Landgericht Braunschweig
Beschl. v. 21.02.2017, Az.: 16 KLs 411 Js 22675/10

Bibliographie

Gericht
LG Braunschweig
Datum
21.02.2017
Aktenzeichen
16 KLs 411 Js 22675/10
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2017, 54302
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Tenor:

Die Erinnerung der Bezirksrevisorin gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 01.12.2017 wird zurückgewiesen.

Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

Der Verteidiger wurde dem Angeklagten xxx mit Beschluss vom 28.05.2014 als notwendiger Verteidiger beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 01.10.2017 beantragte der Verteidiger die Festsetzung von im Rahmen seiner Beiordnung berechneter Gebühren und Auslagen, unter anderem eine Dokumentenpauschale nach Ziff. 7000 für 17.497 Stück zu einer Summe von 2.642,05 €. Mit Beschluss vom 09.11.2017 wurden die aus der Landeskasse im Vorschusswege zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 6.885,40 € festgesetzt. Mit Entscheidung vom 10.11.2017 wurde die Auszahlung auf 3.741,36 € beschränkt, dabei wurde der auf die Dokumentenpauschale entfallende Gesamtbetrag von 3.144 € brutto in Abzug gebracht.

Auf Nachfrage teilte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 18.11.2017 mit, ihm seien mit gerichtlichem Schreiben vom 12.05.2017 die Akten in sieben Umzugskartons übersandt worden. Die Akten seien vollständig durchkopiert worden, weil er damals noch mit Papierakten gearbeitet habe. Er versicherte, die Kopien dienten ausschließlich Verteidigungszwecken. Erst später sei ein interner Scan der gefertigten Ablichtungen erfolgt.

Am 01.12.2017 teilte der Verteidiger mit, mit einem Abzug von 10 % der beantragten Kopieauslagen einverstanden zu sein. Mit Beschluss vom 01.12.2017 wurde die zu erstattende Dokumentenpauschale unter Abzug von 262,50 € auf 2.379,55 € festgesetzt und der Betrag überwiesen, wobei ein Teilbetrag von 879,72 € aufgrund der Aufrechnungserklärung des Verteidigers vom 10.11.2017 an die Finanzkasse Braunschweig überwiesen wurde.

Die Erinnerung der Bezirksrevisorin richtet sich gegen die Festsetzung vom 01.12.2017 mit dem Antrag, dem Verteidiger den Erstattungsbeitrag in voller Höhe abzusprechen und den überzahlten Betrag zurückzufordern. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung mit Entscheidung vom 13.12.2017 nicht abgeholfen und sie dem Gericht vorgelegt.

II.

Die Erinnerung ist zulässig nach §§ 56 Abs. 1, Abs. 2 StPO. Die Zuständigkeit des Einzelrichters ergibt sich aus § 33 Abs. 8 RVG.

In der Sache hat die Erinnerung keinen Erfolg. Die Festsetzung der Auslagen im Beschluss vom 01.12.2017 ist begründet.

Dem Grunde nach steht dem Verteidiger eine Erstattung der Dokumentenpauschale im Zusammenhang mit seiner Beiordnung nach Ziffer 7000 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG zu. Die Pauschale für die Herstellung von Kopien beträgt demnach für die ersten 50 abzurechnen Seiten 0,50 €, für jede weitere Seite 0,15 €.

Der Verteidiger hat die Erstattung der Pauschale für 17.497 Seiten beantragt. Die Kopien wurden im Büro des Verteidigers aus den für eine Woche zur Verfügung gestellten Verfahrensakten, die zu jener Zeit sieben Umzugskartons füllten, angefertigt.

Eine Dokumentenpauschale nach Nummer 7000 Ziff. 1 a VV RVG entsteht, soweit die Herstellung der Kopien zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Ob die Anfertigung zur sachgerechten Bearbeitung erforderlich ist, beurteilt sich im Einzelfall nach dem objektiven Standpunkt eines vernünftigen sachkundigen Dritten (OLG Nürnberg, Beschluss vom 30.5.2017, 2 Ws 98/17, zitiert nach juris). Maßgeblich ist die Sicht eines verständigen und durchschnittlich erfahrenen Verteidigers, wenn er sich mit der betreffenden Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können (BGH, Beschluss vom 26.04.2005, X ZB 17/04, zitiert nach juris). Dem Verteidiger ist ein gewisser Ermessensspielraum unter Beachtung des Grundsatzes der kostenschonenden Prozessführung zuzubilligen (OLG Celle, Beschluss vom 28.11.2011, 1 Ws 415/11, zitiert nach juris).

Die Herstellung der Kopien war im vorliegenden Fall geboten. Dem von dem Verteidiger vertretenen Angeklagten werden zum Teil täterschaftlich, zum Teil mittäterschaftlich mit weiteren Angeklagten begangene Taten zur Last gelegt. Es ist daher aus Sicht des Verteidigers nicht von vornherein ausgeschlossen, dass auch andere Taten als die dem von ihm vertretenen Angeklagten allein zur Last gelegten sich für seine Verteidigung als bedeutsam erweisen. Hinzu kommt, dass es dem Verteidiger bei Überlassung der Akten in sieben Umzugskartons für eine Woche nicht zugemutet werden konnte, jeden Aktenband im Einzelnen auf relevante Einzelurkunden durchzusehen. Die in den seitens der Bezirksrevisorin aufgeführten Entscheidungen genannten Fälle betrafen Sachverhalte, in denen der Aktenumfang deutlich geringer als im vorliegenden Wirtschaftsstrafverfahren war, zum Teil nur einige 100 oder einige 1000 Seiten. Auf einer Akte mit damals über 17.000 Seiten sind die genannten Entscheidungen aus diesem Grund nicht pauschal übertragbar, es kommt auf die Besonderheiten des Einzelfalls an.

Soweit sich in den Akten tatsächlich Unterlagen befinden, die sich ex ante für die konkrete Verteidigung als nicht geboten erweisen, so kann dem mit einem pauschalen Abschlag von 10 % - wie geschehen - Rechnung getragen werden.

Die Entscheidung des OLG Köln (Beschluss vom 16.7.2012, III - 2 Ws 499/12, 2 W 499/12, zitiert nach juris) steht dem nicht entgegen. Demnach stellt das ungeprüfte vorsorgliche Ablichten der gesamten Akte, die regelmäßig für die Verteidigung irrelevante Dokumente wie Verfügungen oder Empfangsbekenntnisse enthält, keine ordnungsgemäße Ausübung des Ermessens mehr dar. Kopien sind demnach nur in dem Rahmen abrechnungsfähig, indem sie aus der ex-ante Sicht des Verteidigers zu fertigen gewesen wären. Ein solcher Fall „vorsorglichen Ablichtens“ liegt nicht vor, da dem unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls der Umfang der Sache entgegensteht.

Auch aus der Entscheidung des OLG Koblenz (Beschluss vom 16.11.2009 - 2 Ws 526/09, zitiert nach juris) ergibt sich für den vorliegenden Fall nichts anderes. In jenem Fall war ein vollständiges Aktendoppel für den Angeklagten gefertigt und die Erstattung dieser Auslagen beantragt worden.

Für die Verfahrenskosten gilt § 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG.