nicht der Fall ist.

2. Soweit die Klägerin mit ihrem Anwaltsschreiben vom 14.12.2015 hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hat, war das streitgegenständliche Fahrzeug zwar bei Gefahrübergang mit einem Sachmangel behaftet, weil es mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgestattet war, die aufgrund des Bescheides des KBA vom 15.10.2015 zu beseitigen ist, womit der Klägerin die Gewährleistungsrechte aus § 437 BGB eröffnet worden sind (a). Doch ist auch die Rücktrittserklärung nicht wirksam geworden, weil die Klägerin der Beklagten zu 1) zuvor entgegen § 323 Abs. 1 BGB keine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und eine solche Fristsetzung auch nicht entbehrlich war (b).

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH NJW-RR 2007, 398, 399 [BGH 21.09.2006 - IX ZR 89/05] m. w. N.), der die Kammer folgt, sind Verwaltungsakte in den Grenzen ihrer Bestandskraft für andere Gerichte und Behörden bindend. Gerichte haben Verwaltungsakte deshalb, auch wenn sie fehlerhaft sein sollten, grundsätzlich zu beachten, solange sie nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein zuständiges Gericht aufgehoben worden sind. Sie haben die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung oder Feststellung unbesehen, d. h. ohne eigene Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes, zu Grunde zu legen. Durch den bestandskräftigen Rückrufbescheid des KBA vom 15.10.2015 und dessen Freigabebestätigung vom 03./21.11.2016 ist in diesem Sinne bindend festgestellt bzw. geregelt,

dass es sich bei der in den betreffenden Fahrzeugen verwendeten Software um eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 handelt;

dass die Beklagte zu 2) zur Vermeidung des Widerrufs oder der Rücknahme der Typgenehmigungen verpflichtet ist, diese unzulässigen Abschalteinrichtungen zu entfernen und geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Vorschriftsmäßigkeit zu ergreifen, was durch Beibringen geeigneter Nachweise zu belegen ist;

dass für die betroffenen Fahrzeuge dieser Nachweis inzwischen geführt wurde und dass die von der Beklagten zu 2) vorgestellte Änderung der Applikationsdaten geeignet ist, die Vorschriftsmäßigkeit der genannten Fahrzeuge herzustellen;

dass das KBA dabei folgende Sachverhalte mit folgenden Ergebnissen überprüft hat: keine unzulässigen Abschalteinrichtungen mehr, vorhandene Abschalteinrichtungen zulässig, Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen eingehalten, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen in Prüfungen durch einen Technischen Dienst bestätigt, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment unverändert sowie bisherige Geräuschemissionswerte unverändert.

Aus diesen Feststellungen und Regelungen ergibt sich für die zivilrechtliche Würdigung, dass

es sich bei der unzulässigen, zu beseitigenden Abschalteinrichtung um einen Sachmangel i. S. von § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB handelt und dass

die vom KBA freigegebene technische Überarbeitung durch ein Software-Update und den Einbau eines Strömungsgleichrichters geeignet ist, diesen Mangel gem. § 439 Abs. 1, 1. Alt. BGB zu beseitigen, die Nachbesserung mithin möglich ist (so im Ergebnis auch OLG Hamm, Beschluss vom 21.06.2016 - 28 W 14/16 -, juris Rn. 37).

b) § 323 Abs. 1 BGB bestimmt, dass der Gläubiger dem Schuldner vor dem Rücktritt erfolglos eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt haben muss. Eine solche Frist hat die Klägerin der Beklagten zu 1) unstreitig nicht gesetzt. Die Fristsetzung war entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht entbehrlich, weil keiner der hier in Betracht kommenden Ausnahmetatbestände erfüllt war.

aa) § 326 Abs. 5 i. V. m. § 275 Abs. 1 BGB berechtigt zum Rücktritt ohne vorherige Fristsetzung, wenn die Nacherfüllung unmöglich ist. Das ist hier nicht der Fall, weil durch die Freigabebestätigung des KBA vom 03./21.11.2016 festgestellt ist, dass der in der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung bestehende Mangel durch die von der Beklagten zu 2) vorgestellten technischen Maßnahmen behoben wird und dass dadurch auch keine Nachteile für Grenzwerte und andere Anforderungen an emissionsmindernde Einrichtungen, ursprünglich vom Hersteller angegebene Kraftstoffverbrauchwerte und CO2-Emissionen, bisherige Motorleistung und maximales Drehmoment sowie bisherige Geräuschemissionswerte verbleiben.

Zwar lag zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung diese Freigabebestätigung noch nicht vor. Eine nur vorübergehende Unmöglichkeit der Nacherfüllung kann einer dauerhaften Unmöglichkeit aber nur dann gleichgestellt werden, wenn sie die Erreichung des Geschäftszwecks in Frage stellt und dem anderen Teil das Festhalten am Vertrag bis zum Wegfall des Leistungshindernisses nicht zugemutet werden kann (vgl. Palandt-Grünberg, BGB, 76. Aufl., § 275 Rn. 11 m. w. N.). Eine solche Situation bestand vorliegend nicht. Wenn die Klägerin mit ihrem Anwaltsschreiben vom 14.12.2015 nicht gleich Anfechtung und Rücktritt erklärt, sondern der Beklagten vielmehr eine Frist zur Nacherfüllung gesetzt hätte, hätte sie bereits aus dem Antwortschreiben der Beklagten zu 1) vom 23.12.2015 erfahren, dass alle betroffenen Fahrzeuge weiterhin technisch sicher, fahrbereit und uneingeschränkt im Straßenverkehr nutzbar waren, dass die Fahrzeuge nach Abstimmung mit dem KBA auf Kosten der Beklagten zu 2) eine technische Lösung erhalten würden, für die die Beklagte zu 2) dem KBA einen Maßnahmenplan vorgelegt hatte, dass die Beklagte zu 2) mit Hochdruck an den technischen Lösungen arbeitete und die Klägerin schnellstmöglich über den Zeitplan und die geplanten Maßnahmen informieren würde und dass die Beklagte zu 1) bis zum 31.12.2016 auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtete.

Soweit die Klägerin einen verbleibenden merkantilen Minderwert behauptet, wäre ein solcher zwar geeignet, die Unmöglichkeit der Nachbesserung zu begründen (vgl. OLG Celle a. a. O. Rn. 7). Das hätte aber ein entsprechend substantiiertes Vorbringen vorausgesetzt. Für den Fall eines sog. Unfallwagens ist anerkannt, dass der Charakter des Fahrzeugs als Unfallwagen und ein damit verbundener merkantiler Minderwert als Mangel auch nach einer technischen Reparatur verbleibt (vgl. BGH, Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 330/06 -, juris Rn. 23). Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die am Gebrauchtwagenmarkt gewonnene Erfahrung, dass trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines Fahrzeugs bei einem großen Teil der Kaufinteressenten, vor allem wegen des Verdachts verborgen gebliebener Schäden, eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Fahrzeuge besteht (so schon BGH, Urteil vom 29.04.1958 - VI ZR 82/57 -, juris Rn. 4). Diese Rechtsprechung ist jedoch auf die vorliegende Fallkonstellation nicht übertragbar, weil es im Zusammenhang mit dem sog. Abgasskandal an einer vergleichbaren am Markt gewonnenen Erfahrung fehlt.

Die Klägerin hätte deshalb einen Preisverfall, der gerade auf die unzulässige Abschalteinrichtung zurückzuführen ist, schon konkret darlegen müssen. Das wäre ihr, wenn es eine solche Wertverschiebung denn gäbe, auch ohne Weiteres möglich gewesen, weil der Kraftfahrzeugmarkt generell schon sehr transparent ist (wie z. B. durch die sog. Schwacke-Liste) und die Preisentwicklung von gebrauchten Dieselfahrzeugen zudem unter besonderer medialer Aufmerksamkeit (wie z. B. durch das „DAT Diesel-Barometer“) steht. Ohne solche Anknüpfungstatsachen würde aber die dazu angebotene Einholung eins Sachverständigengutachtens auf einen im Zivilprozess nicht zulässigen Ausforschungsbeweis hinauslaufen.

bb) Nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB ist eine Fristsetzung entbehrlich, wenn im Falle einer nicht vertragsgemäß erbrachten Leistung besondere Umstände vorliegen, die unter Abwägung der beiderseitigen Interessen den sofortigen Rücktritt rechtfertigen. Das kommt hier unter zwei Gesichtspunkten in Betracht, nämlich dem des arglistigen Verschweigens des Mangels und dem der Befürchtung, dass das Software-Update nebst Einbau eines Strömungsleitrichters entweder nicht erfolgreich sein oder zu Folgemängeln führen könnte. Beide Gesichtspunkte dringen im Ergebnis aber nicht durch.

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 08.12.2006 - V ZR 249/05 -, juris m. w. N.) ist der Käufer im Regelfall berechtigt, gem. § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB sofort vom Kaufvertrag zurückzutreten, wenn der Verkäufer dem Käufer einen Mangel bei Abschluss des Kaufvertrages arglistig verschwiegen hat. Soweit hier wieder ein arglistiges Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung und des damit verbundenen Verstoßes gegen Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 in den Blick kommt, kann zum einen, wie bereits ausgeführt (s. o. B. I. 1.) ein solches arglistiges Verschweigen der Beklagten zu 1) weder selbst vorgeworfen noch zugerechnet werden. Zum anderen beruht diese Rechtsprechung auf dem Gedanken, dass eine arglistige Täuschung die für die Nacherfüllung erforderliche Vertrauensgrundlage in der Regel beschädigt (vgl. BGH, a. a. O., Rn. 13). Diese ohnehin nur „in der Regel“ anzunehmende Erwägung greift vorliegend schon deshalb nicht, weil die Nachbesserung in Abstimmung mit dem KBA, d. h. der dafür zuständigen, unabhängigen Bundesbehörde und damit unter staatlicher Aufsicht erfolgt.

Die bloße Möglichkeit oder Befürchtung, dass nach der (ersten) Nachbesserung Mängel verbleiben oder neue Mängel entstehen, begründet nicht die Entbehrlichkeit einer Fristsetzung zur Mangelbeseitigung. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber vielmehr in § 440 S. 2 BGB ausdrücklich berücksichtigt. Danach gilt eine Nachbesserung jedenfalls grundsätzlich erst nach dem erfolglosen zweiten Versuch als fehlgeschlagen. Der Käufer hat das beschriebene Risiko also zunächst hinzunehmen. Die Rechte aus § 437 Nr. 2 BGB bleiben ihm für den Fall, dass die durchgeführte Nachbesserung fehlschlagen sollte, unbenommen.

Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang insbesondere auf eine mögliche Lebenszeitverkürzung von Motorbauteilen verweist, kommt hinzu, dass die Beklagte zu 1) bei Abschluss des Kaufvertrages gar keine Zusagen betreffend die Lebensdauer von Motorbauteilen gemacht hat, die darüber hinausgehen, dass auftretende Mängel innerhalb der gesetzlichen Gewährleistung beseitigt werden. Der Nacherfüllungsanspruch des Käufers kann aber nicht weiter reichen als der ursprüngliche Erfüllungsanspruch.

cc) Der in § 440 S. 1 3. Alt. BGB geregelte Ausnahmetatbestand der Entbehrlichkeit einer Fristsetzung, wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung diesem unzumutbar ist, setzt schon begrifflich voraus, dass die Nacherfüllung als solche möglich ist. Daraus und aus der verwendeten Formulierung „außer in den Fällen des … § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht“ ergibt sich, dass es sich um eine Spezialregelung für Fälle handelt, die nicht schon von den §§ 326 Abs. 5 und 323 Abs. 2 BGB erfasst werden. Unter welchem Gesichtspunkt danach hier § 440 S. 1 3. Alt. BGB hier noch einschlägig sein sollte, ist nicht ersichtlich.

3. Aus den gleichen Gründen scheiden auch kaufrechtliche Schadensersatzansprüche nach §§ 434 Abs. 1, 437 Nr. 3, 280 Abs. 3, 281 BGB aus. § 281 BGB setzt nämlich ebenfalls den erfolglosen Ablauf einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung voraus, und der in § 281 Abs. 2 BGB geregelte Ausnahmetatbestand entspricht dem des § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB (s. o. B. I. 2. b bb).

4. Für die von der Rechtsprechung für den nicht gesetzlich regulierten und organisierten sog. Grauen Kapitalmarkt entwickelten Grundsätze der Prospekthaftung ist beim Autokauf neben dem Gewährleistungsecht, das ohnehin schon durch § 434 Abs. 1 S. 3 BGB Prospektangaben zur Beschaffenheit zählt, kein Raum. Die Prospekthaftung geht davon aus, dass der Emissionsprospekt in der Regel die einzige Informationsquelle des Anlegers ist. Nur unter der Voraussetzung, dass die durch den Prospekt vermittelte Information vollständig und richtig ist, kann der Kunde die ihm angebotene Kapitalanlage objektiv beurteilen und sein Anlagerisiko, das ihm ohnehin verbleibt, richtig einschätzen (vgl. BGH, Urteil vom 31.05.1990 - VII ZR 340/88 -, juris Rn. 14). Anders als bei Kapitalanlagen steht für die Entscheidung über den Erwerb eines bestimmten Fahrzeugs eine Vielzahl verschiedener Informationsquellen zur Verfügung. Der Kaufinteressent kann sich etwa in diversen Autotest- und Fachzeitschriften sowie im Internet über das jeweilige Fahrzeug informieren und ein ihn interessierendes Fahrzeug anschauen und sogar probefahren (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017 - 3 O 21/17 -, juris Rn. 56).

II.

Die Ausführungen zur Prospekthaftung (s. o. B. I. 4.) gelten für die Beklagte zu 2) entsprechend. Die Klägerin kann ihre Schadensersatzforderung gegen die Beklagte zu 2) aber auch nicht aus Vertrauens- bzw. Garantiehaftung im Hinblick auf die EG-Übereinstimmungsbescheinigung (1.) aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB (2.), i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV (3.), i. V. m. § 16 UWG (4) bzw. § 4 Nr. 11 a. F. UWG (5.), aus § 826 BGB (6.) oder § 831 BGB (7.) herleiten.

1. Aus der von der Beklagten zu 2) am 05.07.2012 ausgestellten EG-Übereinstimmungsbescheinigung (Anlage R 30a) ergibt sich anders, als die Klägerin meint, weder eine Haftung aus §§ 311 Abs. 3, 241 Abs. 2 BGB noch aus § 443 BGB.

Eine Beeinflussung der Vertragsverhandlungen durch die Übereinstimmungsbescheinigung scheidet schon deshalb aus, weil sie zeitlich erst nach Vertragsschluss in Erfüllung dessen zusammen mit dem Fahrzeug übergeben worden ist.

Durch die Entgegennahme der EG-Übereinstimmungsbescheinigung durch die Klägerin ist aber auch keine selbständige Garantie i. S. von § 443 BGB zustande gekommen, weil der Übereinstimmungsbescheinigung weder ihrem Wortlaut noch ihrem Zweck nach ein solcher Erklärungs- und Rechtsbindungswillen beigemessen werden kann.

Ihrem Wortlaut nach wird in der EG-Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht einmal an den Kläufer adressiert ist, sondern gem. § 6 Abs. 1 S. 1 EG-FGV lediglich dem Fahrzeug beizufügen ist, nur „bestätigt“, dass der streitgegenständliche xxx mit dem in der Genehmigung beschriebenen Typ übereinstimmt. Der Zweck der Übereinstimmungsbescheinigung besteht in der Vereinfachung und Formalisierung des Zulassungsverfahrens: Die Zulassungsbehörden sollen allein aufgrund der vorgelegten Übereinstimmungsbescheinigung das jeweilige Fahrzeug zulassen (§ 6 Abs. 3 S. 1 FZV), d. h. ohne die vom KBA im Genehmigungsverfahren geprüften materiellen Anforderungen erneut prüfen zu müssen. Die Übereinstimmungsbescheinigung dient also allein dazu, die problemlose Zulassung des jeweiligen Fahrzeugs zu gewährleisten.

Vor diesem Hintergrund bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Ausstellung der Übereinstimmungsbescheinigung im Sinne einer selbständigen Garantie zu einer über die gesetzliche Mängelgewährleitung des jeweiligen Verkäufers hinausgehenden Haftung verpflichten wollte (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 37 ff., 51, 176).

2. Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 i. V. m. § 263 StGB wäre zunächst eine Täuschung der Klägerin durch die Beklagte zu 2). Hinreichend dargetan hat die Klägerin eine Täuschung über das streitgegenständliche Fahrzeug allein hinsichtlich der verwendeten unzulässigen Abschalteinrichtung. Insoweit ist aber keine aktive Täuschungshandlung der Beklagten zu 2) ersichtlich, sondern allenfalls eine Täuschung durch Unterlassen der Aufklärung über die unzulässige Abschalteinrichtung.

Eine solche Täuschung durch Unterlassen setzt eine Garantenstellung gem. § 13 Abs. 1 StGB voraus, d. h. dass der Täter als „Garant“ für die Abwendung des Erfolgs einzustehen hat. Soweit es - wie hier - um Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit einem Kaufvertrag geht, wird eine solche Aufklärungspflicht beim Verkäufer, mit dem immerhin ein Vertragsverhältnis besteht, erst dann gesehen, wenn es um wertbildende Faktoren der Kaufsache von ganz besonderem Gewicht geht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.1993 - 3 St RR 127/93 -, juris Rn. 24 f.). Das muss für den vertraglich nicht mit dem Käufer verbundenen, mithin weiter entfernten Fahrzeughersteller erst recht gelten.

Eine Aufklärungspflicht der Beklagten zu 2) würde gleichwohl dann bestehen, wenn, wie die Klägerin meint, infolge der Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung die EG-Typgenehmigung für sein Fahrzeug erloschen wäre. Das ist aber nicht der Fall. Nach § 19 Abs. 7 in Verbindung mit Abs. 2 StVZO erlischt die Betriebserlaubnis in Form der Wirksamkeit der EG-Typgenehmigung für das einzelne Fahrzeug zwar dann, wenn Änderungen vorgenommen werden, durch die das Abgas- oder Geräuschverhalten verschlechtert wird. Nach Auffassung der Kammer sind damit jedoch nur Veränderungen gemeint, die nach Abschluss des Produktionsprozesses vorgenommen werden. Hierfür spricht nicht nur der Wortlaut, sondern auch die historische Auslegung der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat nämlich in der Bundesrats-Drucksache 629/93 zur 16. Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften, mit dem unter anderem § 19 Abs. 2 StVZO geändert wurde und ihre im Wesentlichen bis heute geltende Fassung erhielt, ausgeführt, dass „die bisherigen EWG-Vorschriften keine Aussagen über Veränderungen an bereits zugelassenen Fahrzeugen treffen“ und daher „gegenwärtig der Schluss gezogen werden [kann], dass den EG-Mitgliedstaaten die Regelungen von Veränderungen an bereits im Verkehr befindlichen Fahrzeugen überlassen ist“ (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 117 ff., 137 ff.).

Auch droht keine Entziehung der EG-Typgenehmigung insgesamt, weil das KBA in seinem Bescheid vom 15.10.2015 sein gem. § 25 Abs. 3 EG-FGV zustehendes Ermessen gerade nicht dahingehend ausgeübt hat, dass es eine Entziehung der EG-Typgenehmigung in die Wege geleitet hat. Die Behörde ist vielmehr nach § 25 Abs. 2 EG-FGV vorgegangen und hat Nebenbestimmungen zur bestehenden Typgenehmigung angeordnet. Doch selbst eine Entziehung der Typgenehmigung hätte erst dann die Folge der Nichtnutzbarkeit des klägerischen Fahrzeugs, wenn die zuständige Landesbehörde daraufhin wiederum von dem ihr gem. § 5 FZV zustehenden Ermessen Gebrauch machen würde, die Nutzung des Fahrzeugs dauerhaft zu untersagen, was eine Entziehung der Zulassung beinhalten würde.

Dass die Verwendung der zwar unzulässigen, aber allein durch ein vom KBA freigegebenes Software-Update nebst Einbau eines Strömungsgleichrichters zu beseitigende Abschalteinrichtung auf andere Weise einen wertbildenden Faktor darstellt, dem der Markt ein ganz besonderes Gewicht beimisst, ist weder hinreichend vorgetragen noch ersichtlich. Das gilt insbesondere für den von der Klägerin behaupteten Verbleib eines merkantilen Minderwerts (s. o. B. I. 2 b aa).

Eine Garantenpflicht der Beklagten zu 2) zugunsten der Klägerin ergibt sich auch nicht aus pflichtwidrigem Vorverhalten (Ingerenz). Die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung stellt zwar ein pflichtwidriges Vorverhalten dar. Eine Pflichtwidrigkeit löst im Einzelfall aber nur dann eine Garantenpflicht aus, wenn die verletzte Norm gerade dem Schutz des fraglichen Rechtsgutes zu dienen bestimmt ist (vgl. Schönke/Schröder-Stree/Bosch, StGB, 28. Aufl., § 13 Rn. 35a m. w. N.). Den Erwägungsgründen (1) bis (6) und (27) der verletzten Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ist zu entnehmen, dass diese nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen dient, sondern der Weiterentwicklung des Binnenmarkts durch Harmonisierung der technischen Vorschriften über die Typgenehmigung von Kraftfahrzeugen hinsichtlich ihrer Emissionen, insbesondere mit dem Ziel der erheblichen Minderung der Stickstoffoxidemissionen bei Dieselfahrzeugen zur Verbesserung der Luftqualität und zur Einhaltung der Luftverschmutzungsgrenzwerte. Der von der Klägerin geltend gemachte Vermögensschaden fällt daher nicht in den Schutzbereich dieser Norm.

Damit scheidet ein Schadensersatzanspruch wegen Betruges aus.

3. Entsprechendes gilt für § 823 Abs. 2 i. V. m. §§ 6, 27 EG-FGV. Denn unabhängig davon, ob die Beklagte zu 2) diese Vorschriften verletzt hat, fehlt ihnen der von § 823 Abs. 2 vorausgesetzte Schutzgesetzcharakter. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (EuGH-Vorlage vom 09.04.2015 - VII ZR 36/15 -, juris Rn. 20, 23) ist eine Norm als Schutzgesetz anzusehen, wenn sie nach Zweck und Inhalt zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt und Zweck des Gesetzes sowie darauf an, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zu Gunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Bei Vorschriften, die - wie hier die EG-FGV - Richtlinien umsetzen, kommt es nach der gebotenen richtlinienkonformen Auslegung insoweit maßgeblich auf den Inhalt und Zweck der Richtlinie - hier der Richtlinie 2007/46/EG - an.

Den Erwägungsgründen (2), (4) und (23) zufolge bezweckt die Richtlinie 2007/46/EG die Vollendung des Binnenmarkts und dessen ordnungsgemäßes Funktionieren. Darüber hinaus sollen die technischen Anforderungen in Rechtsakten harmonisiert und spezifiziert werden, wobei die Rechtsakte vor allem auf eine hohe Verkehrssicherheit, hohen Gesundheits- und Umweltschutz, rationelle Energienutzung und wirksamen Schutz gegen unbefugte Benutzung abzielen. An keiner Stelle lässt sich hingegen ein Hinweis dafür finden, dass der Richtliniengeber darüber hinaus den Schutz des einzelnen Fahrzeugerwerbers bzw. -besitzers gegen Vermögensbeeinträchtigungen im Blick hatte. Auch der nationale Gesetzgeber hat in der Begründung zur EG-FGV (S. 36 der BR-Drucks. 190/09) in Übereinstimmung damit ausführt, dass die Richtlinie dem Abbau von Handelshemmnissen und der Verwirklichung des Binnenmarktes der Gemeinschaft dienen und die EG-FGV darüber hinaus zur Rechtsvereinfachung und zum Bürokratieabbau beitragen soll (vgl. Urteil der Kammer vom 31.08.2017, a. a. O., Rn. 189 ff.).

4. Soweit die Klägerin ihre Schadensersatzforderung auf § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 16 UWG stützt, dient § 16 UWG zwar ohne Zweifel dem Schutz des Verbrauchers. Es ist aber nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 2) i. S. von § 16 Abs. 1 UWG den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorrufen wollte. Der Vorwurf der Klägerin geht im Kern dahin, dass die Beklagte zu 2) mit der Einhaltung der Grenzwerte der Euro 5-Norm geworben hat. Diese mussten aber alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten. Damit wäre also kein besonderer Vorteil angepriesen.

5. Ob § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 auch ein Schutzgesetz i. S. von § 823 Abs. 2 BGB darstellt, kann hier dahinstehen, weil die Beklagte zu 2) jedenfalls nicht gegen Vorschriften verstoßen hat, deren Einhaltung § 4 Nr.11 a. F. UWG schützt. §§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr. 5 u. 6 Pkw-EnVKV). Die Klägerin bezweifelt aber selbst nicht, dass die genannten Werte im Typgenehmigungsverfahren (Fahrkurven des NEFZ) erzielt wurden.

6. Für eine Haftung aus § 826 reicht allein der - feststehende - Verstoß gegen die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 nicht aus. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr schon 1985 entschieden (Urteil vom 11.11.1985 - II ZR 109/84 -, juris Rn. 15 m. w. N.), dass für Ansprüche aus unerlaubter Handlung allgemein gilt, dass die Ersatzpflicht auf solche Schäden begrenzt ist, die in den Schutzbereich des verletzten Ge- oder Verbots fallen und dass auf eine derartige Eingrenzung der Haftung, um das Haftungsrisiko in angemessenen und zumutbaren Grenzen zu halten, auch im Rahmen des § 826 nicht verzichtet werden kann. Wie bereits ausgeführt (s. o. B. II. 2.), dient die EG-Verordnung aber nicht dem Schutz individueller Vermögensinteressen.

Damit verbleibt auch insoweit allenfalls eine Täuschung durch Verschweigen der unzulässigen Abschalteinrichtung. Das Verschweigen eines Umstandes rechtfertigt aber nicht ohne Weiteres den Vorwurf eines Sittenverstoßes, sondern nur dann, wenn eine Seite der anderen zu entsprechender Offenbarung verpflichtet ist. Eine Offenbarungspflicht entsteht, wenn die andere Seite nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte eine Mitteilung erwarten durfte. Auch innerhalb einer vertraglichen Beziehung darf der Vertragspartner nach Treu und Glauben nicht eine vollumfängliche Information über alle Belange des Geschäftes erwarten. Es besteht keine allgemeine Offenbarungspflicht, weil im Vertragsrecht zunächst jedes Privatrechtssubjekt für die Verteidigung seiner Interessen selbst verantwortlich ist. Das gilt insbesondere für den Kaufvertrag, der von gegensätzlichen Interessen geprägt ist. Die Grenze des nach der Verkehrsauffassung Hinnehmbaren ist auch im Rahmen von § 826 BGB erst dann überschritten, wenn es um erhebliche wertbildende Umstände beim Kaufvertragsabschluss geht (vgl. Palandt-Sprau, BGB, 76. Aufl., § 826 Rn. 20 m. w. N.). Wie bereits im Zusammenhang mit der Garantenstellung (§ 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 263 StGB) ausgeführt (s. o. B. II. 2.), trifft das auf die Verwendung der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht zu.

7. Mangels erfüllter deliktischer Haftungstatbestände vermag schließlich auch § 831 BGB den Klageantrag zu 2. nicht zu begründen.

C.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.

D.

Die im Beschlusswege erfolgte Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 48 GKG, § 3 ZPO.